Mic
»Hey Ma, wie geht’s?«, frage ich und klemme mir mein Telefon zwischen Schulter und Ohr.
Sie seufzt. »Du hast dich lange nicht gemeldet. Habt ihr den Typen gefunden, der Quinn die Blumen geschickt hat?«
Um sie nicht zu beunruhigen, habe ich ihnen nicht alles erzählt. Vor allem möchte ich vermeiden, dass sie sich in den nächsten Flieger hierher setzen. Dann muss ich nicht nur Quinn und Maci beschützen, sondern auch meine Eltern. »Nein, das haben wir bisher nicht. Aber wir werden ihn finden. Und Quinn hat mit dem Tanzen aufgehört.«
»Oh nein. Das ist schade. Es ist bestimmt sicherer für sie, wenn sie zu Hause bleibt.«
Ich nicke, auch wenn sie mich nicht sehen kann. »Ja, wahrscheinlich. Die Männer aus unserem Club helfen alle mit, auf sie aufzupassen.«
»Ich bin froh, dass ihr zusammenhaltet«, sagt Mom leise. Sie weiß, dass wir bei den SEALS viel durchmachen mussten. Unsere Kameradschaft hat vielen geholfen, mit dem Leben nach der Army zurechtzukommen.
Ich habe gerne gedient und meine Pflicht erfüllt. Doch die Zeit war auch hart, wenn wir Freunde bei Einsätzen verloren haben oder nicht wussten, ob wir es nach Hause schaffen würden.
»Darüber bin ich auch froh.« Ich trinke einen Schluck Wasser. »Deine Enkelin freut sich schon auf euer Gespräch heute Abend.«
»Oh, ich kann es kaum erwarten, mit meinem süßen Mädchen zu reden. Sag ihr, dass ich mich auch wahnsinnig darauf freue.«
»Das werde ich, Ma. Ich hab dich lieb. Grüß Dad von mir.« Wir verabschieden uns, und ich mache mich wieder an die Arbeit.
Nach einem weiteren Blick auf die Uhr, seufze ich, weil ich schon fünf Minuten zu spät dran bin, um Maci abzuholen. Ich warte noch immer auf Jayson. Er wollte schon vor einer halben Stunde hier sein, um sich den Entwurf für sein Motorrad anzusehen. Zwar hat er mir eine Nachricht geschickt, dass er sich verspäten wird, aber ich muss jetzt wirklich los.
Mic:
Hey, ich muss meine Tochter von der Schule abholen. Können wir uns danach treffen?
Anstatt auf eine Antwort zu warten, setze mich in meinen Navigator . Ich bin so verdammt spät dran und hoffe, dass Maci nicht allein vor der Schule auf mich wartet.
Ich fahre zum vereinbarten Treffpunkt und merke sofort, dass etwas nicht stimmt. Vor dem Gebäude stehen zwei Polizeiautos. Ich halte an und steige aus. Maci klammert sich an dem Kleid einer Frau fest.
Sie sieht mich. »Daddy.« Weinend läuft sie mir entgegen. Erleichtert nehme ich sie auf den Arm und drücke sie an mich. Während ich sie tröste, gehe ich auf die Polizisten zu, die von einer Gruppe Erwachsenen umringt auf dem Bürgersteig stehen.
»Kann mir bitte jemand sagen, was hier los ist?«, fordere ich.
»Sir, sind Sie Macis Vater?«, fragt die Frau, an die sich Maci geklammert hat.
Ich nicke. »Ja, mein Name ist Mic Griffin. Kann mir bitte jemand verraten, was passiert ist?« Ich merke, wie ich die Geduld verliere. Ich muss wissen, was nicht stimmt.
»Die Kinder wurden alle abgeholt. Und dann wurde es so hektisch. Ich weiß nicht mal mehr, welche Automarke es war. Vielleicht ein Camry . Der Wagen ist vorgefahren, aber weil ich ihn nicht kannte, habe ich ihn im Auge behalten.« Die Frau schüttelt den Kopf. »Es ging alles so schnell. Maci rannte auf das Auto zu. Plötzlich schrie sie, und ich sah, wie der Fahrer versuchte, sie durch das Fenster in den Wagen zu ziehen. Ich lief auf sie zu. Das muss den Fahrer erschreckt haben, denn er stieß Maci weg und fuhr davon.«
Mein Kiefer krampft sich zusammen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als diese Stadt in Stücke zu reißen, bis ich den Mistkerl gefunden habe, der es gewagt hat, meine Tochter anzurühren.
»Mic?« Ich drehe mich um und erkenne Cobi und Nico Mayson. Nico tritt vor und legt seine Hand auf Macis Rücken. »Wie geht es dir, Kleine?«
Sie vergräbt ihr Gesicht an meiner Schulter und klammert sich fester an mich.
»Was ist hier los?« Meine Stimme klingt bedrohlich.
»Wir müssen alle Zeugen befragen.« Cobi sieht meine Tochter an. »Bring sie am besten nach Hause. Wir folgen euch, um ihr ein paar Fragen zu stellen.«
Ich nicke. »Ja, okay.« Ich schaue zu einem anderen Mann, der sich mir als der stellvertretende Schulleiter vorstellt. »Wir werden Maci morgen zu Hause behalten.«
»Das verstehe ich. Wir werden zusätzliche Sicherheitskräfte rund um die Schule patrouillieren lassen und Informationen an die Eltern verschicken, um sie über den Vorfall in Kenntnis zu setzen.«
»Danke.« Ich trage Maci zu meinem SUV und öffne die hintere Tür. »Süße, ich muss dich absetzen, okay?«
»Nein, lass mich nicht los«, ruft sie.
»Gib mir deine Schlüssel. Du steigst hinten mit ihr ein. Ich fahre dich nach Hause«, sagt Nico, der plötzlich neben mir steht.
»Danke, Mann, ich weiß das zu schätzen.«
Ich setze mich mit Maci im Arm auf den Rücksitz und lege den Sicherheitsgurt um uns. Nico weiß, wo ich wohne, und fährt los. Ich kann meine Wut kaum im Zaum halten. Sie steigert sich jedes Mal, wenn meine Tochter zittert.
Als wir in meine Straße einbiegen, sehe ich viele meiner Freunde aus dem Club vor dem Haus stehen. Quinn lehnt sich an July, die ihr einen Arm um die Schultern gelegt hat.
Sobald unser Wagen anhält, reißt Quinn die Tür auf und schlingt ihre Arme um uns. Immer wieder küsst sie Maci auf den Kopf. »Oh mein süßes Mädchen. Komm her, Baby.«
Maci klammert sich an ihre Mom, vergräbt ihr Gesicht an Quinns Hals und fängt wieder an zu weinen. Ich halte sie beide fest und schwöre einer höheren Macht, dass ich den Kerl, der meiner Tochter das angetan hat, umbringen werde, sobald ich ihn gefunden habe.
»Du wirst das Haus rund um die Uhr überwachen können. Ich komme morgen Früh wieder, um das Sicherheitssystem zu installieren«, informiert mich Jax, als wir nach draußen gehen. Wes und July sitzen bei Quinn und Maci im Wohnzimmer.
»Danke, Mann.«
Er sieht mich genau an. »Kommst du klar?«
Ich wische mir mit den Händen über das Gesicht. »Jemand hat heute versucht, meine Tochter zu entführen.« Ich beginne, auf und ab zu laufen wie ein wütender Tiger. »Ein Kunde hat sich verspätet, und ich bin zu spät zur Schule gekommen. Ich hätte nicht auf ihn warten sollen.«
Jax tritt dicht an mich heran. »Das ist nicht deine Schuld. Er konnte nicht wissen, dass du dich verspäten wirst.«
»Ich muss immer daran denken, was hätte passieren können, wenn sie nicht geschrien hätte.« Zu gern würde ich etwas in Stücke schlagen, um mich ein bisschen abzureagieren.
»Geh zu deiner Familie. Wenn du Hilfe brauchst, sind wir für dich da.«
Ich nicke und wir verabschieden uns mit einer knappen Umarmung.
Drinnen finde ich Maci zwischen Quinn und July eingekuschelt. Es macht mich fast wahnsinnig, meine Kleine so verängstigt zu sehen. Maci kommt zu mir. Ich nehme sie auf den Arm und drücke sie fest an mich.
»Wie geht’s meinem Mädchen?«
Sie antwortet nicht, sondern schmiegt sich nur fester an mich. Wes und July stehen auf, gefolgt von Quinn. »Wir gehen jetzt. Ruf mich, wenn du mich brauchst, okay?«, sagt Wes mit ernstem Gesicht.
Ich nicke. »Danke, Mann. Ich weiß das zu schätzen.«
»Du solltest morgen lieber bei deiner Familie bleiben, statt zu arbeiten.«
July bietet Quinn an, die Jungs zu uns zu bringen, um Maci abzulenken. Sie streicht meinem Mädchen über den Rücken. »Du warst heute so tapfer, mein Schatz. Die Jungs werden dich besuchen kommen, wenn du dich wieder besser fühlst.« Sie beugt sich vor und küsst Maci auf die Wange. July lächelt mir zu. »Das wird schon wieder.«
Das glaube ich auch. Allerdings wäre uns allen geholfen, wenn der Schuldige im Gefängnis sitzt oder ich ihn in die Finger kriege, am besten Letzteres. »Danke, July.«
Sobald sie weg sind, schließe ich die Haustür ab, trage Maci zum Sofa und setze mich mit ihr hin. Wir schauen uns Bob’s Burgers im Fernsehen an. Nur wenig später schnarcht sie leise. Als wir vorhin zurückkamen, sprach Nico mit ihr. Obwohl er groß, tätowiert und verdammt furchteinflößend ist, hatte mein Mädchen überhaupt keine Angst vor ihm. Er hat ihr versichert, dass er mit ihrer Mom und mir gut befreundet ist.
Maci erzählte ihm ganz sachlich, was passiert war. Währenddessen hielt ich Quinn fest, die kurz davor war, durchzudrehen. Ich kam mir so machtlos vor, dass ich am liebsten geschrien hätte.
Über den Kerl, der Maci entführen wollte, wissen wir so gut wie nichts. Ein Weißer mit Hut und Sonnenbrille, zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Maci erinnerte sich, dass das Auto schwarz war und dunkle Scheiben hatte. Nach dem Gespräch mit Nico war sie so aufgewühlt, dass sie ihre Mom und mich nicht mehr loslassen wollte.
Als die Fernsehsendung vorbei ist, hebe ich Maci vorsichtig hoch und trage sie in ihr Zimmer. Doch bevor ich die Tür öffnen kann, steht Quinn vor mir. Sie ist immer noch blass im Gesicht. »Nein, ich will, dass sie bei uns schläft.«
»Okay.« Ich lege Maci auf unser Bett, und mein armes Mädchen rührt sich nicht einmal. Ich sehe Quinn an. »Bleibst du bei ihr? Ich bringe Lola raus und bin gleich wieder da.«
Als ich zurückkomme, liegt Quinn neben Maci, die sich an ihre Brust gekuschelt hat. Ich ziehe meine Jeans aus, schlüpfe in eine Flanellhose und lege mich auf die andere Seite des Bettes, ihnen gegenüber.
»Ich schwöre bei meinem Leben, das wird nie wieder passieren«, flüstere ich.
»Ich weiß.« Quinn nimmt meine Hand und drückt sie.
Es dauert lange, bis wir endlich Schlaf finden.