Mic
Ich halte das Telefon an mein Ohr. »Jayson, hier ist Mic. Hör zu, Mann, du lässt mich ständig abblitzen, wenn ich dich anrufe. Und wenn wir verabredet sind, erscheinst du nicht. Ich habe verdammt noch mal auf dich gewartet und kam zu spät zu meiner Tochter. Hol dein Motorrad ab, ich kündige unseren Vertrag.«
»Was sollte das denn?« Wes kommt auf mich zu.
Ich schüttle den Kopf. »Ich versuche schon seit zwei Wochen, den Besitzer der Harley zu erreichen. Der Mann ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Das ist merkwürdig. Warum bringt jemand ein Motorrad in die Werkstatt und verschwindet dann?«
Mein Telefon klingelt. Es ist Quinn. Ich gebe Wes ein Zeichen und nehme das Gespräch an. »Hey Babe …«
»D-Daddy.« Maci weint leise.
»Maci, was ist los? Wo ist deine Mom?« Ich sehe, wie sich meine Brüder um mich stellen.
»D-Der böse Mann hat Mom.«
»Wo bist du?«
Quinn hatte vorhin angerufen. Daher weiß ich, dass sie wahrscheinlich in ihrem Haus sind. Sie hat mir auch gesagt, dass sie mich liebt. Ich war so verdammt aufgeregt und glücklich, dass ich nichts darauf antworten konnte. Und sie hat mein Schweigen wohl als Ablehnung aufgefasst.
»Wir sind in unserem alten Haus. Ich habe mich in der Speisekammer versteckt.« Sie schluchzt. »Ich glaube, er tut Mom weh.«
»Bleib in deinem Versteck. Dad kommt gleich. Ich hab dich lieb.« Zusammen mit meinen Freunden laufe ich zu unseren Motorrädern. Wie ferngesteuert starte ich den Motor.
Wes hält mich auf, indem er sich vor meine Maschine stellt. »Tu nichts Unüberlegtes, Bro. Ich habe Nico eine Nachricht geschickt. Er ist schon auf dem Weg.«
Ich nicke nur.
Der Lärm unserer Motorräder ist ohrenbetäubend. Wir verlassen den Parkplatz und geben kräftig Gas. Ich habe keine Zeit mehr, meine Waffe zu holen. Mist. Ich glaube, keiner von uns hat eine dabei.
An einer Ampel bleibt Harlen neben mir stehen. »Wir sollten vor Nico da sein. Er wird ihn zerquetschen, wenn er ihn in die Finger bekommt.«
»Du hast recht. Wir teilen uns auf, und betreten das Haus von zwei Seiten«, schlage ich vor. Der Kerl könnte uns kommen sehen. Aber das ist mir egal. Ich muss Quinn und Maci da rausholen. Sofort.
Als wir das Haus erreichen, scheint Nico noch nicht da zu sein. Mit Wes hinter mir bewege ich mich dicht an der Fassade entlang zur Hintertür. Sie ist nicht verschlossen. Ich schlüpfe hinein und deute Wes den Weg zur Speisekammer. Zumindest weiß ich jetzt, dass Maci bald in Sicherheit sein wird.
Ich gehe um die Ecke und bleibe abrupt stehen. »Jayson?«, knurre ich.
Er beugt sich hinunter und hebt die bewusstlose Quinn hoch. Blut tropft aus ihrer Nase und ihrem Mund. Ein Auge ist zugeschwollen, und einer ihrer Arme hängt ungelenk nach unten.
»Was war dein Plan, als du mir dein Motorrad gebracht hast?« Ich trete näher an ihn heran und höre das Klicken der Hintertür. Maci hat das Haus verlassen. Ihr kann nichts mehr passieren.
»Ich wollte dich treffen, um zu sehen, was sie in dir sieht. Scheiße, Mann, das ist nicht mal mein Motorrad.« Er geht rückwärts auf die Haustür zu.
»Quinn gehört nicht zu dir. Sie muss ins Krankenhaus«, sage ich laut und bestimmt.
Er schaut sie an und schüttelt den Kopf. »Nein, ich habe lange genug gewartet. Jetzt gehört sie mir. Das Mädchen wollte ich auch. Aber es sieht so aus, als müsste ich ihr ein neues Kind machen. Mein Kind.«
»Das wird verdammt noch mal nie passieren.« Ich komme näher und lasse mir nicht anmerken, dass ich Harlen in der Tür des Schlafzimmers bemerkt habe. »Setz sie ab und lass uns das von Mann zu Mann regeln.«
Er legt sich Quinn über die Schulter und hält plötzlich eine Pistole in der Hand, die er auf mich richtet. »Warum sollte ich das tun? Mit einer Kugel im Bauch kannst du mich sowieso nicht mehr stoppen.«
»Nur eine Pussy benutzt eine Waffe. Lass sie runter und kämpfe mit mir, du Mistkerl.« Ich verliere langsam die Geduld, und Quinn braucht dringend medizinische Hilfe.
Jayson geht weiter auf die Tür zu, bleibt aber stehen. »Scheiße«, ruft er, bevor sich Harlen auf ihn stürzt und ihm Quinn entreißt. Im selben Moment stoße ich Jayson zu Boden. Seine Waffe rutscht ihm aus der Hand.
Wie besessen schlage ich auf ihn ein. Irgendwie gelingt es mir, über ihm zu knien. Immer wieder treffe ich sein Gesicht. »Du fasst meine Mädchen nie wieder an!«
Ich spüre, wie mich jemand packt und wegzieht. »Mann, er ist raus«, sagt Z hinter mir.
Außer Atem starre ich auf Jayson. Ich trete ihm noch einmal in die Seite, bevor ich Quinn vorsichtig aus Harlens Armen nehme. Vor der Tür wartet schon der Krankenwagen. Die Sanitäter versorgen Quinn, und ich beobachte, wie Jayson in Handschellen abgeführt wird. Ich hoffe, der Typ verrottet im Knast.
»Wir fahren hinter euch her«, ruft mir Wes zu. Er hält Maci in seinen Armen.
Ich steige zu Quinn in den Krankenwagen, greife nach ihrer Hand und drücke sie zärtlich.
Ich bringe Quinn eine Schüssel selbstgemachter Hühnernudelsuppe und Schmerzmittel ans Bett. Fünf Tage ist es nun her, seit ich sie fast verloren hätte.
Die erste Nacht musste sie im Krankenhaus verbringen. All die Untersuchungen ergaben, dass sie eine Gehirnerschütterung, eine gebrochene Nase, zwei angeknackste Rippen, ein gebrochenes Handgelenk und viele Prellungen davongetragen hat. Außerdem stellten die Ärzte fest, dass sie schwanger ist. Ich wollte, dass sie länger in der Klinik bleibt, doch man sagte mir, dass sie sich zu Hause schneller erholen würde.
Zum Glück ist das Baby, unser Baby, stark und gesund. Es war ein freudiger Schock, als ich erfuhr, dass wir Nachwuchs erwarten. Ich habe fast damit gerechnet, dass das passiert, weil wir nicht immer verhütet haben. Es macht mich überglücklich, noch ein Kind zu bekommen. Ich weiß, dass Quinn auch so denkt. Bisher hatten wir nur noch keine Gelegenheit, es Maci zu erzählen. Außerdem glaube ich, dass Quinn Angst hat, das Kind zu verlieren.
In unserem Schlafzimmer liegen meine beiden Mädchen im Bett, zusammengekuschelt mit Lola und Quinns bester Freundin Lisetta, und schauen eine Folge New Girl auf Netflix . Setta wollte sich unbedingt selbst davon überzeugen, dass es Quinn gut geht.
Bessie ist in der Küche und backt Kekse. Sie tut alles, um Quinn die mütterliche Liebe zu geben, die sie nie hatte. Meine Eltern und meine Schwester und ihre Familie reisen morgen an. Auch sie haben sich große Sorgen um Quinn und Maci gemacht.
Sie empfangen mich alle mit einem Lächeln. »Meine Damen«, sage ich, bevor ich das Tablett auf den Nachttisch stelle und Quinn zwei Tylenol und eine Ibuprofen gebe. Nachdem sie ihre Suppe aufgegessen hat, schläft sie an ihren Kissenstapel gekuschelt ein. Auf Zehenspitzen verlasse ich das Schlafzimmer, gefolgt von Setta.
»Sie erholt sich ganz gut, findest du nicht?«, meint sie, als wir die Küche erreichen. Sie schnappt sich einen Keks von der Theke.
Ich nicke. »Ja, die blauen Flecken färben sich grün-gelb, was bedeutet, dass sie bald verschwunden sein werden.«
»Du bist ein wirklich guter Dad«, stellt sie fest, und Bessie nickt zustimmend.
»Das bedeutet mir sehr viel, danke.«
Sie umarmen mich zum Abschied. »Wir kommen morgen mit dem Abendessen wieder.«
»Ihr müsst das nicht tun. Wir könnten auch etwas bestellen«, entgegne ich.
Bessie stellt sich direkt vor mich und nimmt mein Gesicht in ihre erstaunlich weichen Hände. »Nein, ich möchte, dass du dich ausschließlich um deine wunderbaren Mädchen kümmerst.« Sie zieht mich an sich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht, mein Schatz.«
Auf der Eingangstreppe stehend beobachte ich, wie sie in Settas Mietwagen steigen und wegfahren.
Ich gehe wieder ins Haus und schließe die Tür hinter mir. Auf dem Weg ins Schlafzimmer nehme ich mir einen der fantastischen Kekse. Maci und Quinn schlafen immer noch aneinander gekuschelt. Lola schmiegt sich an Maci und blinzelt mich träge an. Ich lege mich zu ihnen und schließe die Augen. An Schlaf ist nicht zu denken. Vor allem plagt mich der Gedanke, dass Quinn nicht gewusst hätte, wie sehr ich sie liebe, wenn sie mir weggenommen worden wäre.
Etwas kitzelt mich an der Wange, und ich sehe auf. Quinn liegt auf der Seite und beobachtet mich. Maci schläft noch. »Hey, alles in Ordnung?«, frage ich leise.
»Ja, ich habe dich nur angestarrt, wie alte Widerlinge es gern tun.« Ihr Lächeln ist frech und bezaubernd. Seit sie den Brief von ihrem Stalker bekommen hat, habe ich sie nicht mehr so entspannt gesehen.
Ich nehme ihre Hand und führe sie lächelnd zu meinen Lippen. »Ich liebe dich, Quinn. Ich liebe unsere Tochter und wer auch immer in deinem Bauch heranwächst.« Ich umkreise mit einem Finger ihren Nabel.
Ihr Blick ist zärtlich. »Ich liebe dich auch.«
»Ich liebe euch auch, seid jetzt still«, mischt sich Maci ein. Wir schauen auf unsere Tochter. Ihre Lider sind geschlossen, aber sie lächelt.
»Oh, entschuldige bitte, Prinzessin«, erwidert Quinn.
Dann kuscheln wir zusammen und schauen einen Film – meine Mädchen und ich.