Eineinhalb Pandemiejahre sind inzwischen vergangen. Sie sind aber noch nicht von der Zeitgeschichte inventarisiert worden. Daraus ergaben sich spezifische Probleme der Quellenerschließung. Archivbestände oder anderweitig zugängliche Sammlungen existieren noch nicht. Es werden Jahre vergehen, bis die politischen Entscheidungszentren und Krisenstäbe ihre Registraturen und Datenbanken an die Archive abgegeben haben. Anschließend wird eine dreißigjährige Sperrfrist die kritische Geschichtsschreibung erschweren.
Infolgedessen standen für die vorliegende Untersuchung keine Archivunterlagen zur Verfügung. Auch andere physische Materialsammlungen waren nicht greifbar, weil die Lesesäle der Bibliotheken, Medienredaktionen und einschlägigen Forschungsinstitute lange geschlossen waren. Es blieb deshalb nichts anderes übrig, als für die Zwecke des Forschungs- und Publikationsprojekts eine eigenständig konzipierte Sammlung anzulegen. Ihr Aufbau hatte die vielschichtigen Ebenen der Coronakrise zu reflektieren und sich gleichzeitig so an ihren Schnittstellen zu orientieren, dass sie dem sechsteiligen Aufbau der Untersuchung entsprachen und zugleich die empirische Grundlage für die integrierende Analyse des Gesamtprozesses bildeten. Auf diese Weise entstanden mehrstufig strukturierte Materialsammlungen zu den jeweiligen Themenschwerpunkten, die durch den Aufbau themenübergreifender Registraturen (Pandemie-Lageberichte, Weltregionen und Nationalstaaten, vergleichende Pandemiegeschichte, interdisziplinäre Aspekte von Covid-19, alphabetisch sortierte Forschungsberichte und Arbeitspapiere, Personen- und Sachregister usw.) ergänzt wurden.
Eine derart dichte Koordination zwischen dem Aufbau des Sammlungsbestands und der integrierenden Analyse war nur dank der inzwischen unerschöpflich gewordenen Zugriffsmöglichkeiten auf Dokumente und Texte möglich, die das Internet bietet. Dort konnten die Portale und Webseiten der internationalen Fachbibliotheken, Forschungsgesellschaften, wissenschaftlichen Zeitschriften und gesundheitspolitischen Institutionen zur Vervollständigung und Aktualisierung der Materialsammlung konsultiert werden. Den Kern bildeten dabei die in den Portalen ›PubMed‹ und›Google Scholar‹ mithilfe einfacher Suchbegriffe abrufbaren Arbeitspapiere und Forschungsberichte. Sie ließen sich durch die regelmäßige Recherche auf den Webseiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), führender Fachzeitschriften (Science, Nature, The Lancet, British Medical Journal, New England Journal of Medicine, Deutsches Ärzteblatt usw.), der wichtigsten nationalen Centers for Disease Prevention and Control sowie Wissenschaftsgesellschaften und Forschungsinstitute ergänzen. Eine wesentliche Ressource für den evidenzbasierten Blick auf die paradoxe Dichotomie von Lockdowns und sozio-ökonomischen Stimulierungspaketen bildeten darüber hinaus die Bulletins und periodischen Lageberichte der führenden Weltinstitutionen (Bank for International Settlement, International Labour Organization, International Monetary Fund, OECD, Vereinte Nationen, Weltbank) und Zentralbanken, insbesondere der Federal Reserve der USA, der Europäischen Zentralbank und der Bank of England. Hinzu kam die laufende Auswertung einiger Printmedien, insbesondere internationaler Tageszeitungen und Wochenmagazine (in erster Linie Neue Zürcher Zeitung, New York Times, Süddeutsche Zeitung, Le Monde Diplomatique und The Economist). Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten schließlich einige interne Planungspapiere aus Ministerien und Krisenstäben, die hin und wieder von Whistleblowern ins Netz gestellt oder von investigativen Journalisten aufgedeckt wurden. Die Verifikation ihrer Echtheit und teilweise auch ihre Beschaffung waren schwierig. Sie gewährten jedoch wichtige Einblicke in den Arkanbereich des Pandemiemanagements der politischen Führungsschichten.
Zu Beginn der Manuskriptüberarbeitung wurde das Sammlungsgut archivisch erschlossen und als Bestand III.79 ›Coronakrise‹ zusammengefasst. Das machte es möglich, die benutzten Quellen systematisch auszuweisen und weiter präsent zu halten.
Der auf acht Regalmeter angewachsene Sammlungsbestand wurde durch die Standardwerke und Handbücher der einschlägigen biologisch-medizinischen Fachgebiete, des Public Health, der Statistik und der vergleichenden Pandemiegeschichte ergänzt. Soweit auf sie direkt Bezug genommen wurde, sind sie im Anmerkungsapparat ausgewiesen. Eine deutlich schmalere Untergruppe bildeten einige Sammelbände und Monographien, die sich auf das aktuelle Pandemiegeschehen beziehen. Zur Klärung der in dieser Untersuchung aufgeworfenen Fragen trugen sie nur selten bei. Soweit dies der Fall war, wurden sie ebenfalls im Anmerkungsapparat vermerkt.