Erntedank
Beinahe jeden Tag hören wir in den Nachrichten von der Not von Menschen, von ihrem Kampf ums Überleben. Die Theologin Dorothee Sölle beschreibt aus vielen Begegnungen in Lateinamerika, dass sich bei ihr der Eindruck verdichtet habe, dass die Leute umso hoffnungsloser waren, je gebildeter und reicher sie waren: »Hoffnungslosigkeit ist ein Luxus der Reichen.« Sie empfindet Hoffnungslosigkeit als eine Art Luxus für diejenigen, die nicht wirklich kämpfen müssen für ihr Leben, für ihr Überleben.
Wenn wir diesen Gedanken einmal näher betrachten wird deutlich: Wir können es uns leisten, manchmal hoffnungslos zu sein, weil unser Alltag geregelt ist, das Einkommen gesichert und wir nicht für unser Leben kämpfen müssen. Wir können es uns leisten, manches negativ zu sehen, »durchzuhängen«, über Kleinigkeiten zu jammern.
Diese »Hoffnungslosigkeit« betrifft häufig uns Erwachsene. Wir malen Bilder für die Zukunft: Eine menschliche Schule für das eigene Kind – dafür engagieren sich Eltern, aber dass die Firma, in der man selbst arbeitet, menschlicher würde, daran ist nicht zu denken, darauf ist nicht zu hoffen. Wir halten Freunde für unsere Kinder für wichtig, wir unterstützen sie, damit sie ihre Freunde treffen können, selbst aber haben wir oft nur mehr Kollegen anstelle wirklicher Freunde.
Was dies mit »Erntedank« zu tun hat? »Hoffnung« und »Dank« sind wie die zwei Seiten einer Medaille: Dank ist primär rückblickend, für Vergangenes kann ich Danke sagen. Hoffnung geht in die Zukunft, beide Aspekte gehören zusammen. Probieren Sie es doch mal aus: Wenn wir uns bewusst machen, wofür wir dankbar sind, haben wir auch einen offeneren Blick für Künftiges. Der Dank für Vergangenes gibt uns Zuversicht für das Kommende. Einen kurzen Moment zu spüren, wofür wir im Leben, wofür wir gegenwärtig dankbar sind – das kann unser Wochenende verändern …