41. Wochenende:

Abschalten

Freitag

Im Alltag sind wir oft geprägt von den Rollen und Aufgaben, die wir haben. Unser Verhalten ist davon bestimmt, was zu unserer Rolle passt, was sich schickt und was sich gehört. Es ist gut, eine Rolle zu übernehmen, im Beruf, aber auch in der Familie – sich anzustrengen, sich zu entwickeln, jemand sein zu wollen, Ansehen zu haben. Doch am Wochenende ist es anders, da kann ich – hoffentlich – ein wenig ausatmen, abschalten. Heute und für die nächsten Tage darf ich einfach sein.

Der Schriftsteller Peter Bichsel erzählt in den »Kindergeschichten«:

»Am Hofe gab es starke Leute und gescheite Leute, der König war ein König, die Frauen waren schön und die Männer mutig, der Pfarrer fromm und die Küchenmagd fleißig – nur Colombin, Colombin war nichts. Wenn jemand sagte: ›Komm, Colombin, kämpf mit mir‹, sagte Colombin: ›Ich bin schwächer als du.‹ Wenn jemand sagte: ›Wieviel gibt zwei mal sieben?‹, sagte Colombin: ›Ich bin dümmer als du.‹ Wenn jemand sagte: ›Getraust du dich, über den Bach zu springen?‹, sagte Colombin: ›Nein, ich getraue mich nicht.‹ Und wenn der König fragte: ›Colombin, was willst du werden?‹, antwortete Colombin: ›Ich will nichts werden, ich bin schon etwas, ich bin Colombin.‹«

Es ist eine etwas widerspenstige Geschichte, wie alle »Kindergeschichten« von Peter Bichsel. So schön es ist, sich zu entwickeln, etwas zu werden, jemand zu sein – so schön kann es auch sein, nicht in Konkurrenz treten zu müssen. Sondern manchmal sagen zu können: Ich muss nichts werden, ich muss nichts Besonderes sein, ich muss keine Rolle spielen. Ich darf einfach die Person sein, die ich bin. Wie Colombin sagen zu können: »Ich will nichts werden, ich bin schon etwas, ich bin ich.«