Fasten
Wenn Menschen sagen, dass sie fasten, tun sie das häufig zur Gewichtsreduktion für ihre Figur, manchmal für die Gesundheit. In Befreiungsbewegungen schöpfen Menschen immer wieder Kraft für die Freiheit aus der reinigenden Kraft des Fastens. Mahatma Gandhi hat dies eindrücklich vorgelebt. Fasten meint freiwilligen Verzicht für einen höheren Zweck. Ich kann auf Nahrung verzichten, weil mir meine Figur sehr am Herzen liegt. Ich kann den Konsum von Alkohol reduzieren, weil mir meine Gesundheit wichtig ist. Ich kann freie Zeit reduzieren und Überstunden machen, weil das für das berufliche Fortkommen sinnvoll ist. Manche Menschen verzichten auf Kinder, weil der Partner oder die Partnerin keine Kinder bekommen kann, manche Menschen verzichten auf berufliche Erfahrungen, weil sie der familiären Betreuung von Kindern oder von alt gewordenen Angehörigen den Vorzug geben.
Manche Menschen aber haben keine Wahl, sie müssen »verzichten«, ob sie wollen oder nicht. Sie müssen auf Konsumgüter verzichten, weil das Geld fehlt, sie müssen auf Familie verzichten, weil sich kein geeigneter Partner findet.
Fasten erinnert uns an die Fähigkeit, loslassen und eigene Bedürfnisse zurückstellen zu können – wofür auch immer. Interessant ist, dass alle religiösen Traditionen dieser Welt Zeiten des Fastens kennen, dass sie Hilfen für das Fasten geben, dass sie die Menschen darin unterstützen, vieles im Außen zu reduzieren, damit das Innen Platz hat – das Besondere. Am Wochenende können wir dies auch einüben: Nicht so viel im Außen tun müssen, damit etwas Zeit für unser Inneres bleibt, für Gedanken und Gefühle, die im schnellen Alltag keinen Platz finden, die zugeschüttet sind. Aktivitäten »fasten«, um frei zu werden für unsere Gedanken, Gefühle, für manches in uns, das sonst kaum sichtbar wird.