Samstag

Was für eine Überraschung

Frau Jansen legt das Telefon weg. Sie schwankt zwischen Freude und Enttäuschung, ein gewisses Gefühl von Stress mischt sich auch darunter.

Was passiert ist? Ihre Tante aus Italien hat gerade angerufen und ihren Besuch für das kommende Wochenende angesagt. Sie kommt für eine Woche nach Deutschland, und möchte mit ihrem Lebensgefährten Giulio eine Nacht bei Familie Jansen verbringen. »Solo se é possibile«, also »nur, wenn es möglich ist«, hat Tante Valentina gesagt und am Telefon gelacht. Und Frau Jansen hat versichert, dass es kein Problem wäre, dass sie sich freut, und hat wider besseres Wissen spontan zugesagt. Und jetzt sitzt sie da. Eigentlich passt es gerade überhaupt nicht. Sie hat mit ihrem Mann geplant, das Erdgeschoss im Haus neu zu streichen. Die Farbeimer in »Melone« stehen bereits in der Garage, eine große Rolle Abdeckfolie und Klebestreifen liegen daneben. Außerdem wollte Frau Jansens Mann am Samstag nach neuen Möbeln für das Gästezimmer schauen, seit zwei Stunden weiß sie nun auch, dass Julia am Montag eine Mathearbeit schreibt, für die sie noch dringend lernen muss – Gleichungen mit sechs Unbekannten sind nun mal nicht Julias Stärke – und Ben kam heute mit einem Platten an seinem Rad nach Hause. Oh Herr, wie das alles unter einen Hut bekommen?

Frau Jansen ist ratlos – sie macht sich erst mal einen starken Espresso.

Klar, Frau Jansens Mann war nun nicht übermäßig begeistert von der Gesamtsituation, der Planung für das kommende Wochenende, aber nach einigem Hin und Her beschließen sie gemeinsam, das Beste daraus zu machen.

Und sind total überrascht: Der Besuch kommt pünktlich Freitagabend um 19:00 Uhr zum gemeinsamen Abendessen an, und ist überaus begeistert von diesem »Leben«, das hier herrscht: Noch am Freitag, nach dem Abendessen, erklärt Giulio: »La vita qui é como en Italia!!!«, das Leben hier in Deutschland erscheint ihm also recht italienisch. Er setzt sich nach seinem Espresso mit Julia an den Tisch, aus den sechs Unbekannten in der Gleichung wird ein spannender Krimi. Giulio ist scheinbar ein Experte auf dem Gebiet, und Julia gewinnt langsam Spaß an der Sache, sie lernen bis fast elf Uhr nachts miteinander, lösen eine Aufgabe nach der anderen – Frau Jansen hat ihre Tochter kaum so entspannt bei Mathe erlebt.

Am Samstag helfen alle mit, Tante Valentina, Giulio, Frau Jansen und ihr Mann, auch Ben und Julia machen mit. Schon kurz nach Mittag ist das Erdgeschoss neu gemalert und alle lassen sich die Pizzen schmecken, die Herr Jansen beim Pizzaservice geordert hat. Was für ein Erfolg! Nach einer kurzen Erholungspause repariert Giulio mit Ben gemeinsam das Fahrrad, Julia fährt mit Valentina und Frau Jansen in den Möbelmarkt.

Am Abend sitzen sie zusammen auf der Veranda. Es ist unglaublich, was sie gemeinsam geschafft haben! Alle sind zufrieden. Valentina und Giulio haben spontan ihr Hotel storniert und bleiben noch eine weitere Nacht, um den Erfolg des Tages gemeinsam einen Abend lang zu feiern. Herr Jansen nimmt seine Frau in den Arm. »Was für eine angenehme Überraschung, dass die beiden gekommen sind«, sagt er. »Manchmal ist es doch wirklich unglaublich, was Familie und Freunde gemeinsam in kurzer Zeit schaffen können! Und wir hatten beim Arbeiten so viel Spaß zusammen! Ich bin so glücklich! Du auch?« »Ja, ich bin auch glücklich. Müde, zufrieden, und sehr glücklich«, erwidert Frau Jansen.

Bei der Verabschiedung am Sonntagmorgen meint Herr Jansen zu seinen Gästen: »Ihr seid herzlich eingeladen, mal wieder zu kommen! So ein arbeitsreiches und gleichzeitig entspannendes Wochenende hatten wir lange nicht! Vielen Dank für alles!«

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