Zehntes Kapitel
Klarheit im Denken
D
er zehnte Hinweis an der Straße des Erfolgs lautet: Klarheit im Denken
.
Wer weltberühmt oder steinreich werden will, ist auf die Zusammenarbeit mit anderen angewiesen. Auf Dauer kann man sich eine Stellung oder ein Vermögen nur erhalten, wenn andere es zulassen. Einen Ehrenplatz kann man sich ohne das Wohlwollen seiner Mitmenschen ebenso wenig sichern, wie man zum Mond fliegen kann. Auch ein großes Vermögen kann man ohne das Zutun anderer nicht erhalten und noch viel weniger erwerben, es sei denn, man erbt es.
Sein Geld oder seine Stellung in Frieden zu genießen, ist auf jeden Fall in erheblichem Maße davon abhängig, wie gut man bei anderen ankommt. Man muss kein vorausschauender Philosoph sein, um zu erkennen, dass ein Mensch, der das Wohlwollen aller genießt, mit denen er in Berührung kommt, alles erreichen kann, was ihm die Menschen in seinem Umfeld ermöglichen können. Denn der Weg zu Ruhm und/oder Reichtum führt direkt durch die Herzen unserer Mitmenschen.
Vielleicht kann man sich das Wohlwollen anderer auch anders sichern als durch das Gesetz der Vergeltung, doch diese Möglichkeit hat sich mir bislang nicht erschlossen. Durch das Gesetz der Vergeltung können wir Menschen dazu bringen, uns alles mit
gleicher Münze heimzuzahlen, was wir ihnen geben. Das steht so fest wie das Amen in der Kirche.
Schauen wir uns an, wie wir dieses Gesetz so nutzen können, dass es für uns arbeitet und nicht gegen uns. Eingangs erübrigt sich sicherlich der Hinweis, dass der Mensch dazu neigt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, Streich um Streich – und zwar jede Handlung, ob im eigenen Sinne oder gegen ihn. Machen Sie sich jemanden zum Feind, dann wird er ihnen feindselig begegnen – so sicher, wie zwei und zwei vier ergibt. Gewinnen Sie dagegen jemandem zum Freund oder erweisen Sie ihm eine Gefälligkeit, wird er Ihnen das ebenfalls entsprechend zurückzahlen.
Dass sich jemand nicht nach diesem Grundsatz richtet, können Sie getrost vernachlässigen, denn diese Person ist lediglich die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel. Der Gesetzmäßigkeit zufolge reagiert die große Mehrheit der Menschen mehr oder minder unbewusst.
Geht jemand schlecht gelaunt aus dem Haus, wird er feststellen, dass ihm den ganzen Tag über alle anderen ähnlich gereizt begegnen. Das können Sie sicherlich aus eigener Erfahrung bestätigen, wenn Sie schon einmal missgelaunt waren. Es muss nicht eigens nachgewiesen werden, dass ein Mensch mit einem Lächeln auf den Lippen, der stets ein freundliches Wort für andere hat, bei allen gut ankommt, während der Griesgram generell auf Ablehnung stößt.
Sie können Ihre Gedanken mit Ihrem Willen beeinflussen. Sie sind der Herr im Haus und können einladen, wen Sie wollen. Ein Mensch formt sich selbst durch seine Gedanken wie ein Töpfer den Ton. Denken Sie sich erfolgreich, und Sie werden Erfolg haben – wenn Sie nur intensiv, beständig und lang genug darüber nachdenken.
Dieses Gesetz der Vergeltung ist ein mächtiger Faktor, der das ganze Universum einbezieht und ständig für Anziehung und
Abstoßung sorgt. Sie erkennen es im Herzen der Eichel, die zu Boden fällt, auf das warme Sonnenlicht reagiert und ein winziges Zweiglein austreibt, mit zwei kleinen Blättchen, die weiter wachsen und alle nötigen Elemente anziehen, damit daraus eine knorrige Eiche werden kann. Man hat noch nie gehört, dass eine Eichel irgendetwas anderes anziehen würde als die Zellen, aus denen sich eine Eiche entwickelt. Niemand hat je einen Baum gesehen, der zur Hälfte Eiche, zur Hälfte Pappel ist. Im Kern sucht die Eichel nur die Nähe solcher Elemente, aus denen eine Eiche entsteht.
Jeder Gedanke im menschlichen Gehirn zieht seinesgleichen an, ob destruktiv oder konstruktiv, freundlich oder unfreundlich. Man kann sich nicht ständig auf Hass und Abneigung konzentrieren und erwarten, dass sich daraus das Gegenteil ergibt – so wenig, wie damit zu rechnen ist, dass aus einer Eichel eine Pappel wird. Das entspricht schlicht nicht dem Gesetz der Vergeltung.
Ganz gleich, ob die Welt über Sie lacht – nehmen Sie sich selbst stets ernst. Die breite Masse lacht über Dinge, die sie nicht versteht, und macht sich lustig über alles, was sie nicht begreift. Zu viele Menschen, die den Funken des Genies in sich tragen, lassen ihn nie entflammen, aus Angst vor dem Gelächter der Menge. Vergessen Sie, was andere denken. Es kommt nur darauf an, was Sie selbst von sich denken – und dass Sie an sich glauben.
Im gesamten Universum wird jede Art von Materie zu bestimmten Anziehungszentren hingezogen. Auch Menschen mit ähnlichem Intellekt und verwandten Neigungen ziehen sich gewöhnlich gegenseitig an. Der Mensch nimmt nur geistige Verbindungen zu anderen auf, die mit ihm in Einklang stehen und ähnliche Neigungen haben. Welche Kategorien von Menschen man anzieht, hängt ganz von den eigenen geistigen Neigungen ab. Diese kann man steuern und nach Belieben so ausrichten, dass man eine bestimmte Sorte
Mensch anzieht. Das ist ein Naturgesetz. Es ist unveränderbar und greift immer, ob wir uns seiner bewusst bedienen oder nicht.
Wer seinen Kopf mit verdorbenen Gedanken füllt, begeht eine größere Sünde als einer, der Trinkwasser vergiftet, denn ein vergifteter Geist reproduziert sich im Geist anderer.
Eine kurze Geschichte des menschlichen Geistes
Bei der Geburt ist unser Geist leer – wie ein großer Speicher, in dem noch nichts gelagert wird. Dieser Speicher füllt sich durch die fünf Sinne: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten. Die Sinneswahrnehmungen, die wir abspeichern, bevor wir zwölf Jahre alt sind, bleiben uns meist ein Leben lang erhalten – ob sie vernünftig sind oder nicht.
Ideale und Überzeugungen, die in den jungen, formbaren Geist eines Kindes eingepflanzt werden, gehen diesem Kind gewöhnlich in Fleisch und Blut über und bleiben ihm sein Leben lang erhalten. Es ist möglich, einem Kind ein Ideal so nachdrücklich zu vermitteln, dass sein Moralverhalten fürs ganze Leben davon geprägt wird. Es ist möglich, einem Kind, bevor es zwölf oder 14 Jahre alt wird, Charaktereigenschaften so gründlich anzuerziehen, dass es im späteren Leben nie davon abweichen und auf Abwege geraten wird.
Der Geist ist wie ein großes, fruchtbares Feld, auf dem wächst, was angesät wird. Das heißt, jede Idee, die dort eingepflanzt und festgehalten wird, schlägt irgendwann Wurzeln, wächst und gedeiht und beeinflusst das Verhalten des Menschen in ihrem Sinne. Gleichermaßen wuchert auf fruchtbarem Boden, der nicht kultiviert wird, das Unkraut – sodass in Köpfe, denen keine konstruktiven Ideen eingegeben wurden, destruktive Impulse geraten können
.
Der Geist bleibt nicht brachliegend. Er will etwas hervorbringen, und natürlich kann er nur mit dem Material arbeiten, mit dem er aufgrund seines Umfelds, durch Kontakte mit anderen, persönliche Beobachtungen, Sinneswahrnehmungen und Ähnliches in Berührung kommt.
Eines der wirkungsvollsten Prinzipien des Geistes ist die sogenannte Autosuggestion, mit deren Hilfe wir uns eine Idee in den Kopf setzen und uns so lange darauf konzentrieren können, bis wir sie so verinnerlicht haben, dass sie unsere Handlungen bestimmt und unsere Körperbewegungen dirigiert.
Haben Sie Feinde, die so dumm sind, Sie zu sabotieren, lächeln Sie nachsichtig, und sehen Sie zu, wie sie in ihre eigenen Fallen tappen.
Ein weiteres typisches Merkmal unseres Geistes ist seine Anziehungskraft für andere, die ähnlich denken, glauben und handeln wie wir. Der menschliche Geist strebt danach, aktiv die Nähe anderer zu suchen, mit denen er bezüglich eines oder mehrerer Themen der gleichen Ansicht ist.
Im ganzen Universum gilt das Gesetz »Gleich und gleich gesellt sich gern«. Dieses offenbart sich besonders deutlich in der Weise, wie Gleichgesinnte einander anziehen. Wenn das stimmt – und davon sind wir überzeugt –, sollten Sie erkennen können, welche Macht dieses Gesetz besitzt, und welch enorme Hilfe es Ihnen sein kann, wenn Sie es kultivieren und konstruktiv einsetzen.
Der menschliche Geist ist darauf aus, sich wie Wasser einzupegeln, vorher gibt er keine Ruhe. Das ist der Fall, wenn ein Mann mit literarischen Neigungen und Vorlieben die Gesellschaft von Gleichgesinnten sucht, wenn sich Reiche unter Reiche mischen und Arme unter Arme.
Ohne dieses Gesetz könnte aus einer Eichel nie eine Eiche werden, weil sich die Atome, aus denen diese Eiche erwächst, nie in
ausreichender Zahl an einem Ort konzentrieren würden. Und ohne dieses Gesetz würde der menschliche Körper nie erwachsen, weil die chemischen Substanzen und Nährstoffe nie an die richtige Stelle kommen würden, um Wachstum zu ermöglichen. Ohne dieses Gesetz würde der Stoff, aus dem Fingernägel sind, an die Haarwurzeln geraten oder in einen anderen Körperteil, wo er nicht benötigt wird.
Das Gesetz ist so unveränderlich wie das Gravitationsgesetz, das die Erde in ihrer Umlaufbahn hält – und jeden Planeten im Universum an seinem Platz.
Schauen Sie sich Ihre Freunde an. Sind Sie nicht zufrieden mit dem, was Sie sehen, ist das ein Armutszeugnis für Sie selbst, denn Sie
sind der Magnet, der sie angezogen hat. Die Färbung und Neigung Ihres
Geistes ist die Anziehungskraft, die dafür sorgt, dass sich andere Menschen mit gleicher Geisteshaltung um Sie scharen. Mögen Sie die Menschen nicht, die Sie angezogen haben, müssen Sie zunächst den Magneten verändern, der dafür verantwortlich ist, und sich dann andere Freunde suchen.
Eine hervorragende Methode, Ihren Geist so zu magnetisieren, dass er die Menschen anzieht, die höchsten Standards entsprechen, besteht darin, ein Ideal anzustreben, das den Menschen nachempfunden ist, die Sie am meisten bewundern. Das geht in der Praxis ganz einfach – und ist ausgesprochen effektiv. Sie können sich beliebig bei den Charaktereigenschaften anderer bedienen, um in Ihrem Geist das Ideal zu formen, das Menschen anzieht, die damit in Einklang stehen.
Suchen Sie sich beispielsweise aus dem Leben von George Washington die Wesenszüge heraus, die Sie an ihm besonders bewundern – und ebenso bei Lincoln, bei Jefferson, bei Emerson und so weiter. Aus diesen gesammelten Eigenschaften bilden Sie dann ein Ideal – anders formuliert: Sie stellen sich vor, all diese Merkmale zu besitzen und lassen keinen Akt und keinen Gedanken mehr zu, der
nicht mit diesem Ideal in Einklang steht. Schneller, als Sie denken, werden Sie sich diesem Ideal annähern. Noch wichtiger ist aber, dass Sie nach und nach andere anziehen, die diesem Ideal ganz oder zumindest teilweise entsprechen.
Die Zeit heilt alle Wunden und hilft über Fehler und Misserfolge hinweg. Wenn Ihr Anlauf fehlgeschlagen ist, lassen Sie sich Zeit. Die Zeit wird das Blatt zum Erfolg wenden, wenn Sie nicht das Vertrauen in sich selbst verlieren.
Das ist mehr als graue Theorie. Ich weiß, dass dieser Plan funktioniert, weil – nun, aus dem einzigen Grund, aus dem man irgendetwas sicher wissen kann – weil ich ihn selbst ausprobiert habe. Sie müssen Ihrem Geist nur das Material liefern. Der große unsichtbare Alchimist bringt es dann in die richtige Form und gestaltet einen Charakter und eine Persönlichkeit, die genau
der Natur des von Ihnen gelieferten Materials entsprechen.
Jetzt wissen Sie, wie Sie Material sammeln können. Sie wissen, wie Sie genau so werden können, wie Sie sein möchten – und ich als Autor dieser Zeilen versichere Ihnen, dass dieser Grundsatz solide ist. Er funktioniert so, dass Sie und selbst der unbedarfteste Ungläubige sehen kann, dass er – je nachdem, wie intensiv Sie Ihren Geist auf die anstehende Aufgabe konzentrieren, und wie klar
Sie das Bild von dem Ideal oder der Person, die Sie entwickeln möchten, vor Augen haben – zeitnah Ergebnisse bringt, das kann schon nach ein paar Stunden oder auch nach wenigen Monaten sein.
Das ist die besagte Autosuggestion. Sie ist das Prinzip, durch das Sie sich verändern oder nach Ihren Vorstellungen umgestalten können. Durch dieses Prinzip können Sie Verzweiflung, Sorgen, Angst, Hass, Zorn, mangelnde Selbstbeherrschung und all die vielen weiteren negativen Eigenschaften in den Griff bekommen, die zwischen den meisten Menschen und dem erfüllten, glücklichen, freudvollen Leben stehen, das ihnen rechtmäßig zusteht. Diese
Eigenschaften sind bildlich gesprochen das Unkraut, das auf fruchtbaren Feldern wuchert, wenn diese nicht gepflügt, bepflanzt und kultiviert werden.
Hier geht es nicht etwa um irgendeine neue Religion oder eine Modeerscheinung. Es handelt sich dabei auch nicht um die Auswüchse eines aus dem Gleichgewicht geratenen fanatischen Geistes. Es sind vielmehr solide, wissenschaftliche Fakten, die jeder Psychologieprofessor bestätigen kann.
Das sind nur ein paar der grundlegenderen Prinzipien des Geistes, die ich bewusst so einfach formuliert habe, dass sie jedes Schulkind verstehen kann. Mehr über diese fantastische Maschinerie, die Sie in Ihrem Kopf herumtragen, können Sie aus jeder Bibliothek oder guten Buchhandlung erfahren, wenn Sie sich ein paar Bücher über angewandte Psychologie besorgen.
Alles, was für Sie und jeden anderen wirklich zählt, ist der Geist
. Die leidigen Körper, die wir mit uns herumschleppen, haben wenig Bedeutung. Sie sind nur die Werkzeuge, durch die sich der Geist Ausdruck verschafft. Sie bewegen sich keinen Millimeter, wenn sie der Geist nicht dazu anweist. Wenn Sie mehr über sich erfahren wollen, lernen Sie etwas über den Geist. Und je mehr Sie darüber wissen, desto mehr wissen Sie auch über den Geist aller
Menschen, denn der Geist funktioniert bei allen gleich.