Acht

»Wissen Sie«, sagte Biden in dieser Zeit einmal zu Mike Donilon, »meine Familie wird die Entscheidung treffen.«

Joe und Jill beriefen Anfang Februar 2019 ein Familientreffen ein, zu dem auch ihre fünf Enkelkinder eingeladen waren — ein Signal an seine Berater, dass er allmählich einer Entscheidung näher kam.

»Was meint ihr?«, fragte Jill ihre Enkelkinder.1 »Pop denkt darüber nach.«

Die Enkelkinder der Bidens waren begeistert. »Pop muss kandidieren! Er muss das machen.« Aber Joe und Jill Biden waren zurückhaltender. Sie wussten: Wenn Biden kandidierte, konnte das Rennen qualvoll werden, mit bösartigen Attacken gegen die Familie.

Wir verstehen, Pop, beruhigten ihn seine Enkelkinder.2 Biden erinnerte sich später in jenem Jahr, dass jedes Kind »seine eigene Geschichte erzählte, sie hatten sie aufgeschrieben, und auch, dass sie wussten, wie gemein es werden würde«, aber außerdem, warum Biden und die Familie sich voll und ganz für eine Kandidatur entscheiden sollten.

Bidens Enkelsohn Robert »Hunter« Biden II hatte ihm ein Foto gegeben, das ihn und seinen Großvater zeigte und bei der Trauerfeier für seinen Vater Beau entstanden war. Damals war er neun Jahre alt gewesen, und Biden hatte sich zu ihm hinuntergebeugt und hielt tröstend eine Hand unter das Kinn des Jungen.

Daraufhin waren aus diversen rechten Ecken im Internet wilde Spekulationen über Bidens Geste zu hören gewesen, die andeuteten, dass Biden pädophil sei.3 Sein Enkel sagte Biden, dass er wisse, wie hässlich ein Wahlkampf werden konnte.

»Wir entscheiden alles bei Familientreffen«, erzählte Biden am 26. Februar 2019 vor einem Publikum an der University of Delaware. Er sagte, es habe einen »Konsens« gegeben, dass er kandidieren solle.4

»Sie sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben, und sie wollen, dass ich kandidiere.«

Was Biden allerdings nicht sagte, war, dass seine Familie ebenfalls in einer schweren Krise steckte.5 Hunter Biden machte seine Kokainsucht zu schaffen. Joe Bidens engste Freunde erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, dass er anscheinend ständig an Hunter dachte.

Hunter hatte seinen Drogenentzug in einer Klinik abgebrochen und sich in ein Motel in New Haven, Connecticut, verkrochen. Er rauchte so viel Crack, wie er beschaffen konnte, zog spätabends ziellos durch die Straßen oder machte lange Autofahrten mit seinem Porsche. Er schrieb in seinen Erinnerungen, er habe einen »Todeswunsch« gehabt, und sah seine Fähigkeit, »Crack überall und jederzeit aufspüren zu können«, als eine »Superkraft«.

»Verderbnis in Dauerschleife.«

Joe Biden rief Hunter häufig an oder schickte ihm Textbotschaften, wollte wissen, wie es ihm ging und wo er war.

»Ich sagte ihm, es ginge mir bestens«, schreibt Hunter. »Alles sei gut, nach einer Weile aber kaufte er mir das nicht mehr ab.«

Im März 2019 organisierte die Familie eine Intervention.

»Eines Tages, nach drei, vier Wochen dieses Wahnsinns, rief aus heiterem Himmel meine Mutter an«, schreibt Hunter in seinen Erinnerungen.6

»Sie sagte, sie plane ein Familienessen, weshalb ich kommen und vielleicht sogar einige Tage in Delaware bleiben solle. Es würde bestimmt großartig; wir seien ja seit einer Ewigkeit nicht mehr alle zusammen gewesen. Ich war in einer ziemlich lausigen Verfassung, aber es klang verlockend. Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich an einem Freitagabend angekommen. Ich ging ins Haus, heimelig und behaglich wie eh und je.« Er war erstaunt, seine drei Töchter zu sehen — Naomi, Finnegan and Maisy. »Da wusste ich, dass was im Busch sein musste. … Dann sah ich Mom und Dad, die etwas bedrückt dreinblickten und verlegen lächelten.«

Hunter entdeckte zwei Suchtberater im Zimmer. Er kannte sie aus einer Entzugsklinik in Pennsylvania.

»Nie im Leben«, sagte Hunter. Er erinnert sich, dass Joe Biden ihn entsetzt ansah.

»Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll«, rief sein Vater. »Ich habe solche Angst. Sag mir doch, was ich für dich tun kann.«

Hunters Antwort: »Jedenfalls nicht so einen Scheiß.«

»Es war schrecklich. Ich war schrecklich«, erinnerte sich Hunter. »Von da an entwickelte sich das Familientreffen zu einem überdrehten, qualvollen Debakel.« Joe Biden lief ihm auf die Auffahrt hinterher, als Hunter gehen wollte, packte ihn und nahm ihn in die Arme, hielt ihn fest und weinte. Eine seiner Töchter schnappte sich seinen Autoschlüssel.

Um die Szene zu beenden, willigte Hunter schließlich ein, in eine nahe gelegene Entzugsklinik in Maryland zu gehen. »Irgendwas, egal was. Bitte!«, flehte Joe Biden.

Aber schon wenige Minuten nachdem Hunter vor der Klinik abgesetzt worden war, rief er Uber an, buchte einen Fahrer und fuhr in sein Hotelzimmer zurück, wo er wieder Crack rauchte. »In den nächsten beiden Tagen hockte ich in meinem Zimmer und rauchte alles Crack, was ich noch in meiner Reisetasche gehabt hatte.«

Dann buchte Hunter einen Flug nach Kalifornien und »rannte davon, rannte und rannte und rannte«.7 Er wollte, so schrieb er, »verschwinden«.