Kapitel 27
Die Polizei fand meinen Wagen zwei Tage später in Pennsylvanien. Chance und seine Freundin waren verschwunden, doch inzwischen hatte mir Bobby erzählt, dass Chancellor Miller nur einer von vielen Namen war, die er sich während der letzten fünf Jahre zugelegt hatte. Wegen der gestohlenen Kreditkarten war das FBI eingeschaltet worden, und ich lieferte ihnen so viele Informationen wie möglich, damit jeder Geschädigte kontaktiert werden konnte. Benny war es schließlich gelungen, mehrere Arbeiter ausfindig zu machen, die bei uns den Riesling geerntet hatten und die bestätigten, was Chance bereits zugegeben hatte: dass er einen Teil ihres Lohns für sich behalten hatte.
»Das wird eine Heidenarbeit für uns, unseren guten Ruf wiederherzustellen«, sagte Quinn.
»Ich weiß«, erwiderte ich. »Aber wir schaffen das. Übrigens, Seth Hannah hat angerufen. Die Romeos hätten gerne einen neuen Termin für die Fassprobe.«
Quinn nickte. »Das lässt sich machen.«
Innerhalb einer Woche war Tyler von dem Verdacht freigesprochen worden, auf Ray Vitale geschossen zu haben. Es war festgestellt worden, dass es sich bei dem Schuss um eine Kugel vom Kaliber 44 gehandelt hatte, die unmöglich aus Tylers Enfield-Gewehr abgefeuert worden sein konnte.
Annabel und Sumner waren nach Charlottesville zurückgekehrt. Ich hatte keine Ahnung, ob sie Micks Pferd gekauft hatten, obgleich sich das früher oder später bei den Romeos oder Thelma herumsprechen würde, und dann würde ich es eines Tages im Kolonialwarenladen erfahren.
Ich informierte Bobby über meinen Verdacht, dass Sumner Chance dafür bezahlt hatte, Ray zu erschießen. Er schüttelte den Kopf und meinte, bislang habe man keine Verbindung zwischen den beiden herstellen können.
»Aber mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Wir bleiben dran. Und ich bin sicher, wenn wir Miller erst gefunden haben, wird er es auf Chastain abwälzen.«
Wir sprachen eines Abends darüber, als er und Kit nach der Arbeit in der Weinkellerei vorbeigekommen waren, um mit Quinn und mir etwas zu trinken.
Wir saßen auf der Terrasse und beobachteten einen atemberaubenden Sonnenuntergang hinter den Blue Ridge Mountains. Quinn wirkte erschöpft, nachdem er alles getan hatte, um den Riesling zu retten, obwohl wir nie herausfinden konnten, was Chance angestellt hatte, wenn er denn etwas unternommen hatte, um unsere Ernte zunichte zu machen.
Das Gespräch drehte sich wieder um Chance, Sumner und Ray Vitale.
»Chance, oder wie immer er wirklich heißen mag, hatte ein eigenes Motiv, Ray Vitale zu erschießen«, sagte Bobby. »Er hat vor ein paar Jahren für Vitale gearbeitet. Er war derjenige, der Vitales Vertrauen ausgenutzt und zigtausend Dollar Schulden angehäuft hat.«
»Ray wollte Sumner verklagen«, sagte ich. »B. J. und ich waren dabei, als sie sich auf meinem Parkplatz gestritten haben.«
»Dem sind wir nachgegangen«, sagte Bobby. »Die Behauptung, Chastain habe einen Anschlag auf Vitale geplant und dafür Chance angeheuert, ist etwas voreilig.«
»Ich glaube, dass es umgekehrt gelaufen ist. Chance ging zu Sumner und hat es ihm vorgeschlagen«, sagte ich.
»Wisst ihr«, sagte Kit, »ich verstehe ja, wie mich Chance mit der Kreditkarte betrogen hat, aber wer steckt denn nun hinter den Bestellungen bei Neiman Marcus über Frankies Karte?«
»Ich glaube, ich habe das rekonstruieren können«, sagte ich. »An dem Tag kam Brandi vorbei, um mit Eli zu reden, und warf ihre Handtasche auf einen Barhocker. Nachdem sie gegangen war, fand ich den Katalog auf dem Fußboden und legte ihn hinter die Bar. Als Chance dann beim Einschenken des Weins aushalf, hat er ihn vermutlich an sich genommen. Zum Glück für ihn stand auch noch ihre Adresse darauf. Das machte es ihm leicht, den Verdacht auf Eli und Brandi zu lenken.«
Kit schüttelte den Kopf. »Das muss man sich mal vorstellen! Und wie steht es damit, dass Sumner Beau umgebracht hat?«, fragte sie.
»Sumner hat es nie zugegeben«, sagte ich. »Aber er hat es getan, um Annabel zu beschützen.«
Bobby trank seinen Wein aus und legte seine Hand auf die von Kit.
»Die Welt ist nun mal alles andere als vollkommen«, sagte er. »Wir tun unser Bestes, und wir kämpfen Tag für Tag weiter. Ich habe damit zu leben gelernt, sonst würde ich verrückt werden.«
Nachdem sie gegangen waren, blieben Quinn und ich auf der Terrasse, bis es dunkel wurde.
»Hast du Lust, heute Nacht die Pleiaden zu beobachten?«, fragte er.
»Könnte sein.«
Er schaute mich von der Seite an. »Das klingt nicht sonderlich begeistert.«
»Biete zusätzlich ein Abendessen an, dann bin ich vielleicht begeistert.«
»Und wie steht es mit einem Dessert?« Er hob eine Augenbraue.
»Dessert wäre auch sehr schön.«
»Du bist leicht zu haben«, sagte er.
»Vielleicht nicht ganz so leicht, wie du denkst. Ich gehe jetzt nach Hause, dusche und ziehe mich um. Holst du mich in einer Stunde ab? Ich schätze, Dominique findet noch einen guten Tisch für uns im Inn.«
»Was redest du da? Du meinst Abendessen, wie Abendessen?« Er sah verletzt aus.
Ich lachte. »Und Dessert, wie Dessert.«
»Und was ist mit den Pleiaden?«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte ich.