Kapitel 1
Wir alle haben ein Recht auf unsere Privatsphäre; ein heimlich geführtes Leben ist, was uns in Schwierigkeiten bringt. Zumindest ist das meine Erfahrung. Entweder stürzt das Kartenhaus ein, wenn unsere Lügen und Betrügereien uns schließlich doch einholen, oder wir nehmen die Geheimnisse mit ins Grab, und irgendjemand entdeckt sie, nachdem wir das Zeitliche gesegnet haben. So oder so, wir brechen einem geliebten Menschen das Herz, und das ist dann unser Vermächtnis.
Ich bin Eigentümerin eines Weinguts an den Ausläufern der Blue Ridge Mountains in Virginia, auf einer zweihundert Hektar großen Farm, die sich bereits fast so lange in Familienbesitz befindet, wie dieses Land existiert. Während der letzten zweihundert Jahre wurde jeder Montgomery, der hier gelebt hat, auf einem von einer Backsteinmauer eingefassten Friedhof bestattet, der auf einem kleinen Hügel in der Nähe meines Hauses gelegen ist und einen wahrlich atemberaubenden Ausblick auf die Berge bietet. In den beiden frischesten Gräbern ruhen meine Eltern.
Ich lege Wert darauf, diesen Ort, an dem ich Frieden und Ruhe finde, alle paar Wochen aufzusuchen. Die meiste Zeit verbringe ich am Grab meiner Mutter, stütze mich auf den Grabstein und rede mit ihr, während die Wolken wie in einer Helldunkelmalerei über die Blue Ridge Mountains hinwegschweben. Auch Leland – mein Vater zog es vor, von seinen Kindern beim Vornamen genannt zu werden – kommt zu seinem Recht, obwohl ich nie lange bei ihm verweile oder viel mit ihm rede.
Es heißt, Gott habe uns eine Familie gegeben, damit wir uns nicht mit Fremden auseinandersetzen brauchen. Meinem Vater war es irgendwie gelungen, für meinen Bruder, meine Schwester und mich Verwandter und Fremder zugleich zu sein. Jedes Mal, wenn ich den glatten Granitstein auf seinem Grab mit dem ziselierten Epitaph betrachte: »Was du in diesem Leben tust, wird zum Schicksal des darauffolgenden« – ein asiatisches Sprichwort, das in Lelands Fall eher als Warnung denn als Verheißung zu verstehen war –, mache ich mir Gedanken darüber, was für ein Mensch er war und welch vielschichtiges Leben er wohl vor uns geheim gehalten hat. Leland war ein Meister darin gewesen, manches von ihm im Dunkeln zu lassen, doch in den zwei Jahren nach seinem Tod hatte bislang noch keine seiner Taten mein Schicksal oder das meiner Geschwister grundlegend beeinflusst.
Das sollte sich bald ändern.
Der Friedhofsbesuch an diesem Tag, einem schwülen Spätnachmittag Ende Juli, dauerte nicht lange. Ich hatte im Garten ein paar herrlich duftende hellrosa Renaissancerosen für meine Mutter gepflückt. Acht Jahre zuvor hatte sie den Strauch gepflanzt, kurz bevor sie starb und wenige Monate vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag; sie hatte ihn nie blühen sehen. Hätte sie es noch erlebt, da war ich mir sicher, wäre er eine ihrer Lieblingsrosen geworden.
Als ich fertig war, stieg ich wieder in den zweisitzigen Gator und fuhr zu einem abgelegenen Teil der Farm, wo ich einigen Leuten erlaubt hatte, ihr Wochenende damit zu verbringen, aufeinander zu schießen. Vermutlich klingt das schlimm, war es aber nicht. In dieser Gegend gab es mit ziemlicher Sicherheit nicht ein Fleckchen Erde, das während des Bürgerkriegs zwischen dem Süden und dem Norden nicht auf die eine oder andere Weise eine Rolle gespielt hat, eine Tatsache, die immer noch sehr viele Menschen bewegte. Unter all den Staaten, die an diesem Krieg beteiligt waren, hat keiner so stark gelitten wie der unsrige, Virginia. Gettysburg war ein grausames Gemetzel von vier Tagen gewesen. Wir mussten vier Jahre Elend über uns ergehen lassen.
Als daher im letzten Jahr B. J. Hunt, Eigentümer des Hunt & Sons Funeral Home, bei mir erschienen war und fragte, ob ich etwas dagegen hätte, wenn seine historische Truppeneinheit, die Kompanie G des 8. Virginia Bataillons, auf meinem Grundstück die Schlacht von Balls Bluff nachstellen würde, wie hätte ich da Nein sagen können? Vor allem nachdem B. J. darauf hingewiesen hatte, dass diese örtliche Schlacht nur selten zur Aufführung kam, was für uns natürlich bedeutete, dass nicht nur Teilnehmer und Zuschauer aus dem ganzen Land angezogen würden, sondern dass das Weingut auch ein erkleckliches Maß an landesweiter Bekanntheit erhalten würde.
Ich bin durchaus nicht kriegerisch eingestellt, und ich gehe weder auf die Jagd, noch schieße ich, im Gegensatz zu meinem Vater, der ein hervorragender Schütze war, doch ich halte meine Vorfahren und unsere Geschichte in Ehren. Der Schauplatz des historischen Balls Bluff, heute als nationales Schlachtfeld und Park unterhalten, liegt einige Kilometer unterhalb der alten Carolina Road, am Ufer des Potomac. Dort befindet sich auch der drittkleinste Soldatenfriedhof der USA.
B. J. und seine Freunde wollten nicht auf geweihter Erde kämpfen, dennoch gedachten sie ihr Schauspiel möglichst dicht am historischen Schlachtfeld durchzuführen, vorzugsweise in der Nähe von Wasser. Am 21. Oktober 1861 hatten Soldaten der Nordstaaten mit einigen Booten von Maryland über den Potomac nach Virginia übergesetzt, da sie in der Nähe von Leesburg ein abgelegenes Lager der Konföderierten vermuteten. Stattdessen kam es zu einer den ganzen Tag andauernden Serie von Scharmützeln, die mit der panikartigen Flucht vieler Nordstaatler über die Klippen von Balls Bluff in die reißenden Fluten des Potomac endeten. Der Anblick Dutzender aufgedunsener Leichen in blauer Uniform, die flussabwärts nach Washington und bis nach Mount Vernon trieben, erschreckte Präsident Lincoln und seinen Kongress dermaßen, dass eine Kommission eingerichtet wurde, die fortan die Kriegführung überwachen sollte, wobei die Befehlshaber der Unionisten gezwungen wurden, sich einer Reihe von zivilen Gesetzen zu unterwerfen.
Der Goose Creek, ein Nebenarm des Potomac, fließt mitten durch mein Landgut. Obwohl er sich hauptsächlich durch Waldgebiete schlängelt, verläuft der Bach auch entlang eines Gebiets unterhalb der Weinfelder, von dem B. J. meinte, es sei der ideale Ort für die Aufführung, die in weniger als zwei Wochen stattfinden sollte.
Ich war nur noch wenige Meter von dieser Stelle entfernt, als der Gator, der schon am Friedhof seltsame Geräusche von sich gegeben hatte, zu stottern begann und dann den Geist ganz aufgab. Ich startete den Motor erneut und gab ordentlich Gas, doch außer einem müden Klicken hörte ich nichts. Ich wollte gerade aussteigen und einen Blick auf den Motor werfen – obgleich ich ehrlich zugeben muss, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, wonach ich eigentlich suchen sollte –, als mich das unheilvolle Geräusch von plötzlich aufbrausendem Wind in den Baumwipfeln hochschauen ließ. Die Vögel waren schlagartig still. Ein Sturm kündigte sich an. Und dabei musste es sich um einen mit sehr hoher Geschwindigkeit handeln.
Im Wetterbericht war nichts von einem Tornado gesagt worden, doch der niederträchtig aussehende graue Trichter, der aus dem Nichts am Horizont auftauchte und an seinen Rändern Schutt wie schmutzigen Rauch ausspuckte, ließ keinen Zweifel. Die unten anschwellende Staubwolke hatte die Form einer altmodischen Öllampe, und den in der Mitte emporsteigenden Trichter speisten der ungeheure Wirbel und das Drehmoment eines entfesselten Flaschengeistes.
Als sei das Auftauchen der Windhose das Startzeichen für das, was als Nächstes kommen sollte, schob sich eine bleiern gefärbte Wolkenwand vom Himmel herab wie ein auf die Bühne fallender Vorhang. Der Wind wurde stärker und schüttelte die Äste der Bäume auf unnatürliche Weise, bis nur noch die Unterseite der Blätter zu sehen war, ein glitzerndes Meer von Millionen Silbermünzen.
Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer von Quinn Santori, meinem Winzer, als mir einfiel, dass er gut dreißig Kilometer von hier entfernt bei einem Treffen der Weinbauern in Delaplane war. Stattdessen drückte ich die Kurzwahlnummer von Chance Miller, unserem neuen Verwalter, und ich hörte noch, wie er sagte: »Hallo, Lucie …« Danach signalisierte das Display, dass die Verbindung unterbrochen war, und dann wurde es plötzlich schwarz. Der Sturm musste den Funkmast außer Betrieb gesetzt haben.
Blitze warfen ihr grelles Licht auf das Land, als wolle Gott die Erde mit einem Flickenteppich bedecken. Ich warf das Handy, das jetzt wie ein Magnet auf die Blitze wirken konnte, ins Handschuhfach und begann zu zählen. Ich kam nur bis vier, als der Donnerschlag ertönte und es klang, als sei die Erde gespalten worden.
Ein kräftiger schrägfallender Regen setzte ein, der mir das schulterlange Haar in die Augen wehte und an der Kleidung zerrte. Im Geiste hörte ich die Aufforderungen der Fernsehreporter, wenn sie von Wind und Wetter gepeitscht an irgendeinem gefährlichen Ort am Ende der Welt standen und ihre Warnung hinausbrüllten, direkt bevor sie losrannten, um sich in Sicherheit zu bringen, sobald die Kamera ausgeschaltet war. Suchen Sie sofort Schutz! Der sicherste Ort ist das Kellergeschoss eines Hauses! Falls Sie keinen Keller haben, wählen Sie einen Raum im Inneren und verbarrikadieren Sie sich! Bedecken Sie sich mit einer Matratze oder verstecken Sie sich hinter einem Möbelstück! Verlassen Sie Ihre Autos oder Wohnwagen! Dort sind Sie nicht geschützt! Suchen Sie sofort Schutz!
Diese Warnungen trugen niemals jener tollkühnen Seele Rechnung, auf die kein Auto wartete, um sie in rasendem Tempo vom Ort der Verwüstung fortzubringen. Der Tornado tänzelte auf mich zu, schaukelnd und sich wiegend wie ein Betrunkener. Wenn ich hier nicht ganz schnell wegkam, war ich verloren. Ich kämpfte gegen die wachsende Panik an, die sich in mir ausbreitete, und versuchte mich auf meine Möglichkeiten zu konzentrieren. Mit welcher Geschwindigkeit bewegten sich Tornados? Wie viel Zeit blieb mir?
Die umliegenden Wälder waren nicht sicherer als das offene Gelände. Die Weinberge, wo Holzpfähle aus der Erde gerissen werden konnten und Drähte zu rasiermesserscharfen Gefahren wurden, waren eine noch schlechtere Idee. Suchen Sie einen tiefgelegenen Ort auf!, das wurde doch immer gesagt.
Auf dem Weg hierher war ich über eine Steinbrücke gekommen, die mein Urururgroßvater kurz nach dem Bürgerkrieg über den Goose Creek gebaut hatte. Das Ding eine Brücke zu nennen, war schon eine gehörige Übertreibung, da es eher einem Durchlass glich. Doch dorthin war es näher als zur Weinkellerei oder zu mir nach Hause, beides bedeutete eine Wegstrecke von mindestens drei Kilometer. Beim nächsten Blitzschlag schien irgendetwas im Wald getroffen worden zu sein. Meine Haut kribbelte, als ich Holz splittern hörte.
Ich schnappte mir meine Krücke aus dem Gator und machte mich auf den Weg zur Brücke. Vor vier Jahren hatte ich einen Autounfall gehabt, der mir einen verkrüppelten Fuß und die niederschmetternde Prognose meines Arztes eingebracht hatte, dass ich den Rest meines Lebens wohl im Rollstuhl würde verbringen müssen. Ich wechselte die Ärzte, bis ich einen fand, der die Sache anders sah. Operationen, monatelange Therapie und Schwimmübungen folgten, dann war ich schließlich so weit, dass ich mich mithilfe eines Laufstuhls fortbewegen konnte. Später schaffte ich es bis zur Krücke, die ich immer noch als Stütze und zum Halten des Gleichgewichts brauche. Doch rennen kann ich nicht mehr – und werde es auch nie können –, außer dass ich vielleicht hopsen kann wie jemand, dem man beim Kindergeburtstags-Wettrennen den rechten Fuß an den linken Fuß eines Partners gebunden hat.
Der Wind sprang um, und ich blickte über die Schulter zurück. Die dunkler werdende Wolkenwand verdeckte den gesamten Himmel, und es klang, als donnere ein Düsenjäger oder ein außer Kontrolle geratener Güterzug auf mich zu. Ich schleifte meinen kaputten Fuß wie ein sich sträubendes Kind hinter mir her. Der Zufahrtsweg verwandelte sich in einen schmutzigen, zerfurchten Wasserlauf, und bei jedem Schritt verursachte mein rechter Arbeitsstiefel ein saugendes Geräusch.
Wie weit war es noch bis zur Brücke? Was stand mir bevor, falls mich der Tornado vorher erwischen sollte? Würde er mich dann in die Luft heben wie Dorothy in Der Zauberer von Oz, mich herumwirbeln und anschließend irgendwo anders sicher wieder absetzen? Dorothy hatte sich wenigstens in einem Haus befunden. Was geschah denn eigentlich mit Leuten, die in einen Tornado gerieten? Wurden sie wie menschliche Speere durch die Luft geschleudert? Oder sank der Luftdruck dort dermaßen rapide ab, dass sie buchstäblich zerfetzt wurden?
Die Umrisse der Brücke, die im Platzregen unscharf und verschwommen wirkten, tauchten vor mir auf. Ich rutschte die Böschung hinab und griff nach einem Busch, um zu verhindern, dass ich auf dem Hintern oder im Wasser landete. Hier unten roch es nach Spinnweben und verfaulender Vegetation. Ich warf meine Krücke in die Dunkelheit, hustete und atmete gleichzeitig etwas ein, das wie Dreck schmeckte, während ich nach einem trockenen Fleck tastete, den sich nicht irgendein Tier als Zufluchtsort ausgesucht hatte. Das kleine Rinnsal war zu einem Sturzbach angewachsen. Er rauschte an mir vorbei, doch das apokalyptische Dröhnen dessen, was sich darüber abspielte, konnte er nicht übertönen.
Die Brücke war zu klein und nicht hoch genug, als dass ich darunter hätte stehen können. Daher musste ich mich hinknien wie jemand, der beten wollte. Meine Fingernägel krallten sich in den bröckeligen Mörtel zwischen den alten Steinen. Der Regen ging in Hagel über, und dieser spritzte wie heißes Fett in einer Bratpfanne, wenn er auf der Erde aufschlug und aufs Wasser klatschte. Der Sturm toste um die Brücke und führte Schmutzpartikel mit sich, die mich mit solcher Wucht trafen, dass ich glaubte, sie würden mir in die Haut dringen.
Nur ein einziges Mal in meinem Leben hatte ich mich mit der gleichen Verzweiflung gefragt, ob mein letztes Stündchen geschlagen habe. Noch Monate nach meinem Unfall, der mich zum Krüppel gemacht hatte, schreckte ich manchmal aus einem schweißtreibenden Traum auf, in dem ich in Zeitlupe erneut jenen Moment durchlebte, als mir klar wurde, dass der von meinem Exfreund gesteuerte Wagen die Kurve nicht mehr schaffen und mit tödlicher Wucht gegen die Steinmauer am Eingang unseres Weinguts krachen würde. Jetzt peitschte der Sturm mit der gleichen Gewalt auf mich ein, und er bemächtigte sich meines Geistes wie ein Dämon, der ausgetrieben werden musste.
Die Brücke über mir zitterte, als der Tornado vorbeirauschte – wie dicht, vermag ich nicht zu sagen –, doch dermaßen viel Geröll und Dreck regnete herab, dass ich sicher war, die Brücke würde einstürzen und mich lebendig unter sich begraben. Das Dröhnen nahm langsam ab, und auch das Toben ebbte nach und nach ab. Die für mich durch den Brückenbogen zeiterkennende Szenerie wechselte von Schwarz zu Grau. Dann hörte der Regen so plötzlich auf, als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht.
Ich fand meine Krücke und kroch wieder nach oben. Meine verdreckte Kleidung klebte an mir wie eine zweite Haut, und das Haar fühlte sich wie Seetang an, als ich es mir aus dem Gesicht strich. In westlicher Richtung hatte der Himmel immer noch seine tödliche Färbung, doch im Osten schien der Tornado die Wolken geschluckt und mit sich gerissen zu haben. Kein Wölkchen trübte das knallblaue Firmament und den unwirklich anmutenden Sonnenschein.
Der Hagel hatte den sommerlichen Landstrich in eine blendende und glitzernde Winterlandschaft verwandelt. In einiger Entfernung bildete der gelb-grüne Gator – an exakt jener Stelle, wo ich ihn hatte stehen lassen müssen – einen leuchtenden Farbfleck auf dem Eisteppich.
Die Schneise des Tornados erstreckte sich vom Ende des von B. J. festgelegten Schlachtfelds durch den Wald. Ich warf einen Blick auf die flachen Catoctin Mountains im Süden, danach auf die Blue Ridge Mountains, die am Horizont im Westen standen, und stellte ein paar Berechnungen an. Die Windhose war von Südwesten nach Nordosten durchgezogen. Auf ihrer Bahn hatte sie sich wahrscheinlich durch unsere Weinfelder im südlichen Abschnitt gewühlt, was bedeutete, dass sie mehr als die Hälfte unserer Trauben vernichtet haben konnte. Ich schloss die Augen und machte mich mit dem Gedanken an einen Verlust von mehreren Millionen Dollar an Trauben und Tausenden Kisten Wein vertraut. Doch ich selbst war mit dem Leben davongekommen, und wenn der Tornado mein Haus und die Weinkellerei verschont hatte – und Gott war gnädig –, dann hatten alle, die hier arbeiteten, ebenfalls überlebt.
Ich ging zurück zum Gator und nahm das Handy aus dem Handschuhfach. Es funktionierte immer noch nicht. Falls nicht jemand auf der Suche nach mir war, hatte ich einen Fußmarsch von drei Kilometern vor mir, um das Weingut zu erreichen. Vorher aber wollte ich mir noch die Schneise der Verwüstung anschauen, die der Tornado durch das Feld gezogen hatte.
Am Rand der aufgewühlten Furche glänzte ein kleiner kuppelförmiger Gegenstand in der späten Nachmittagssonne. Ich kniete mich hin und streifte die Erde ab, um besser erkennen zu können, was es war. Das Erste, das ich sah, waren leere Augenhöhlen, die ins Nichts starrten. Wo die Nase gewesen war, befand sich jetzt eine perfekte dreieckige Öffnung. Der Unterkiefer mit der unteren Zahnreihe fehlte, doch der Oberkiefer war intakt. Entfernter Donner grollte wie Trommelwirbel in der Nähe des Weinguts.
Es war noch ein höllisch weiter Weg, um Meldung zu machen, dass der Tornado einen menschlichen Totenkopf freigelegt hatte.