Kapitel 3

Quinn bog nach rechts in die Sycamore Lane ab, nachdem wir die südlichen Weinfelder verlassen hatten. Dies war der längere Weg zu meinem Haus.

»Ich möchte noch nach dem Pinot und dem Chardonnay im nördlichen Bereich schauen«, sagte er. »Mal sehen, was da an Aufräumarbeit auf uns zukommt. Dieser Sturm hat jede Menge an Schaden angerichtet.«

Obwohl der Tornado dort nicht durchgezogen war, hatte er dennoch seinen Tribut in Form von Blättern, Zweigen und Ästen gefordert. Auf der privaten Schotterstraße, die sich als sanfte Ellipse durch das Weingut wand, lagen überall Schutt und Trümmer herum. Wohin ich auch blickte, alles war mit frischen grünen Blättern bedeckt.

»Haben Sie schon nach Ihrem eigenen Haus geschaut?«, fragte ich, als wir an der Sackgasse vorbeikamen, in der sich sein Cottage und das jetzt leerstehende Haus des Verwalters am Waldrand befanden.

»Nee.«

Er riss den Lenker herum, um einem großen Ast auszuweichen, und bremste derart schlingernd, dass ich mich am Armaturenbrett festklammern musste. Ich wollte gerade fragen, was in ihn gefahren sei, als ich sah, dass er sich mit den Ellbogen auf den Lenker gestützt hatte und mit den Fingerspitzen seinen Mund bedeckte. Ungläubig starrte er auf die alte Platane – oder vielmehr das, was noch von ihr übrig geblieben war.

Der Baum, auch Maulbeerfeige oder Sykomore genannt, der der Straße zu ihrem Namen verholfen hatte, stand hier schon so lange, wie das Land in Familienbesitz war. Etwas – der Sturm, wahrscheinlicher jedoch ein Blitz – hatte ihn in der Mitte gespalten. Die rechte Hälfte war auf die Straße gestürzt und bildete ein unüberwindliches Hindernis, das bis zum Himmel zu reichen schien. Was noch aufrecht stand, ein gezackter Speer aus frisch aussehendem Holz, ließ mich an eine tiefe Wunde denken, bei der man den Knochen sehen konnte.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, und ich schaute weg, damit Quinn es nicht bemerkte. Der Verlust dieses Baums kam einem Todesfall in der Familie gleich.

»Es tut mir leid, Lucie«, sagte er.

»Warum musste es denn ausgerechnet dieser Baum sein? Dann schon lieber mein Haus, das kann man wieder aufbauen.«

»Ich weiß.«

Es war zwecklos, dennoch fragte ich es: »Glauben Sie, dass ein Baumpfleger ihn retten kann?«

Er startete die Mule und legte den Rückwärtsgang ein. »Ich wünschte es mir, aber ehrlich gesagt fürchte ich, dass es nicht mehr geht.«

Ich nickte und wischte mir mit dem schmutzigen Handrücken die Tränen aus den Augen.

»Wir werden es aber versuchen«, sagte er.

»Muss ja wohl ein Wahnsinnsblitz gewesen sein, dass er das geschafft hat.«

»Ich schicke ein paar Leute mit Kettensägen her, die sollen ihn von der Straße räumen. Ich hoffe nur, dass zwischen hier und Ihrem Haus nicht noch mehr umgestürzt wurde.«

»Sagen Sie mir Bescheid, wenn die Männer das machen?«, fragte ich. »Ich könnte es nicht mit ansehen. Ich muss dann irgendwo anders sein.«

»Natürlich.« Seine Stimme klang weich. »Ich verspreche Ihnen, dass ich mich um ihn kümmere. Wir werden unser Möglichstes tun, um ihn zu retten.«

Wir kamen noch an weiteren Trümmern vorbei, stießen aber auf nichts, das derart viel abbekommen hatte wie die Platane. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte, bis wir die runde Auffahrt zu meinem Haus erreichten. Vor mehr als zweihundert Jahren von meinem Ahnherrn Hamish Montgomery errichtet und als Ehrenbezeigung benannt nach seinem Regiment, das im Franzosen- und Indianerkrieg gekämpft hatte, die 77. Highlander, war Highland House eine anmutige Mischung aus föderaler und georgianischer Architektur, gebaut aus Steinquadern, die auf unserem Land gehauen worden waren. In den Sturz der Eingangstür hatte Hamish das Clanmotto der Montgomerys meißeln lassen: »Gardez bien«. »Seid wachsam« oder »Nehmt euch vor uns in Acht«. Außer weiteren kleinen Ästen, die auf die flacheren Dächer der beiden Flügel gefallen waren, sah das Haus noch genauso aus wie am Morgen, als ich es verlassen hatte.

Ich schloss die Augen und schickte ein stilles Dankgebet gen Himmel.

»Zumindest sind die Gebäude verschont geblieben«, sagte Quinn, als er vor der Eingangstür hielt.

»Ich weiß.« Ich atmete kräftig aus. »Glück gehabt. Es hätte erheblich schlimmer kommen können.«

»Ich frage mich nur, wie lange wir ohne Strom sein werden«, sagte er.

»Mehrere Tage, schätze ich.«

»Und wie wollen Sie dann duschen, ohne Wasser?«, fragte er.

»Der Wassertank dürfte voll sein. Das wird schon reichen, um mich sauber zu kriegen, auch wenn das Wasser nur lauwarm ist.«

»Ich denke, bis wir wieder Strom haben, halte ich mich – wie ist doch Ihr französischer Ausdruck dafür? – au naturel?«

»Sie meinen doch nicht etwa, dass Sie Ihr wöchentliches Bad am Samstag ausfallen lassen wollen?«

Er grinste. »Hören Sie, Prinzessin, ich dusche und rasiere mich täglich. Ich wechsle sogar die Unterwäsche.«

»So genau wollte ich es gar nicht wissen.« Ich kletterte aus der Mule und war froh, dass wir wieder bei unserem üblichen spöttischen Geplänkel angelangt waren. »Im Übrigen sollte ich zusehen, dass ich fertig bin, wenn die Leute des Sheriffs hier aufkreuzen.«

»Haben Sie eine Ahnung, wer diese Leiche sein könnte?«, fragte er. »Vielleicht handelt es sich ja um irgendein schwarzes Schaf aus der Verwandtschaft, das es nicht bis zu Ihrem Familienfriedhof gebracht hat.«

»Ich habe auch schon daran gedacht. Aber da ist kein Sarg, und es sieht ganz danach aus, als habe man den Toten einfach in einem flachen Grab verscharrt.«

»Was macht Sie so sicher, das es ein Er ist? Vielleicht ist es eine Sie.

Ich zuckte mit den Achseln. »Ich schätze, wir werden es noch früh genug erfahren.«

»Schätze ich auch«, sagte er.

Im Haus regte sich kein Lüftchen, und es war stickig. Man konnte bereits fühlen, wie sich die heiße und schwüle Luft von draußen in der zwei Stockwerke hohen Eingangshalle breitmachte und die trockene Kühle der Klimaanlage verdrängte. In meinem Schlafzimmer oben würde es vermutlich bald nicht mehr auszuhalten sein. Doch dann könnte ich immer noch in der Hängematte auf der Veranda schlafen. Das hatte ich vor zwei Jahren schon einmal getan, als die Klimaanlage ausgefallen war. Im großen Schrank in der Eingangshalle fand ich Taschenlampen, Kerzen sowie Campinglaternen und legte alles in die Nische neben Lelands Lieblingsbüste von Thomas Jefferson. Dann stieg ich Hamishs gewundene Haupttreppe hoch und sah, wie im abnehmenden Tageslicht Staubflocken um den Waterford-Kronleuchter schwirrten.

Um ein Haar hätte ich vor einiger Zeit das Haus bei einem Feuer verloren, doch die dadurch entstandenen Schäden hatten sich wieder beheben lassen. Gott sei Dank hatte ich auch diesmal unverschämtes Glück gehabt.

Statt zu duschen wusch ich mich nur mit dem Schwamm, um Wasser zu sparen, und machte mir gar nicht erst die Mühe, mich abzutrocknen. Das Festnetztelefon auf meinem Nachttischchen klingelte, während ich noch im Badezimmer war und das nasse Haar zu einem Pferdeschwanz band. Der Anrufbeantworter war wahrscheinlich ausgefallen, doch zumindest ging das Telefon.

»In der Villa warten zwei Polizeibeamte auf Sie, und Sie werden sicher gerne hören, dass der Gator wieder läuft«, sagte Quinn, als ich abnahm.

»Ich komme sofort. Was war denn mit dem Gator?«

Er schnaubte. »Jemand hat das Benzin-Öl-Gemisch, das wir für den Rasentrimmer benutzen, in den Tank getan. Ich hatte mir schon gedacht, dass sich da irgendeine Dumpfbacke ein Bravourstück geleistet hat. Ich habe den Tank geleert. Habe noch verhindern können, dass das Zeug die Zündkerzen verunreinigt, sonst hätten wir einen ziemlichen Schlamassel gehabt.«

»Dann war es also ein Versehen.«

»Versehen? Von wegen. Die Benzinkanister sind englisch und spanisch beschriftet, und da muss man schon blind sein, um das nicht zu sehen. Nein, die einzige Erklärung ist, dass da jemand mit geschlossenen Augen das Benzin nachgefüllt hat«, sagte er. »Aber verlassen Sie sich drauf, ich finde den Burschen, und der wird bis zur Ernte nur noch Weinfässer schrubben.«

»Ich werde mit den Leuten reden und ihnen sagen, dass sie künftig besser aufpassen und sorgfältiger sein sollen.«

»Dazu würde dann auch Ihr Knabe Chance gehören.«

»Er ist nicht ›mein Knabe‹. Außerdem traue ich ihm das nicht zu. Vielleicht war es Tyler. Der ist manchmal ziemlich zerstreut.«

»Meinen Sie jenen Tyler, der heute Morgen für einen Vulkanausbruch gesorgt hat, als Chance ihn ein Pinot-Fass auffüllen ließ?«

Ich schloss die Augen und rubbelte an einem Fleck auf meiner Stirn. Vulkanausbruch war unser Synonym dafür, über die Maßen zu füllen. Wenn der Wein noch fermentierte und man füllte das Fass zu voll, dann hatte das den Effekt einer Flasche Bier, die geschüttelt wird und beim Öffnen explodiert, oder einer zu hastig geöffneten Sektflasche. Das war nicht gerade das, was wir uns von einem Fass mit Wein im Wert von fünftausend Dollar wünschten.

»Ja, in Ordnung, jener Tyler. Vielleicht sollte er in Zukunft keine Fässer mehr füllen.«

»Vielleicht sollte er hier überhaupt nicht mehr arbeiten.«

»Ich habe Jordy und Grace versprochen …«

»Ja, ja. Dass wir Babysitter für ihn spielen, bis er einen richtigen Job gefunden hat. Was immer er in Zukunft tut, ihm sollte verboten werden, in die Nähe von schwerem Gerät oder scharfen Gegenständen zu kommen.« Ich hörte Quinn seufzen. »Sie sind der Boss, wenn Sie also wollen, dass er bleibt, bleibt er. Aber wundern Sie sich nicht, wenn er mal vergisst, das Ventil an einem der Tanks zu bedienen, und das Ding fliegt uns anschließend um die Ohren. Oder wenn er ein Fass mit dem Gabelstapler aufspießt. Außer ›Habe ich es Ihnen nicht gesagt?‹ bekommen Sie dann nichts von mir zu hören.«

»Wissen Sie, eigentlich graute mir ziemlich vor dem Gespräch mit den Polizisten«, sagte ich. »Aber nach all den aufmunternden Neuigkeiten fange ich langsam an, mich darauf zu freuen.«

»Das ist gut«, sagte er. »Die können es nämlich gar nicht abwarten, mit Ihnen zu reden.«

Obwohl ich einige der Beamten kannte, die für das Loudoun County Sheriff’s Office arbeiteten, sagten mir die Gesichter der beiden Männer nichts, die neben ihrem Einsatzwagen warteten, als ich fünf Minuten später auf den Parkplatz der Weinkellerei kam. Ihre Namensschilder wiesen sie als Mathis und Fontana aus. Mathis war ein grauhaariger Afroamerikaner mit der Statur eines Footballspielers und Augen, die mich mit einem einzigen Blick an die Wand nageln könnten, metaphorisch ausgedrückt. Fontana war klein und muskulös, hatte dunkles Haar und dunkle Augen. Seine Uniform spannte sich über der Brust, was dafür sprach, dass er seinen Körper regelmäßig stählte.

Nachdem wir uns vorgestellt hatten, sagte Mathis: »Wie kommen wir zu der Stelle, wo Sie die Leiche gefunden haben?«

»Am besten nehme ich Sie in einer unserer Mules mit«, sagte ich. »Das Gelände ist teilweise ganz schön holprig für einen normalen PKW, vor allem wenn Sie keinen Allradantrieb haben.«

Auf der Fahrt zum Grab saß Mathis neben mir und schlug seinen Spiralblock auf. Er stellte die üblichen Fragen.

»Ist außer Ihnen und Mr Miller noch jemand an der Stelle gewesen?« Seine Stimme erinnerte mich an geschmolzene Karamellbonbons.

Ich wusste, dass ihnen meine Antwort nicht gefallen würde.

»Leider auch Chance’ Hündin. Tut mir leid. Das war etwas unglücklich. Sie hat dicht beim Schädel einen Knochen gefunden und wollte damit spielen.«

»Sie haben in der Nähe eines Grabes einen Hund buddeln lassen?«, fragte Fontana.

»Wir haben sie natürlich sofort gestoppt, als wir sahen, was sie tat. Aber sie war nicht das einzige Tier, das sich an dem Knochen zu schaffen gemacht hat. Die Enden waren bereits angefressen.«

Ein paar Meter von dem Ort entfernt, wo ich den Schädel gefunden hatte, hielt ich an, und sie stiegen aus. Mathis musste einen sechsten Sinn für das Aufspüren von Leichen haben, denn er steuerte direkt auf die Stelle zu, noch bevor ich ihm sagen konnte, wo es war. Für einen so schweren Mann bewegte er sich ziemlich graziös. Er ging in die Knie und streifte sich Gummihandschuhe über, die er aus der Gesäßtasche zog. Fontana machte Fotos von der Fundstelle. Ich hielt mich im Hintergrund und wartete.

»Vic«, sagte Mathis, »sag ihnen Bescheid, dass sie kommen sollen. Sie sollen Noland auftreiben. Und einen Durchsuchungsbefehl mitbringen.«

Bobby Noland, einen der besten Freunde meines Bruders Eli, kannte ich von klein auf. Auf der Highschool hatte Bobby sich vom Musterschüler zum Arrestkönig entwickelt und trieb sich mit einer Horde harter Burschen rum, die ihre Nächte mit Saufgelagen und Drogen an der alten Goose Creek Bridge verbrachten. Zumindest war es das, was ich gehört hatte. Nach dem Schulabschluss erwartete ich, dass er die Stadt verlassen würde. Doch er überraschte alle Welt, indem er sagte, er wolle für sein Land kämpfen und zum Militär gehen. Zwei Jahre später kam er mit dem Purple Heart und einem Silver Star aus Afghanistan zurück, wollte aber nicht darüber reden. Danach ging er zur Polizei. Nach und nach brachte er es zum Kriminalbeamten, wurde dem Rauschgiftdezernat zugeteilt und dort für seine Tapferkeit ausgezeichnet. Vor einem Jahr wechselte er dann zur Mordkommission.

»Einen Durchsuchungsbefehl brauchen Sie nicht«, sagte ich zu Mathis. »Sie können sich hier so frei bewegen, wie Sie möchten.«

Fontana kam zu uns. »Noland und der Gerichtsmediziner sind im Anmarsch. Außerdem ein Typ von der Spurensicherung, aber soviel ich weiß, ist es das im Moment. Alle anderen sind noch mit dem Tornadomist beschäftigt«, sagte er zu Mathis. An mich gewandt meinte er: »Danke, aber unser Biggy hier hat es gerne nach dem Buchstaben des Gesetzes, daher werden wir trotzdem einen Durchsuchungsbefehl herbeischaffen. Erspart uns am Ende eine Menge Kopfschmerzen, vor allem wenn wir vor Gericht aussagen müssen.«

Big Boss Biggy. Ich hätte wetten können, dass er diesen Namen nicht von seiner Mutter bekommen hatte. Doch ich wollte nicht protestieren, wenn Mathis bis ins kleinste Detail peinlich genau sein wollte, indem er auf dem Durchsuchungsbefehl bestand, und deshalb nickte ich zustimmend.

»Haben Sie eine Ahnung, wie lange der hier schon liegt?«, fragte ich.

»Lange genug, um Veränderungen im Boden zu bewirken«, sagte Fontana. »Sehen sie, wie viel grüner das Gras hier ist? Und die Vertiefung, wo der Boden nachgesackt ist? Aus der Luft könnten Sie das recht gut erkennen – wenn Sie wüssten, wonach Sie suchen.«

Mit dem Finger zeichnete er nach, wo sich der Boden gesenkt hatte. »Wenn der andere Knochen zu dieser Leiche gehört, dürften die Überreste ziemlich verstreut liegen. Ein Grab muss mindestens anderthalb bis zwei Meter tief sein, damit die Tiere nicht zu buddeln anfangen. Das hier scheint kaum tiefer als einen halben Meter zu sein.«

Mathis stand auf, und ich hörte, wie seine Kniegelenke knackten. »Sie sind sicher, dass Sie keine Ahnung haben, um wen es sich hier handelt, Miss Montgomery? Eine alte Familienfehde vielleicht? Haben Sie mal jemanden darüber reden hören? Oder wie steht es mit irgendeiner Leiche im Keller?« Seine Augen lachten, während er die Gummihandschuhe abstreifte, doch wenn es hier irgendwo eine Wand gegeben hätte, wäre ich jetzt an sie genagelt gewesen. »Das ist kein Witz.«

Ich versuchte seinem Blick standzuhalten. »Es wäre sicher nicht normal, wenn es nicht auch bei uns Probleme und ein paar Geheimnisse gegeben hätte, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir keine Leichen im Keller haben, die Grund dafür sein könnten, dass jemand umgebracht wurde, falls Sie das meinen.«

Mathis hielt seinen Laserblick auf mich gerichtet, und ich tat mein Bestes, Selbstsicherheit auszustrahlen.

»Wir besitzen zweihundert Hektar, Mr Mathis. Das ist eine Menge Land. Wer immer das hier getan hat, auch ein total Fremder, er hätte kommen und wieder verschwinden können, ohne dass irgendjemand ihn oder sie gesehen hätte.«

Mathis nickte, doch sein Gesichtsausdruck verriet, dass er das schon hundert Mal gehört hatte.

»Das werden wir natürlich überprüfen«, sagte er. »Und im Übrigen danke ich Ihnen für Ihre Kooperationsbereitschaft.«

»Wir müssen den Tatort absperren«, sagte Fontana. »Das heißt, dass Sie und sämtliche Angestellte und auch der Hund sich von diesem Ort fernzuhalten haben, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.«

»Können Sie schon abschätzen, wie lange das dauern wird?«, fragte ich.

Mathis stopfte die Handschuhe in seine Gesäßtasche. »Das wird sich zeigen. Zwei, drei Tage. Vielleicht länger. Hängt davon ab, was wir finden.«

»Was können Sie nach so langer Zeit denn noch finden?«, fragte ich.

»Sie würden sich wundern«, sagte Mathis. »Das Locard’sche Prinzip lässt mich gewöhnlich nicht im Stich.«

Ich schluckte den Köder. »Was ist das?«

»Ein Mörder hinterlässt immer etwas am Tatort, andernfalls nimmt er etwas mit.«

»Immer?«

Er nickte. »Immer. Deswegen heißt es ja auch Locard’sches Prinzip oder Locard’sche Regel. Täuschen Sie sich nicht, Miss Montgomery. Bei Mord gibt es keine Verjährungsfrist, wenn sich herausstellen sollte, dass es sich um eine menschliche Leiche handelt. Falls Sie uns also etwas zu sagen haben, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt.«