Ausgleichsansprüche – Verteilung

Ausgleichsansprüche bei Vorempfängen

Handelt es sich bei den Erben um Abkömmlinge, somit um Kinder oder Enkel des Verstorbenen und sind sie gesetzliche Erben geworden, 17 kommt der Ausgleich von Leistungen in Betracht, welche der Verstorbene einem, einigen oder allen Abkömmlingen zu Lebzeiten zugewendet hatte (§ 2050 BGB). Enkel, Urenkel etc. müssen nicht ausgleichen, wenn sie die Zuwendung vor dem Tod des „näheren Abkömmlings“ (z. B. Vater oder Mutter), der sie von der gesetzlichen Erbfolge ausschloss, erhalten hatten.

Hat einer der Abkömmlinge eine Ausstattung erhalten, muss er diese ausgleichen, wenn der Erblasser nicht bereits bei der Zuwendung etwas anderes bestimmt hatte. Ausstattung ist (§ 1624 BGB), was der Erblasser einem Abkömmling zugewendet hat:

  • anlässlich einer Heirat („standesgemäße Ehe der Tochter“)

  • zur Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung (Sohn, KFZ-Meister, eröffnet Werkstatt)

  • zur Erhaltung der Werkstatt bzw. Lebensstellung (Zuwendung rettet Sohn vor Insolvenz)

Dies gilt auch für Ausstattungen, die im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Erblassers üblich sind.

Zuwendungen des Erblassers an einen Abkömmling

  • als Unterhaltsleistung über die gesetzliche Verpflichtung hinaus oder

  • für eine besonders teuere Berufsausbildung (Sohn darf ewig studieren, Tochter darf „nur“ Köchin lernen),

sind im Unterschied zur Ausstattung nur ausgleichspflichtig, wenn diese Leistungen angesichts der Vermögensverhältnisse das übliche Maß überschritten haben. Auch hier kann der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichspflicht ausschließen.

Alle anderen Zuwendungen sind auszugleichen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung den Ausgleich angeordnet hatte. Diese Ausgleichspflicht kann daher nicht mehr durch Testament angeordnet werden.

Der Ausgleich findet nur zwischen Abkömmlingen statt. Ehegatte/Lebenspartner sind nicht beteiligt.

In der Hektik des Jahres 2009 hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Testierfreiheit des Erblassers zu erweitern und ihm nachträgliche Disposition zu ermöglichen. Somit kann der Erblasser die Ausgleichspflicht für Ausstattungen und Zuwendungen nicht mehr im Testament aufheben, wenn er dies bei der Zuwendung versäumt hat. Die Ausgleichspflicht für eine andere Zuwendung kann er nicht mehr nachträglich anordnen. (Der Empfänger soll bei der Hingabe wissen, was ihm blüht!)

Aber: Im Rahmen der Testierfreiheit kann der Erblasser immer noch durch geeignete Regelungen erreichen, dass – wirtschaftlich gesehen – nicht angeordnete Ausgleichspflicht doch eintritt oder gesetzlich gebotene Ausgleichspflicht doch nicht erfolgt. Allerdings: Er darf hierbei kein Pflichtteilsrecht verletzen, das nach der gesetzlichen Regelung eingetreten wäre (§ 2316 BGB).

Tochter hat als Ausstattung bei der Eheschließung 35 000 Euro erhalten. Ausgleichspflicht wurde damals ausgeschlossen. Vermögen des Vaters (Witwer) beim Todesfall: 380 000 Euro. Erben sind seine vier Kinder. Der Vater kann z. B. jetzt bestimmen, dass die drei anderen Kinder je 35 000 Euro als Vorausvermächtnis erhalten. Dann ergibt sich:

Das Vorausvermächtnis von 3 × 35 000 = 105 000 Euro wird am Nachlass abgezogen; es bleiben somit 275 000 Euro zu verteilen. Demnach erhält jedes Kind zunächst ¼ von 275 000 = 68 750 Euro für die Tochter. Die drei anderen Kinder erhalten 103 750 Euro.

Prüfung: Pflichtteil der Tochter (ohne Zuwendung) wäre 1/8 von 380 000 = 47 500 Euro, somit weniger als 68 750 Euro. Das Testament ist wirksam. Der Vater hat den damals angeordneten Ausschluss von der Ausgleichspflicht wirtschaftlich unterlaufen.

Erben werden die vier Kinder und die Witwe (gesetzlicher Güterstand). Der Vater hatte bestimmt, dass die drei Vorausvermächtnisse aus dem Erbteil der Kinder zu erbringen sind. Jetzt ergibt sich:

Die Witwe erhält die Hälfte, somit ½ von 380 000 Euro = 190 000 Euro. Von der anderen Hälfte werden zunächst 105 000 Euro zur Erfüllung der Vermächtnisse beiseite gelegt; der Rest für die Erbanteile der vier Kinder beträgt 85 000 Euro. Somit erhält jedes Kind als Erbteil zunächst ¼ von 85 000 = 21 250 Euro.

Der Pflichtteil der Tochter beträgt 1/16 von 380 000 Euro = 23 750 Euro. Diesen Pflichtteil muss sie erhalten, wozu die Vermächtnisse gekürzt werden. Die „Rücklage“ (105 000 Euro) wird um den erforderlichen Betrag verringert, das heißt 23 750 – 21 250  = 2500 Euro, so dass für die Vermächtnisse noch 102 500 Euro zur Verfügung stehen.

Endgültig erhalten:

  • die Witwe 190 000 Euro

  • die Tochter 23 750 Euro (Erbteil 21 250 + Pflichtteilsergänzung 2500 Euro)

  • die drei anderen Kinder je 21 250 Euro (Erbteil) + ca. 34 166 Euro (Vermächtnis = 1/33 von 102 500 Euro), das heißt ca. 55 416 Euro.

Die Verteilung des Nachlasses

Grundsätzlich obliegt die Verteilung den Erben, die bei Einigkeit hierfür weitgehende Freiheiten haben.

Besteht keine Einigkeit, dann kommen folgende Alternativen in Betracht:

  • Das Verteilungsverfahren vor dem Nachlassgericht. Die schon bisher vorhandene Regelung im FGG hatte keinerlei praktische Bedeutung erlangt. Wenn auch die Neuregelung in § 363 ff. FamFG ein praxisgerechteres Verfahren vorsieht, handelt es sich auch hier nur um eine Vermittlung und wenn das Gericht keine Einigkeit herbeiführen kann, bleibt nur der teuere Zivilprozess.

  • Wurde ein Testamentsvollstrecker ernannt, nimmt dieser die Verteilung vor, falls seine im Testament bezeichneten Befugnisse dazu ausreichen. Dabei hat er auch die Frage der Vorempfänge zu regeln und darf – neuerdings – auch Ausgleichsansprüche bei Pflege etc. berechnen (§ 2204 BGB). Er kann auch z. B. mit dem Vermächtnisnehmer zum Notar gehen, um das vermachte Grundstück zu übertragen oder auch die Teilungsanordnung des Verstorbenen beim Notar beurkunden lassen. Auch kann er das Grundstück an Dritte verkaufen, um das Geld – dem Testament entsprechend – zu teilen.

  • Der Erblasser hätte (§ 2048 BGB) im Testament bestimmen können, dass ein Dritter (z. B. der Herr Pfarrer!) den Nachlass „nach billigem Ermessen“ verteilt, ohne Testamentsvollstrecker zu sein. Praktische Bedeutung hat diese Möglichkeit nicht erlangt, zumal jeder Miterbe mit der Begründung, die Teilung sei unbillig, vor Gericht ziehen kann.

Kommt keinerlei Einigung zustande, muss der gesamte Nachlass verkauft und der Erlös geteilt werden. Gehört zum Nachlass Grundbesitz (siehe Kapitel 6 bzw. Seite 75), gibt es für die Auseinandersetzung ein streng formal geregeltes Gerichtsverfahren. Abgesehen von dem äußerst seltenen Fall, dass ein Grundstück durch Realteilung in gleichartige Teile geteilt werden kann, bleibt nur die Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft, auch „Teilungsversteigerung“ genannt. Jeder Miterbe – und sei sein Anteil noch so klein – kann sie verlangen. Kein Miterbe, und sei sein Anteil noch so groß, kann sie auf Dauer verhindern. Kein Miterbe kann gezwungen werden, gegen Geldangebot von der Versteigerung Abstand zu nehmen. Einzelheiten hierzu würden den Rahmen des Buches sprengen. 18

Wer Grundbesitz hat und diesen (durch Testament oder gesetzliche Erbfolge) mehreren Erben zukommen lässt, ohne eine Teilungsanordnung zu treffen, muss damit rechnen, dass der Grundbesitz versteigert wird.

17

Ein solcher Ausgleich kann auch bei Erbfolge aufgrund Testaments in Betracht kommen, wenn der Verstorbene im Testament praktisch die gesetzlichen Erbquoten übernommen hat (§ 2052 BGB).

18

Im Kapitel 9 des Buches „Immobilien günstig ersteigern“ (Mayer), Walhalla Fachverlag, ist mit Mustern erklärt, wie man einen solchen Antrag selbst stellen kann und wie man wenigstens versuchen kann, das Versteigerungsverfahren zu verzögern.