Zwei Tage später hatte Isabelle Marissa davon überzeugen können, sich Bennington Place wenigstens einmal anzusehen. Zunächst war Marissa vollkommen dagegen gewesen, aber nachdem auch einige Fälle von Polio an ihrer Schule bekannt wurden, hatte Marissa dem Kind zuliebe letztlich doch nachgegeben. Bereitwillig holte Mark die beiden ab, um sie nach Bennington Place zu fahren.
Als Isabelle nun aus dem Wagen stieg, hielt sie kurz inne, um das wunderschöne mit Efeu umrankte Haus zu betrachten. Es sah völlig anders aus als in ihrer Erinnerung an jene dunkle, verschneite Januarnacht, als sie verzweifelt nach Hilfe für ihre Mutter gesucht hatte.
Dieses Mal strahlte es eine heimelige und friedliche Atmosphäre aus, die ihr ein wenig die Nervosität vor dem Besuch nahm. Das Gepäck ließ Marissa vorerst in Marks Wagen, bis sie sich endgültig entschieden hatte.
Mark betrat Bennington Place mit einer Gelassenheit, die davon zeugte, wie vertraut er mit dem Heim war. Eine hübsche, dunkelhaarige Frau mit einem freundlichen Lächeln kam ihnen entgegen. „Mark, wie schön, dich wiederzusehen.“
Es war die gleiche Frau, die ihr damals den Ambulanzwagen bestellt und ihr versprochen hatte, für ihre Mutter zu beten.
Mit einem Kuss auf die Wange begrüßte Mark sie. „Hallo. Und danke, dass wir so kurzfristig vorbeikommen konnten.“
Die braunen Augen der Frau strahlten warm. „Ich helfe, wo ich kann. Und als ich gehört habe, dass es um Freunde von dir geht, habe ich natürlich alles sofort stehen und liegen gelassen“, erwiderte sie mit einem Grinsen und streckte ihre Hand aus. „Herzlich willkommen in Bennington Place. Mein Name ist Olivia Reed.“
Sie war noch recht jung, Ende zwanzig mutmaßte Isabelle. Das Haar hatte sie zu einem ordentlichen Knoten über dem Nacken gebunden und ihre makellose Haut sowie die vollen Lippen unterstrichen ihre natürliche Schönheit. Wie kam es, dass so eine schöne junge Frau ein Mütterheim leitete?
„Ich bin Isabelle Wardrop“, sagte sie und schüttelte Isabelles Hand. „Und das ist meine Schwester Marissa. Ich glaube, wir sind uns im Januar schon einmal kurz begegnet.“
„Ah, ja richtig. Ich erinnere mich“, erwiderte Olivia, bevor sie sich an Marissa wandte. „Bitte kommen Sie doch herein und machen Sie es sich gemütlich. Ich habe uns eine kleine Erfrischung bereitgestellt“, sagte sie, nahm Marissa beim Arm und führte sie in den Salon. Isabelle ließ sich ein Stück zurückfallen. Dass Mark und Olivia sich nahestanden, war offensichtlich, doch was genau für eine Beziehung sie hatten, wusste sie nicht.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Mark mit einem Blick zu ihr.
„Nein, nein. Ich bin nur etwas überrascht. Olivia ist so jung … und hübsch. Ehrlich gesagt hätte ich eher –“
„Jemanden wie mich erwartet?“, vollendete eine große, grauhaarige Dame Isabelles Satz, die nun im Flur stand. Mit einem leisen Lachen kam sie auf sie zu.
„Ruth. Schön, dich zu sehen“, grüßte Mark sie mit einer Umarmung.
„Ebenfalls“, sagte sie und hob eine Braue. „Und wer ist diese nette junge Frau?“
„Eine Freundin, Isabelle Wardrop. Sie ist mit ihrer Schwester Marissa hier, um herauszufinden, ob Bennington Place etwas für Marissa wäre. Isabelle, das ist Ruth Bennington.“
„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte Isabelle und lächelte.
„Es ist mir eine Freude. Sollen wir zu den anderen gehen?“, fragte sie und zeigte zum Durchgang auf der rechten Seite.
Im Salon erstaunte Isabelle, wie schön und gemütlich es hier war. Olivia und Marissa saßen auf einem Sofa und unterhielten sich. Offensichtlich gab Olivia sich große Mühe, dass Marissa sich entspannen konnte.
Ruth stellte sich kurz vor und Isabelle wählte einen komfortablen Sessel neben dem Kamin. Mark und Ruth setzten sich auf zwei Stühle auf der anderen Seite des kleinen Kaffeetischs.
„Ich war gerade dabei, Marissa ein bisschen von unserem Haus zu erzählen“, sagte Olivia. „Insgesamt können hier bis zu sechzehn Frauen mit ihren Kindern wohnen, aber meist sind nicht alle Zimmer voll besetzt.“
„Finden die Geburten hier oder im Krankenhaus statt?“, wollte Isabelle wissen.
„Die meisten Babys kommen bei uns zur Welt. Wir arbeiten mit einer ganz hervorragenden Hebamme zusammen, Mrs Dinglemire. Aber falls es doch nötig werden sollte, ist der Ambulanzwagen binnen wenigen Minuten hier. Das ist allerdings erst zwei Mal vorgekommen.“
„Und wie geht es nach der Geburt weiter?“, fragte Marissa.
Isabelle spürte, wie angespannt sie war.
„Das hängt ganz von der Mutter ab“, sagte Olivia mit einem sanften Lächeln. „Diejenigen, die ihr Kind gern behalten wollen, bleiben in der Regel noch eine Weile bei uns und lassen sich unterstützen, bis sie eine Teilzeitstelle und eine bezahlbare Unterkunft gefunden haben. Aber wir stehen hinter jeder Entscheidung, sei es, das Kind zu behalten oder es zur Adoption freizugeben. Deshalb arbeiten wir auch mit einer ganz wunderbaren Dame von der Children’s Aid Society zusammen, die die werdenden Mütter dabei unterstützt, die passende Entscheidung zu treffen. Und, um das vorneweg klarzustellen: Wir drängen niemanden in eine bestimmte Richtung. Wir stehen bloß mit Rat und Tat zur Seite.“
Isabelle merkte, wie die Last auf ihren Schultern bei Olivias Worten etwas leichter wurde. Vielleicht waren sie und Marissa dieses Mal tatsächlich nicht allein.
„Wollen Sie vielleicht einen Blick in die Zimmer werfen oder die anderen Frauen kennenlernen?“, bot Olivia an.
Marissa nickte. „Gern. Wenn es ihnen nichts ausmacht.“
„Absolut nicht. Sie werden sehen, dass alle Bewohnerinnen sehr aufgeschlossen sind. Zumindest, sobald sie sich eingelebt haben. Die meisten sind anfangs ein wenig zurückhaltender, aber das ist auch verständlich. Manche haben grausame Dinge erlebt, Schicksale, die wir uns gar nicht vorstellen können“, sagte Olivia und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Aber bei uns gilt die Regel, dass jede nur so viel oder wenig erzählt, wie sie mag. Sobald die Frauen hier richtig angekommen sind, fällt die Anspannung meist ab und sie öffnen sich ganz von allein“, sagte Olivia und drehte sich zu Isabelle. „Möchten Sie auch mitkommen?“
Nach einem kurzen Blick zu Marissa, die leicht mit dem Kopf schüttelte, sagte sie: „Ich denke, ich warte hier. So können Sie und Marissa sich noch ein wenig unterhalten. Wäre das in Ordnung?“
„Natürlich.“ Sogleich stand Ruth auf und ging zum silbernen Teeservice auf einem der kleinen Beistelltische. „Wir können derweil ja eine Tasse Tee trinken. Oder hättest du lieber Kaffee, Mark?“
„Nein, danke. Tee klingt gut.“
Ruth schenkte drei Tassen ein und reichte ein kleines Tablett mit Törtchen herum. Aus Höflichkeit nahm Isabelle eines, wenngleich sie bezweifelte, auch nur einen Happen essen zu können.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Ruth und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter, als sie an ihr vorbeikam.
Überrascht sah Isabelle zu der Frau auf, die scheinbar ihre Gedanken lesen konnte. „Nun, es geht nicht um das Haus hier. Im Gegenteil, Bennington Place scheint ideal für meine Schwester.“
„Und was bedrückt dich dann?“, fragte Mark einfühlsam.
Isabelle zögerte. Nur ungern sprach sie vor dieser Unbekannten über ihre Gefühle. Ganz gleich, wie nett Ruth auch war. Da jedoch sowohl Ruth als auch Mark eine Antwort erwarteten, stellte sie ihre Tasse ab und überwand sich. „Ich weiß ja, dass Marissa hier gut aufgehoben wäre, aber …“ Sie schluckte und sah einen Moment lang auf den blumigen Teppich unter ihren Füßen. „Sie ist nun mal meine kleine Schwester.“
„Und Sie wollen sie nicht allein lassen“, sagte Ruth mitfühlend.
Isabelle schnürte sich der Hals zu und sie konnte nur noch nicken. Der Gedanke, von ihrer Schwester getrennt zu werden, war zu schmerzvoll. Bisher hatten sie immer zusammengehalten und alles gemeinsam ertragen. Es fühlte sich nicht richtig an, sie jetzt allein zu lassen, wo Marissa sie am dringendsten brauchte.
„Die beiden haben erst kürzlich ihre Eltern verloren“, schob Mark erklärend nach.
„Und jetzt habe ich das Gefühl, sie auch noch im Stich zu lassen“, sagte Isabelle und blinzelte die Tränen aus den Augen. „Das muss ziemlich dumm klingen.“
„Überhaupt nicht“, widersprach Ruth und lehnte sich zu ihr vor. „Natürlich können Sie Ihre Schwester jederzeit besuchen. Auch die Bewohnerinnen dürfen kommen und gehen, wie sie wollen. Sie sind hier ja nicht gefangen oder sonst irgendwie eingeschränkt.“
Isabelle nickte. „Das ist gut zu wissen. Auch wenn ich befürchte, dass ich mich mit meinen vielen Besuchen sicher unbeliebt machen würde.“
„Unsinn. Je mehr Unterstützung die werdende Mutter erhält, desto besser.“
Alles, was Ruth sagte, ließ Isabelles Bewunderung für die Frau wachsen. „Danke, Ruth. Ihr Verständnis tut gut.“
„Olivia und ich wissen ganz genau, wie schwierig das alles für junge Frauen ist. Aus eben diesem Grund haben wir es uns zum Ziel gesetzt, einen Schutzraum zu schaffen. Damit sie es besser haben als wir damals. Ich glaube, dass wir einander helfen können, Isabelle. Und ich hoffe, dass Ihre Schwester das genauso sieht.“ Ruths freundlicher und aufrichtiger Blick sowie ihre Worte schenkten Isabelle Trost.
Dankbar sah sie zu Mark. „Das hoffe ich auch.“ Er lächelte ermutigend zurück und ihr Herz wurde leicht. Danke, Herr, dass du Mark in unser Leben geführt hast. Ich weiß nicht, wo wir jetzt ohne ihn wären.
„Wie geht es dir mit alledem, Mark?“, fragte Olivia eine Weile später. „Du warst sicher sehr enttäuscht von Joshua.“
Kurz senkte Mark den Blick auf seine Hände, dankbar, dass er für einen Moment allein mit Olivia und Ruth war. Isabelle half Marissa gerade beim Beziehen ihres neuen Zimmers. Wenn irgendjemand verstand, wie schwer das alles für ihn war, dann die beiden Frauen.
„Natürlich habe ich hart damit zu kämpfen“, sagte er mit einem kurzen Lächeln zu Olivia. „Aber ich habe mir Mühe gegeben, deinen Rat zu befolgen, Olivia: Ich habe mich lange mit Josh unterhalten und ihm vor allem zugehört.“
„Sehr gut“, sagte Ruth. „Er braucht deine Unterstützung jetzt mehr denn je.“
„Ja … er hat jetzt auch endlich zugegeben, dass er eigentlich nie Arzt werden wollte. Er wusste nur nicht, wie er es mir sagen sollte.“
„Das tut mir leid, Mark“, sagte Olivia und legte eine Hand auf seinen Arm. „So etwas hatte ich ja schon befürchtet. Aber es ist gut, Bescheid zu wissen, bevor ihr all das Geld in die Studiengebühren investiert.“
„Ja, das stimmt. Josh hat sich außerdem eine gut bezahlte Arbeit im Norden gesucht, damit er Marissa und das Baby unterstützen kann.“
„Sehr verantwortungsvoll“, erwiderte Ruth, das Gesicht weiterhin ernst. „Das heißt nicht nur ihre Schwester unterstützt Marissa, sondern auch du und Josh. So viel Glück haben nicht viele.“
„Das sehe ich auch so. Und ich habe Josh versprochen, dass wir gemeinsam einen Weg finden.“
Nachdenklich betrachtete Ruth Mark. „Und wie hat sich die Situation auf dein Praxisvorhaben ausgewirkt?“
Mark stand auf und ging im Raum umher. „Gestern Abend habe ich lange wach gelegen und darüber nachgedacht. Aber ich bin zu dem Entschluss gekommen, diesen Weg trotzdem zu gehen. Auch ohne Josh an meiner Seite.“
„Sehr gut. Ich habe nämlich mit ein paar Bekannten gesprochen und zwei davon haben sichtliches Interesse gezeigt. Hattest du schon Zeit, nach möglichen Praxisräumen Ausschau zu halten?“
„Ja. Es gibt ein Objekt, das gut passen könnte. Aber es wären ein paar Renovierungsarbeiten nötig.“
„Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich die Räume gern sehen. Damit ich meinen Bekannten besser Auskunft geben kann.“
„Aber natürlich. Ich rufe gleich den Makler an und mache einen Termin für uns aus.“
„Wunderbar“, sagte Ruth zuversichtlich. „Dann sind wir dem Ganzen ja schon einen großen Schritt näher gekommen.“
Isabelle bewunderte, wie ein Zimmer neben aller Schlichtheit so viel Gemütlichkeit ausstrahlen konnte. Wie in jedem Zimmer in Bennington Place gab es auch in Marissas neuem Zimmer zwei Einzelbetten, ein Nachtschränkchen mit einer kleinen Lampe, zwei hohe Kleiderschränke und ein Schaukelstuhl. Sehr liebevolle, selbst gemachte Tagesdecken zierten die Betten und die zartblauen Vorhänge passten wunderbar zur blumigen Tapete. Ruth und Olivia hatten offensichtlich keine Kosten und Mühen gespart, um die Zimmer heimelig und einladend zu gestalten.
„Ist schön hier, oder?“, sagte Marissa, als sie ihren Koffer abstellte.
„Sehr sogar“, erwiderte Isabelle. Doch ganz gleich wie freundlich das Zimmer auch aussah, es gelang ihr nicht, ihre Wehmut zu verbergen. Der Gedanke, ihre Schwester hier zu lassen, lag ihr schwer im Magen. „Und du bist dir sicher, dass du das hier willst, Rissa?“
„Es ist für alle das Beste“, antwortete diese mit Tränen in den Augen. „Aber du kommst mich doch besuchen, oder?“
„Natürlich. Ich werde so oft da sein, dass man mich für eine von euch halten wird“, versicherte Isabelle ihrer Schwester und zog sie in eine feste Umarmung. Wenn doch bloß ihre Mutter hier wäre, um ihnen zur Seite zu stehen.
„Erinnerst du dich noch, was Mama immer gesagt hat?“, flüsterte Isabelle. „Gott ist auch mitten im Sturm bei uns und wird uns durchtragen. Halt dich an dieser Verheißung fest, okay? Das wird dich trösten.“
„Ich versuch’s“, sagte Marissa mit zitternden Lippen, als sie sich aus der Umarmung löste. „Ich vermisse sie so. Und ich hasse die Vorstellung, sie enttäuscht zu haben.“
Hastig schüttelte Isabelle den Kopf. „Sie hätte dich immer geliebt und unterstützt, ganz gleich unter welchen Umständen. Genau wie ich.“ Zärtlich streichelte Isabelle über Marissas weiches Haar. „Du machst jetzt einfach das Beste hieraus“, sagte sie. „Nutz die Zeit mit den anderen Frauen und nimm ihren Rat an, um am Ende zu einer guten Entscheidung für dich und das Kind zu kommen.“
„Das werde ich.“
„Und denk dran: Solltest du deine Meinung noch einmal ändern und nicht mehr hier sein wollen, finden wir eine andere Lösung.“
„Es wird mir hier gut gehen, Isabelle“, sagte Marissa und schien sich zusammenzunehmen. „Die anderen verstehen genau, wie es mir gerade geht.“
Isabelle schniefte kurz und gab ihr Bestes zu lächeln.
„Aber was ist mit dir, Belle?“, fragte sie mit einer Hand über dem immer größer werdenden Bauch. „Wo wirst du hingehen?“
„Das weiß ich noch nicht. Ich möchte erst mit Rosie sprechen, bevor ich etwas entscheide.“
„Aber warte nicht zu lange. Du darfst dich nicht anstecken.“
„Mach dir keine Sorgen, Liebes. Außerdem glaubst du doch selbst nicht, dass Mark Ruhe gibt, bevor er auch mich in Sicherheit weiß.“
Beide lachten.
Mit der Hand zeigte Isabelle zu Marissas Koffer. „Soll ich noch etwas bleiben und dir beim Auspacken helfen?“
„Nein, danke. Das ist schnell getan.“
Leise Schritte ertönten und jemand kam ins Zimmer. „Oh, hallo. Du bist sicher meine neue Zimmernachbarin“, sagte ein dunkelhaariges Mädchen in der Tür. Dem jungen Gesicht zufolge war sie vermutlich kaum älter als Marissa, weshalb der große Babybauch umso erschreckender wirkte. Sie lächelte breit. „Ich bin Laura. Und wer bist du?“
„Ich heiße Marissa und das ist meine Schwester Isabelle.“
„Schön, euch kennenzulernen“, sagte sie mit apfelroten Wangen. „Ich freue mich so, nicht mehr allein im Zimmer zu sein.“
„Wie lange bist du schon hier, Laura?“, fragte Isabelle.
„Etwa vier Monate jetzt. Ich hatte auch schon eine andere Zimmernachbarin, aber nach der Geburt ist sie ausgezogen“, erklärte sie, als sie auf ihre Seite des Zimmers ging und sich auf das Bett fallen ließ. „Sicher gefällt es dir hier, Marissa. Ruth und Olivia sind wundervoll. Dank ihnen fühlen wir uns hier alle wie eine große Familie.“
Plötzlich spürte Isabelle einen Hauch Unmut in sich aufsteigen. Sie war Marissas Familie! Und sie war alles, was ihre Schwester brauchte.
Doch so schnell, wie dieser Gedanke aufgekommen war, war er auch wieder verflogen. Natürlich konnten diese Frauen ganz anders für Marissa da sein als sie selbst. Und es stand Isabelle nicht zu, sie um diese neuen Beziehungen zu beneiden.
„Das höre ich gern“, sagte Isabelle und legte einen Arm um Marissas Schulter. „Ich möchte unbedingt sicher gehen, dass Marissa in guten Händen ist.“
„Oh, das ist sie. In den allerbesten.“
Zufrieden lächelte Isabelle. Mit einem Mal kam sie sich jedoch fehl am Platz vor. Sie wusste, dass Marissa den nächsten Schritt auf ihrer Reise allein gehen musste.
„Nun, dann sollte ich jetzt wohl besser gehen“, sagte sie und blinzelte mehrmals, entschieden, nicht die Fassung zu verlieren, bis sie Bennington Place hinter sich gelassen hatte. „Pass gut auf dich auf, Rissa, und ruf an.“ Über den Fernsprecher bei Tante Rosie, für den Elias tatsächlich weiterhin bezahlte, war Isabelle nun dankbarer denn je. Vielleicht erleichterte er sich damit sein schlechtes Gewissen über die aufgelöste Verlobung.
„Das werde ich. Versprochen“, sagte Marissa und umarmte Isabelle erneut.
Dann verließ sie mit einem wehmütigen Lächeln das Zimmer und ging wieder nach unten, wo Mark schon auf sie wartete.