Paradies

Meine Brüder und Schwestern, ich möchte euch zu einem Spiel einladen. Oder vielleicht ist Übung der bessere Ausdruck. Es geht um etwas, was ihr gut kennt, was ihr in Gedanken schon oft durchgespielt habt. Macht es euch bitte bequem und schließt jetzt die Augen.

Stellt euch vor, Harmagedon liegt hinter uns. Endlich bricht der große Tag unseres himmlischen Vaters an, und ihr wacht in der neuen Welt auf. Hört ihr die Vögel zwitschern? Auch sie lobpreisen unseren allmächtigen Gott. In der Luft hängt der Duft von Blumen und von Früchten, die in den Bäumen reifen. Vielleicht summen die Bienen und sind schon ganz benommen vom vielen Nektar. Das Paradies – könnt ihr es spüren, Brüder?

Euer Hinken – verschwunden. Die Augenprobleme – vergessen. Der Rollstuhl, auf den ihr angewiesen wart, und die Medikamente, die ihr täglich genommen habt – das alles ist entsorgt. Euer Körper ist makellos.

Spulen wir um ein Jahr vor. Ihr habt euer Land bestellt, euer eigenes Fleckchen Erde. In dieser neuen Welt brauchen wir keine Zäune, Tore oder Stacheldraht. Wir vertrauen unseren Nachbarn. Wir verriegeln nicht unsere Türen wie früher. Und unsere Häuser? Brüder … Stellt euch das Haus vor, das ihr für eure Familie gebaut habt! Eigenhändig! Kein Kredit, den ihr abstottern müsstet, es gehört euch einfach.

Und jetzt stellt euch vor, ihr sitzt in eurem Garten und genießt die Früchte eurer Arbeit. Eure Frau hat aus den besten Lebensmitteln ein Mittagessen zubereitet. Könnt ihr euch die Speisen vorstellen, Schwestern, die ihr aus dem zaubert, was ihr selbst angebaut habt? Keine Fahrten zum Supermarkt mehr, und ihr müsst auch nicht mehr jeden Penny umdrehen, um eure Familie zu ernähren. Gott versorgt euch mit allem, und jedes Essen ist ein Festmahl.

Während ihr das Brot brecht, lacht und plaudert ihr über den anstehenden Tag. Ihr fiebert nicht aufs Wochenende hin. Jeder Tag ist Wochenende. Seht euch um – ihr wart noch nie so glücklich. Euch fehlt es an nichts.

Doch unser Vater hat noch ein weiteres Geschenk für euch.

Was kann das sein? Das Gartentor quietscht. Es ist ganz leise, dieses Geräusch, trotzdem könnt ihr es hören. Schaut nach, da steht jemand vor der Tür.

Für jeden von euch ist es ein anderer Jemand. Vielleicht eure Mutter oder der Vater, den ihr seit Jahren nicht gesehen habt. Er sieht wieder jung aus. Oder eure Ehefrau, euer Ehemann, den ihr gepflegt habt, als er krank wurde, und dem ihr versprochen habt, ihn im Paradies wieder in die Arme zu schließen. Oder vielleicht ist es euer kleiner Sohn oder die Tochter, an die ihr tagtäglich gedacht habt, seit sie im Schlaf gestorben sind. Meine Brüder und Schwestern, ihr habt versprochen, für sie da zu sein, wenn sie aufwachen würden, und da seid ihr.

Jetzt, da sie wiedergekehrt sind, könnt ihr auf ewig in Frieden zusammenleben, genau wie es geschrieben steht.

Und jetzt macht die Augen wieder auf. Ihr kommt aus jener Welt in diese zurück. Das Leben ist grau. Sobald ihr heute von hier aufbrecht, fahrt ihr in eure Häuser, die eher der Bank gehören dürften als euch oder für die ein Vermieter eine Miete verlangt, die ihr nur mit Mühe aufbringen könnt.

Meine Brüder und Schwestern, euch gilt meine Liebe. Wir wissen, was wir in Zeiten wie diesen tun müssen, nicht wahr? Beten. Unser himmlischer Vater weiß, was wir durchmachen, und er verspricht uns eine neue Welt, deretwegen wir durchhalten. Tut also tagtäglich Folgendes: Nehmt euch nur fünf Minuten – sei es im Bus, zwischen zwei Türen beim Predigtdienst oder kurz bevor ihr abends einschlaft – , schließt die Augen und stellt euch das Paradies vor, das uns erwartet.

Nennt es eine Übung , weil wir auf diese Weise gewappnet sind. Machen wir uns auf diese Weise immer wieder die Hoffnung bewusst, damit wir uns so kurz vor der uns bestimmten Zeit nicht ablenken lassen. Der Tod gilt für uns nicht. Wir bleiben fokussiert und fest entschlossen, uns nicht vom rechten Weg abbringen zu lassen. Brüder, die bestimmte Zeit ist nahe.

Lasst den Lohn niemals aus den Augen.

Auszug aus einer Rede von Bruder Diaz
Jünger der letzten Tage