Am Tag der Party zeichnen sich die Rosen überdeutlich vor dem blauen Himmel ab. Sie sind blutrot, die Blütenblätter perfekt und messerscharf konturiert. Der weiße Gartenzaun riecht noch nach frischer Farbe.
Isobel hat den kompletten Vortag im Garten verbracht. Seit dem vergangenen Freitag war nicht viel Unkraut gewachsen, trotzdem krempelte sie die Ärmel hoch und machte auch dem letzten Pflänzchen den Garaus. Dafür hatte sie sich ihren größten Strohhut aufgesetzt. Sie wollte keine Sonne abbekommen.
»Hast du das Eis?«, fragt sie Steven, als sie sich im Flur über den Weg laufen.
Er sieht an ihr vorbei. »Ich wollte gerade los.«
»Wir brauchen mindestens zehn Beutel. Kauf besser fünfzehn, für alle Fälle.« Sie wirft einen Blick auf die Uhr. »Wir sind schon spät dran.«
»Besser spät als geschmolzen«, murmelt er und geht.
Am Vorabend hat sie ihm seine Sachen rausgelegt. Das Leinenhemd und die gut geschnittenen Shorts, die er im Jahr zuvor auf den Bahamas anhatte. Wie gut er nach all diesen Jahren immer noch aussah.
»Aha«, sagte er, als er ins Schlafzimmer kam und die frisch gebügelten Sachen entdeckte. Er blieb in der Tür stehen und starrte eine Weile darauf hinab. Dann machte er kehrt und ging nach unten.
Eine halbe Stunde bevor die Gäste kommen, füllt Isobel gerade Flüssigseife nach, als er in anderen Sachen nach unten kommt.
»Oh«, sagt sie und strafft die Schultern. »Ich dachte …«
»Ich bin kein Kind mehr, Isobel.«
Die Seife verkleckert, rinnt am Spender hinab und bildet auf dem Waschbecken eine klebrige Pfütze. Sie hat vergessen, sie rechtzeitig nachzubestellen, und Steven gebeten, noch schnell eine billige Supermarktseife zu kaufen, die sie in den schweren Glasspender umfüllen wollte. Auf dem Etikett steht Mandarine und sizilianische Bergamotte.
Toni kommt als Erste und hat pinkfarbenen Lippenstift aufgelegt, um die Wangen der Männer zu markieren. Steven sieht angespannt aus, als sie seinen Mundwinkel streift. Er kramt den Korkenzieher aus der Schublade, drückt ihn ihr in die Hand – »Ich weiß genau, was du willst« – und weicht ihrem spielerischen Klaps aus.
»Also wirklich«, sagt sie halb zu sich selbst, lehnt sich an die Kücheninsel und fährt sich übers Haar. »Dieser Mann … Dein Ehemann …«
Isobel hebt das Dressing unter. »Hier«, sagt sie und schiebt das Salatbesteck zwischen die Salatblätter, »bring das raus, bist du so lieb?« Sie drückt ihrer Freundin die Schüssel in die Hand.
Die Party findet draußen statt. Am gegenüberliegenden Beckenrand haben sie die Bar aufgebaut. Als die Gäste nach und nach durch das Gartentor strömen, verteilt Steven die Getränke, und Isobel reicht Kanapees. Die Pärchen teilen sich auf, wie jedes Mal, die Männer versammeln sich vor der Bar und die Frauen in der Nähe der Außenküche. Erfreutes Quieken, als sie einander begrüßen. Jeder kennt jeden. Als alle da sind, stehen gut hundert Leute im Garten hinter Steven und Isobel Forges Einfamilienhaus. Ihre Geschichten, Anekdoten, Gespräche handeln samt und sonders voneinander. Es gibt nur ihre Welt, nichts weiter, sie haben seit Jahren miteinander zu tun, besuchen dieselben wöchentlichen Zusammenkünfte, feiern gemeinsam Hochzeiten, trösten einander bei Beerdigungen, entzweien sich über Nichtigkeiten. Sandkastenfreundschaften. Enge Verbindungen, wenn auch mit Pflastern auf Narben.
Isobel legt auf dem Silbertablett Kanapees nach und kontrolliert ihr Spiegelbild in der Ofenklappe, ehe sie wieder nach draußen geht.
Bruder Connell ist der Erste, der sich bedient. Genüsslich verzieht er das Gesicht, kaut und schluckt. »Ausgezeichnet, Isobel. Du musst Eileen das Rezept verraten.«
Sie erschaudert, als sie an die Pilz-Tarte denkt, die Eileen anlässlich ihrer letzten Einladung zubereitet hat. Isobel kann den rohen Teig immer noch schmecken, hat die Konsistenz regelrecht auf der Zunge. »Ich bin mir sicher, Eileen macht ganz wunderbare Kanapees, Les.«
Betreten schüttelt er den Kopf und nimmt sich noch zwei als Reserve.
Lächelnd schiebt sie sich durch die Menge, bietet freundlich nickend das Tablett ringsum an. Man dreht sich zu ihr um, lächelt und leckt sich die Finger, ehe die Lücken sich wieder schließen und Unterhaltungen fortgesetzt werden.
Steven hält die Stellung an der Bar und sorgt dafür, dass der Wein fließt und alle Spaß haben. Ihre Partys kosten alljährlich ein kleines Vermögen. Sehr enge Freunde dürfen übernachten, und der Gastgeber stellt sicher, dass keiner der Gäste ohne ein Fläschchen als Abschiedsgeschenk geht. Isobel weiß, wie über ihre Partys geredet wird, wie begierig man auf eine Einladung ist.
Isobel schnappt Gesprächsfetzen auf.
»Das Kleid , Toni! Ein Traum!«
»Neubauten sind ein Albtraum. Sehen von außen toll aus, aber wehe, man guckt hinter die Fassade …«
»Da steht zwar Mandarine und Bergamotte drauf, aber …«
»Hast du schon gehört …«
»Trotzdem sieht er immer noch gut aus.«
»Oh nein, kein Weißmehl für mich.«
»Muss ein Vermögen kosten, das zu heizen! Und guckt mal, sogar ein Whirlpool …«
»Pst!«
Jemand lässt ein Glas fallen, und kurz herrscht Totenstille, als einhundert Köpfe sich umdrehen. Isobel parkt ihr Tablett auf einem Tisch und schnappt sich den Handfeger von der Bar. Mit hochrotem Kopf und einem festgefrorenen Lächeln eilt sie zum Tatort. Alles gut, alles gut , wiederholt sie ihr Mantra. Sie geht in die Hocke und kehrt die Scherben auf. Ihre Hand zittert leicht, als sie den Übeltäter am Arm berührt. Oder wie es in einem Ratgeber stand: Die gute Gastgeberin lächelt darüber hinweg.
Die Scherben klimpern melodisch, als sie sie im Abfalleimer entsorgt.
Isobel kehrt zu ihrem Tablett zurück und holt tief Luft, ehe sie ihre Runde über den Rasen fortsetzt. Allmählich tun ihr die Wangen weh, und die Stimmen ringsum werden leiser. Die Sonne steht hoch am Sommerhimmel, und sie muss sich die Hand über die Augen halten. Die Sonne erstickt den Garten. Stevens Gelächter tönt über alles hinweg.
Ich bin hier zuhause, redet sie sich gut zu. Das hier ist mein Zuhause. Diese Leute sind mein Zuhause.