Zelda macht mit Matt weiter, als hätten sie sich nie getrennt.
Normalerweise treffen sie sich bei ihr zu Hause, und jetzt, da Jen ausgezogen ist, laufen sie auch nicht Gefahr, gestört zu werden. Oft kommt er direkt von der Arbeit, in Anzug und mit Krawatte, und Zelda hat Spaß daran, ihn noch an der Tür zu Boden zu drücken, damit sein Anzug gebügelt werden muss, bevor er wieder geht. Anschließend läuft er nackt auf und ab, während sie das Bügelbrett aufstellt, ihm die Sachen bügelt und die Spuren ihrer Leidenschaft beseitigt. Eine Stunde Sex, eine halbe Stunde Hausarbeit, und dann kehrt er in sein Leben zurück.
Sie haben auch im Auto Sex. Er fährt auf irgendeine Nebenstraße oder parkt vor dem Ambulanz-Notzugang an der Autobahn, und dann vögeln sie, während die Sattelschlepper an ihnen vorbeidonnern.
Zelda hat ihm nie erzählt, warum sie immer Nein zum Rücksitz sagt. Wenn sie mit Matt zusammen ist, denkt sie kaum je daran.
Auch ihr Kleidungsstil hat sich verändert. Seit er ihr damals an der Tanzfläche zugeraunt hat, wie gut sie in einem Kleid aussieht, bezirzt sie ihn mit einer feminisierten Version ihrer selbst. Sie hat die Hosen und Blazer in den Schrank gehängt, die Anzüge und Schlipse gegen flattrige, zarte Kleider getauscht. Die neue Garderobe hat auch Auswirkungen auf ihr Auftreten. Sie marschiert und geht nicht mehr zielsicher, sondern schwebt, gleitet und macht dabei nicht das leiseste Geräusch.
Zelda kann nicht kochen, aber wenn sie sich dann und wann erlaubt, sich eine gemeinsame Zukunft mit ihm auszumalen, steht auf dem Tisch ein Braten mit gekonnt zubereiteter dicker Soße und Kartoffeln, die in Gänsefett leicht angebraten sind. Sie trägt eine Schürze und sieht zu, wie Matt und die Kinder sich über das Essen hermachen, was merkwürdig ist, weil sie nie Kinder wollte. Aber derlei Träume sind schon okay. Sie machen ihr keine Angst. Sie nehmen die Gestalt von Kindheitsfantasien an, von Wiederholungen der Waltons und von Unsere kleine Farm , die ihre Mutter – selbst Hausfrau – für akzeptabel befunden hat.
Ich würde sogar deinen Namen annehmen, denkt sie. Ich tausche Bloom gegen Fish ein, wenn dich das glücklich macht. Ich würde alles tun, um dich glücklich zu machen.
Das macht die Liebe mit einem, denkt sie. Sie verändert dich.
Matt erzählt ihr, dass Mel selbst eine Affäre habe; sie beide führten eine offene Ehe, sagt er, doch das gibt Zelda mitnichten ein besseres Gefühl. Würdest du auch fremdgehen, wenn wir verheiratet wären?, fragt sie sich, und: Heißt das, du wirst dich nie von ihr trennen? Statt ihn zu fragen, hinterlässt sie mit den Zähnen Abdrücke in seinem Fleisch.
Manchmal, wenn sie allein ist, versucht Zelda, ihre Gefühle zu analysieren. Doch ihr bleibt nur der Atem weg. Wenn sie es erklären müsste, würde sie sagen, dass mit ihm zu schlafen sich anfühlt, wie aufwärts durch Wasser zu schwimmen – und dann endlich die Oberfläche zu durchstoßen und gierig Luft einzuatmen. Die Erfahrung ist schier überwältigend, genau wie all die Versuche, sie zu definieren. Es ist Ertrinken und Überleben gleichzeitig. Schwer zu beschreiben, leicht zu fühlen.
Und keine Spielchen. Sie ist immer verfügbar. Das Leben ist zu kurz, um sich rarzumachen.
An einem Nachmittag versucht sie, sich im Bett aus seiner Umarmung zu winden. Ich hab noch ein Shooting, sagt sie, als er an ihrem Hals knabbert. Ich muss los. Seine Hände kriechen über ihre Haut. Bleib, flüstert er. Sag ihnen, du bist krank. Ich will dich für mich allein. Sie lacht und denkt sogar kurz darüber nach, allerdings hat sie die Arbeit in den vergangenen Monaten schleifen lassen – Kunden mussten ihr hinterhertelefonieren, bei Hochzeiten sah sie zu oft aufs Handy, und für das kommende Jahr hat sie noch nicht genug Aufträge akquiriert. Sie ist keine achtzehn mehr und muss Rechnungen bezahlen. Sie hat versucht, ihm das zu erklären – dass sie zu wenige Jobs hat, um ihre Ausgaben zu decken – , aber er hört ihr nicht zu. Er sagt dann immer nur, dass sie ihn anfassen soll, und lenkt sie auf andere Art von ihren Sorgen ab.
Sogar an Wochenenden, wenn er mit Mel zusammen ist, spukt er durch jede Minute. Sie versucht, ihren kreativen Funken neu anzufachen, stellt ihre Großformatkamera im Garten auf, der von Leben nur so explodiert ist, doch die Fotos werden steril und flach. Schon beim Anblick ihres Nähzeugs ist sie erschöpft. Sie versteht es nicht. Mit Matt als Muse sollte sie vor Energie übersprühen.
An einem Nachmittag im August schlägt er vor wegzufahren. Er holt sie ab, und sie fahren in eine Stadt, die eine halbe Stunde entfernt liegt und wo er niemanden kennt. Zelda ist vorbereitet. Sie hat eine Tüte mit altem Brot dabei, das sie im Park an die Enten verfüttern können, und trägt ihre aufreizendste Unterwäsche. Enten füttern oder rammeln wie die Karnickel. Sie ist für alle Eventualitäten gewappnet.
Nur für die nicht, die eintritt: im Schneidersitz auf Asphalt zu sitzen und Matt dabei zuzusehen, wie er auf dem Basketballfeld im Park Körbe wirft. Einen nach dem anderen.
Ich bin verdammt noch mal vierunddreißig, denkt sie.
Er trifft.
»Der war gut!«
Als sie zum Auto zurückgehen, beugt sie sich zu ihm rüber, um ihm einen Kuss zu geben, doch er schiebt sie von sich weg. Jemand könnte uns sehen. Ein schmerzhafter Stich in ihrer Brust, und sie fahren schweigend zu ihr nach Hause. Sie weiß genau, sie wird schluchzen, sobald sie den Mund aufmacht, deshalb starrt sie stattdessen raus in die Landschaft.
Er geht hinter ihr her über den Gartenweg. Zwischen ihnen hängt eine wütend-verdrossene Wolke, und Zelda versteht nicht, warum er nicht einfach fährt. Als sie die Tür aufschließt, tritt auch er ein, und erstmals im Leben wünschte sie sich, er würde gehen.
»Und?«, fragt er.
»Was, und?«
»Willst du heute gar nichts mehr sagen?«
Sie starrt ihn an. Innerlich brodelt sie. All die Stunden, die sie investiert, die Mühe, die sie sich gegeben hat, um so zu sein, wie er sie will – und immer noch erwartet er von ihr, dass sie über ihren Schatten springt. Schlagartig ist sie todmüde.
»Mach die Tür zu, wenn du gehst«, sagt sie, kickt sich die Schuhe von den Füßen und steigt die Wendeltreppe hoch.
Ihr Handy vermeldet eine Nachricht von Will. Hey, fremde Frau. Wahrscheinlich hast du gerade die Zeit deines Lebens, aber du bist mir gestern im Traum durch den Kopf gegeistert, und da wollte ich fragen, wie es dir geht.
Sie lächelt in sich hinein. Gutes Timing , tippt sie, während sie Matt auf der Treppe hört. Ich bin drauf und dran, einen Mord zu begehen.
Der Türknauf dreht sich, als sie sich gerade das Kleid über den Kopf zieht. Trotz aller Müdigkeit verspürt sie einen Hauch Genugtuung, weil Matt ihr gefolgt ist.
»Tut mir leid, Zee«, sagt er zu ihrem Rücken, und sie erschaudert, als er seine Arme um ihre Taille schlingt. »Es ist nicht so, wie du denkst. Ich will dich auch in der Öffentlichkeit berühren. Du ahnst gar nicht, wie sehr.«
»Und warum machst du es nicht?«
Er seufzt. »Mit dir bin ich jemand, den die Außenwelt nicht akzeptieren würde. Ich will für dich da sein und dich beschützen, weil du besonders bist, Zelda. Du hast ja keine Ahnung, wie verdammt besonders du bist.«
Sie schmiegt ihren Rücken an seine Brust, und seine Hände wandern über ihren Körper. »Red weiter.«
»Ich mag es, dein Geheimnis zu sein.« Seine Hand gleitet zwischen ihre Beine.
»Stopp.« Sie macht sich von ihm los und geht auf ihr Bett zu, zieht ihre Unterwäsche aus. Dann legt sie sich nackt auf die Matratze und blickt zu ihm hoch.
»Ich will das, was wir haben, nicht mit anderen Leuten verderben.« Matt knöpft seine Jeans auf. »Ich will das für uns behalten. Wir wissen, was wir aneinander haben.« Dann lässt er sich aufs Bett fallen.
»Sag mir, was du für mich fühlst.«
Heiße Küsse an ihrem Hals.
»Ich hätte immer schon mit dir zusammen sein sollen.«
Zelda stöhnt, als sein weiches Baumwollshirt sich auf ihre Hüften legt und die Jeans, die er gar nicht erst ausgezogen hat, an ihren Schenkeln scheuert. Dann leuchtet ihr Handy auf dem Fußboden auf, weil eine Nachricht eingegangen ist, und mit einem Mal steht ihre Haut in Brand. »Du willst mich, oder nicht?«
Er schiebt einen Finger in sie hinein. Sie leckt sich über die Lippen und drückt den Rücken durch, wölbt sich ihm entgegen. Licht von draußen strömt über die Laken.
»Achtung, gleich kommt der Alphawurf.« Er wuchtet sie herum.
Als er sich hinterher wieder anzieht, fragt er, ob sie nicht mal übers Wochenende wegfahren sollen.
Sie stemmt sich hoch. »Ernsthaft?«
»Warum denn nicht?«
»Ich dachte nur …«
Er zieht den Gürtel fest. »Mel ist nächsten Monat auf Dienstreise. Warum nutzen wir nicht die Gelegenheit und fahren irgendwohin?«
Sie kniet sich hin und sieht zu ihm hoch. »Und wohin?«
»Es gibt da einen Ort, wo ich immer schon mal hinwollte. Wo ich dich immer mal hinbringen wollte.« Er lächelt und streicht ihr übers Haar. »Das wird eine Überraschung.«
Zeldas Magen zieht sich zusammen. Könnte es … Nein. Das meint er ganz sicher nicht. »Ein Wochenende?«
»Ja. Ist ein Stückchen entfernt, aber … Wir sind nur einmal jung.«
»Brauche ich einen Reisepass?«
Matt lacht. »Ach Zee. Du bist wie ein Kind kurz vor der Bescherung. Hör auf zu raten!«
»Aber ich muss doch wissen, was ich packen soll.«
Er beugt sich vor und gibt ihr einen langen Kuss, während er die ganze Zeit weiterspricht: »Reisepass – ja. Und es wird heiß. Pack unbedingt deinen Badeanzug ein. Das sexy Baywatch -Ding, das ich vom Foto kenne.«
Mit neuer Intensität widmet Zelda sich seiner Zunge. In Kalifornien muss es um diese Jahreszeit gute dreißig Grad warm sein. Sie sieht schon vor sich, wie sie in einer Strandbar sitzen, den Sand zwischen den Zehen spüren, frisch gepressten Orangensaft trinken und einander küssen, als würden sie nie wieder nach Hause zurückkehren.
Du bist ganz anders, wenn du mit ihm zusammen bist. Die Bemerkung ihrer alten Klassenkameradin schießt ihr durch den Kopf.
Stimmt, denkt sie. Ich bin besser.