Nicht weinen

Jen

Am folgenden Abend klingt es wie Musik in Jens Ohren, als die ganze Versammlung ihr Beifall klatscht. Sie drehen sich nach ihr um, lächeln sie an, und Jen sieht, wie die Schultern ihrer Eltern in der ersten Reihe beben. Anschließend wird sie umringt, bekommt Küsschen auf die Wangen, und man sagt ihr, wie sehr man sie vermisst habe. Ich war die ganze Zeit hier, denkt sie und schiebt den Gedanken wieder beiseite. Ihre Schwester Lina flüstert ihr ein Gut gemacht ins Ohr, ihre Eltern warten darauf, dass die Menge sich zerstreut. Sie tätscheln ihr den Rücken, und ihre Mutter ringt die Hände.

»Jetzt nur nicht weinen«, sagt Angela, »du zerstörst bloß dein Make-up.«

Merkwürdigerweise sind es nicht die Umarmungen, an die sich Jen in der Rückschau erinnern wird.

Als sie den Wagen abgestellt hat, überquert sie mit der Abendsonne auf den Schultern den Parkplatz. Die Brüder und Schwestern singen bereits, sie sind bis draußen zu hören. Der Sommer geht in den Herbst über. Bald wird die Luft anders riechen. Ihre Schritte tragen sie durch das Foyer bis in den fensterlosen Saal. Als sie in der hinteren Bank ihre Tasche abstellt, bleibt ihr Blick an einem Lichtbündel hängen, das durch die offene Tür hereindringt. Sie dreht sich nach vorn um, doch immer wieder ziehen die Strahlen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Erst als das Lied geendet hat, treten zwei Brüder vor, um die Tür zu schließen. Die Strahlen werden ausgesperrt. Jen sieht wieder nach vorn.

Manche Menschen wählen den Tod.