Sie hat diese Träume oft.
Sie hat gelernt, ihrem Kopf nicht zu vertrauen. Nach besseren Tagen, wenn der Schmerz nicht ganz so brutal war, schläft sie ein und hat lediglich Albträume. In den Nächten, in denen sie sich hin- und herwälzt, wenn sie das Gefühl hat, ihr Innerstes würde bis auf die Knochen zernagt, wird sie am Ende mit dem Anblick seines Gesichts belohnt.
Am Ende des steinigeren Weges wartet die größere Belohnung.
Aus den guten Träumen will sie nie aufwachen. Da ist Jacob zwei, drei Jahre alt und sitzt auf ihrer Hüfte. Er spielt auf einer Wildblumenwiese und pflückt für sie die schönsten Blumen. Sie wohnen in einer kleinen, bescheidenen Hütte aus Holz und Blech – Überbleibsel der Bauten von früher. Vor ihnen liegt nichts als die Ewigkeit. Mum, ruft er. Mum.
Dann die schrecklichen Träume.
Gebäude stürzen in sich zusammen. Die Erde tut sich auf. Menschen taumeln in den Abgrund. Über ihr donnert und blitzt es, während sie über Geröll kriecht, über tote Kinder, über die Leichen und Leichenteile derer, die schlecht waren. Gleich erfährt sie, ob sie ebenfalls schlecht war. Oft blitzt es dann heftig, und sie wacht schweißgebadet auf, bevor sie es herausfinden kann.
Am schlimmsten ist der Traum, den sie am häufigsten hat. Jacob ist schon etwa ein Jahr alt, liegt schlafend zwischen den Blumen. Allein. Aus einer Wolke in der Ferne ertönt sein Name, und er wacht auf. Für einen kurzen Augenblick sieht er sich um, rupft Gänseblümchen aus und lässt sie zwischen seinen Fingern hindurchrieseln. Dann kommt er auf die Füße und tapst in den Wald.
Sie schreit seinen Namen.
Er hört sie nicht. Weil sie nicht da ist.