Am Samstag kommt Victor sie abholen, und sie spazieren von ihrer Wohnung zum Park. Sie haben ein Picknick vorbereitet, setzen sich in ihren dicken Pullovern ans Flussufer und essen Käsebrote, Schottische Eier und Chicken Pie. Bald ist November, die Bäume sind mittlerweile fast kahl. Nur am Fluss lodern noch immer die Farben.
Victor geht Kaffee von einer der Getränkebuden holen und gießt einen Schuss Whisky aus seinem Flachmann hinein. Er drückt ihr ihren Pappbecher in die Hand und erhebt seinen. Isobel lacht und stößt verlegen mit ihm an.
»Was ist so lustig?«, will er wissen.
»Noch etwas, was ich eigentlich nicht machen darf. Jemandem zuprosten oder mit jemandem anstoßen.«
»Warum denn nicht, um Himmels willen?«
Isobel sieht den Dampf aus dem Becher aufsteigen. »Ich glaube, das liegt ursprünglich an Götterritualen. An irgendwas Heidnischem.«
»Aber doch heute nicht mehr.«
»Nein, aber der Ursprung bestimmter Handlungen … spielt immer noch eine Rolle.«
Victor zuckt mit den Schultern. »Die Namen der Monate und Wochentage sind doch auch heidnischen Ursprungs. Dafür habt ihr doch auch keine eigenen Namen.«
Sie runzelt kurz die Stirn. »Stimmt.«
»Dann sprecht ihr tagtäglich heidnische Namen aus, ohne es auch nur zu merken.« Victor streckt sich aus und sieht zu ihr hoch. »Ganz schön viel Aufheben für etwas, was völlig unwichtig ist.«
Mit ihrem Becher stupst Isobel abermals seinen an, und an ihrem Hals klettert Röte empor. »Auf all die Sachen, die wichtig sind«, sagt sie.
Sie sind gerade in ihre Straße abgebogen, als sie Reifen quietschen und einen dumpf-metallischen Aufprall hören. Ein Auto bremst, wendet und rast davon. Ein Passant auf der gegenüberliegenden Straßenseite schreit ihm mit erhobener geballter Faust hinterher.
Isobel und Victor treten auf die Straße und entdecken ein schwarzes Bündel. Victor murmelt etwas Unverständliches, und Isobel weiß sofort Bescheid. Sie ist bereits losgerannt. Vor ihr liegt die Katze reglos und mit einer klaffenden Bauchwunde auf dem Asphalt.
»Unsere Katze!«, kreischt sie. »Unsere Katze!«
Victor hält sie fest. Er reibt der schluchzenden Isobel über den Rücken.
Der Passant hat die Hände auf die Knie gestützt und studiert das tote Tier. »Ihre Katze, ja?«
Victor schüttelt den Kopf.
»Ich hab den Fahrer gesehen«, sagt der Mann, »junger Kerl, Teenager, war eindeutig zu schnell unterwegs. Geschwindigkeit ist alles für die jungen Leute heutzutage.«
Victor versucht, Isobel zu beruhigen. Bestimmt begreift er nicht, warum sie so heftig reagiert. So gewaltsam. Es ist doch nur eine Katze, denkt er wahrscheinlich. Und es war nicht mal unsere.
Doch sie kann sich nicht beruhigen. Und vielleicht ahnt er ja, dass es in Wahrheit gar nicht die Katze ist, um die sie weint.