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Ich hatte dir eine klare Anweisung gegeben, Jessica. Glaubst du, ich lasse dir deine Widerspenstigkeit durchgehen?
Erne lässt das Feuerzeug zuschnappen, nimmt einen langen Zug und stößt den Rauch, der eine Weile in seinen Atemwegen zirkuliert hat, kraftvoll durch seine große Nase aus.
Er betrachtet die Wand der Raucherecke vor dem Polizeigebäude. Schmutz und Abgase haben sie dunkel gefärbt, und nicht einmal der Schnee, der an den Rändern der Platten haftet, verschönert den Anblick. Das Gebäude ist so verdammt hässlich, dass es sich hervorragend als Vereinshaus einer fantasielosen Beamtenschar eignet, deren Mitglieder sich gegenseitig in ihren Vorurteilen und Wahnvorstellungen bestärken. Der hässliche Kasten hat etwas Ostdeutsches an sich, er lässt einen an die Stasi oder ähnliche Willkürorganisationen denken, die gar nicht erst versuchen, ihre zynische Einstellung zur Welt zu verbergen. Fakt ist, dass der Normalbürger Angst hat, wenn er das Polizeigebäude betritt, um einen Pass zu beantragen. Das dürfte einerseits am Gebäude liegen, andererseits auch an der steifen und bürokratischen Art, wie die Dinge hier erledigt werden. An diesem verfluchten gelblichen Klotz, an dem ganzen verdammten Stadtteil West-Pasila, der ganz offensichtlich in labilem Geisteszustand entworfen und gebaut wurde, wobei der Architekt sich durch eine Ansichtskarte von einem Plattenbau inspirieren ließ. Signalton. 37,9. Verdammter Mist.
Verflixte Jessica.
Die Glut versengt Zeige- und Mittelfinger. Der Ringfinger erfriert fast im eisigen Wind. Kleiner Finger und Daumen umarmen sich.
Ein halbes Jahr. Wenn mit der Behandlung sofort begonnen wird.
Erne hat parallel zu den Ermittlungen an seinem Handy Wache gehalten. Im privaten Ärztezentrum hatte man ihm versprochen, zwischen acht und zwanzig Uhr anzurufen. An sich teilt man dem Patienten so eine Diagnose im persönlichen Gespräch mit, aber da es sich nur um die Präzisierung einer bereits erhaltenen schlechten Nachricht handelt, ist unter dem Druck der Verhältnisse ein Anruf vereinbart worden.
Und dann, genau um 20 Uhr, hat der Onkologe Pajunen in seinem lakonischen Tonfall erklärt, dass die Computertomografie der Brusthöhle sowie die bei der Gastroskopie entnommenen Proben bestätigen, was bereits als wahrscheinlich galt: Der Tumor hat Metastasen nicht nur in die Leber und die Knochen, sondern auch in die Speiseröhre gestreut.
Jessica, Jessica.
Als er auflegte, fühlte Erne sich plötzlich seltsam ruhig: Sobald ihm klar wurde, dass das, was er mehr als alles andere gefürchtet hat, eingetreten ist, hat er seine Furcht verloren. Er fühlt sich kraftlos, ist natürlich enttäuscht und erschüttert, aber gleichzeitig macht das Wissen vom nahenden Tod ihn ruhig. Keine Fragen mehr, kein Rätselraten. Alles wird bald geschehen.
Er drückt die Zigarette am Rand des Aschenbechers aus und zündet sich die nächste an.
Wenn Jessica nur klug genug ist, genau das zu tun, was er ihr befohlen hat.