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Erne läuft mit langen Schritten über den Flur, die Arme fest an die Seiten gepresst, was ihn vermutlich wie einen flügellahmen Vogel aussehen lässt. Aber gerade jetzt tut ihm bei jeder Bewegung der Brust- und Schultermuskeln die Lunge weh.
Er bleibt zwischen den beiden Vernehmungszimmern stehen, überlegt einen Moment, wer wo befragt wird, und klopft dann an eine der beiden Türen. Gleich darauf öffnet Mikael, der für die Tageszeit und in Anbetracht der Situation ausgesprochen frisch wirkt. Er zieht die Tür hinter sich zu, doch vorher erhascht Erne einen Blick auf Kai Lehtinen, auf den glatzköpfigen Mann mit dem hageren Gesicht, der in Natur genauso gruselig aussieht, wie Erne ihn sich vorgestellt hat.
»Hat sich was ergeben?«, fragt er.
»Noch nicht. Ich hab schon zu Nina gesagt, dass du wahrscheinlich recht hattest. Wir hätten die beiden doch noch eine Weile observieren sollen«, sagt Mikael mit gedämpfter Stimme, obwohl die Tür schallisoliert ist.
»Was passiert ist, ist passiert. Jetzt holen wir so viel heraus wie möglich. Außerdem hat Nina möglicherweise am Bulevardi etwas entdeckt«, antwortet Erne und blickt über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand hört. »Setz den Kerl noch eine Weile unter Druck. In einer Viertelstunde sehen wir uns im Besprechungszimmer.« Er klopft Mikael auf die Schulter.
»Ganz schön geheimnisvoll«, lächelt der.
»Ach ja, Micke.« Erne dreht sich noch einmal um. »Sagt dir der Name Camilla Adlerkreutz etwas?«
»Nein. Wer ist das?«
»Das erzähle ich dir nachher«, sagt Erne und geht rasch weiter. Er verlangsamt seine Schritte erst, als er das Großraumbüro betritt, in dem ein halbes Dutzend Ermittler sitzt.
Er tritt an den Tisch einer jungen Frau, die ein iPhone ans Ohr hält und konzentriert auf ihren Bildschirm starrt, und legt ihr einen Ausdruck mit dem Foto hin, das Nina von dem Gemälde gemacht hat.
»Stell fest, ob diese Frau noch lebt und wo sie wohnt.«
»Sie sieht aus wie eine Hexe.«
»Eben deshalb.«