Tomaten

Am nächsten Tag zeigte das Thermometer neben der Eingangstür der Bäckerei bereits um sieben Uhr morgens glatte 24 Grad.

Als Erstes trafen sich hier zwei Frauen, Mitte sechzig, die schon zusammen zur Schule gegangen waren.

»Das wird ein Tag.«

»Kann man nur hoffen, dass dieses Jahr wenigstens was aus den Tomaten wird.«

»Die saufen, ich sag dir! Man kann schleppen, bis einem schwindelig wird.«

»So sind Tomaten eben.«

»Ich verstehe nicht, warum sie von denen so viele reinlassen. Die meisten werden dann früher oder später kriminell.«

»Du meinst wegen der Schießerei?«

»Ja.«

Ein paar Sekunden verstrichen, die Sonne fing an, Kraft zu entwickeln.

»Manche nehmen ja einfach den Schlauch, mein Mann sagt auch immer, nimm doch den Schlauch.«

»Die wissen wohl immer noch nicht, wo sie ihn beerdigen sollen.«

»Den von der Tankstelle …?«

»Den sie noch immer nicht identifiziert haben.«

»Irgendwo muss er ja hin.«

»Aber dass dann so einer auf unserem Friedhof liegt? Der war vermutlich Muslim. Stand jedenfalls in der Zeitung.«

»Man redet nicht schlecht über Tote.«

Ein Mann, Mitte sechzig, kam hinzu, begrüßte die Frauen. Normalerweise begann er immer mit einem Scherz. Doch an diesem Morgen war ihm nicht danach zumute.

»Der Pfarrer hat mir eben gesagt … ich bin noch ganz … Gott!«

»Ja?«

»Na, dass sie den Schützen von der Tankstelle bei uns auf dem Friedhof beerdigen wollen, weil sie nicht wissen, wohin mit ihm.«

»Der kam doch nun gewiss nicht von hier. Ich meine, sie könnten ihn doch genauso gut verbrennen und seine Asche über dem Lac de Session verstreuen oder über einem Feld. Das ist vielleicht auch mehr im Sinne seiner Religion.«

Ein Mädchen in einem orangefarbenen Kleid ging mit großen Schritten an ihnen vorbei, unterbrach die Gedanken an Tomaten, Tote und das Verstreuen von Asche.

»Die hat es aber eilig.«

»War das Claire?«

»Ja, aber was will die um die Uhrzeit in der Gendarmerie?«