Die elfjährige Missy hatte Leukämie. Der Krebs war dank der gelben Chemobeutel, die an dem Tropf hingen, den sie neben sich durch die Krankenhausgänge zog, in Remission. Missy war eine meiner ersten Patientinnen, als ich während meiner Medizinerausbildung eine Rotation im Bereich Kinderheilkunde am Eastern Maine Medical Center in Bangor machte – der Stadt, wo Stephen King lebt, Elchwarnschilder die Straßen säumen und Werbeposter Hummereiscreme anpreisen.
Während dieser Zeit hatte ich die volle Patch-Adams-Clownsmontur an, komplett von den flauschigen rosa Hasenohren auf meinem Kopf bis hinunter zu den regenbogenfarbenen Slinky-Spiralen aus Plastik, die an meinen Füßen hingen. An jedem einzelnen Knopf meines weißen Arztkittels hing ein Beanie-Baby-Kuscheltierchen, und durch jedes Knopfloch hatte ich einen Plüschtierfuß gestopft. Missy malte ein Smiley auf mein kleines Plüschtierflusspferd und taufte den von meinem Stethoskop hängenden Plüschhahn „Elvis“.
Sie malte liebend gern Bilder für mich und signierte alle mit Großbuchstaben: VON MISSY. Auf diesen Bildern hatte sie immer noch ihre braunen Locken. In Wirklichkeit aber war ihr Kopf komplett kahl. Sie weigerte sich, eine Perücke zu tragen, was ihr Lächeln nur noch größer machte.
Ich malte ihre Fingernägel pink an und sie meine in einem zauberhaften Lila-Braun-Ton.
Ich erinnere mich noch gut an den Morgen nach der Maniküre. Der Oberarzt nahm mich zur Seite und sagte: „Ihre Fingernägel kommen bei den Leuten nicht so gut an.“
„Hm?“, fragte ich.
„Die Belegärzte haben sich beschwert“, antwortete er. „Das ist ein konservativer Beruf.“
Ich versuchte zu erklären, dass ich mir die Nägel nicht selbst lackiert hatte, und war verärgert, dass ich überhaupt das Gefühl hatte, mich erklären zu müssen. Der Oberarzt wusste, dass Missy es getan hatte, aber das schien ihm egal zu sein. „Die Medizin“, erklärte er mir, „ist auch ein emotionsfreier Beruf.“
Später sprach auch noch der Inhaber des Lehrstuhls mit mir. Einige der Belegärzte waren der Meinung, ich sei „zu enthusiastisch“, „zu dramatisch“ und „zu sensibel“.
Meine Frau meinte dazu nur, dass sie vermutlich an Slinky-Neid litten. Am nächsten Tag ging ich mit hängendem Kopf in Missys Zimmer.
„Es tut mir leid“, sagte ich. „Die Ärzte wollten, dass ich den Nagellack abmache.“
Ich zeigte ihr meine Hände. Sie schaute sie sich genau an und sagte dann ganz würdevoll: „Wenn du keinen Nagellack haben darfst, mache ich meinen auch ab.“ Also half ich ihr dabei, den Nagellack zu entfernen, und war verwirrt und gleichzeitig bestärkt von der Solidarität einer Elfjährigen. (Ich ließ sie stattdessen meine Zehennägel lackieren.)
Ich kann mich noch an den letzten Vermerk erinnern, den ich in Missys Patientenakte schrieb. Solche Vermerke werden im sogenannten SOBP-Format verfasst, einer Eselsbrücke für subjektive Befunde, objektive Befunde, Beurteilung und Plan. Ich schrieb hinein: „Beurteilung: 11-jähriges Mädchen beendet letzte Chemotherapie-Runde. Plan: Disney World.“
Leukämie bei Kindern gehört zu einer der wenigen Erfolgsgeschichten in unserem Kampf gegen den Krebs. Die 10-Jahre-Überlebensraten liegen bei immerhin 90 Prozent.1 Dennoch sind mehr Kinder davon betroffen als von jeder anderen Krebsart. Leukämie oder Blutkrebs kann bei Erwachsenen bis zu zehnmal häufiger diagnostiziert werden, bei denen die derzeitigen Behandlungsmethoden deutlich weniger wirkungsvoll sind.2
Doch was können wir tun, um Blutkrebs von vornherein vorzubeugen?
Blutkrebsarten werden manchmal als flüssige Tumore bezeichnet, da die Krebszellen im Körper zirkulieren und sich nicht in einer festen Masse konzentrieren. Diese Krebsarten beginnen normalerweise unentdeckt im Knochenmark, dem schwammartigen Gewebe im Inneren der Knochen, wo rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen entstehen. Wenn sie gesund sind, transportieren die roten Blutkörperchen Sauerstoff durch den gesamten Körper, die weißen Blutkörperchen wehren Infektionen ab, und die Blutplättchen helfen dem Blut dabei, zu gerinnen. Bei den meisten Blutkrebsarten handelt es sich um eine Mutation der weißen Blutkörperchen. Blutkrebsarten lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Leukämie, Lymphome und Myelome. Leukämie (von griechisch leukos„weiß“ und haima „Blut“) ist eine Krankheit, bei der das Knochenmark fieberhaft abnormale weiße Blutkörperchen produziert. Anders als normale Zellen können diese keine Infektionen abwehren. Darüber hinaus beeinträchtigen sie auch die Fähigkeit des Knochenmarks, normale rote und weiße Blutkörperchen zu produzieren, indem sie die gesunden verdrängen. Dadurch entsteht eine verringerte Anzahl gesunder Blutzellen, was zu einer Anämie, zu Infektionen und schließlich auch zum Tod führen kann. Der American Cancer Society zufolge erhalten jährlich zweiundfünfzigtausend US-Amerikaner die Diagnose Blutkrebs und vierundzwanzigtausend sterben jedes Jahr daran.3 Das Lymphom ist ein Blutkrebs, der die Lymphozyten, spezielle Typen von weißen Blutkörperchen, betrifft. Lymphomzellen vermehren sich sehr schnell und können sich in den Lymphknoten, kleinen Organen des Immunsystems, ansammeln, die sich überall im Körper befinden, z. B. in den Achselhöhlen, am Hals und in der Leistengegend. Die Lymphknoten helfen beim Filtern des Bluts. Wie bei Leukämie können auch bei Lymphomen gesunde Blutzellen verdrängt werden, wodurch die Fähigkeit des Immunsystems, Infektionen abzuwehren, stark eingeschränkt wird. Vielleicht haben Sie schon einmal etwas vom Non-Hodgkin-Lymphom gehört. Das Hodgkin-Lymphom kann junge Erwachsene betreffen, ist aber eine sehr seltene und normalerweise behandelbare Blutkrebsform. Wie der Name erahnen lässt, umfasst das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) alle weiteren mehrere Dutzend verschiedenen Lymphomarten. Diese treten häufiger auf und lassen sich schwerer behandeln. Auch das Erkrankungsrisiko steigt mit zunehmendem Alter. Die American Cancer Society schätzt, dass es jedes Jahr etwa siebzigtausend neue Fälle von Non-Hodgkin-Lymphomen in den USA gibt, und etwa neunzehntausend dadurch verursachte Todesfälle.4
Bei einem Myelom sind die Plasmazellen betroffen, d. h. die weißen Blutkörperchen, die Antikörper produzieren, jene Eiweiße, die sich an Eindringlinge und infizierte Zellen heften, um sie zu neutralisieren oder zu markieren und zur Zerstörung freizugeben. Kanzeröse Plasmazellen können gesunde Zellen aus dem Knochenmark verdrängen und abnormale Antikörper produzieren, die die Nieren verstopfen. Bei etwa 90 Prozent aller Myelom-Betroffenen werden ganze Ansammlungen von Krebszellen entdeckt, die sich in mehreren ihrer Knochen ausgebreitet haben. Aus diesem Grund ist ein häufig gebrauchter Begriff für diese Krebsart auch „multiples Myelom“. Jedes Jahr erhalten vierundzwanzigtausend Menschen in den USA diese Diagnose, und elftausend sterben daran.5
Die meisten Menschen mit einer Myelom-Diagnose leben danach nur noch wenige Jahre. Diese Krebsart ist zwar behandelbar, wird aber als nicht heilbar eingestuft. Darum ist ein Vorbeugen so wichtig. Glücklicherweise kann eine Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten das Risiko, an diesen Blutkrebsarten zu erkranken, verringern.
Nachdem sie über zwölf Jahre lang mehr als sechzigtausend Menschen beobachteten, fanden Wissenschaftler der University of Oxford heraus, dass diejenigen, die sich pflanzenbasiert ernähren, ein generell geringeres Krebsrisiko haben. Den größten Schutz schien diese Ernährungsweise allerdings vor Blutkrebs zu bieten. Leukämie, Lymphome und multiple Myelome kommen bei Menschen mit einer vegetarischen Ernährung fast nur halb so häufig vor wie bei Menschen, die Fleisch essen.6 Warum wird dieses deutlich verringerte Krebsrisiko mit einer stärker pflanzenbasierten Ernährung in Verbindung gebracht? Das British Journal of Cancer schrieb dazu: „Um die dahinter steckenden Mechanismen zu verstehen, sind weitere Forschungsarbeiten notwendig.“7 Doch während die Wissenschaftler damit beschäftigt sind, die Gründe herauszufinden, warum starten Sie nicht einfach schon mal mit einem kleinen Vorsprung und fügen mehr gesunde pflanzliche Lebensmittel zu Ihren heutigen Mahlzeiten hinzu?
Der Schlüssel zur Vorbeugung und Behandlung von Krebs liegt darin, die Tumorzellen daran zu hindern, sich zu vermehren und außer Kontrolle zu geraten, und es gleichzeitig zu ermöglichen, dass gesunde Zellen normal wachsen können. Chemotherapie und Bestrahlung schaffen es ziemlich gut, die Krebszellen auszumerzen, aber leider können dabei auch gesunde Zellen in die Schusslinie geraten. Einige Bestandteile in Pflanzen scheinen da differenzierter zu wirken.
Sulforaphan wird als einer der wirkungsvollsten Bestandteile von Kreuzblütlern angesehen, tötet menschliche Leukämiezellen in Laborschalen ab und hat dabei wenig Auswirkungen auf das Wachstum gesunder Zellen.8 Kreuzblütler sind z. B. Brokkoli, Blumenkohl und Grünkohl, aber es gehören noch viele andere zu dieser Familie, wie bspw. Kohlblätter, Wasserkresse, Pak Choi, Kohlrabi, Kohlrüben, weiße Rüben, Rucola, Radieschen, Rettich und Meerrettich, Wasabi und alle Arten von Kohl. Es ist faszinierend, dass das Tröpfeln von Kohlbestandteilen auf Krebszellen im Labor Wirkung zeigt, doch was am Ende wirklich zählt, ist, ob Menschen mit Blutkrebs, die viel Gemüse essen, tatsächlich länger leben als die Betroffenen, die es nicht tun. Etwa acht Jahre lang beobachteten Wissenschaftler der Yale University über fünfhundert Frauen mit Non-Hodgkin-Lymphom. Diejenigen, die drei oder mehr Portionen Gemüse am Tag aßen, hatten eine um 42 Prozent bessere Überlebensrate als diejenigen, die weniger aßen. Dunkelgrünes Blattgemüse, einschließlich Salat und gedämpftes Gemüse, sowie Zitrusfrüchte schienen am meisten Schutz zu bieten.9 Es ist allerdings nicht klar, ob der Überlebensvorteil daher rührte, dass der Krebs in Schach gehalten werden konnte, oder daher, dass die Patienten besser auf die Chemotherapie und Bestrahlung ansprachen, die sie bekamen. Der begleitende Leitartikel in der Fachzeitschrift Leukemia & Lymphoma suggerierte, „eine Lymphomdiagnose kann ein ‚lehrreicher‘ Erfahrungsmoment sein, um die eigene Ernährung zu verbessern …“.10 Ich würde allerdings nicht empfehlen, erst dann mit einer gesünderen Ernährung zu beginnen, wenn Sie eine Krebsdiagnose bekommen.
Die Iowa Women’s Health Study, die über mehrere Jahrzehnte hinweg über fünfunddreißigtausend Frauen beobachtete, fand heraus, dass ein höherer Verzehr von Brokkoli und anderem Kreuzblütlergemüse mit einem geringeren Risiko, an Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken, in Zusammenhang stand.11 Ähnliche Ergebnisse erzielte eine Untersuchung der Mayo Clinic, die ergab, dass diejenigen, die etwa fünf oder mehr Portionen grünes Blattgemüse pro Woche verzehrten, ein nur halb so hohes Risiko hatten, an Lymphomen zu erkranken, wie diejenigen, die weniger als eine Portion pro Woche aßen.12
Ein Teil dieses pflanzenbasierten Schutzes mag mit den antioxidativen Eigenschaften von Obst und Gemüse zusammenhängen. Eine höhere Aufnahme von Antioxidantien über die Nahrung wird mit einem deutlich geringeren Lymphom-Risiko in Zusammenhang gebracht. Beachten Sie, dass ich „über die Nahrung“ und nicht „durch Präparate“ geschrieben habe. Antioxidantienpräparate bzw. -ergänzungsmittel scheinen nicht zu wirken.13 So wird die Aufnahme von viel Vitamin C über die Nahrung mit einem geringeren Lymphom-Risiko in Verbindung gebracht, während das Einnehmen von Vitamin C in Pillenform nicht zu helfen scheint. Dasselbe wurde für carotinoide Antioxidantien wie Beta-Carotin herausgefunden.14 Offenbar scheinen Pillen nicht dieselbe krebsbekämpfende Wirkung zu haben wie die Naturprodukte Obst und Gemüse.
Bei anderen Krebsarten, z. B. denen des Verdauungssystems, scheinen antioxidative Präparate das Ganze noch schlimmer zu machen. Kombinationen von Antioxidantien wie Vitamin A, Vitamin E und Beta-Carotin in Pillenform wurden mit einem erhöhten Sterberisiko bei denjenigen in Verbindung gebracht, die diese Präparate einnahmen.15 Präparate enthalten nur einige wenige ausgewählte Antioxidantien, während der Körper eigentlich Hunderte davon braucht, die alle synergetisch zusammenarbeiten und ein Netzwerk bilden, damit der Körper freie Radikale entsorgen kann. Hohe Dosen eines einzigen Antioxidans können dieses empfindliche Gleichgewicht stören und letztendlich die Fähigkeit des Körpers, Krebs zu bekämpfen, einschränken.16
Wenn Sie Antioxidantienpräparate kaufen, kann es sein, dass Sie Geld für ein kürzeres Leben zum Fenster hinauswerfen. Sparen Sie sich Ihr hart erarbeitetes Geld und schützen Sie Ihre Gesundheit, indem Sie das einzig Wahre essen: vollwertiges Essen.
Açai-Beeren wurden im Jahr 2008 populär, als der Fernsehstar Dr. Mehmet Oz in der Oprah Winfrey Show darüber berichtete. Das erzeugte das Hereinbrechen einer Flut von Präparaten, Pulvern, Shakes und anderen zweifelhaften Produkten unter dem Namen der Açai-Beere, die nicht einmal notwendigerweise Açai-Beeren enthielten.17 Sogar größere Konzerne sprangen plötzlich auf diesen Trend auf, einschließlich Anheuser-Busch mit seinem 180 Blue „with Açai Energy“ Drink und Coca-Cola mit seinem Bossa-Nova-Getränk. Das ist eine gängige Praxis in der „Superfruit“-Industrie, die Getränke und Präparate vermarktet, von denen weniger als ein Viertel der Produkte vermutlich die Inhaltsstoffe enthalten, die die Etiketten eigentlich ausweisen.18,19 Die Vorteile dieser Produkte sind bestenfalls zweifelhaft, doch gibt es einige vorläufige Untersuchungen zu echten Açai-Beeren, die auch als ungesüßtes gefrorenes Fruchtmark erhältlich sind.
Die erste Untersuchung, die in der medizinischen Fachliteratur zur Wirkung von Açai-Beeren auf das menschliche Gewebe veröffentlicht wurde, wurde mit Leukämiezellen durchgeführt. Wissenschaftler tröpfelten einen Extrakt aus Açai-Beeren auf die Leukämiezellen einer sechsunddreißig Jahre alten Frau. Dies schien bei 86 Prozent der Zellen einen Selbstzerstörungsmechanismus auszulösen.20 Auch das Streuen einiger gefriergetrockneter Açai-Beeren auf Immunzellen namens Makrophagen (Riesenfresszellen, von den griechischen Wörter makros und phagein, groß und fressen) in einer Laborschale schien es den Zellen zu ermöglichen, 40 Prozent mehr Mikroben als gewöhnlich einzuschließen und zu fressen.21
Auch wenn die Leukämie-Untersuchung mit einer Menge von Açai-Extrakt durchgeführt wurde, die man in der Blutbahn nach dem Verzehr der Beeren erwarten könnte, wurden bisher noch keine Untersuchungen mit Krebspatienten durchgeführt (nur Testzellen im Labor), also sind weitere Forschungen nötig. Die einzigen klinischen Studien, die bisher zur Wirkung von Açai-Beeren veröffentlicht wurden, waren zwei kleinere, von der Industrie finanzierte Versuche, die hauptsächlich Vorteile für die Betroffenen von Osteoarthritis22 und einige Stoffwechselparameter bei Probanden mit Übergewicht zeigten.23
Wenn es darum geht, wie viel antioxidative Power Sie für Ihr Geld bekommen, schaffen es Açai-Beeren zwar in die oberen Ränge und schlagen andere Superstars wie Walnüsse, Äpfel und Cranberries, liegen aber hinter dem Bronzemedaillengewinner Nelken, dem Silbermedaillengewinner Zimt und dem Goldmedaillengewinner Rotkohl, zumindest laut der USDA-Datenbank für die häufigsten Nahrungsmittel.24 Açai-Beeren würden im Smoothie wahrscheinlich besser schmecken.
Wie bereits erwähnt gehören multiple Myelome zu den am meisten gefürchteten Krebsarten. Sie sind auch mit sehr aggressiven medizinischen Behandlungsmethoden praktisch nicht heilbar. Da Myelomzellen die Kontrolle über das Knochenmark übernehmen, verringert sich die Anzahl gesunder weißer Blutkörperchen immer mehr, wodurch der Körper Infektionen gegenüber immer anfälliger wird. Eine verringerte Zahl roter Blutkörperchen kann zu Anämie und weniger Blutplättchen zu ernst zu nehmenden Blutungen führen. Nach der Diagnose leben die meisten Menschen nicht einmal mehr fünf Jahre lang.25
Multiple Myelome treten nicht einfach plötzlich auf. Ihnen geht fast immer eine Krebsvorstufe namens monokonale Gammopathie unklarer Signifikanz (oder kurz MGUS) voraus.26 Als Wissenschaftler MGUS entdeckten, wurde es mit einem passenden Namen bedacht, da damals die Signifikanz bzw. Bedeutung des Auffindens einer erhöhten Menge von abnormalen Antikörpern im Blut noch unklar war. Jetzt wissen wir, dass dies eine Vorstufe von multiplen Myelomen ist und bei etwa 3 Prozent aller Weißen über fünfzig auftritt,27 während die Rate bei Afroamerikanern doppelt so hoch sein könnte.28 MGUS verursacht keine Symptome. Sie würden nicht einmal wissen, dass Sie es haben, wenn es Ihr Arzt nicht zufällig bei einem Routine-Bluttest herausfände. Das Risiko, dass sich MGUS zu Myelomen weiterentwickelt, liegt etwa bei 1 Prozent pro Jahr, was heißt, dass davon Betroffene vermutlich an anderen Todesursachen sterben, bevor Sie Myelome entwickeln.29 Doch da ein multiples Myelom praktisch einem Todesurteil gleichkommt, versuchen Wissenschaftler verzweifelt, MGUS in seinem Verlauf zu stoppen.
Aufgrund der Sicherheit und Wirksamkeit des Gewürzes Kurkuma, das Curcumin enthält, gegen andere Arten von Krebszellen sammelten Wissenschaftler der Texas University verschiedene Myelomzellen und gaben sie in eine Laborschale. Ohne irgendwelche Eingriffe vervierfachten sich die Krebszellen innerhalb weniger Tage – das zeigt, wie schnell dieser Krebs wachsen kann. Doch als etwas Curcumin zu der Lösung gegeben wurde, in der die Krebszellen schwammen, ließ das Wachstum der Krebszahlen nach oder hörte sogar gänzlich auf.30 Wie wir wissen, ist es eine Sache, wenn sich Krebs im Labor stoppen lässt. Die andere Sache ist, ob es auch wirklich bei Menschen funktioniert. Im Jahr 2009 fand eine Pilotstudie heraus, dass die Hälfte (fünf von zehn) der Probanden mit MGUS, die besonders hohe Antikörpermengen vorwiesen, positiv auf Curcumin-Präparate ansprach. Bei keinem (null von neun) von denjenigen, die ein Placebo bekamen, sank die Antikörpermenge derartig stark.31 Angespornt von diesem Ergebnis führten die Wissenschaftler eine randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie durch und erreichten sowohl bei den Patienten mit MGUS wie auch bei denen mit „schwelenden“ multiplen Myelomen, einem frühen Krankheitsstadium, ähnlich vielversprechende Ergebnisse.32 Dieses Ergebnis legt nahe, dass ein einfaches Gewürz aus dem Lebensmittelladen die Fähigkeit zu haben scheint, das Fortschreiten dieser furchtbaren Krebsart bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten. Genaueres werden wir allerdings erst dann wissen, wenn Untersuchungen über einen längeren Zeitraum durchgeführt wurden, die überprüfen, ob diese Hoffnung stiftenden Veränderungen bei Bluttestbiomarkern tatsächlich auch einem positiven Resultat bei den Patienten entsprechen. In der Zwischenzeit kann es jedenfalls nicht schaden, wenn Sie Ihr Essen ab und zu mit etwas Kurkuma aufpeppen.
Der Grund dafür, weshalb Menschen, die sich pflanzenbasiert ernähren, wesentlich geringere Blutkrebsraten zu haben scheinen,33 hat sehr wahrscheinlich mit dem zu tun, was sie essen bzw. nicht essen. Um herauszufinden, welche Rolle verschiedene tierische Produkte bei der Vielzahl an Blutkrebsarten haben, müsste eine extrem umfangreiche Untersuchung durchgeführt werden – so wie die EPIC-Studie, bzw. die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, die sich genau damit befasst. Wie wir bereits in Kapitel 4 gesehen haben, trommelten Wissenschaftler über vierhunderttausend Männer und Frauen in zehn verschiedenen Ländern zusammen und begleiteten sie über einen Zeitraum von etwa neun Jahren. Vielleicht erinnern Sie sich, dass der Verzehr von Hühnerfleisch mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko in Zusammenhang gebracht wurde. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in puncto Blutkrebs ermittelt. Von allen untersuchten tierischen Produkten (einschließlich eher ungewöhnlicher Kategorien wie Schlachtnebenprodukte oder Innereien und Organe) wurde Hühnerfleisch mit dem größten Risiko von Non-Hodgkin-Lymphom, allen Arten von follikulären Lymphomen und B-Zellen-Lymphomen wie chronisch lymphatischer B-Zellen-Leukämie (einschließlich der kleinen lymphatischen Leukämie und Prolymphozyten-Leukämie) in Verbindung gebracht.34 Die EPIC-Studie fand heraus, dass sich das Risiko pro jeden 50 Gramm verzehrtem Hühnerfleisch pro Tag zwischen 56 bis 280 Prozent erhöhte. Nur zum Vergleich: eine gekochte oder gebratene Hühnerbrust ohne Knochen kann es bis auf 384 Gramm bringen.35
Warum hängt ein so hohes Lymphom- und Leukämierisiko mit einer solch geringen Menge Hühnerfleisch zusammen? Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass es entweder ein Zufall sei oder mit Medikamenten wie z. B. Antibiotika zusammenhänge, die oft an Hühner und Puten verfüttert werden, um ihr Wachstum zu steigern. Vielleicht liegt es aber auch an den Dioxinen, die in einigen Hühnerfleischproben gefunden und mit der Entstehung von Lymphomen in Zusammenhang gebracht wurden.36 Milch und Milchprodukte können allerdings auch Dioxine enthalten, doch wurden diese nicht mit NHL in Verbindung gebracht. Die Wissenschaftler vermuteten, dass es an den krebserregenden Viren in Geflügelfleisch liegen könne, da der Verzehr von gut durchgegartem Fleisch (in dem Viren abgetötet waren) mit einem geringeren Risiko als der von rohem in Zusammenhang gebracht wurde.37 Diese Vermutung stimmt mit den Ergebnissen der NIH-AARP-Studie (siehe Seite 67) überein, die herausfand, dass ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rosa gegartem bzw. gerade so garem Hühnerfleisch und einer bestimmten Lymphomart besteht, während ein geringeres Risiko einer anderen Blutkrebsart mit einer größeren Exposition gegenüber dem in richtig durchgegartem Fleisch enthaltenen Karzinogen MeIQx in Zusammenhang stand.38
Wie kann eine stärkere Exposition gegenüber einem Krebserreger ein geringeres Krebsrisiko darstellen? MeIQx ist eines der heterozyklischen Amine, die beim Garen von Fleisch bei hohen Temperaturen entstehen, d. h. beim Backen, Grillen, Braten und Frittieren.39 Wenn wie im Fall von Blutkrebs ein Geflügelvirus die Ursache ist, wird dieser umso zuverlässiger abgetötet, je besser das Fleisch durchgegart wird. Krebsverursachende Geflügelviren, einschließlich des Vogel-Herpesvirus, der die Mareksche Krankheit auslöst, sowie verschiedener Retroviren wie des Reticuloendotheliose-Virus, des in Hühnerfleisch aufgefundenen aviären Leukosevirus bzw. Vogel-Leukämie-Virus und des in Putenfleisch aufgefundenen Virus, der lymphoproliferative Störungen verursacht, erklären sehr wahrscheinlich die höheren Blutkrebsraten, die unter Bauern,40 Schlachthausarbeitern41 und Metzgern42 auftreten. Viren können Krebs auslösen, indem sie die krebserregenden Gene direkt in die DNA ihres Wirtes einschleusen.43
Tierische Viren können bei Menschen, die ständig mit rohem Fleisch in Kontakt kommen, unerfreuliche Hauterkrankungen hervorrufen, wie bspw. die ansteckende pustulöse Dermatitis.44 Es gibt sogar eine klar definierte Erkrankung, die umgangssprachlich „Fleischerwarzen“ genannt wird und auf den Händen derjenigen auftritt, die rohes Fleisch, und zwar einschließlich Geflügel und Fisch, verarbeiten.45 Sogar die Ehepartnerinnen von Metzgern scheinen ein höheres Risiko für Gebärmutterhalskrebs zu entwickeln; eine Krebsform, die definitiv auf den Kontakt mit dem Warzenvirus zurückzuführen ist.46
Arbeiter in Geflügelschlachthöfen haben erwiesenermaßen höhere Raten von Krebs, der im Mund, in den Nasenhöhlen, im Hals, der Speiseröhre, im Rektum, der Leber und im Blut auftritt. Die Sorge hinsichtlich der Gesundheit der Gesamtbevölkerung ist dabei, dass die krebserregenden Viren, die in Geflügel und Geflügelprodukten enthalten sind, sich auf alle die in der Allgemeinbevölkerung übertragen können, die unzureichend gegartes Hühnerfleisch verarbeiten oder essen.47 Diese Ergebnisse wurden erst kürzlich bei einer der größten Untersuchungen dieser Art bestätigt, bei der über zwanzigtausend Arbeiter aus Geflügelindustrie untersucht wurden, die entweder in Schlachthöfen oder der Geflügelfleischverarbeitung beschäftigt waren. Es wurde bestätigt, was bislang schon drei andere Untersuchungen herausgefunden haben: Wer in diesen Fabriken arbeitet, hat ein höheres Risiko, an bestimmten Krebsarten zu sterben, Blutkrebs eingeschlossen.48
Die Wissenschaftler fangen endlich damit an, eins und eins zusammenzuzählen. Die hohen Antikörper-Werte gegen aviäre Leukose bzw. den Vogelgrippe-Sarkom-Virus49 und den Reticuloendotheliose-Virus,50 die vor Kurzem bei Arbeitern aus der Geflügelindustrie festgestellt wurden, sind der Beweis dafür, dass Menschen diesen krebserregenden Geflügelviren direkt ausgesetzt sind. Sogar Fließbandarbeiter, die die Endprodukte lediglich aufschneiden und nie in den Kontakt mit lebenden Tieren kamen, hatten erhöhte Antikörperwerte in ihrem Blut.51 Mal ganz abgesehen vom Arbeitsschutz ist auch die Gefährdung der Allgemeinbevölkerung laut Aussage der Wissenschaftler „nicht unerheblich“.52
Erhöhte Blutkrebsraten können sogar bis zu den Zuchthöfen zurückverfolgt werden. Eine Analyse von über einhunderttausend Totenscheinen fand heraus, dass diejenigen, die auf einem Hof aufwuchsen, wo Tiere gezüchtet wurden, eine deutlich höheres Risiko hatten, später im Leben Blutkrebs zu entwickeln, wohingegen dies bei denen, die in landwirtschaftlichen Betrieben ohne Viehzucht aufwuchsen, nicht der Fall war. Am schlimmsten ist es scheinbar, auf einem Geflügelhof aufzuwachsen, da dies mit einem fast dreimal so hohen Blutkrebsrisiko in Verbindung gebracht wurde.53
Der ständige Kontakt zu Rindern und Schweinen wurde mit dem Non-Hodgkin-Lymphom in Zusammenhang gebracht.54 Bei einer Untersuchung der University of California von 2003 fanden Wissenschaftler heraus, dass fast drei Viertel der getesteten Personen dem bovinen Leukämievirus ausgesetzt waren, vermutlich durch den Verzehr von Fleisch und Milchprodukten.55 Fast 85 Prozent des Milchviehbestands der USA wurden positiv auf diesen Virus getestet (und 100 Prozent des Bestands der industriellen Großbetriebe).56
Nur weil Menschen einem Virus ausgesetzt sind, der bei Kühen Krebs verursacht, heißt das nicht automatisch, dass sie sich selbst aktiv damit infizieren. 2014 veröffentlichten Wissenschaftler eine zum Teil vom U.S. Army Breast Cancer Research Program unterstützten bemerkenswerten Bericht in der Fachzeitschrift der Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Darin stand, dass die DNA des bovinen Leukämievirus in normalen und kanzerösen Zellen des menschlichen Brustgewebes gefunden wurde, was de facto beweist, dass auch Menschen sich mit diesen krebserregenden tierischen Viren infizieren können.57 Bislang ist jedoch die Rolle, die Geflügel- und andere Nutztierviren bei der Entstehung von verschiedenen Krebsarten bei Menschen spielen, unbekannt.
Wie sieht es mit dem Katzenleukämievirus aus? Glücklicherweise wird das Zusammenleben mit Haustieren mit niedrigeren Lymphomraten in Zusammenhang gebracht, was mich persönlich sehr erleichtert, allein wenn ich daran denke, mit wie vielen Haustieren ich bereits mein Leben geteilt habe. Je länger Menschen Hunde und Katzen in ihrem Leben haben, umso geringer ist das Risiko. Bei einer Untersuchung hatten die Personen das geringste Lymphomrisiko, die bereits zwanzig Jahre oder länger mit Haustieren zusammenlebten. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Grund dafür mit der Tatsache zusammenhängt, dass das Halten von Haustieren eine vorteilhafte Wirkung auf das Immunsystem hat.58
Zwei Untersuchungen der Harvard University legten nahe, dass der Konsum von Diät-Erfrischungsgetränken das Risiko von Non-Hodgkin-Lymphomen und multiplen Myelomen erhöhen kann,59 doch wurde dieser Zusammenhang nur bei Männern beobachtet und nicht von zwei weiteren Untersuchungen bestätigt, die mit Aspartam gesüßte Erfrischungsgetränke testeten.60,61 Auf ungesunde Erfrischungsgetränke zu verzichten kann allerdings nicht schaden, genauso wenig, wie die oben empfohlenen Veränderungen bei der Ernährung in Angriff zu nehmen.
Eine pflanzenbasierte Ernährungsweise wird mit einem fast nur halb so hohen Risiko für verschiedene Blutkrebsarten in Zusammenhang gebracht, da sie sowohl durch das Vermeiden bestimmter Lebensmittel, die Blutkrebs verursachen können, wie bspw. Geflügel, wie auch durch den zusätzlichen Verzehr von Obst und Gemüse den Körper schützt. Grünes (Blatt-)Gemüse scheint einen besonders wirksamen Schutz gegen das Non-Hodgkin-Lymphom und Kurkuma gegen multiple Myelome zu bieten. Die Rolle, die krebsauslösende Nutztierviren bei der Entstehung menschlicher Krebsarten haben, ist noch nicht bekannt. Aufgrund des potenziellen Ausmaßes, in dem die Allgemeinbevölkerung diesen ausgesetzt sein kann, sollte die Forschung dieser Aufgabe allerdings oberste Priorität einräumen.