Dr. Gregers Tägliches Dutzend

Eine vollwertige pflanzenbasierte Ernährung – das ist ziemlich selbsterklärend, oder nicht? Aber gibt es nicht einige grüne Lebensmittel, die noch besser sind als andere? Es ist z. B. möglich, über einen langen Zeitraum ausschließlich Kartoffeln zu essen.1 Auch das ist laut Definition eine vollwertige pflanzenbasierte Ernährung – nur keine gesunde. Nicht alle pflanzlichen Lebensmittel sind gleich.

Je mehr ich in den letzten Jahren nachgeforscht habe, umso mehr bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass sich gesunde Lebensmittel nicht unbedingt austauschen lassen. Einige Lebensmittel und Lebensmittelgruppen enthalten spezielle Nährstoffe, die sich in dieser Menge in keinen anderen finden. Sulforaphan, die erstaunliche Substanz, die die Entgiftung der Leber ankurbelt und auf die ich näher in den Kapiteln 9 und 11 eingegangen bin, ist fast ausschließlich nur in Kreuzblütler- bzw. Kohlgemüse enthalten. Sie könnten jeden Tag tonnenweise anderes Gemüse essen und würden trotzdem keine nennenswerte Sulforaphanmenge aufnehmen. Dasselbe trifft auf Leinsamen und seine krebsbekämpfenden Lignane zu. Wie bereits in den Kapiteln 11 und 13 erwähnt, scheinen Leinsamen etwa einhundertmal mehr Lignane als andere Lebensmittel zu enthalten. Pilze zählen bspw. gar nicht zu den Pflanzen, sondern bilden eine ganz eigene biologische Kategorie und scheinen Nährstoffe (wie Ergothioneine) zu enthalten, die nirgendwo anders im Pflanzenreich vorkommen.2 (Also müsste ich korrekterweise von einer vollwertigen pflanzen- und pilzbasierten Ernährung sprechen, aber das klingt ziemlich umständlich.)

Scheinbar jedes Mal, wenn ich wieder einmal ganz elektrisiert mit den neuesten Forschungsergebnissen aus der medizinischen Bibliothek zurückkomme, rollt meine Familie mit den Augen, seufzt und fragt dann: „Was können wir jetzt nicht mehr essen?“ Oder hakt nach: „Moment mal – warum ist jetzt plötzlich überall Petersilie drin?“ Meine arme Familie. Sie ist wirklich sehr tolerant.

Als die Zahl der Lebensmittel, die ich täglich essen wollte, immer größer wurde, erstellte ich mir eine Checkliste auf einer Tafel, die ich an den Kühlschrank hängte.

Image

Abbildung 6

Wir machten ein Spiel daraus, alles abzuhaken, was wir gegessen hatten. Daraus wurde schließlich das Tägliche Dutzend (siehe Abbildung 6). Mit Bohnen meine ich Hülsenfrüchte, die alle möglichen Bohnen einschließen, ebenso Sojabohnen, Spalterbsen, Kichererbsen und Linsen. Auch wenn sich das Essen einer Schüssel Erbsensuppe oder das Dippen von Möhrensticks in Hummus nicht so anfühlt, als würden Sie Bohnen essen, ist es genau das. Sie sollten drei Portionen pro Tag anstreben. Eine Portion entspricht einer viertel Tasse Hummus oder Bohnendip, einer halben Tasse gekochten Bohnen, Erbsen, Linsen, Tofu oder Tempeh oder einer ganzen Tasse frischer Erbsen oder gekeimter Linsen. Auch wenn Erdnüsse eigentlich zu den Hülsenfrüchten zählen, habe ich sie der Kategorie „Nüsse“ zugeordnet, genauso wie ich grüne Brech- oder Schnittbohnen eher zur Kategorie „Anderes Gemüse“ zähle.

Eine Portion Beeren entspricht einer halben Tasse frischer oder gefrorener Beeren oder einer viertel Tasse getrockneter Beeren.

Auch wenn aus botanischer Sicht Avocados, Bananen und sogar Wassermelonen ebenfalls zu den Beeren gehören, verwende ich hier den umgangssprachlichen Begriff für Beeren und meine damit kleine essbare Früchte, weshalb ich auch Kumquats und Weintrauben (auch Rosinen) zu dieser Kategorie zähle, wie auch Früchte, die generell für Beeren gehalten werden, aber botanisch keine sind, nämlich Brom-, Maul-, Erd- und Himbeeren, sowie Steinfrüchte wie Kirschen.

Bei allem anderen Obst ist eine Portion entweder eine mittelgroße Frucht, eine Tasse aufgeschnittener Frucht oder eine viertel Tasse getrocknete Früchte. Auch hier verwende ich den umgangssprachlichen Begriff und nicht den botanischen und stecke Tomaten daher auch in die Kategorie „Anderes Gemüse“. (Interessanterweise legte dies 1893 auch der U.S. Supreme Court fest.3 Der Bundesstaat Arkansas entschied sich allerdings dafür, gleich beides gelten zu lassen, und erklärte Tomaten sowohl zur offiziellen Bundesstaatsfrucht und zum offiziellen Bundesstaatsgemüse.4)

Häufiges Kohlgemüse ist z. B. Brokkoli, Weißkohl und Grünkohl. Ich empfehle täglich mindestens eine Portion (in der Regel eine halbe Tasse) und zusätzlich mindestens zwei weitere Portionen grünes Blattgemüse, egal ob aus der Kreuzblütlerfamilie oder anderen botanischen Ursprungs. Die Portionsgrößen für anderes Grünzeug sind bei rohem grünem Blattgemüse eine Tasse, eine halbe Tasse bei anderem rohem oder gekochtem Gemüse und eine viertel Tasse bei getrockneten Pilzen.

Sie sollten außerdem probieren, zusätzlich zu einer Portion Nüsse oder Samen täglich auch einen Esslöffel gemahlene Leinsamen zu verzehren. Eine Portion Nüsse entspricht einer viertel Tasse bzw. zwei Esslöffeln Nuss- oder Samenbutter, Erdnussbutter eingeschlossen. (Esskastanien und Kokosnüsse zählen, was ihre Nährstoffe anbelangt, nicht zu den Nüssen.)

Ich empfehle außerdem täglich auch einen viertel Teelöffel gemahlenes Kurkuma sowie andere (salzfreie) Kräuter und Gewürze, die Sie mögen.

Eine Portion Vollkorn kann eine halbe Tasse Frühstücksbrei wie z. B. Haferbrei, gekochter Reis (oder ein „Pseudogetreide“ wie Amaranth, Buchweizen oder Quinoa), gekochte Vollkornpasta, eine Tasse Vollkornfrühstückscerealien, eine Vollkorntortilla oder eine Scheibe Vollkornbrot, ein halbes Vollkornbrötchen oder ein halber Vollkornbagel oder drei Tassen vollwertiges gepopptes Popcorn sein.

Die Portionsgröße in der Kategorie „Getränke“ ist ein Glas (350 ml). Die empfohlenen fünf Gläser Wasser sollten Sie zusätzlich zu dem Wasser trinken, was Sie auf natürliche Weise bereits durch Ihre Lebensmittel aufnehmen.

Abschließend empfehle ich täglich noch „eine Portion“ Sport, die Sie auch über den Tag verteilen können. Ich empfehle täglich neunzig Minuten einer moderaten sportlichen Betätigung, wie bspw. zügiges Laufen (6,5 Kilometer pro Stunde) oder vierzig Minuten intensives Training (wie bspw. Joggen oder einen anderen aktiven Sport). Warum so viel? Darauf gehe ich näher in meinem Kapitel über Sport ein.

Das sieht nach einer Menge Häkchen aus, die jeden Tag gesetzt werden müssen. Dabei ist es gar nicht so schwierig, gleich mehrere Kästchen auf einmal abzuhaken. Ein einfaches Sandwich mit Erdnussbutter und Banane bringt Ihnen schon vier Häkchen ein. Oder stellen Sie sich vor, Sie essen einen großen Salat: zwei Tassen Spinat, eine Handvoll Rucola, eine Handvoll geröstete Walnüsse, eine halbe Tasse Kichererbsen, eine halbe Tasse rote Paprika und eine kleine Tomate. So können Sie mit einem einzigen Gericht schon sieben Häkchen setzen. Wenn Sie noch etwas gemahlene Leinsamen und eine Handvoll Gojibeeren darüberstreuen, ein Glas Wasser dazu trinken und als Nachtisch Obst essen, haben Sie mit einer einzigen Mahlzeit schon fast die Hälfte aller Häkchen für den gesamten Tag eingeheimst. Und wenn Sie diese Mahlzeit dann noch auf dem Laufband zu sich nehmen … ein kleiner Scherz am Rande!

Setze ich ein Häkchen für jedes Glas Wasser, das ich trinke? Nein. Ehrlich gesagt hake ich gar nichts mehr ab. Ich habe diese Checkliste vor allem anfangs verwendet, um mir eine Routine zu erarbeiten. Immer, wenn ich mich zum Essen an den Tisch setzte, fragte ich mich: Kann ich noch Blattgemüse zu diesem Gericht hinzufügen? Oder vielleicht Bohnen? (Ich habe immer eine offene Dose mit Bohnen im Kühlschrank.) Kann ich noch ein paar gemahlene Leinsamen oder Kürbiskerne darüberstreuen oder vielleicht ein bisschen Trockenobst dazu essen? Die Checkliste brachte mich dazu, immer wieder zu überlegen, ob ich eine Mahlzeit nicht noch gesünder machen könnte.

Außerdem war diese Checkliste sehr hilfreich beim Einkaufen. Auch wenn ich immer eine Tüte gefrorener Beeren oder gefrorenen Spinat im Tiefkühlfach habe, hilft mir die Liste im Laden dabei zu überschlagen, wie viel frisches Obst und Gemüse bzw. wie viel Grünkohl oder Heidelbeeren ich brauche.

Außerdem ist es durch sie einfacher sich vorzustellen, wie eine Mahlzeit aussehen könnte. Wenn Sie einen Blick auf die Liste werfen, sehen Sie, dass da für jeden Tag drei Portionen Bohnen, Obst und Vollkorn stehen und etwa doppelt so viel Gemüse wie alle anderen Lebensmittel. Wenn ich auf meinen Teller schaue, kann ich mir also vorstellen, dass ein Viertel davon mit Vollkorn, ein weiteres Viertel mit Hülsenfrüchten und die Hälfte davon mit Gemüse bedeckt sein sollte, und ich dazu vielleicht einen Salat und Obst als Nachtisch esse. Ich liebe Schüsseln, in denen alles vermischt wird, aber die Checkliste hilft mir trotzdem dabei, mir die Verteilung bildlich vorzustellen. Anstatt einer großen Schüssel mit Spaghetti und etwas Gemüse und Linsen darauf stelle ich mir also eine große Schüssel mit Gemüse mit etwas hineingemischter Pasta und Hülsenfrüchten vor. Anstatt einem großen Teller mit braunem Reis und ein bisschen pfannengebratenem Gemüse darauf stelle ich mir ein Gericht vor, das hauptsächlich aus Gemüse besteht – und auch etwas Reis und Bohnen.

Aber deshalb müssen Sie keine Checklisten-Obsession entwickeln. An hektischen Reisetagen, wenn ich all meine Snacks bereits vertilgt habe und versuche, am Flughafen eine wenigstens halbwegs gesunde Mahlzeit zu ergattern, habe ich manchmal Glück, wenn ich auch nur ein Viertel meines eigentlichen täglichen Ziels erreiche. Wenn ich mich an einem Tag ungesund ernähre, versuche ich, am nächsten gesünder zu essen. Ich hoffe, dass das Tägliche Dutzend Sie einfach daran erinnert zu versuchen, jeden Tag eine möglichst abwechslungsreiche Zusammenstellung der gesündesten Lebensmittel zu essen.

Sollten Sie Ihr Gemüse roh oder gekocht verzehren? Müssen Sie zu Bio greifen, oder sind konventionelle Lebensmittel auch ok? Wie sieht es mit genmanipulierten Lebensmitteln aus? Oder Gluten? All diese Fragen und mehr werde ich in den nächsten Kapiteln beantworten, wenn wir zusammen Schritt für Schritt die verschiedenen Kategorien des Täglichen Dutzend durchgehen.