Die Produktion eines Films ist für Romy Schneider wie eine Liebesaffäre. Wenn der Regisseur sie während der Dreharbeiten nicht betrügt, sie also ernst nimmt, spielt sie für ihn in einem fast hypnotischen Zustand. Im Schutz von guten Rollen fühlt sie sich dann auch nackt geborgen. Noch stärker ist ihre sinnliche Ausstrahlung später auf der Leinwand zu spüren, wenn sie während der Aufnahmen auch eine echte Romanze erlebt, was in den folgenden Jahren seltener wird, weil sie manchmal drei Filme in zehn Monaten dreht oder gerade im Chaos einer auslaufenden Beziehung steckt. Es spricht sich allerdings herum in Filmkreisen, daß eine Produktion mit Romy Schneider reibungsloser verläuft, wenn ein junger Mann zur Hand ist, der sich intensiv um die Hauptdarstellerin kümmert, auch nach Drehschluß. Manche Regisseure, wie etwa Andrzej Zulawski, werden sich nach dem Tod ihres Stars schuldig fühlen, ihn auf diese zynische Art emotional ausgebeutet zu haben. Auch Zulawski hatte ihr eine Affäre bestellt: »Wir haben es alle gewußt und wir haben sie alle benutzt.« Unter Zulawskis Regie verkörpert sie 1974 die Rolle einer Schauspielerin, die in einer schweren seelischen Krise steckt und ins Pornomilieu abgerutscht ist. Bei den Dreharbeiten gibt es oft Streit und viele Konflikte, was man sogar im fertigen Film zu spüren glaubt. Aber Romy Schneider ist, wie immer, wenn sie gefordert wird, hervorragend. Für diesen Film bekommt sie 1976 den César, eine in Frankreich dem berühmten Oscar vergleichbare Auszeichnung, als beste Darstellerin des Jahres.
Wenn die letzte Klappe gefallen ist, das Produkt Romy Schneider also im Kasten, verabschieden sich die von der Produktion geheuerten jungen Männer. Es war nett, Madame. Und Romy Schneider greift dann in ihrer Enttäuschung wieder zu ihren altbewährten Fluchthelfern Alkohol und Tabletten. Mit den Tabletten hat sie wohl während der Meyen-Ehe angefangen, und später glaubt sie ohne Optalidon gar nicht mehr drehen zu können. Ende der siebziger Jahre ist sie, ohne es je zugeben zu können, im medizinischen Sinne tablettensüchtig.
Zwischendurch, nach enttäuschenden Affären mit jungen Männern, gibt es immer wieder Phasen, in denen sie sich bei Frauen bestätigen will: »Ich bin halt«, sagt Romy Schneider einmal, »ein rechtes Mischimaschi.« Bei ihren Eroberungen verhält sie sich so, wie sie es von den Männern erlebt hat: Neben ihren flüchtigen Abenteuern, mal mit der Ehefrau eines Masseurs, mal mit einer Kostümbildnerin, will sie morgens nicht aufwachen, die müssen vorher das Haus verlassen haben. Eine große Zuneigung, von der nur wenige Vertraute wußten, bestand zwischen Romy Schneider und Simone Signoret, der Frau von Yves Montand, die sie auch als künstlerisches Vorbild sah. Montand ahnte natürlich nicht, warum Romy Schneider so resistent gegen seine Eroberungsversuche war, aber er hätte auch unter sogenannten »normalen« Umständen keine Chance gehabt. Er war ganz einfach nicht ihr Typ.
Der Erfolg von Der Swimmingpool sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum macht Romy Schneider glücklich und sie fühlt sich nach der selbstgewählten Zwangspause von Berlin wieder obenauf: »Ich bin sicher, daß die APO mich nie als Sissi akzeptieren würde, aber in Swimmingpool werden sie mich mögen, denn das ist eine sehr erotische Rolle.« Doch in diesem Jahr 1969 interessiert sich von der aufmüpfigen Jugend keiner so recht für Romy Schneider oder für Filme überhaupt, denn die Realität ist spannender als jedes Kino. Das Land, in dem auch die gebürtige Wienerin mit dem deutschen Paß wählen darf (was sie übrigens nie getan hat, weil sie immer zu spät daran dachte, die nötigen Unterlagen für eine Briefwahl zu besorgen), erlebt so etwas wie ein politisches Erdbeben. Zum erstenmal wird ein Sozialdemokrat deutscher Bundeskanzler. Willy Brandt ist zudem einer, der mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nichts zu tun hat, ein Emigrant, also das, was man in bestimmten Kreisen immer noch einen Vaterlandsverräter nennt. Hat er nicht in fremder Uniform gegen die Deutschen gekämpft? Hat er. Ist er nicht zudem ein uneheliches Kind? Ist er. Romy fühlt sich ihm nahe, weil auch sie, wenn auch aus ganz anderen Gründen, als Vaterlandsverräterin beschimpft worden war, als sie zu Delon nach Paris zog. Der Wechsel zu einem anderen Deutschland scheint vollends Wechsel in eine bessere Zukunft, als der rigorose Moralist Gustav Heinemann, auch er Sozialdemokrat, zum neuen Bundespräsidenten gewählt wird und dabei seinen CDU-Gegenspieler Gerhard Schröder schlägt, dem sogar die NPD-Stimmen bei der Bundesversammlung nicht zum Erfolg reichen. Die Konservativen in der Bundesrepublik müssen zwar nicht die wirtschaftliche, aber die politische Macht abgeben. Was die Demonstrationen der Studenten nicht geschafft haben, ist der Sturz des Systems. Was sie aber erreicht haben, ist eine Bewußtseinsänderung innerhalb des Systems. Die alte Ordnung samt ihren allgemein als verbindlich akzeptierten Regeln, was sich denn schickte und was nicht, zerbricht. Die Mehrheit der Westdeutschen wählt nicht mehr die Generation der schuldigen Väter samt ihren spießigen Vorstellungen von Moral, sondern die Verheißung einer nicht nur politischen, sondern auch gesellschaftlichen Utopie von Freiheit, die plötzlich sogar in diesem verknöcherten Staat Deutschland machbar scheint.
Mit Harry Meyen, dem Konservativen aus Überzeugung, führt Romy Schneider erregte Diskussionen. Sie hat zwar nicht die besseren Argumente, weil sie zuwenig informiert ist über die Verhältnisse in Deutschland, aber sie setzt ihre Emotion dagegen und hat keine Angst mehr, ihre Begeisterung für die neue Zeit und ihre sogenannten losen Sitten auch auszudrücken. Harry Meyen, der Mann mit Eigenschaften, wird mehr und mehr zum Mann ohne Einfluß. Ihre Schwärmerei für die Politik Willy Brandts und sein Versprechen, mehr Demokratie zu wagen, soll sogar weiter gegangen sein, wie einer ihrer Liebhaber, der französische Sänger und Schauspieler Serge Reggiani, in seinen postum veröffentlichten Erinnerungen wissen will. Er meint, daß sie Brandt nicht nur angehimmelt und oft mit ihm telefoniert habe, sondern den berühmten womanizer auch nach einer Begegnung in Bonn näher erlebte. In der Einbildung des Franzosen zu nahe. Reggiani ist auf Brandt so eifersüchtig wie später der amerikanische Produzent Robert Evans auf ihn, weil Romy Schneider von dessen Villa in Hollywood aus immer Serge Reggiani angerufen hat.
Harry Meyen, der Prinzgemahl an ihrer Seite, arrangiert zwar den Alltag mit David und Kindermädchen, zu dem Romy Schneider nach anstrengenden Dreharbeiten zurückkehrt und in den sie sich scheinbar zufrieden fallen läßt. Peer Schmidt, der in vielen Rollen unter der Regie von Harry Meyen gespielt hat, erinnert sich an einen »wunderbaren Weihnachtsabend in Berlin. Ich habe den Nikolaus gespielt, das habe ich öfter für Kollegen gemacht, die kleine Kinder hatten. Und der kleine David hat mir Fragen gestellt wie kein anderes Kind in seinem Alter. Alles wirkte sehr zufrieden, sehr bürgerlich, sehr harmonisch«.
Aber die Ehe stirbt zusehends. Sie leidet nicht nur darunter, wie später beide erkennen, daß sich Romy Schneider immer schuldig fühlt, weil sie sich nicht wie andere Mütter intensiv um ihr Kind kümmern kann, sondern auch an ihren verschiedenen Erlebniswelten, die nicht mehr in Einklang zu bringen sind. »Es war so, daß wir uns nach den ersten beiden Jahren keine Mühe gegeben haben und langsam vor uns hingedämmert sind.« Die impulsive Romy Schneider, die mit ihrem Instinkt so vieles richtig erkennt und dennoch so vieles falsch macht, sucht nach einem Ausweg für Harry Meyen, nach einem Stück Erfolg, das er so braucht wie sie. Wieder läßt sie ihre Beziehungen spielen, diesmal zu Hamburgs Staatsopernintendanten Rolf Liebermann, und besorgt Harry Meyen einen Regieauftrag. Der König des Boulevards soll Wagners Thannhäuser inszenieren, und er schreckt vor der Aufgabe nicht zurück, an der schon einige große Regisseure gescheitert sind. Meyen stürzt sich in die Arbeit. Der Haushalt in Berlin wird aufgegeben, man zieht nach Hamburg in die Agnesstraße, in eine Wohnung, die aus steuerlichen Gründen auf den Namen von Magda Schneider-Blatzheim gemietet wird. Harry Meyen läßt sich ein chromstahlkühles Arbeitszimmer einrichten, Romy Schneider dagegen will ihre weichen, flauschigen Ecken. Ein Innenarchitekt erfüllt die verschiedenen Wünsche. Die Wagner-Inszenierung wird zu einem in Hamburg noch bis heute nicht vergessenen Desaster und wird in den Feuilletons noch viel schlimmer verrissen als Meyens Bernhard-Regie bei den Salzburger Festspielen. Auch Romy Schneiders nächster Film, Inzest, in dem sie eine Mutter spielt, deren erotische Phantasien ihrem siebzehnjährigen Sohn gelten, dem Ebenbild eines früheren Liebhabers, wird von der Kritik niedergemacht: »Kein Wort, keine Geste, kein Blick erwachen hier zum einfachsten Leben. Von nichts kommt nichts. Es ist deshalb unnütz, sich Fragen zu stellen.« Aber die Hauptdarstellerin zumindest bleibt ungeschoren: »Nur Romy Schneider mit ihrem wunderbaren Gesicht ragt aus diesem unglaublichen Abschaum heraus« (La Saison cinèmatographique).
Romy Schneider und ihr wunderbares Gesicht. Das Gesicht ist das Geheimnis ihres Erfolgs, gibt der kleinen, zierlichen und eher unscheinbaren Frau, die immer wieder Gewichtsprobleme hat, aber mit eiserner Disziplin auch immer wieder abspeckt, jene Ausstrahlung, die das Kino immer schon brauchte, um Träume zu erzeugen und Illusionen. Nur wer eine solche Ausstrahlung hat, wird in der Traumfabrik zum Star. Wenn sie sich auf der Leinwand mit ihren typischen kleinen, schnellen Schritten in eine Szene stampfen sah, schloß sie schnell die Augen. Furchtbar fand sie sich dann: »Meine Haxen sind eigentlich krumm und so kurz wie die von der Magda«, sagt sie, »aber mit meiner Fresse reiß’ ich alles wieder raus.« Dieses Gesicht ist es, das den französischen Regisseur Claude Sautet so fasziniert, daß er Romy Schneider, die er persönlich nie getroffen hat, die weibliche Hauptrolle in seinem neuen Film Die Dinge des Lebens anbietet. Er erzählt ihr am Telefon die Geschichte, und Romy Schneider sagt sofort zu, noch bevor sie das Drehbuch gelesen hat. Es geht um eine eher banale Dreiecksbeziehung, aber wenn Schauspieler wie Romy Schneider und Michel Piccoli die Liebenden spielen, wird aus alltäglichen Momenten plötzlich großes Kino, aus Trivialem plötzlich Trivialkunst, und was schon sind die Filme anderes, an die man sich erinnert – von Dr. Schiwago bis Vom Winde verweht. Romy Schneider spielt die Geliebte eines erfolgreichen Architekten, der sich von seiner Frau nicht trennen kann. Bei einem Autounfall wird er schwer verletzt, doch bevor er stirbt, sieht er in einer Art Rückblende die »Dinge des Lebens«, die erst dann wichtig werden, wenn man weiß, daß man sie nie wieder erfahren wird.
Die Arbeit mit Claude Sautet, der von intellektuellen Filmkritikern als »Weichzeichner« verspottet wird, dessen Filme beim Publikum aber große Erfolge sind, ist für die Karriere von Romy Schneider so wichtig wie einst die Zeit mit den genialen Despoten Luchino Visconti oder Orson Welles, die aus dem Nachkriegsmodell »Sissi« eine ernsthafte Schauspielerin geformt haben, zu denen sie aufblickte, von denen sie lernte, für die sie aus ihren Kostümen schlüpfte. Sautet und Romy Schneider gehören zur gleichen Generation, sie arbeiten auf derselben Wellenlänge (Sautet: »Sie verträgt keine Mittelmäßigkeit und nicht das Versiechen der Gefühle. Sie hat ein Gesicht, das mit den Jahren nur noch schöner werden kann«), die Szenen entstehen aus gemeinsamen Diskussionen, die üblichen Machtkämpfe um die Hierarchie während der Dreharbeiten entfallen. Sautet – »endlich mal kein Tyrann«, sagt Romy Schneider – macht sie mit seinen Filmen in Frankreich zum Filmstar Nummer eins der siebziger Jahre, zur actrice française. Nach den Dingen des Lebens werden sie gemeinsam ähnliche Geschichten aus dem Alltag verfilmen, zum Beispiel Das Mädchen und der Kommissar oder César und Rosalie oder Eine einfache Geschichte. Da findet Romy Schneider Rollen, in denen sie das spielen darf, was sie am besten kann – gebrochene und gleichzeitig starke Frauen, Frauen mit sinnlicher Kraft und Frauen, die manchmal so emanzipiert sind, daß sie zum Glück keine Männer mehr brauchen. Wer will, kann Parallelen zum wahren Leben der Schauspielerin finden. Beim Publikum sind diese Filme erfolgreich, weil Romy Schneider für die Frauen zur Identifikationsfigur wird und für die Männer zur Verkörperung der Traumfrau, die sie nie kriegen werden. Die französische Illustrierte Paris Match vermeldet voller Überschwang, daß vierzig Jahre nach Marlene Dietrich und Greta Garbo endlich wieder ein Weltstar geboren ist. Claude Sautet, dessen enge Beziehung zu Romy Schneider als Affäre mißdeutet wurde, nach ihrem Tod: »Sie war wie ein kleines Mädchen, sie hatte immer große Angst. Damit sie sich sicher fühlen konnte, brauchte sie eine Menge von Liebesbeweisen.«
Parallel zum beruflichen Aufstieg des Stars, um den sich Regisseure reißen, der sich seine Rollen selbst aussuchen kann und in Frankreich pro Film eine Million Francs verdient, beginnt der Abstieg ihrer Ehe mit Harry Meyen, in die sie so viele ihrer bürgerlichen Hoffnungen gesetzt hat. Zwar hat sie bei den Dreharbeiten zu Bloomfield in Israel selbstverständlich Fotos von David und Harry in ihrer Garderobe stehen, aber sie ergibt sich, wenn auch voller Schuldgefühle, einer leidenschaftlichen Liebesromanze mit ihrem Partner, dem britischen Schauspieler Richard Harris. Sie nennt ihn Dickie, er sie Rosy Posy. Der Regisseur Harris nimmt den Schauspieler Harris zugunsten von Romy Schneider zurück. Er setzt die Frau in Szene, mit der er die Nächte verbringt, mit der er wie ein verliebter Junge Ausflüge macht in Israel, mit der er immer wieder dem mittelmäßigen Drehbuch entflieht. Beide wissen von der Endlichkeit ihrer Liebe. Er erzählt ihr von dem Dorf, in dem er geboren ist, und davon, wie wichtig dieses Gefühl von Heimat für ihn sei, und sie erzählt ihm, daß sie dieses Gefühl nie gekannt hat und sich eigentlich am meisten vor der Kamera zu Hause fühlt. Beide trinken viel. Das Kind Romy Schneider rührt ihn, die Frau Romy Schneider reizt ihn. Der verliebte Brite, der eigentlich viel lieber auf der Bühne Shakespeare spielen will und es haßt, sich für Geld in mittelmäßigen Filmen zu prostituieren, schenkt ihr ein Skakespeare-Sonett (»The Passionate Pilgrim« – »Der Verliebte Pilger«) und deklamiert es für sie auf der Terrasse des Hotels in Tel Aviv, in dem das Filmteam wohnt:
Lieb Röslein, vor der Zeit gepflückt, zu bald erblichen,
Gepflückt als zarte Knosp, im Lenz erblichen, ach
Des Ostens Perle du, vom Moder früh beschlichen
O Kleinod, das so schnell des Todes Stachel stach,
Wie grüne Pflaumen, die in Windes Wallen,
Eh sie der Herbst gereift, vom Baume fallen.
Zurück in Deutschland, spielt Romy Schneider wieder mal für ein paar Wochen Frau Meyen, aber eigentlich hat sie sich schon bei den Dreharbeiten zu Die Dinge des Lebens entschlossen, künftig wieder in Paris zu wohnen, wo sie sich heimisch fühlt. Harry Meyen wehrt sich anfangs gegen den Umzug, weil er die Sprache trotz aller Berlitzkurse nicht in den Griff bekommt und weil die bisherigen Aufenthalte in Paris mit ihr für ihn frustrierende Erlebnisse als Anhängsel eines Stars waren. Er weiß, daß er in Paris erst recht auf die Rolle von »Herrn Schneider« festgelegt sein wird, der sich um den »Alltag des Lebens« kümmert, während Madame Karriere macht und das Geld verdient. Man bleibt zunächst in Hamburg. Harry Meyens zweite Staatsoperninszenierung, Der Barbier von Sevilla, wird ein ebenso großer Reinfall wie sein Wagner-Versuch. Daß er, wie es sich Romy Schneider in ihren Verträgen ausbedungen hat, als Synchronregisseur ihrer Filme eingesetzt wird, scheint ihm keine große Karriere. Seine Erfolge am Theater, wo er immer wieder brillante Inszenierungen sogenannter leichter Stücke abliefert, gelten im Kulturtempel Deutschland als gehobener Tingeltangel. Meyens Konsum an Tabletten und Alkohol wächst.
Romy Schneider flieht dankbar zu Dreharbeiten. Nach der Rolle einer Frau aus dem Arbeitermilieu (La Califfa), in der sie wenig glaubhaft zum Klassenkampf in einer norditalienischen Industriestadt aufrufen muß, aber eine Nacktszene hinlegt, die den Verleih zu der abenteuerlichen Formulierung »In ihrer Reinheit unmoralisch und in ihrer Unmoral rein« greifen läßt, dreht sie wieder mit Claude Sautet in Frankreich, und wieder wird es ein großer Erfolg. Michel Piccoli ist ihr Partner in Das Mädchen und der Kommissar, und Romy Schneider spielt die Hure Lilly so überzeugend, daß sogar die gefürchtete Kritikerin Ponkie in der Abendzeitung über die Kunst der Deutschen in dem »brillanten Zwielicht-Kino« ins Schwärmen gerät: »Romy Schneiders Nutte Lilly ist ein Bravourstück schauspielerischer Disziplin: Balanceakt zwischen angetünchter Gossenkühle und verkapptem Gefühl.« Zum erstenmal hat Romy Schneider im Kino eine Hure spielen dürfen, und daß der Film ein so großer Erfolg wird (in Frankreich, nicht in Deutschland) liegt nicht nur an der spannenden Thrillergeschichte. Was schon Visconti an ihr gereizt hat, diese unter der Bürgerlichkeit versteckte Schamlosigkeit, die kein Tabu kennt, wird von den Franzosen begriffen. Madame Schneider gehört zu ihnen, und damit gehört sie ihnen auch. Vier Filme hat sie in diesem Jahr 1970 gedreht, ein fünfter für Anfang 1971 ist schon festgelegt, wiederum mit Alain Delon als Partner. Joseph Loseys Die Ermordung Trotzkis wird dann in Deutschland unter dem Titel Das Mädchen und der Mörder – Die Ermordung Trotzkis laufen. Romy Schneider bereitet sich auf die Rolle vor, indem sie alles liest, was über Trotzki geschrieben wurde, und ist ganz enttäuscht, als Losey ihr vor Beginn der Dreharbeiten in Mexiko erklärt: »Vergiß es. Wir machen keinen Dokumentarfilm, wir haben ein eigenes Skript.«
Daß sie nicht nur wegen der dauernden Anspannung, stets vor der Kamera präsent sein zu müssen, immer mehr trinkt, allerdings keinen einzigen frühen Drehtermin versäumt, daß sie angewiesen ist auf kleine Tabletten, die sie jeden Morgen schluckt, wissen nur die wenigen Menschen, denen sie Nähe erlaubt. Längst nämlich täuschen die rührenden Fotos von der heimkehrenden Romy Schneider, die von ihrem Sohn und ihrem Mann am Flughafen abgeholt wird, nur noch die Journalisten und ihre Leser. Die wahren Szenen dieser Ehe finden im Verborgenen statt, und Romy Schneider ist verzweifelt, weil sie immer mehr spürt, daß es zu Ende geht. Es gibt halt nicht, wie in ihren Filmen, ein Drehbuch, an das man sich klammern kann, und keine Einstellung ist wiederholbar. Aber sie will auch »keine fette deutsche Hausfrau werden«, also zu Hause bleiben. Sie will dahin, wo allen Beteuerungen zum Trotz das für sie wahre Leben stattfindet, vor die Kamera.
Sie ist zweiunddreißig Jahre alt und macht den letzten Schritt zur Emanzipation vom alten Sissi-Image, als sie 1971 bei den Filmfestspielen in Cannes, wo Viscontis Tod in Venedig gezeigt wird, ihrem verehrten, geliebten Lehrer zusagt, die Rolle der Kaiserin Elisabeth in seiner Ludwig II.-Verfilmung zu übernehmen. Die Dreharbeiten sollen im Januar 1972 beginnen, und sie freut sich darauf, weil sie endlich die wahre Sissi spielen darf, eine Art Revolutionärin in einer an der höfischen Etikette erstarrten Gesellschaft. Die Sissi nämlich, die das langweilige Hofleben schon lange satt hat und sich blendend versteht mit einem anderen Außenseiter, dem versponnenen, homophilen Märchenkönig von Bayern. Elisabeth kann sie verstehen, ihr fühlt sie sich verwandt, denn »auch ich habe mich als Frau befreit, schon lange, bevor die Befreiung der Frau zum Thema wurde.« Viel wichtiger als die Emanzipation auf der Leinwand ist deshalb die politische Emanzipation von Romy Schneider, die in Deutschland wieder mal Schlagzeilen macht. Zusammen mit vielen anderen prominenten Frauen bekennt sie in der Illustrierten stern, daß auch sie abgetrieben hat, und fordert mit ihrer Unterschrift die Abschaffung des Paragraphen 218. Sogar bei einer Demonstration auf der Straße will sie mitmachen, aber ihr Mann, der die Veröffentlichung im Sommer 1971 geschmacklos findet und negative Auswirkungen auf ihre Karriere befürchtet, verhindert ihre Teilnahme. Später wird Harry Meyen seinen Anspruch auf das halbe Vermögen von Romy Schneider auch damit begründen, daß er seine Hälfte sauer damit verdient habe, Ordnung in das Chaos zu bringen, in dem seine Frau zu leben gewohnt war, und daß er sie immer wieder davon abgehalten habe, Dummheiten zu begehen, Verträge zu brechen, wichtige Leute zu beleidigen.
Romy Schneider entwickelt nicht nur ein neues Image, sie gibt sich auch ein anderes Erscheinungsbild. Ihr langes mädchenhaftes Haar – Sissis Locken waren immer eine Perücke, die ihr Kopfschmerzen bereitete – weicht einem frechen Pagenkopf. Sie ist weit weg von Deutschland, in Mexiko, wo der Trotzki-Film gedreht wird, und bleibt dort vom Ansturm der Journalisten verschont, obwohl sie wieder einmal die Geliebte ihres Ex-Geliebten Alain Delon zu spielen hat. In Deutschland sorgen die Bombenanschläge der Baader-Meinhof-Terroristen für Aufregung. Die sozialliberale Koalition in Bonn wankt, aber fallt nicht, von Böll erscheint ein neuer Roman, Gruppenbild mit Dame, dessen Hauptfigur Leni ein paar Jahre später Romy Schneider verkörpern wird, und in Berlin macht ein Schauspieler in einer Peter-Stein-Inszenierung als Peer Gynt Furore, der Mann heißt Bruno Ganz.
Die Aufzeichnung des Theaterabends aus der Schaubühne läuft Monate später am ersten Weihnachtstag im Fernsehen. Hildegard Knef beschreibt in ihren Erinnerungen diesen Abend als Psychodrama zwischen zwei Ehepartnern, die sich nichts mehr zu sagen haben: Weil ihr Fernsehapparat kaputt war, hatte sich Romy Schneider kurzerhand bei Hildegard Knef eingeladen, den ganzen Abend über saß sie, schwarzer Hosenanzug, ungeschminkt, auf dem Boden vor dem Bildschirm, kroch förmlich in ihn hinein, wenn Großaufnahmen von Bruno Ganz kamen, trank den Wein automatisch wie Wasser und sprach kein Wort mit Harry, der still und stumm seinen Whisky in sich hineinschüttete.
Nur Magda Schneider, mit der Romy gelegentlich telefoniert und der sie manchmal noch Briefe schreibt, verbreitet in bunten Blättern großmamaselige Zitate über das glückliche Familienleben ihrer berühmten Tochter. Sie redet gern und viel, nach Romy Schneiders Meinung zuviel. Immer wieder, auch und besonders in den folgenden Jahren, kommt es zu lautstarken Auseinandersetzungen, wenn die Tochter staunend und wütend erfahren muß, was Magda Schneider angeblich mit ihr alles erlebt hat. Kräche mit Zeitverzögerung, denn Romy Schneider liest während der Dreharbeiten nichts und erst nach Rückkehr die vom Argus-Dienst gesammelten Artikel, in denen sie erwähnt wurde. Was nicht nur erklärt, daß über Romy Schneider soviel Undementiertes in den Archiven steht und immer wieder verbreitet wird, denn allein für die wöchentlichen Gegendarstellungen wäre ein Anwalt vollauf beschäftigt gewesen, sondern auch ihren fast pathologischen Haß auf Journalisten. Zu den wenigen, die ihr Vertrauen nicht mißbraucht haben, dem Filmkritiker Alfred Nemeczek etwa, bewahrt sie eine rührende Anhänglichkeit; ihm schreibt sie einen Brief, in dem sie mehr von sich preisgibt als in vielen sogenannten Interviews: »Ich bin wohl recht unlebbar für mich selbst, schon gar für andere« oder »Das Nicht-Leichte wird für mich immer reizvoll sein, und fast alles aus sich selbst herauszuholen ist etwas, was mich vielleicht mein Leben lang beschäftigen wird« und »Ich brauche Hilfe, so wie alle anderen ernsthaften Schauspieler sie auch brauchen – ich will nicht mehr so allein gelassen werden.« Als Absender dieses Briefes übrigens, den sie nach einem Nemeczek-Besuch im Dezember 1976 bei den Dreharbeiten zu Gruppenbild mit Dame schrieb, hat die in manchen Momenten auch selbstironische Romy Schneider eine »Frau Schmulblick« angegeben. Ein Name, den ihr Harry Meyen mal am Anfang ihrer Ehe gegeben hat, als sie ihn schmollend aus der Ecke heraus anschaute.
Die Dreharbeiten zu Ludwig II. beginnen im Januar 1972 im österreichischen Bad Ischl, wo einst »Sissi« laut Marischka ihren Kaiser Franz Joseph kennenlernte. Der Film wird auf englisch gedreht, als Synchronregisseur hat Romy Schneider ihren Mann durchgesetzt. »Luca« will die Geschichte des bayerischen Märchenkönigs und seiner Cousine Elisabeth zwar möglichst wahrhaftig erzählen, doch »man darf die Dokumentation nicht übertreiben, sonst erschlägt sie die Phantasie«. Fast vier Stunden lang wird Romy jeden Morgen vor Beginn der Aufnahmen geschminkt und in das teure Kostüm gezwängt, das ihre Rolle vorschreibt. Wenn sie nachts um eins stundenlang auf einem Pferd verharren muß, ist ihr sogar der geliebte »Luca« nur noch ein böser Tyrann. Einmal zerreißt er einen Mantel aus Kaninchenfell, man trägt Zobel, alles andere ist Dreck. Nach einem heftigen Streit mit ihm läßt sie sich drei Tage bei den Dreharbeiten nicht sehen und vergräbt sich im Hotel. Visconti hört Callas und ist ebenfalls für keinen zu sprechen. Endlich, am dritten Tag, macht sie den ersten Schritt und bittet Visconti um Verzeihung für ihren Ausbruch. Die Agenten, die hinter den Kulissen verhandelt und gestritten hatten – sogar Harry Meyen wurde gefragt, ob er nicht irgendeinen Einfluß habe auf seine Frau –, atmen auf. Visconti geht in die Hofbäckerei und läßt für seine geliebte Romina eine Torte backen. Er übergibt sie ihr selbst. Die Dreharbeiten sind gerettet.
Die Fotos des Standfotografen von Kaiserin Elisabeth zeigen eine wunderschöne Frau voller Selbstbewußtsein, von »Sissi« nicht einmal mehr ein Hauch. In ihrer letzten Wohnung in Paris hängt eines dieser Fotos neben vielen privaten Porträtaufnahmen als einziges Filmbild an der Wand.
Romy Schneiders Partner als König Ludwig ist der österreichische Schauspieler Helmut Berger, von ihr auch gern scherzhaft »La Berger« genannt. Er ist ein enger Freund Viscontis. Während der Dreharbeiten geht er immer erst dann in die Diskothek, wenn Visconti eingeschlafen ist, so sehr furchtet er dessen Eifersucht. Romy Schneider und Helmut Berger sind sich ähnlich in ihrer exzessiven Art zu leben, jeder weiß um die Gefährdung des anderen und verdrängt dabei die eigene. Noch Jahre später flüchtet sich Berger zu Romy Schneider, wenn er wieder mal das Gefühl hat, zugrunde zu gehen. Und sie, fast wie eine Mutter, schafft es als einzige, ihn zu trösten, läßt ihn manchmal neben sich im Bett schlafen, um ihn zu beruhigen, weil sie weiß, daß er nichts von ihr will. Als in Bad Ischl gedreht wird, ist es noch umgekehrt, da hört sich Berger die strindbergschen Geschichten von Romy Schneiders kaputter Ehe an, da ist er es, der sie mit einer Holzfigur aufheitert, die er in der Hotelhalle gefunden hat und die er ihr als bester »Schmäh-Schauspielerin« aller Zeiten feierlich übergibt. Da ist er es, der nachts neben ihrem Hotelbett sitzt und sie behütet, bis sie, mit Hilfe von Alkohol und Tabletten, in einen bleiernen Schlaf sinkt.
Von der Zerrissenheit hinter der Kamera, die nur dann schwindet, wenn David mit seinem Kindermädchen die berühmte Mama besuchen darf, ist im Film nichts zu merken. Romy Schneider, die Perfektionistin, die nie eine Schauspielschule durchgestanden hat, ist für Visconti die Elisabeth, die er sich vorgestellt hat: »Romina, du bist wundervoll.« Der Film wird vom deutschen Verleih rigoros geschnitten und erst Ende der siebziger Jahre in seiner gesamten Länge in der Bundesrepublik gezeigt. Aber auch der »Verschnitt« begeistert nach der Premiere die Kritiker, vor allem die »schauspielerische Bravour und Souveränität« Romy Schneiders wird in der Süddeutschen Zeitung gelobt: »Wenn sie hysterisch auflacht oder sich in ihrem Gesicht Bitterkeit und Lust zu einer fröhlichen Bosheit paaren, dann bricht der Film regelrecht auf, dann öffnet sich etwas, was zugleich Passion und Professionalität, Können und Individualität ist, sichtbar, erfahrbar, durchschaubar… Ein Sieg Romy Schneiders, der nicht genug bewundert werden kann.«
Als der Film bei den Filmfestspielen in Venedig aufgeführt wird, liefert sie sich mit Harry Meyen bereits einen erbitterten Krieg um das, wonach man den Wert einer Ehe noch bemessen kann, wenn sie zerbrochen ist: Lampen, Teppiche, Möbel, Wertpapiere, Bargeld. Sie hat sich anfangs willig in München zu einem Notar schleppen lassen und in ihrer lebensfremden Unschuld erst einmal unterschrieben, was Harry vorgeschlagen hatte. Unser Sohn soll doch abgesichert sein, wenn uns mal was passiert. Vordergründiger Anlaß für die juristischen Maßnahmen, von denen Romy Schneider nichts versteht, ist der Flugzeugabsturz eines gemeinsamen Bekannten, der seine Familie ohne irgendwelche testamentarischen Bestimmungen hinterlassen hatte. Meyen findet in Rolf Bossi einen Anwalt in München, der auch als Verteidiger von Gangstern keine Schlagzeile scheut. Ein Erbschaftsvertrag wird aufgesetzt, in dem allerdings Romy Schneider nicht jene Klausel entdeckt, die besagt, daß im Falle ihres und Harrys Todes für den gemeinsamen Sohn David eigentlich nichts übrig bleibt, der quasi zugunsten einer Stiftung enterbt wird. Der Anwalt Romy Schneiders, fast schon zu spät von ihr eingeschaltet, ficht den Vertrag sofort an und hat auch Erfolg damit.
Unterschrieben hat sie allerdings auch den Passus, das beiderseitige Vermögen sei grundsätzlich als Gesamtgut, das heißt als gemeinschaftliches Vermögen anzusehen. Romy Schneider fühlt sich deswegen hintergangen. Wie sie in einer Klagedrohung, mit der dieser Vertrag vom 7.9.1972 angefochten wird, empört feststellt, sei sie nur davon ausgegangen, daß es sich um ein Testament handele, mit dem die Versorgung des gemeinsamen Kindes David Haubenstock sichergestellt sein sollte. Keinesfalls sei sie bereit, einer Regelung zuzustimmen, nach der jeder im Falle einer Scheidung die Hälfte bekäme. Eine von Verletzungen, Rachegefühlen und Emotionen belastete Auseinandersetzung beginnt. Denn Harry Meyen glaubt, durchaus im Recht zu sein. In einem seiner vielen Briefe schreibt er, sie hätten ja schließlich beide bei Null angefangen, denn »Du bist, bis wir uns begegneten, von allen nur betrogen worden«. Gegenüber dem Anwalt betont er, daß er eigentlich auch ein moralisches Recht auf die Hälfte des Vermögens habe: »Als wir geheiratet haben, haben wir, sagen wir mal, so gut wie kein Vermögen gehabt. Sie stand unter dem Eindruck, mehrere Millionen zu besitzen, die ihr Stiefvater aber verwaltet bzw. durchgebracht hat. Er hat, als ich heiratete und wissen wollte, wieviel Geld sie hat, die Auskunft verweigert und dann angeboten, 10 000 Mark zu überweisen. Ich hatte damals in Berlin meine große Theaterzeit und verdiente pro Abend 1 000 Mark, und hatte viel mehr Geld als sie.« Er vergißt dabei zu erwähnen, daß es Romy Schneider war, die damals von ihrem Geld an Anneliese Römer, Meyens Ehefrau, die geforderten 200 000 Mark für die Zustimmung zur Scheidung überwies. Romy, stellt Meyen fest, habe nie eine Beziehung zu Geld gehabt und sei immer allzu leicht Einflüssen ausgesetzt gewesen. Was sicherlich auch stimmt.
Einer Freundin in Hamburg schreibt Romy Schneider empört, es sei eine »bodenlose Gemeinheit und zu einfach, von mir zu behaupten, ich wäre unberechenbar, ich schmeiße das Geld zum Fenster raus, usw. (eine teure Wohnung und einige Flüge, verdammt noch mal, ich habe es doch verdient)… Ich will die Scheidung, ich will eine ganz und gar freie Person sein, in jeder Beziehung, kein halber Straßenköter. Halbehalbe ist ganz schön hart, aber vielleicht muß ich in diesen sehr sauren Apfel beißen… Ich bin die blödeste und großzügigste Kuh von Europa (ich bin bescheiden und sage nicht, of the world), aber FREI will ich sein. Let’s split all that fucking money – and divorce!«
Bis zu diesem Ziel aber ist es noch ein langer Weg, auf dem man sich gegenseitig nichts schenkt. Wechselseitig werden die Verfügungsgewalten über gemeinsame Konten gesperrt, nachdem Romy Schneider bei einem Besuch in Hamburg feststellen muß, daß sie an ihr eigentliches Konto gar nicht mehr herankommt, weil Harry die Vollmacht für sie hat streichen lassen. Szenen wie aus dem Kino: In einer beim Notar angesetzten Begegnung zwischen den Ehepartnern, bei der es um eine Auflistung der Vermögensverhältnisse geht, ergibt ein zufälliges Telefongespräch, daß Meyen gerade von Hamburg aus eine dreiviertel Million Mark in die Schweiz transferieren lassen wollte. Es wird in letzter Minute verhindert. Bei all den gegenseitigen Vorwürfen – Meyen beauftragt sogar eine Detektei, um das Liebesleben seiner Frau überprüfen zu lassen – gibt es wieder erschütternd hilflose Briefe von ihm an sie, in denen er beteuert, daß »ich nie jemand so geliebt habe wie dich« und daß »für uns beide nichts besseres nachkommt« und daß »es nicht dein Fehler ist, daß du keine Einstellung zum Geld hast«. Dennoch beendet er den Brief voller Wut: »Selbst wenn wir teilen, hast du noch nie soviel Geld gehabt wie heute – aber wer weiß, wer deine Ratgeber in Zukunft sein werden.«
Romy Schneider leidet, obwohl sie längst die Stärkere ist, denn sie liebt ihn nicht mehr. Sie schluckt Tabletten, trinkt zuviel, aber sie spielt. Und es entsteht einer der schönsten Filme ihrer langen Karriere, wieder unter der Regie von Claude Sautet, César und Rosalie. Sie hat eine Rolle, die aus ihrem eigenen Leben stammen könnte, eine Frau, die sich zwischen zwei Männern nicht entscheiden kann, auch nicht entscheiden will und erst einmal lieber beide verläßt. Eine starke Frau.
Aber stark ist Romy Schneider nur im Beruf, sonst eher schwach und labil. Wenn sie keine Filme zu drehen hat, lebt sie zu dieser Zeit schon nach einem Rhythmus, wie er typisch ist für depressive Menschen. Unter dem Einfluß von Schlaftabletten und Alkohol schläft sie bis um zwölf Uhr mittags, frühstückt und erledigt ihre Post, alles noch im Bett, und erst am späten Nachmittag, gegen siebzehn, achtzehn Uhr, kommt sie langsam in Fahrt. Anfangs braucht sie Optalidon nur bei Dreharbeiten oder vor wichtigen Terminen, um ihre Nervosität und Angst zu bekämpfen. In den manchmal langen Pausen zwischen den einzelnen Filmen schluckt sie fast nichts. Später wird der Griff zur Tablette eine automatische Handlung, auch im Privatleben. Nach einem Zusammenbruch in Hamburg, im Haus von Freunden, wird sie in die Universitätsklinik Eppendorf gebracht und erst einmal ruhiggestellt. Dieselbe geschlossene Abteilung wird ein paar Jahr später Endstation für Harry Meyen sein. Die offizielle Diagnose bei Romy Schneider lautet »Kreislaufkollaps« und »Schürfwunden«. Der behandelnde Arzt ist nicht nur diskret, er schickt Romy Schneider auch keine Rechnung, weil er es sich zum »Prinzip gemacht hat, die Vertreter der schönen Künste umsonst gesundzupflegen«. Allerdings stellt er anheim, für die Forschung der Uniklinik etwas zu spenden. Romy Schneider kehrt zurück nach Paris, wo sie sich in Neuilly eine Zweizimmerwohnung genommen hat. Wenn Harry zu Besuch kommt, um seinen Sohn zu sehen, wohnt er bei einem befreundeten Zahnarzt in einem anderen Arrondissement und leidet furchtbar unter der Einsamkeit in einer Stadt, deren Sprache ihm immer noch fremd ist.
Romy Schneider fährt von Paris aus mit einer Freundin für ein paar Wochen nach Senegal. Es sind für lange Zeit die letzten Ferien, denn in dem Jahr, in dem die emotionale Trennung von Harry Meyen auch in eine juristische Form gegossen wird, dreht sie mit Jean-Louis Trintignant Le Train – Nur ein Hauch von Glück, dann unter der Regie ihres alten Freundes Jean-Claude Brialy die Sommerliebelei und anschließend mit Michel Deville Das wilde Schaf. Die Produktion von Trio Infernal ist erst für 1974 geplant, beginnt aber auch schon Ende des Jahres 1973. Sie beklagt sich nicht über den Streß, denn der Film wird angesichts ihres chaotischen Privatlebens, in dem sie Affären hat, aber nicht immer mit denen, die in den Zeitungen als ihre Liebhaber aufgelistet werden, zum wahren Leben, wo sie zumindest eine feste Ordnung von Drehterminen einhalten, Rollen lernen und präsent sein muß.
Irgendwann in diesem Jahr – sie kann sich später nicht mehr erinnern, wann es genau war – läßt sie für ein paar Tage alles hinter sich, flüchtet nicht wie sonst in das Haus ihrer verkorksten Kindheit oder in die Arme einer Geliebten in Hamburg, sondern taucht in Berlin unter. Freunde dort vermuten sie in Paris und machen sich keine Sorgen, Freunde in Paris vermuten sie in Hamburg in der Wohnung in der Agnesstraße und machen sich auch keine Sorgen. Sie sind es gewohnt, daß sich Romy oft monatelang nicht meldet und dann plötzlich in der Nacht anruft und plaudert, als habe man sich gestern zuletzt gesehen. Sie lebt in Berlin in einer Wohngemeinschaft bei Studenten, die keine Ahnung haben, wer die Frau ist, die sie aufgenommen haben. Ein Taxifahrer, auch Student, hat sie eines Morgens mitgebracht vom Bahnhof. Ihm hat sie erzählt, daß sie als Haushälterin in Paris lebt, gerade ihre Stellung verloren hat und sich nun einen neuen Job suchen will. Bis sie etwas anderes findet, bietet er ihr an, könne sie gerne in der WG bleiben. Romy Schneider macht sogar Küchendienst, was sie immer gehaßt hat, und beteiligt sich an politischen Diskussionen. Nach ein paar Tagen verschwindet sie wieder. Ihre Mitbewohner haben nie erfahren, wer die Frau war, die bei ihnen gelebt hat.
Die Schlagzeilen und Artikel, die sich mit Romy Schneider beschäftigen, haben nicht nur mit Geld zu tun oder mit ihren neuesten Filmen, sondern auch mit sogenannten Skandalen. Sie hat sich in den verheirateten Schauspieler Bruno Ganz verliebt, den sie an der Schaubühne kennengelernt hatte. Mit ihm erfährt sie eine Welt, die so ganz anders ist als ihr bügerlicher, teurer Staralltag: Theater, Kneipen, politische Diskussionen, Ensemble als Familie mit gleichen Rechten für alle. Solange es noch die Hamburger Wohnung gibt, leben sie dort kurzfristig zusammen, als Harry Meyen in Berlin inszeniert. Die Liebe zwischen den beiden wird getragen auch vom Reiz des Verbotenen, des Verborgenen. Ihren Freundinnen berichtet Romy Schneider fest entschlossen, nie wieder Chanel tragen zu wollen oder St. Laurent, nur noch einfache Kleidung, keine großen Schminkereien mehr, auch Champagner müsse nicht sein (ein billiges Halstuch aus dieser Zeit, ein Geschenk, besitzt sie bis zu ihrem Tod). Das wahre Leben sei halt doch das einfache Leben, Bruno Ganz der richtige Mann dafür. Romy Schneider und Bruno Ganz erleben eine große Liebe, wie es sie nur selten gibt im Leben. Auch in der Sprachlosigkeit ihrer Gefühle sind sie sich nahe wie Kinder, die sich an die Hand genommen haben. Was davon nach außen dringt, wird allerdings in Schlagzeilen gegossen.
Einmal werden beide im Berliner Hotel am Steinplatz in einen peinlichen Vorfall verwickelt, der von der Boulevardpresse genüßlich auf Seite eins abgehandelt wird. Der Nachtportier des Hotels hatte sich geweigert, Bruno Ganz morgens um sechs Uhr zusammen mit Romy Schneider auf deren Zimmer gehen zu lassen: »Bei uns ist Frau Schneider Gast, Sie nicht.« Es kommt zu einer kleinen Rauferei, die Scheibe der Eingangstür im Hotel geht zu Bruch, die Polizei wird gerufen, ein Protokoll verfaßt. Die Rechnung des Glasers in Höhe von DM 58,37 wird ebenso bezahlt wie der Verdienstausfell des Portiers, der seine Verletzungen im Krankenhaus behandeln läßt und für seine Woche Krankenlager 900 Mark bekommt. Die Einlassung von Bruno Ganz, er habe, ausgerechnet morgens um sechs Uhr, Frau Schneider nur eine schwere Plastiktüte voller Einkäufe aufs Zimmer tragen wollen, klingt nicht allzu glaubwürdig. Die Anwälte einigen sich außergerichtlich, um zu vermeiden, daß auch andere Details dieser Romanze, die seit Monaten läuft und guten Freunden kein Geheimnis mehr ist, zum öffentlichen Vergnügen ausgebreitet werden.
Romy Schneider, die sich bei anderen Affären oft gewünscht hat, Harry Meyen möge auf den Tisch hauen und sie zur Rede stellen (»Der schaut immer nur weg und macht seine zynischen Scherze«), hat lange Zeit Angst, ihr Noch-Ehemann könne ihren Lebenswandel benutzen, um neue Forderungen zu stellen. Doch der sitzt in Hamburg, schon gefangen im Teufelskreis von Alkohol und Tabletten, unversöhnlich mit sich und den anderen, verzweifelt über das Ende seiner großen Liebe, aber unfähig zu trauern. Kleine Abenteuer mit anderen Frauen, Blondinen bevorzugt, verstärken nur seine Depressionen. Eine Apotheke mahnt die unbezahlten Rechnungen an für die Medikamente, die er sich wie üblich in Klinikpackungen hat schicken lassen – Migrexa, Optalidon spezial und Staurodorm.
Die Aufstellung des Vermögens für den Trennungsvertrag dauert lange, sogar um den Wert einer Schrankwand in der Hamburger Wohnung wird diskutiert. Schließlich ergibt sich eine Gesamtsumme von 2 822 569 Mark, die bei einer Scheidung geteilt werden muß. Festgelegt wird auch, daß die Honorare für die Filme, die sie jetzt dreht, natürlich nicht mehr ins zu teilende Vermögen eingerechnet werden. Harry Meyen hat wieder einen Regieauftrag in Berlin, Romy Schneider ist mit David und Kindermädchen erst einmal nach Paris gezogen. Die gemeinsame Wohnung in Hamburg wird ohne die beiden aufgelöst. Sie haben nur ein paar persönliche Sachen erbeten. Die von Romy Schneider werden an die Adresse von Jean-Claude Brialy geschickt und dort vorerst gelagert, bis sie eine neue Wohnung findet, der Rest wird auf einer Auktion versteigert und die Summe dann geteilt. Harry Meyen bekommt Mitspracherecht bei der Erziehung des gemeinsamen Sohnes, der bei der Mutter lebt. »Er soll, wenn er das mögliche Alter erreicht hat, in ein deutschsprachiges Internat kommen. Und zwar nicht als Sohn eines Filmstars in eine Nobelherberge, sondern als David Haubenstock in ein spartanisches, wo er lernen muß, sich in eine Gemeinschaft einzufügen«, notiert Davids Vater. Weil Romy Schneider angeblich alle Bücher nach Paris mitgenommen hat, schickt er ihr eine Rechnung, knapp 3000 Mark, die sie bezahlen soll, weil er sich viele Bücher neu kaufen mußte.
In München treffen sich die noch Verheirateten am 4. Juni 1973, um den ausgehandelten Ehevertrag zu unterschreiben. Man trennt sich, einander und der Welt versichernd, daß dies noch keine Festlegung auf eine Scheidung bedeutet (die findet offiziell erst zwei Jahre später, im Sommer 1975 statt). Die Bild-Zeitung meldet schon am nächsten Tag, daß Romy Schneider ihren Mann mit 1,4 Millionen Mark abgefunden hat; alle am Vertrag Beteiligten beteuern, nicht der Informant gewesen zu sein. Was ganz sicher zutrifft für Romy Schneider, ganz sicher für Harry Meyen und ganz sicher für den Anwalt von Romy Schneider. Nach fast zwanzig Jahren im Filmgeschäft, nach vierzig Filmen, in denen sie meist die Hauptrolle spielte, sind Romy Schneider von ihren Gagen 1,4 Millionen Mark geblieben.
Nachdem beide beim Notar die Vereinbarungen zur Trennung unterschrieben haben, geben sie der Berliner Journalistin (und Romy-Schneider-Freundin) Christiane Höllger gemeinsam ein Interview. Beide dürfen nach Abschrift des Tonbandes streichen und verbessern; Bedingung ist, daß es unverändert gedruckt wird. Nach der ersten Frage, warum Romy Schneider die Ehe verlassen hat, wird das Gespräch zu einem Dialog der Ehepartner.
Romy: »Es war Zeit, wir waren völlig in der Sackgasse, in einem Trott, aus dem wir nicht mehr herauskamen. Wir haben es uns zu bequem gemacht. Ich meine, wir haben nicht über uns selbst nachgedacht. Harry, wenn du ehrlich bist, war es ein bequemes, äußerliches Leben. Wie die meisten sind wir faul geworden, nach den ersten zwei Jahren haben wir uns keine Mühe mehr gegeben. Abends gab’s zuviel Kartoffelsalat und Fernsehen. Wir haben uns zum Beispiel nie Gedanken gemacht über meine Person, über meine Vergangenheit, woher ich komme. Das hat sich später gerächt. Ich gab dir allerdings auch keine Chance zu fragen, weil ich meine Vergangenheit einfach mit sehr vielen Tricks leergefegt habe Außerhalb meines Berufs hatte ich nie Interessen, und wenn, nur oberflächliche… Dieser Beruf ist für jemand wie mich gefährlich, voll äußerlicher Reize, man gaukelt schnell auf eingebildeten Höhen herum, läuft vor sich weg und verlernt, in sich zu ruhen.«
Meyen: »Ich finde, an Fernsehen und Kartoffelsalat kann man nicht alles aufhängen. Das fandest du doch mal sehr gemütlich.«
Romy: »Eine Weile war ich damit sogar glücklich. Aber im Laufe der Jahre müssen einfach neue gemeinsame Sachen dazu kommen… Du hast dich doch zu sehr um mich gekümmert und dich zu wenig mit dir beschäftigt, und ich habe das zugelassen.«
Meyen: »Das läßt sich hinterher leicht sagen, das war falsch. Wenn man mit einem Menschen zusammenlebt und den liebt, dann reagiert man oft instinktiv auf das, was man braucht. Und so war das bei mir, ich habe mir einfach gesagt, ich muß das tun und das tun…«
Am Abend dieses 4. Juni 1973 sitzt Romy Schneider mit ihrer Freundin in der Bar des Hotels Bayerischer Hof in München und weint sich so laut ihren Kummer von der Seele, daß die Kellner diskret wegschauen.
Zwei Wochen später zieht sie nach Paris und kauft sich dort nach einem Zwischenspiel in einer von Claude Sautet besorgten Mietwohnung ein kleines Haus im feinen 16. Arrondissement. Selbstbewußt lebt sie ihre neue Freiheit, will nichts mehr verbergen und keine Rücksichten mehr nehmen. Äußeres Zeichen: Der Fotograf Emil Perauer darf sie in St. Tropez nackt fotografieren, sie ist stolz auf ihren Körper. Sogar um ihre Finanzen will sie sich endlich kümmern und beantragt aus steuerlichen Gründen Wohnrecht in der Schweiz. Das soll der Züricher Anwalt Henrik Kaestlin vermitteln, von dem »ich viel Gutes gehört habe, unter anderem betreut er Lilli Palmer und Curd Jürgens«. Die von Kaestlin gegründete Firma Cinecustodia in Chur verspricht gegen eine Provision von neun Prozent der überwiesenen Summe, die Einnahmen ihrer Klienten steuergünstig anzulegen. Zwischen 1974 und 1980 werden fast sechs Millionen französische Francs – genau 5 964 000 – von den Gagen Romy Schneiders auf das Konto der Cinecustodia eingezahlt. Gleichzeitig hat sie nach der Trennung von Harry Meyen bis zu ihrem Tod über zehn Millionen französische Francs auf ihr eigenes Konto überwiesen bekommen. Zwar hatte Romy Schneider nie eine Beziehung zu Geld, keine Ahnung von den Möglichkeiten, Steuern zu sparen oder ihre Gagen krisensicher anzulegen, zwar hat sie immer großzügig, auch und besonders für andere, Geld ausgegeben, ohne auf die Summe zu achten. Aber selbst bei den hohen Ausgaben für sich und ihren Haushalt, für Kindermädchen, Sekretäre, Anwälte, Geschenke – ist es wirklich glaubhaft, daß sie in zehn Jahren mehr als sechzehn Millionen Francs verbraucht hat, ganz ohne freundliche Mithilfe einiger Herren, die heute darauf hoffen, daß man die Tote ruhen läßt? Harry Meyen übrigens hat das Geld nie angerührt, das er nach der Scheidung bekommen hat. Er hat es zugunsten von David angelegt. Als er sich umbrachte, war sein Sohn Alleinerbe, denn Romy Schneider hatte auf ihren Anteil verzichtet.