»Wo ist unsere Mordtasche?«, fragte Lene.
»Hinter der Tür«, sagte Bjarne. »Fährst du zu Brandts Haus?«
»Habe ich eine andere Wahl? Hey … Was ist das?«
Lene zeigte auf einen großen Aluminiumkoffer unter Bjarnes Tisch.
»Nichts Besonderes.«
»Was ist das? Sag schon.«
»Das hab ich über unser Technikkonto eingekauft. Supplement.«
Lene sah ihn skeptisch an.
»Haben wir ein Technikkonto? Und Supplement von was?«
Bjarne breitete die Arme in einer Geste aus, die ihre Computer und die exotische Elektronik auf den Tischen und in den Regalen einschloss.
»Was glaubst du, wer all das hier finanziert?«
»Keine Ahnung. Ich dachte immer, du.«
»Bist du wahnsinnig? Ich bin Angestellter bei der Polizei! Du musst übrigens noch die Belege unterschreiben. Die Buchhaltung sitzt mir im Nacken.«
Bjarne hob den Koffer mit Mühe auf den Tisch, öffnete den Deckel und sah dabei aus wie ein Vater, der sein erstgeborenes Kind vorzeigt .
Der Koffer war dicht bepackt mit nicht identifizierbaren, glänzend weißen Gegenständen.
»Das ist die neueste Generation einer Kameradrohne, eine DJI Phantom 4 K Video, Flugzeit bis zu achtundzwanzig Minuten … was im Vergleich zu früheren Drohnen unerhört lang ist. Sie schwebt so lange auf einem Punkt, bis du ihr etwas anderes vorgibst. Es gibt zwei Schaltpulte, sodass eine Person die Kamera und eine andere die Drohne bedienen kann. Hollywood benutzt sie für die Luftaufnahmen in allen großen Spielfilmen.«
Er streichelte über etwas, das in Lenes Augen wie ein Straußenei aussah.
»Fantastisch. Und wozu brauchen wir das?«
»Das ist das Neueste vom Neuesten im Bereich Überwachung«, sagte er bedeutungsvoll. »Damit braucht man keine Fahrzeuge mehr, keine Überwachungsteams oder wechselnde Tarnung. Sie ist mehr oder weniger geräuschlos und kann in zweihundert Metern Höhe über einem Verdächtigen schweben, ohne von irgendwem bemerkt zu werden.«
Lene war noch nicht überzeugt.
»Und was kostet das Wunder?«
Bjarne zögerte. Fummelte an dem Koffer herum.
»Bjarne?«
»Ich hab Rabatt bekommen. Kenne den Händler. Achtunddreißigtausend mit extra Batterien und Ladestation.«
Lenes Mund stand offen, bis sie es bemerkte und ihn schloss.
»Bist du völlig übergeschnappt? Nein, nein, nein, Bjarne! Das kommt überhaupt nicht infrage. Charlotte Falster bringt mich um, wenn sie von dem Monstrum hört. Du musst es zurückgeben, hörst du?«
Der Schatten eines Lächelns glitt über Bjarnes Gesicht.
»Sie weiß es schon.«
Lene hörte nicht zu und fuhr mit ihrem Monolog fort.
»Hol das Geld zurück. Jede einzelne Krone. Das kann ich nicht unterschreiben … Sorry, was hast du gesagt?«
Bjarne grinste schamlos.
»Sie weiß es bereits, Lene. Es war sozusagen ihre eigene Idee. Sie hat einen Artikel über die London Metropolitan Police gelesen, die seit den Terrorangriffen im letzten Jahr im großen Stil Drohnen einsetzt. Sie meinte, wir müssten unbedingt mit der Zeit gehen. Vor zwei Tagen hat sie ihren Jungfernflug gemacht. Das lief richtig gut.«
»Und wen habt ihr überwacht, wenn ich fragen darf?«
Bjarne schob seinen Unterkiefer über das Doppelkinn.
»Ich kann keine Einzelheiten über die Untersuchung preisgeben, die in irgendeiner Weise eine Vorgesetzte belasten könnte …«
Lene nickte, zog in einer fließenden Bewegung ihre H&K 9-mm-Pistole, lud sie durch und entsicherte sie. Dann richtete sie die Mündung auf das elektronische Herz der Drohne.
»Ich zähle bis drei! Eins … zwei …«
Bjarne schob schützend die Hände über die Drohne.
»Charlotte Falsters Mann, Jarl. Der Staatssekretär, verdammt! Sie hat geglaubt, dass er sie betrügt.«
Lene sicherte die Pistole. Eifersucht? Charlotte? Sie lächelte milde.
»Charlotte Falster, unsere edle Polizeidirektorin, nutzt die Ressourcen der Polizei zur Observierung ihres Ehemannes? «
»So könnte man es möglicherweise ausdrücken«, sagte Bjarne zerknirscht.
»Das glaube ich sehr wohl, dass man das kann. Und, betrügt er sie? Mit einer jungen, üppigen, ihn anhimmelnden und aufstrebenden Juristin aus dem Ministerium?«
»Überhaupt nicht. Wie sich gezeigt hat, trifft er sich neuerdings in der Nørregade mit ein paar alten Studienkollegen zum Pétanquespielen. Ein Glas Rotwein, Pistazien, zotige Geschichten und ein wenig Ruhe vor Ehefrauen und Kindern … nehme ich mal an.«
Lene schob die Pistole zurück ins Halfter.
»Kann ich gut verstehen«, sagte sie. »Sind da auch Frauen willkommen?«
»Ich glaube schon.«
»Gib mir bei Gelegenheit die genaue Adresse. Haben wir GPS-Tracker?«
Bjarne zeigte auf ein Regalfach.
»Da. Für Michael?«
»Für wen sonst.«