Michael kämpfte auf der Rückbank
von Lenes Avensis um eine bequeme Position für sein gequetschtes Bein.
Lene sah ihn im Rückspiegel an.
»Und was jetzt? War sie
das eigentlich? Die, in deren Liga ich nicht spiele, aber du?«
Michael schnitt eine Grimasse.
»Da war ich vielleicht etwas voreilig, tut mir leid. Und ja, das war sie, eine echte Teufelin. Lebensgefährlich. Kalt wie der Arsch eines Brunnengräbers.«
Er griff einen flüchtigen Gedanken auf.
»Hör mal … da im Fælledpark … Eure Drohne …«
»Sprich besser nicht von der Drohne. Wir müssen Bjarne schonen. Er hat sie geliebt.«
»Okay. Aber woher wusstest du, dass Thomas Schmidt in diesem Kastenwagen unterwegs ist?«
»Natürlich!«
Lene schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Der Schlag pflanzte sich auf unerklärliche Weise bis in Michaels verletztes Bein fort.
»Ganz ruhig«, murmelte er.
»Frank Lindens Witwe … Kruzifix, bin ich dumm. Der Wagen stand vor Vedersølund. Natürlich weiß Anna Linden Bescheid.
«
Sie nahm ihr Handy und tippte eine Nummer ein.
Michael wechselte einen Blick mit Bjarne. Die alte Lene war zurück. Und offensichtlich in Topform.
Der Anruf wurde von der Hausdame entgegengenommen.
»Beatrice? Lene Jensen hier, von der Reichspolizei. Ich war gestern bei Ihnen. Könnte ich mit Frau Linden sprechen? Es ist sehr wichtig.«
Einen Atemzug lang war es still am anderen Ende der Leitung.
»Ähm, Frau Kriminalhauptkommissarin … das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Frau Linden hat sich zurückgezogen. Sie können sich sicher vorstellen, wie wahnsinnig anstrengend die letzten Tage für sie waren …«
Lene kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
»Der Grund meines Anrufs ist, dass ich es als meine Pflicht ansehe, einen Mord an Thomas Schmidt und allen, die ihn kennen, zu verhindern. Ich bin überzeugt, dass Sie wissen, in welcher Gefahr Sie alle schweben.«
»Augenblick.«
Lene hörte eilige Schritte auf einer Treppe. Gleich darauf war Anna Linden am Apparat.
»Ja?«
»Lene Jensen. Ein Profikiller ist Thomas Schmidt auf den Fersen. Mir ist klar, dass Sie alles über ihn und seine gewaltsame Vergangenheit wissen. Sein Wagen hat gestern in der Nähe von Vedersølund geparkt. Er hatte ein Kind dabei, stimmt das?«
»Das ist doch lachhaft, Kriminalkommissarin Jensen. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie …
«
»Lecken Sie mich am Arsch, Anna! Mein Mann wäre um ein Haar von eben jener Killerin umgebracht worden. Ich weiß alles über Adigrat, das Massaker, Rivaquantel … Also, entweder geben Sie mir auf der Stelle Thomas Schmidts Telefonnummer oder Adresse, oder ich mache Ihnen das Leben so zur Hölle, dass Sie es nicht mehr leben wollen.«
Bjarne und Michael glotzten Lene an. Sie ignorierte ihre Blicke.
Anna Lindens Stimme wurde schneidend wie ein Diamant.
»Es gibt keinen Grund, so mit mir zu …«
»Auf der Stelle!«, sagte Lene mit ihrer autoritärsten und kältesten Stimme. »Er lebt in Schweden, und ich bin in Schweden. Er ist der letzte Augenzeuge des Massakers in Adigrat. Das geht hoffentlich in Ihren Kopf, verdammt noch mal? Und nach ihm sind nur noch Sie übrig. Sie und Ihre anachronistische Haussklavin.«
Michael hatte seine Frau vermutlich noch nie mehr geliebt als in diesem Augenblick.
Sie lauschte konzentriert, nickte ein paar Mal, warf Bjarne das Handy in den Schoß und startete den Wagen.
»Stenskogsvägen 34!«
Bjarnes Suche dauerte nur wenige Sekunden.
»Gib Gas. Vierzehn Kilometer von hier.«
Lene beschleunigte.
Michael stöhnte vor Schmerzen und sah auf seine Armbanduhr. Sara hatte mindestens eine halbe Stunde Vorsprung.
Das war zu viel. Und es wurde dunkel. Zu ihrem Vorteil.