Lene konnte sich nicht erinnern,
wann jemals so viele Menschen auf einmal in der Villa versammelt gewesen waren. Im Ehebett lag ein tapfer lächelnder Thomas Schmidt mit vielen weißen Kissen im Rücken. Ida war eifrig darauf bedacht, alle seine Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen. Lene betrachtete ihre Fürsorge mit hochgezogener Augenbraue. Da war eine völlig untypische Sanftheit bei ihrer normalerweise doch recht derben Schwägerin. Aber Thomas war auch die ideale Besetzung für den gut aussehenden und todesmutigen Helden.
Sein Sohn Iskander saß auf der Bettkante und hielt die Hand seines Vaters fest.
In einer Ecke des Schlafzimmers schloss Skipper zögerlich, aber grundsätzlich positiv eingestellt, Bekanntschaft mit einem großen, pechschwarzen und unnahbaren Kater, der aus einer herrschaftlichen Wohnung mit Ausblick auf die Kuppel der Marmorkirche evakuiert worden war.
Bjarne und Maria waren in ein Gespräch über Kryptologie vertieft und klangen wie zwei Professoren von der TU.
Charlotte Falster nippte an einem Glas Rotwein und schien ausgesprochen angeödet von Lenes detaillierter Berichterstattung
.
»Wie üblich kann ich mich nicht entscheiden, ob du und dein Mann mir mit Absicht das Leben so schwer wie möglich macht … oder ob es sich einfach immer wieder so ergibt?«
»Das ergibt sich einfach so«, versicherte Lene ihr.
Charlotte schien wenig überzeugt, seufzte aber kapitulierend.
»Ihr seid jedenfalls zwei wandelnde Katastrophen. Ich fasse mal zusammen: Die Leiche einer jüngeren Frau unbekannter Herkunft in einem Parkhaus im Zentrum, die schwedische Polizei in Aufruhr, das Außenministerium und Justizministerium auf glühenden Kohlen … Ich könnte so weitermachen.«
Lene hob die Flasche hoch.
»Ich weiß, aber du brauchst nichts mehr zu sagen. Das beruhigt sich auch wieder. Noch ein Schlückchen Château Pétrus 1999? Den hat Michael von einem dankbaren belgischen Klienten bekommen.«
Ohne die Antwort abzuwarten, schenkte sie einen großzügigen Schluck nach.
»Schmeckt er dir?«, fragte Lene.
»Ob er mir schmeckt? Der ist magisch. Apropos, wo ist eigentlich dein Mann?«
Bjarne und Lene wechselten blitzschnelle Blicke, über die sie eine Reihe von Mitteilungen austauschten.
»Ach«, nuschelte Lene unschuldig. »Er klärt irgendwas mit dem Wrack seines Mercedes und den Chancen einer Wiederauferstehung, ist es nicht so, Bjarne?«
»Das hat er auf alle Fälle zu mir gesagt«, sagte Bjarne.