Carpentras, 2. Februar 1936
Ma chère Hannah,
mein Herz blutet. Stell dir vor, der Unterpräfekt hat Josef ausweisen lassen! Josefs Pass ist mit dem Jahresende ungültig geworden, und statt einfach wegzusehen, wie er es bei anderen tut, hat er Josef bei der Präfektur gemeldet, und die Polizei hat ihn letzte Woche in aller Frühe abgeholt. Ich bin zutiefst entsetzt, wie sich der Mann, der sich uns immer als Freund dargestellt hat, Josef gegenüber benommen hat.
Dabei tut er, als täte es ihm leid, beteuert, dass es nicht in seiner Macht gestanden hätte, das zu verhindern, doch ich glaube ihm kein Wort.
Die Buben und ich dürfen wohl bleiben, weil ich ja im Elsass geboren bin und damit als Französin gelte. Trotzdem hätte ich ihn begleiten sollen, schließlich bin ich seine Ehefrau! Aber die Lage ist zu unsicher, und für Joshua und Jakob ist es so besser, zumindest sagen mir das alle.
Nun hoffe und bete ich, dass Josef seine Angelegenheiten schnell regeln und zu uns zurückkehren kann. Jeden Tag warte ich auf den Postboten und hoffe auf Nachricht von ihm, doch bisher vergebens. Nur deine lieben Zeilen kamen gestern an, so antworte ich dir sogleich – in Liebe,
ta sœur Sophie