Einst ein karger Hang, an dem Johann Friedrich Moser seine Wasenmeisterei betrieb, hat sich die Lenzerheide zur florierenden Destination entwickelt, wo Skiweltcuprennen stattfinden oder Roger Federer in seinem Domizil Besuch von Rockstar Gwen Stefani erhält.
Moser-Glocken aus dem 19. Jahrhundert sind inzwischen begehrte Sammlerobjekte, die auf Auktionen zuweilen zu vierstelligen Beträgen gehandelt werden.
Aufgrund ihrer Kenntnisse der Tieranatomie betätigten sich manche Wasenmeister, auch Schinder oder Abdecker genannt, nebenbei als Tierärzte. Das Rezept, das Johann Friedrich Moser im Roman verwendet, stammt aus einem Werk von 1771 mit dem kompakten Titel: «Nachrichters nützliches und aufrichtiges Pferd- oder Roß-Arzneybuch, in welchem die meisten innerlichen Krankheiten und äusserliche Zustände der Rosse auf das deutlichste beschrieben und erklärt werden, samt Beyfügung der dazu gehörigen nöthigsten Arzneymittel, und approbirter Recepte was ein jeder Zustand nöthig haben wird, und mit deutlicher Anweisung versehen, auch wird gelehrt, einige Composita selbsten zu machen, nebst einem Anhang von Rindvieh-Arzneyen und dienlichem Register alles mit Fleiß zusammengetragen und dem Druck übergeben, von einem Scharfrichter Johannes Deigendesch».
Zu den Nachkommen von Johann Friedrich Moser gehört der Schweizer Musiker Stephan Eicher.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Kinder in der Bodenseeregion – vor allem auf den Märkten in Friedrichshafen und Ravensburg – als Kindersklaven angeboten.
In der Datenbank der Schwabenkinder findet sich neben Paul Fidel Parpan auch sein Sohn Franciscus – und ein Mädchen namens Catharina Casaulta, dessen Rückkehrdatum nicht eingetragen ist.
Der Arzt und Psychiater Johann Josef Jörger war der erste Direktor der Klinik Waldhaus in Chur. Seine beiden rassenhygienischen Arbeiten über die Familien «Zero» und «Markus» wurden vom deutschen Springer Verlag (Berlin, Heidelberg) als «Psychiatrische Familiengeschichten» veröffentlicht. Nebst reger Rezeption innerhalb der nationalsozialistischen Eugenik (u. a. von Ernst Rüdin und Robert Ritter) bildeten seine pseudowissenschaftlichen, in literarischem Jargon gehaltenen Beschreibungen die theoretische Grundlage für das «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse».
Jörger ging ausserdem in die Alpinismus-Geschichte ein: 1895 gelang ihm die Erstbesteigung des Zervreilahorn-Mittelgipfels über die Südostwand.
Auguste Forel gilt als einer der Begründer der Schweizer Psychiatrie. Von 1978 bis 1998 zierte er gemeinsam mit drei Ameisen die 1000-Franken-Banknote. Mittlerweile wird er, unter anderem wegen seiner teils eugenisch eingefärbten Schriften, kritisch betrachtet. Eine bronzene Büste von Forel, die in der Eingangshalle der Universität Zürich stand, wurde 2005 entfernt.
Das vom Barmann vorgetragene Menü war das zu Beginn des 20. Jahrhunderts übliche Hochzeitsmenü im Churer Hotel Steinbock. 1906 kostete es 13.50 Franken.
Der Churer Rechtsanwalt Florian Mattli wurde 1920 Präsident der Bündnerischen Kommission für Kinder- und Frauenschutz und forderte erfolglos die Schaffung eines kantonalen Jugendamts. Später heiratete er die Emmentaler Kunstmalerin Clara Roethlisberger, zog nach Langnau und wurde Direktor der Schachtelkäsefabrik Roethlisberger. Er starb 55-jährig an einem Herzinfarkt.
Ulrich Wille junior war 1912 Mitbegründer der halbstaatlichen Schweizer Stiftung Pro Juventute und von Beginn weg bis zu seinem Tod 1959 Präsident der Stiftungskommission sowie Vizepräsident des Stiftungsrats. Er galt als deutschfreundlich und unterhielt zahlreiche Verbindungen zur nationalsozialistischen Spitze. Rudolf Hess war regelmässig zu Gast in der Villa Schönberg, und am 30. August 1923 auch Adolf Hitler. 1939 sah der Generalssohn seine Stunde gekommen: Es gab wieder Krieg, und die Schweiz brauchte wieder einen General. Zu seiner grossen Enttäuschung wurde ihm der Welsche Henri Guisan vorgezogen. Während des Kriegs versuchte er, General Guisan zu stürzen und dessen Platz einzunehmen. Nachdem Guisan ihn 1942 aus der Armee entliess – offiziell aus Altersgründen – bot er sich der SS als Kollaborateur an. Doch auch der Chef des SS-Hauptamts befand ihn für zu alt.
Renée Schwarzenbach, die Schwester von Ulrich Wille junior, mochte es gerne sportlich: Sie war nicht nur eine leidenschaftliche Automobilfahrerin, sondern nahm auch als Springreiterin an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teil. Ihre Tochter Annemarie Schwarzenbach zählt zu den bekanntesten Schweizer Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Diese starb 34-jährig an den Folgen eines Fahrradunfalls im Engadin. Der rechtspopulistische Politiker James Schwarzenbach – bekannt geworden durch die «Schwarzenbach-Initiative» von 1970, mit der er die ausländische Bevölkerung in der Schweiz auf zehn Prozent begrenzen wollte – war ein Neffe von Ulrich und Renée.
1926 gründete die Pro Juventute das «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» mit dem Ziel, die «Vagantität» zu bekämpfen. «Vagantenfamilien» sollten systematisch erfasst und ihre Kinder zu «brauchbaren Gliedern» der Gesellschaft erzogen werden. Der ehemalige Lehrer Alfred Siegfried baute das Projekt auf und leitete es bis 1958. Zwischen 1926 und 1972 entfernte das Hilfswerk 586 Kinder aus ihren Familien, 294 stammten aus dem Kanton Graubünden, 96 allein aus der Gemeinde Obervaz. Die meisten Vormundschaften übernahm Siegfried während seiner Leitung des Hilfswerks selbst, ab 1932 auch jene von Angelina Eugster.
Eine 1972 vom «Beobachter» veröffentlichte Reportage, die das Vorgehen der Pro Juventute anprangerte, führte 1973 zur Auflösung des «Hilfswerks». Alfred Siegfried war drei Wochen vor der Veröffentlichung der Reportage 82-jährig gestorben. Ebenfalls 1972 starben Robert Speich (Angelinas Vormund von 1929 bis 1932) und Maria Ursula Candreia-Eugster.
Die Norwegerin Sonja Henie, 1924 als «Fräulein Hoppla» belächelt, machte sich mit Olympiasiegen in St. Moritz (1928), Lake Placid (1932) und Garmisch-Partenkirchen (1936) sowie zehn Weltmeistertiteln zur erfolgreichsten Eiskunstläuferin aller Zeiten. Nach dem Olympiasieg in Garmisch lud Adolf Hitler sie zum Essen ein.
Engelina und Jacob Eugster sahen Angelina nach ihrer Überführung in die Beobachtungsanstalt nach Wangen bei Olten (1929) nicht wieder. Engelina starb 1935, Jacob 1937.
1929 war Pfarrer Peter Kilchör in seinem Automobil mit einem Lastwagen zusammengestossen. «Eine dichte Nebelschwade, die jede Aussicht verhinderte, war die Hauptursache des Zusammenstosses», heisst es im Rechthaltner Pfarrblatt vom Januar 1930. Dank dem raschen Erscheinen der Ärzte und «dem anhaltenden, inbrünstigen Gebete der lieben Pfarrkinder» entrann er dem Tod, doch seine Gesundheit litt fortan an den Folgen des Unfalls. Während des Dreifaltigkeitsfests 1936 brach er auf der Kanzel zusammen und starb im selben Jahr.
Einer der wenigen, die für die «Kinder der Landstrasse» und deren Familien Partei ergriffen, war der sozialdemokratische Nationalrat Gaudenz Canova. «Was Herr Dr. Siegfried von der Pro Juventute sich schon an unsern Mitbürgern und Mitbürgerinnen versündigt hat, könnte ein Buch füllen. Es ist Zeit, diesem Herrn sein Handwerk zu legen. Das ist nicht mehr Fürsorge, sondern Unterdrückung in Verletzung der Gesetze und der elementaren Menschenrechte», beschwerte er sich etwa bei den Behörden – vergeblich.
Canova gehörte ebenfalls zu jenen, die gegen den Nationalsozialismus in der Schweiz ihre Stimme erhoben. In einer Interpellation verlangte er 1935 vom Bundesrat die Ausweisung des in Davos stationierten Schweizer NSDAP-Landesgruppenleiters Wilhelm Gustloff. Der Bundesrat wies Canovas Anliegen zurück: «Für die Ausweisung Gustloffs oder anderer Nationalisten liegt z. Zt. kein genügender Grund vor.» Seine antifaschistische Eröffnungsrede als Bündner Standespräsident 1940 wurde von der Zensurbehörde unter Verschluss gehalten. Erst 1980 druckte die «Bündner Zeitung» die Rede in vollem Wortlaut ab.
Und schliesslich opponierte Gaudenz Canova auch gegen die Religion. Über den Gotteslästerungsprozess berichteten neben dem «Time Magazine» natürlich auch die einheimischen Tageszeitungen. «Der Bund» schrieb am 8. März 1925: «Dr. Canova hatte die katholische Lehre heruntergemacht und den ‹katholischen Gott› einen Halunken und ein Scheusal genannt. In 3 ½ stündiger Rede verteidigte sich der Angeklagte, indem er zunächst die Möglichkeit bestritt, Gott zu beleidigen, da niemand seine Existenz beweisen könne.»
Das Gericht sprach ihn daraufhin «in einem sehr gut begründeten Urteil» schuldig «der Herabwürdigung einer staatlich anerkannten Religion» und verurteilte ihn zu einer Busse von 200 Franken. Doch Canova scheint in der Angelegenheit auch Sympathisanten gehabt zu haben: «Kaum hatte der Aktuar die letzten Worte verlesen, da drängte sich durch das zahlreich erschienene Publikum ein Unbekannter und setzte aufs Pult des Angeklagten, der als Anwalt sich selbst verteidigte, einen mächtigen Blumenstrauß.»
Der Mord an Wilhelm Gustloff wurde in Nazideutschland propagandistisch ausgeschlachtet. Das deutsche Radio übertrug die Trauerfeier in Davos über alle Sender, bevor der Sarg in einem Sonderzug nach Deutschland gefahren wurde. In sieben Städten hielt der Zug an, damit das Volk und die Behörden am Bahnhof vor dem Toten defilieren konnten. Robert Wagner, der Reichsstatthalter in Baden, bezeichnete die Schweiz als «Mitschuldige an dem verabscheuungswürdigen Verbrechen». Gustloffs Totenreise endete in seiner Geburtsstadt Schwerin. Es gab einen feierlichen Staatsakt, Landestrauer für ganz Deutschland, und Hitler schloss seine Grabrede mit rasender Stimme: «Mein lieber Parteigenosse! Du bist nicht umsonst gefallen!»
Im Auftrag von Propagandaminister Goebbels verfasste der Autor Wolfgang Diewerge zwei Hetzschriften, in denen er Gaudenz Canova für den Mord an Wilhelm Gustloff mitverantwortlich machte.
1937 taufte die Witwe Hedwig Gustloff im Beisein Hitlers ein Kabinen-Fahrgastschiff der Deutschen Arbeitsfront auf den Namen «Wilhelm Gustloff». Am 30. Januar 1945, am 50. Geburtstag des Namensgebers, wurde die «Gustloff» von einem sowjetischen U-Boot versenkt – und mit ihr an die 10 000 Passagiere. Es ist die grösste Schiffskatastrophe aller Zeiten.
David Frankfurter stellte sich nach dem Mord der Polizei. Johann Benedikt Jörger, der Sohn von Johann Josef Jörger und ebenfalls Psychiater, erklärte im psychiatrischen Gutachten, warum Frankfurter die Kraft für den geplanten Selbstmord gefehlt hatte: «Erschöpft, verflogen, aufgebraucht sind die Kräfte u. Energien, die zu einer solchen Tat führen. In ungeheurer Explosion hat sich entladen, was nach Befreiung vom untragbaren Druck rang. Ein zweites Mal kann nicht explodieren, was bereits explodiert ist.» Frankfurter wurde zu 18 Jahren Haft und anschliessender lebenslanger Landesverweisung verurteilt. Am 1. Juni 1945 wurde er freigelassen. «Ich wollte das Gewissen der Welt aufrütteln, aber sie schlief weiter! So blieb es nur eine moralische Geste ohne Folgen», sagte er nach der Haftentlassung. Und die Berner Zeitschrift «Der Aufstieg» schrieb: «Hätte Europa zur rechten Zeit nur ein halbes Dutzend Männer vom Schlage eines David Frankfurter gehabt, das grösste Blutbad der Geschichte wäre uns vielleicht erspart geblieben.»
David Frankfurter wanderte nach Israel aus, schrieb das Buch «Ich tötete einen Nazi» und starb 1982 in Tel Aviv.
Nach der Scheidung von Gion Gisep Candreia zog Maria Ursula Eugster nach Altstätten in den Kanton St. Gallen, wo sie sich mithilfe eines Anwalts weiter auf die Suche nach ihrer Tochter machte. Nach einer kurzen Ehe mit Eduard Neiger aus Meiringen kehrte sie nach Graubünden zurück und heiratete Gion Gisep Candreia erneut. Bis zu ihrem Tod – Maria Ursula starb 1972, Gion Gisep 1984 – lebten sie in Stürvis.
Gleich gegenüber der Wohnung, in der Maria Ursula Eugster in den 1930er-Jahren für eine Weile lebte (Kramgasse 40, Bern), hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Mann gewohnt, der die Sterne ein wenig besser verstand als alle anderen: Albert Einstein hatte an der Kramgasse 49 die Spezielle Relativitätstheorie entwickelt.
1956 stifteten die Geschwister Helene und Robert Bielmann der Pfarrei Rechthalten eine Kirchenglocke, deren Klang noch heute zu jeder Stunde zu vernehmen ist.
Nach der Flucht aus Strassburg versorgte Alfred Siegfried die zuvor im Kloster vom Guten Hirten internierten jungen Frauen kurzerhand im Frauengefängnis der Anstalten Bellechasse in Sugiez, Kanton Freiburg. Am 11. September 1939 wurde Angelina Eugster nach Freiburg geführt, wo Helene und Robert Bielmann sie abholten und zurück nach Rechthalten brachten.
Dort heiratete sie 1945 Alfons Bielmann, einen Neffen zweiten Grades der Geschwister Bielmann. Von 1946 bis 1958 brachte sie zehn Kinder zur Welt: German, Peter, Marius, Ruth, Dorly, Lorenz, Susanne, Gilbert, Madeleine, Armin. 1960 starb Ehemann Alfons. Die Kinder wuchsen daraufhin ohne Vater bei Angelina auf.
Nach Jahren der Trennung kam es zum Wiedersehen mit Maria Ursula und Gion Gisep. Doch das Verhältnis gestaltete sich schwierig. Siegfried war gelungen, was sein «Hilfswerk» stets beabsichtigt hatte: die emotionale Bindung der Tochter zu ihrer Mutter zu brechen. Die Akten im Bundesarchiv in Bern zeigen, wie gezielt Siegfried Mutter und Tochter gegeneinander ausgespielt hat. So sind in den Akten sämtliche Originalbriefe vorhanden, die Angelina und Maria Ursula einander über die Jahre geschrieben hatten. Sie waren beiden nie übermittelt worden.
Angèle, wie sie sich später nannte, kam in ihrem Leben weit herum und reiste etwa nach Los Angeles, London oder West-Berlin – und gelegentlich auch ins Tessin nach Lugano, wo sie vielleicht, ausgeschlossen ist es nicht, an der Uferpromenade einmal ahnungslos ihrem Vater über den Weg lief. Kennengelernt hat sie Emilio Arigoni (Name geändert) nie. Er arbeitete bis zu seiner Pensionierung im Bürgerspital in Lugano und starb dort 1965.
Angèle Bielmann-Eugster lebte bis kurz vor ihrem Tod 2014 in Rechthalten. Ihre letzten Wochen verbrachte sie im Alters- und Pflegeheim in Giffers. Sie wurde 93-jährig.