Prolog

Zoey Parkers Glieder fühlten sich schwer an, als sie versuchte, die Augen zu öffnen. Als diese ihr endlich gehorchten, schreckte sie in die Höhe. Sie befand sich in einem Bett, das sie nicht kannte. Ihr Kleid war zerrissen, ihr Busen entblößt und die Unterhose verschwunden. Panisch blickte sie auf die Laken, suchte nach Zeichen, dass ihre Jungfräulichkeit noch intakt war. Doch weder auf dem Bett noch zwischen ihren Schenkeln entdeckte sie Blut.

Ihr wurde heiß, ihr drehte sich der Magen um, und ihre Haut kribbelte. Um alles loszuwerden, lief sie zum Mülleimer in der Ecke des Zimmers und übergab sich zweimal. Nachdem ihr Magen vollständig leer war, holte sie vorsichtig Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Ein schneller Blick durch den Raum, und sie entdeckte einen Sweater auf einem Berg von Klamotten. Sie warf ihn sich über und war eine Sekunde später durch die Tür verschwunden. Der Geruch nach Bier kroch ihr in die Nase, als sie die Treppe hinunterstieg. Plastikbecher waren verstreut im Gang und auf den Stufen. Überall lagen Menschen, die ihren Rausch von der Studentenverbindungsparty der letzten Nacht ausschliefen.

Sie glaubte nicht, dass sie so viel getrunken hatte. Drei Drinks, soweit sie sich erinnerte. Der Rest … der Rest der Nacht war dunkel.

Als sie es nach draußen geschafft hatte, entschied sie sich zu laufen, statt auf ein Taxi zu warten. Jeder barfüßige Schritt schien sich wie eine Ewigkeit hinzuziehen und die Welt seltsam fern zu sein.

»Miss. Miss.«

Zoey blinzelte und sah eine Frau mit einem freundlichen Gesicht, die zu ihr herangefahren war.

»Sind Sie in Ordnung, Liebes?«, fragte die Frau sanft.

Der Atem stockte ihr, und ihr Körper wollte sich von innen nach außen stülpen, nur um diese schrecklichen Gefühle loszuwerden. »Nein«, flüsterte sie. »Nein, ich glaube nicht.«

Zoey schüttelte den Kopf und riss sich aus ihrer Erinnerung. Auch zwei Tage später fühlte sie sich benommen. Noch immer kribbelte ihre Haut, wenn sie daran dachte, was passiert sein mochte. Sie war sich nicht sicher, ob es Segen oder Fluch war, dass sie keinerlei Erinnerung an diese Nacht besaß. Sie hatte das Gefühl, überhaupt nichts mehr zu wissen. Außer dass sich New York City nicht länger sicher anfühlte. Sie fühlte sich nicht mehr sicher.

Eine warme Brise trug Lachen und Stimmen herbei, während sie unter einem Baum saß und versuchte, an ihrer Arbeit zu schreiben. In nur wenigen Monaten würde sie ihren Abschluss an der New York University in der Tasche haben und sich für ein Studium der Tiermedizin bewerben. Bald würde sich die ganze harte Arbeit auszahlen. Die langen Nächte, in denen sie gebüffelt hatte, und der Verzicht auf soziale Kontakte waren es wert. Sie vermisste ihr Zuhause in Sacramento, Kalifornien, wo ihre Eltern lebten, die immer noch glücklich verheiratet waren. Sobald sie mit dem Studium fertig war, würde sie zu ihrer Familie und zu ihren Highschool-Freunden zurückkehren. Um das Leben zu führen, für das sie so hart arbeitete. Sie versuchte, sich auf diese Zukunft zu konzentrieren und den Schmerz zu vergessen, den sie zwei Nächte zuvor erlitten hatte.

Als ein Schatten über sie glitt, nahm er die Wärme der Sonne mit. Zoey blickte hoch und entdeckte ihre beiden Freundinnen Julie und Ava, die vor ihr standen. Beide besuchten denselben Biologiekurs wie sie. Vom ersten Tag an in ihrem ersten Jahr hier hatten sie sich auf Anhieb gut verstanden. So sehr, dass sie sich irgendwann ein Apartment zusammen gemietet hatten. Während Zoey eher der natürliche Typ war, trugen Julie und Ava immer Make-up und stylten sich die Haare perfekt. Sie beneidete die beiden darum, ebenso wie um ihre aufgeschlossenen Persönlichkeiten. Doch nun sahen die zwei blass aus und hatten glasige Augen. »Was ist los?«, fragte Zoey und stellte ihren Laptop neben sich im Gras ab.

»Es tut mir so leid«, sagte Ava und drückte sich die Hände gegen die Brust.

Plötzlich raste ein Hitzeschwall durch Zoey, und Schweiß rann ihr die Wirbelsäule hinab. »Es tut dir leid wegen was?«, fragte sie, unsicher, ob sie die Antwort hören wollte.

»Du weißt es nicht?«, fragte Julie mit gebrochener Stimme und ließ die Schultern hängen. »Du hast es nicht gehört?«

Jeden Tag machte irgendein wilder Klatsch auf dem Campus die Runde. Doch dieses Mal fühlte es sich persönlich an. »Kann mir mal jemand sagen, was passiert ist?«

»Sie weiß es nicht …« Ava holte tief Luft und streckte die Hand aus, um ihn auf Julies Arm zu legen.

Alle Wärme in Zoeys Brust wich einem eisigen Gefühl, als sie das Mitleid in den Blicken der Freundinnen sah. Unter ihren Füßen schien die Welt in sich zusammenzubrechen. »Bitte.« Es war kaum mehr als ein Flüstern. »Was weiß ich nicht?«

Julie kniete sich neben sie und strich ihr kurz über das Bein. »Ich wünschte, es wäre nicht ich, die dir das zeigen muss.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und tippte darauf herum, bevor sie es Zoey reichte. »Es tut mir so leid, Zoey.«

Ein Blick auf das Display, und Zoey wollte zusammenbrechen. Um sie herum begann der Campus zu verschwimmen. Der Anblick war nur zu vertraut. Das schwarze Kleid, das sie getragen hatte, mit den Riemchensandalen. Der Spitzen-BH .

Auf einmal hörte sich jeder Schritt um sie herum wie ein Donnerschlag an. Jedes Lachen und jedes gesprochene Wort waren zu laut. Sie konzentrierte sich auf ihr zerrissenes Kleid, ihre nackten Brüste, ihre weit gespreizten Schenkel und die für alle offen sichtbare Vagina. Doch schlimmer noch als das Bild war der Text: Ein hübsches Stück von der NYU . Wir haben sie zerstört. Wer will sie als Nächstes haben?

Das Handy glitt Zoey aus der zitternden Hand. Sie blickte in die mitleidigen Gesichter von Ava und Julie und ihre tränenfeuchten Augen, bevor sie das Gelächter und die Stimmen hörte. Sie sah die Finger, die in ihre Richtung zeigten. Kichern und gemurmelte Verleumdungen dröhnten in ihren Ohren. Schlampe. Hure. Sie wich zurück, spürte jede Geste und jedes Wort wie einen Schlag.

»Hey, Sexy«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme zu ihrer Rechten. Ein attraktives Gesicht schob sich vor sie, kalte Arroganz schimmerte ihr aus stahlharten braunen Augen entgegen. »Schon was vor heute Abend?«

Zoeys Magen spielte verrückt, als sie gegen die Kälte ankämpfte, die ihr alle Wärme aus der Seele zog. Sie musste aufstehen, weglaufen, sich verstecken, entkommen. Doch ihre Beine fühlten sich wie Watte an, und dann verschwand die Welt um sie herum, als sie sich auf seine Schuhe übergab.