Irritiert wachte Rhys auf, und an dieser Stimmung sollte sich während des Tages und auch beim Geschäftsessen am Abend nichts ändern. Seit Katherines Tod hatte sich Rhys immer an seine Regeln gehalten, lebte nach einem moralischen Kodex und wich nie davon ab. Er wusste, welches Risiko er mit Zoey einging, wenn er begann, die Regeln für sie zu brechen, aber er hatte nicht vorhergesehen, wie es seinem Herzen am Ende ihrer gemeinsamen Zeit gehen würde. Doch nun hatte er Gewissheit. Er wollte nicht, dass sie ging. Er wollte weiter diese unglaubliche Sache erforschen, die da zwischen ihnen war. Seit ihrem ersten Abend war er sich sicher gewesen, dass da etwas Besonderes an ihr war, und er machte sich etwas vor, wenn er glaubte, dass er die Dinge unter Kontrolle hatte. Es spielte keine Rolle, ob ein Tag vergangen war, oder ein Monat, oder ein Jahr, er wollte sie .
Weil er einen klaren Kopf bekommen musste, rief er die Jungs zusammen. Die Männer, die schließlich auf der Terrasse neben dem Pool zusammensaßen, waren für ihn da gewesen, als Katherine gestorben war. Sie alle hatten ihn heulend am Boden gesehen. Während der letzten Stunde hatte er ihnen alles erzählt. Auch dass er nicht nur seine Regeln für Zoey über Bord geschmissen, sondern sogar sein Herz an sie verloren hatte.
»Kämpfe um sie«, sagte Archer, der ihm gegenübersaß.
Die funkelnden Lichter von New York City schimmerten über den dunklen Himmel hinter Rhys, doch in ihm schien jedes Leuchten kleiner zu werden. »Es ist nicht so einfach.«
»Warum?«, fragte Kieran, der ein Glas Whiskey in der Hand hielt, das er auf seinem Schenkel abgestellt hatte. »Es ist einfach, oder nicht? Bitte sie, zu bleiben. Bitte sie, zu dir zu ziehen. Mach eine große Sache daraus, das wird ihr gefallen.«
»Und was geschieht, nachdem ich das getan habe?«, entgegnete Rhys. »Ich bitte sie, an dem einen Ort zu bleiben, der sie ständig daran erinnert, was ihr passiert ist. Sie hat kein Vertrauen in New York, denn hier lebt ihre Angst.«
Hunt, der bis jetzt recht still geblieben war, meldete sich: »Dann mach es sicher für sie. Tu, was immer du tun musst. Sag ihr, dass nichts in dieser Stadt ihr etwas anhaben wird. Nicht, wenn sie bei dir ist, und wenn du schon mal dabei bist, kannst du auch gleich dafür sorgen, dass dieser Scheißkerl Jake hinter Gittern landet.«
All das wollte Rhys liebend gerne tun und noch so viel mehr. »Aber ich kann diese Entscheidung nicht für sie treffen, und das wisst ihr verdammt noch mal genau.« Er schnappte sich sein Whiskeyglas, stürzte seinen Drink hinunter und genoss das Brennen in der Kehle. »Denn wenn ich es tue, muss ich damit rechnen, dass sie sich selbst ebenso verlieren wird, wie Katherine es getan hat. Dass sie sich verändern und in eine Person verwandeln würde, die hier überleben kann. Sie würde ihr Trauma für mich unterdrücken. Das kann ich ihr nicht antun, und das werde ich auch nicht. Also bleibt es allein ihre Entscheidung.«
Ein vielsagendes Schweigen breitete sich über die Terrasse. Sie alle kannten die bittere Wahrheit und wussten, dass Rhys hier nichts kontrollierte. Er rieb sich über das Gesicht und streckte seine Gliedmaßen, um sie zu entspannen. Dann konzentrierte er sich auf Archer und hoffte, dass dieser einen neuen Aspekt beisteuern würde. »Hat sich irgendetwas in Bezug auf Hilary ergeben? Kannst du ihr helfen?«
Archer schüttelte den Kopf und griff nach seinem Glas Scotch auf dem Couchtisch. Bevor er daran nippte, sagte er: »Noch nicht. Hilary hat Zoey durch Zufall gefunden. Andere Opfer aufzustöbern wird nicht so leicht sein. Es gibt keine offensichtlichen Spuren im Netz wie bei Zoey. Es ist ein langwieriger Prozess, und am Ende wird Hilary mit jeder Frau auf die gleiche Weise Kontakt aufnehmen müssen, wie sie es bei Zoey getan hat, und damit ihre Privatsphäre verletzen.«
»Bleib weiter dran«, entgegnete Rhys. »Wenn es einen Weg gibt, wie ich mit der Sache umgehen kann, ohne Zoey hineinzuziehen, ist es der richtige. Unser Plan muss darin bestehen, Jake von der Bildfläche verschwinden zu lassen, sodass sich New York wieder sicher für sie anfühlt.« An Hunt gerichtet fügte er hinzu: »Irgendetwas Neues über Scott?«
»Nicht viel, außer dass die Angelegenheit nun offiziell als Selbstmord behandelt wird«, antwortete Hunt.
Kierans Kopf schwang herum zu Rhys. »Hast du an Mord gedacht?«
Rhys zuckte mit den Schultern. »Ich würde es Jake durchaus zutrauen, hätte er geglaubt, dass Scott ihn auffliegen lassen würde.«
»Kaltschnäuzig genug wäre er«, stimmte Archer zu und wirbelte das Eis in seinem Drink herum.
»Schon möglich«, sagte Hunt, nachdem er einen Moment darüber nachgedacht hatte. »Doch in Scotts Apartment gab es keine Hinweise, die auf Mord hindeuten, dafür jede Menge, die für Selbstmord sprechen. Deshalb hat der Coroner Scotts Tod als Selbstmord zu den Akten gelegt, der Fall ist abgeschlossen.«
Einerseits waren das gute Nachrichten. Hätte man Scotts Leben näher unter die Lupe genommen, wäre zweifellos Zoeys Geschichte ans Licht gekommen. Andererseits trieb sich Jake immer noch frei in New York herum. Frustriert stieß Rhys den Atem aus, griff nach der Whiskeyflasche und schenkte sich noch einen Drink ein. Da klingelte sein Handy. Als er das Gespräch annahm, meldete sich der Sicherheitsdienst des Gebäudes. »Hier ist eine Ms. Parker, die Sie sehen möchte.«
»Schicken Sie sie hoch.« Rhys beendete das Telefonat und legte sein Handy wieder auf den gläsernen Couchtisch. »Zoey ist auf dem Weg nach oben.«
Archer erhob sich. »Das ist unser Stichwort für den Aufbruch.«
Rhys trank sein Glas in einem Zug aus, und abermals spürte er die Wärme in seinen Adern und wie die Anspannung in seiner Brust nachließ. »Danke, dass ihr vorbeigeschaut und mir zugehört habt.«
Hunt schlug Rhys auf den Rücken. »Wir sind für dich da, Kumpel. Das weißt du.«
Ja, das wusste Rhys.
Als sie sich verabschiedet hatten, blieb Rhys sitzen und sah ihnen zu, wie sie durch die große Terrassentür verschwanden. Bevor Archer die Wohnung endgültig verließ, öffnete er die Wohnungstür noch ein Stück weiter, und Zoey kam herein. Sie trug Jeans und eine dunkelgrüne Bluse in der gleichen Farbe wie die Dessous am Abend ihrer ersten Begegnung. Sie wechselte ein paar Worte mit Archer und lachte kurz auf, dann wanderte ihr Blick nach draußen. Sie nickte Archer zu, ehe sie auf die Terrassentür zuging.
In der Sekunde, in der sie nach draußen kam, wusste Rhys, dass er hassen würde, was sie ihm sagen wollte.
»Hey.«
Nie hatte dieses einzelne Wort so traurig geklungen.
Er blieb auf der Couch sitzen, als sie langsam zu ihm kam. Eine leichte Brise fuhr durch ihr Haar. Himmel, sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
Sie blieb vor ihm stehen, und Bedauern stand in ihrem Blick. »Ich …«
»… muss nach Hause ziehen«, beendet er den Satz für sie und hatte seine Stimme dabei kaum unter Kontrolle. Er wollte sie anflehen zu bleiben. Ihn nicht zu verlassen. Doch New York City war toxisch für sie, und er durfte nicht Teil des Problems sein. Er hatte gesehen, wie Katherine sich in ein Nichts verwandelt hatte. Die ganze Situation und die Möglichkeit, Jake vielleicht bei irgendwelchen Festen zu begegnen, zu denen sie mit Rhys ging, würden ebenfalls genau das mit ihr machen. Er konnte nicht zusehen, wie sie dahinwelkte. Zoey musste blühen.
All diese Bedenken standen auch ihr ins Gesicht geschrieben, als sie mit leiser Stimme sagte: »Es ist alles so verwirrend, denn eigentlich will ich gar nicht weggehen. Da sind Hazel und Elise und … du .«
Er erhob sich, kam näher, wurde regelrecht von ihr angezogen. Die ganze Zeit über war es ihr Plan gewesen wegzugehen, dabei machte dieser Plan gar keinen Sinn mehr. Denn eine Sache wusste er völlig sicher: Ihr Herz gehörte ihm. »Du verdienst es, nach Hause zu gehen und einen Neuanfang zu machen, Zoey«, sagte er dennoch.
Sie trat einen Schritt vor, kam ihm noch näher. »Ich hatte nicht erwartet, solche Gefühle zu haben.«
Die warme Brise umschmeichelte sie, als er ihr Gesicht in seine Hände nahm. »Was für Gefühle?«
»Ich will dich nicht verlassen«, entgegnete sie dann wie selbstverständlich.
Ihm ging es genauso. Die Dinge zwischen ihnen waren so einfach. So wahrhaftig. So richtig. »Auch ich hätte das nie erwartet. Hätte nie erwartet, dass ich möchte, dass du bleibst.«
Sie schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Und doch stehen wir jetzt hier.«
Sanft lächelte er, weil er sie nicht mit seinen Wünschen unter Druck setzen wollte. »Aber es ist kein Abschied für immer, genauso wenig wie bei Hazel und Elise. Du kannst zu Besuch kommen, oder nicht?«
»Ja, das kann ich.«
Das wird jedoch nicht genug sein, hing zwischen ihnen in der Luft.
»Und du kannst mich auch besuchen«, fügte sie hinzu.
»Nichts leichter als das«, stimmte er zu. Aber dann werde ich dich nie wieder verlassen wollen.
Jedes Wort, das ihm über die Lippen kam, fühlte sich seltsam an. Er wollte sie hier haben. Bei sich. Sie jeden Tag sehen. Sie küssen. Mit ihr Liebe machen. Ihr Innerstes erkunden. Sie genießen. Alles andere fühlte sich … falsch an.
Sie hob den Kopf, und ihre warmen, gütigen Augen sahen ihn an. Sie hielten den Blick für einen Moment. »Ich werde niemals vergessen, was du für mich getan hast, Rhys.«
Er nahm sie in seine Arme und küsste sie auf den Kopf. Er wusste, wenn sie ihn heute Abend verließ, würde sie ein Stück seines Herzens mit sich nehmen. Und als ihm das bewusst wurde, erkannte Rhys, dass Archer recht hatte. Egal was war, Rhys musste um sie kämpfen. »Ich werde dich niemals vergessen, Zoey.«
In dem verzweifelten Wunsch, sie so lange es ging zu halten, drückte er seinen Mund auf ihren. Ihre Lippen verschmolzen zu einem sanften Kuss, und als er den Kopf neigte und sie fester umarmte, wusste er, dass sich alles geändert hatte. Dass er sich geändert hatte, und sie war der Grund dafür.
Er musste ihr näher sein, und so nahm er sie auf seine Arme und trug sie ins Haus, in sein Schlafzimmer, wo er sie auf sein Kingsize-Bett legte. Er wusste, dass sie noch nicht miteinander fertig waren. Nicht einmal ansatzweise. Selbst wenn sie jetzt ging, würde er ihr auf den Fersen bleiben, so viel stand fest. Und mit einer leisen Freude erkannte er, was er schon die ganze Zeit über hätte wissen sollen: Er war noch lange nicht fertig damit, für Zoey die Regeln zu brechen.
Er ragte über ihr auf, und die Lichter der Hochhäuser vor seinem Fenster warfen einen warmen Schein auf ihr Gesicht. Sie hob den Kopf, bot sich ihm an und fasste nach seinem Hemd. »Komm.«
Mit dem gleichen drängenden Gefühl beeilte er sich, sie auszuziehen. Zwischen heißen Küssen schob er ihr die Bluse nach oben, und sie zog ihm die Hose die Beine hinunter und trieb ihn an, während sie mit den Händen über seinen Hintern strich. Er folgte nur zu gerne, griff unter ihre Kniekehlen und hob sie an, bevor er tief in sie hineinglitt. Er stöhnte, legte seine Stirn auf ihre. Sie war eng, feucht, und am liebsten wäre er für immer dortgeblieben. »Warum bist du nur so verflucht perfekt, Zoey?«
»Rhys.« Ihre Stimme klang fast flehend.
Er hob den Kopf und sah brennendes Verlangen in ihren Augen. Er begann sich langsam zu bewegen, ließ sie jeden einzelnen Zentimeter von ihm fühlen. Das war keine Show heute Nacht. Sie waren keine Stars. Niemand schaute zu. Nur sie und er. Noch nie hatte er Sex gehabt, der so intim und süchtig machend war.
Er konnte einfach nicht genug davon bekommen, wie sie mit ihren Lippen über seine strich und ihn umarmte. Ihre Brüste fühlten sich sanft an seinem Oberkörper an, und ihr Stöhnen war das einzige Geräusch, das er wahrnahm. Sie duftete nach Vanille und Weiblichkeit, und es war, als wäre dieser Geruch nur für ihn gemacht. Er lehnte sich gegen ihre Beine, hob ihren Po höher und stieß mit seinen Hüften, während er sich in sie vergrub. Ihre Seele spiegelte sich in ihren Augen, und Rhys wusste, dass er noch eine letzte Regel zu brechen hatte. Er wollte morgens mit ihr frühstücken. Er wollte ihre sanften Kurven neben sich spüren, wenn er einschlief. Er wollte das hier. Immer. Nur sie beide. Er wollte Zoey lachen hören. Er brauchte ihre Umarmung an harten Tagen. Er wollte mehr von ihren Geschichten hören und besser verstehen, wofür ihr Herz schlug.
Leidenschaftlich trieb er sich immer härter und schneller in sie, und sie folgte ihm, bis sie sich im gleichen Rhythmus bewegten und stöhnten. Haut schlug auf Haut, als er sie ganz ausfüllte und alles nahm, was sie ihm bot, und doch noch mehr wollte. Ihre Finger gruben sich in seinen Rücken, während sie die Füße hinter seinen Hüften verschränkte und ihr feuchter Schoß bei jedem Stoß pulsierte.
Enger … enger … feuchter … Und als ihre Schreie der Ekstase über ihn hinwegströmten, wurde ihm fast schwarz vor Augen, so viel Lust gab ihr Körper ihm. Er stieß weiter und brüllte auf, als auch er kam und sich in ihr ergoss. Tief in seinem Inneren wusste er, dass nach dieser Nacht nichts mehr so sein würde wie zuvor.
Und genau so wollte er es.