Neun Tage waren vergangen, seit Zoey nach Sacramento zurückgekehrt war. Jeder Tag schien länger zu sein als der vorherige. Sie hatte auf Autopilot geschaltet, seit sie in das Flugzeug gestiegen war, das sie nach Hause bringen würde. Sie hatte nur zwei Koffer mitgenommen und sich noch um kein Umzugsunternehmen gekümmert, das ihre Kisten in die Heimat schaffen würde. Langsam. So war sie es angegangen. Hatte einen Schritt nach dem anderen gemacht, bis sich ihr Kopf wieder klarer angefühlt hatte und ihr die Entscheidungen leichter fielen. Da sie wusste, dass all das heute Abend keine Rolle mehr spielen würde, schnappte sie sich eine Schüssel mit Popcorn von der Küchenanrichte ihrer Eltern und ging damit Richtung Wohnzimmer.
Das Haus ihrer Kindheit war ein wundervolles zweistöckiges viktorianisches Gebäude an der Ecke Meadow Lane. Zoey war erst zwei Jahre alt gewesen, als ihre Eltern die Immobilie gekauft hatten. Und sie hatten Zoeys gesamtes Leben damit verbracht, es von oben bis unten zu renovieren. Am liebsten mochte Zoey das Wohnzimmer mit dem alten Kamin aus Stein und dem großen Erkerfenster, wo ihre Mutter immer den Weihnachtsbaum aufstellte. Aber diesmal war irgendetwas anders, als sie den Raum betrat und ihren Dad im üblichen Lehnstuhl sitzen sah. Es fühlte sich falsch an. Seit sie zurückgekehrt war, hatte sie geglaubt, dass sie sich mehr zu Hause fühlen müsste. Doch der Kloß in ihrer Kehle war inzwischen auf Baseball-Größe angewachsen und ließ sich nicht länger hinunterschlucken. Sie fühlte sich müde und unausgeglichen. Sie schlief nicht viel, vermisste Hazel und Elise … vermisste Rhys und das neue Leben, das sie mit ihm entdeckt hatte.
Sie versuchte, sich nicht in ihrer Verwirrung zu verlieren, und warf sich ein Popcorn in den Mund. »Was schaust du dir heute Abend an?«
»Ungelöste Geheimnisse«, sagte ihr Dad und schenkte ihr ein Lächeln. Doch im Augenblick lief noch eine Nachrichtenreportage.
Er war immer ein gutaussehender Mann gewesen. Fit und gesund, sodass man ihm seine fünfzig nicht ansah, sondern ihn eher zehn Jahre jünger geschätzt hätte. Er hatte blondes Haar, in dem sich kaum eine Spur Grau zeigte, und hellblaue Augen, die ständig erstrahlten, sobald ihre Mutter sich blicken ließ.
Und gerade im Moment leuchteten sie, als ihre Mutter den Raum betrat, eine große Tüte Kartoffelchips mit Salz-und-Essig-Geschmack in der Hand, der Lieblingssorte ihres Vaters. »Aber iss nicht die ganze Packung.«
Ihr Dad grinste nur. »Danke, Schatz.« Sofort verschwanden seine Finger in der Tüte, und seine Aufmerksamkeit kehrte zum Bildschirm zurück.
Ihre Mom schüttelte den Kopf und lächelte Zoey sanft zu, während sie sich auf die Couch setzte. Sie trug einen kurzen Bob, und ihr Haar war ebenso rotblond wie Zoeys. Doch die Augen ihrer Mutter waren braun. Zoey hatte den helleren haselnussfarbenen Ton von ihrer Großmutter geerbt. »Such dir einen Kerl, der so leicht glücklich zu machen ist.« Der Ausdruck auf Zoeys Gesicht brachte ihre Mutter zum Lächeln. »War Rhys so?«
Zoey hatte ihren Eltern alles über Rhys erzählt. Nun ja, außer dass er einen Sexclub besaß. Sie hatte genug Geheimnisse vor ihren Eltern, und Rhys war einfach zu unglaublich, um ihn geheim zu halten. »Er hat nie wirklich um irgendetwas gebeten.« Doch so viel gegeben. Zoey schwoll das Herz bei dem Gedanken, was sich unfassbar gut anfühlte. Rhys hatte um nichts gebeten. Er war einfach nur für sie da gewesen. Nun verstand sie auch, warum. Er konnte es nicht ertragen, zuzusehen, wie sich jemand verlor, so wie Katherine sich verloren hatte. Und dennoch … und dennoch … hatte sie sich in den letzten Tagen ohne ihn verloren gefühlt. »Das ist so großartig an ihm«, fügte Zoey hinzu und griff in die Schale mit dem Popcorn. »Er ist ein echt selbstloser Kerl.«
Ihre Mom lächelte. »Dann ist er einer von den Guten. Hat er vor, hierherzukommen und dich zu besuchen?«
Seit ihrem Umzug hatten sie jeden Tag miteinander gesprochen. Sie schrieben sich häufig. »Ich weiß nicht. Wir haben nicht wirklich darüber geredet.« Obwohl Rhys zugewandt und warmherzig war, war er dem Thema, wie es nun weiterging, ausgewichen.
»Ich wette, er hat einen Plan«, warf ihr Vater ein.
Zoey blickte in seine Richtung und hob die Brauen. »Wie kommst du darauf?«
Er sah sie mit einem klugen Lächeln an. »Wenn er nicht mit dir darüber gesprochen hat, was als Nächstes passiert, denkt er darüber nach und macht einen Plan. So funktioniert das bei Männern.«
»Was für ein Plan könnte das denn sein?«, entgegnete Zoey. »Ich habe ihn in New York City verlassen.«
Wieder versenkte ihr Vater seine Hand in der Chipstüte und schaute auf den Fernseher. »Ich bin kein Hellseher. Ich sage dir nur, wie Männer ticken. Sie diskutieren nicht herum. Sie machen einen Plan und führen ihn durch.«
»Nun, davon weiß ich nichts«, sagte ihre Mom zu ihm. An Zoey gerichtet, fügte sie hinzu: »Wenn es sein soll, Schätzchen, dann wird es passieren. Kein Grund, sich deswegen aufzureiben.«
Zoey nickte zustimmend und wechselte dann wieder in den Autopilot. »Immerhin wollen aber Elise und Hazel bald zu Besuch kommen. Dann werdet ihr sie endlich kennenlernen.«
Die Augen ihrer Mutter leuchteten auf. »Oh, das ist wundervoll.« Sie griff in einen Korb mit Garn und Häkelnadel, der neben ihr stand. Sie häkelte Decken für all die neuen Babys, die in ihre Praxis kamen. Zoey hatte sich früher immer vorgestellt, dass sie das auch für die kranken Tiere tun wollte, wenn sie erst Tierärztin wäre. Der Kloß in ihrer Kehle war nun unmöglich hinunterzuschlucken, trotzdem nahm sie einen großen Schluck von ihrem gesüßten Tee. »Es gibt all diese Menschen in deinem Leben, und es ist so seltsam, keinen von ihnen zu kennen«, fügte ihre Mutter hinzu.
Die Wahrheit war, dass Zoey es so gewollt hatte. Sie hatte alle auf Distanz gehalten, weil es sicherer und bequemer war. Ihr Leben zu Hause und das in New York waren getrennte Welten gewesen, und so hatte es ihr gefallen. Beides zu vermischen kam ihr gefährlich vor.
»Heute Glück bei der Haussuche gehabt?«, erkundigte sich ihr Vater.
Zoey schüttelte den Kopf und knabberte an einer Popcorn-Flocke. »Irgendwie fühlt sich nichts richtig an.«
»Ach, du wirst bald etwas finden«, sagte er. »Es muss nur das richtige Haus sein.«
Wieder drehte er sich zum Fernseher, und beim Geräusch der knirschenden Chips musste Zoey lächeln. Kein Zweifel, dass er die ganze Tüte vertilgen würde. Der einzige Plan hatte darin bestanden, ins Phoenix zu gehen, das Geld zu bekommen und nach Hause zurückzukehren. Doch wieder daheim zu sein funktionierte nicht. Es fühlte sich gut an, bei ihren Eltern zu sein; alles war so vertraut und gemütlich. Aber in Sacramento hatte sie ihre Freundinnen nicht. Rhys war nicht da. Ihr Leben war nicht hier. Und egal wie viele Häuser sie und ihre Mutter sich anschauten, keines war passend für sie. Alles fühlte sich falsch an, auch wenn das keinen Sinn ergab.
Mit einem Seufzer schob sie sich eine Handvoll Popcorn in den Mund, schmeckte zu viel Salz und blickte auf die Nachrichten, dankbar für die Ablenkung. Plötzlich ließ eine Eilmeldung sie aufhorchen. Die Reporterin sagte: »Der Interstate-80-Vergewaltiger wurde heute am frühen Abend festgenommen, wie wir aus verlässlichen Quellen erfahren haben.«
»Gott sei Dank haben sie ihn geschnappt.« Ihre Mutter drehte sich zu Zoey. »Wahrscheinlich hast du in New York nichts davon gehört, doch in den letzten Wochen hat diese teuflische Person Frauen an der I-80 terrorisiert«, erklärte sie. »Er hat ihnen an Rastplätzen eine Falle gestellt und sie dann gekidnappt.«
»Diese armen Frauen.« Zoey spürte, wie Kälte in ihre Adern kroch.
»Gute Polizeiarbeit«, kommentierte ihr Vater. Er schaltete von den Nachrichten um auf die Doku-Reihe Ungelöste Geheimnisse .
Die Person, die in der Sendung interviewt wurde, sagte: »Es gab so viele Warnungen, Zeichen und Hinweise. Hätte man uns früher darauf aufmerksam gemacht, wäre klar gewesen, dass Carl gefährlich ist, aber alle haben geschwiegen.«
Zoey hatte das Gefühl, die Wände würden auf sie zukommen. Diese Geschichte hatte nichts mit ihrer zu tun, und doch schienen beide auf besondere Weise mit ihr verbunden. Als würde die Welt ihr etwas sagen wollen.
Und dieses Mal hörte sie zu.
Scott war fort, Jake jedoch nicht. Er lebte nach wie vor in Manhattan und hatte sich immer noch nicht geändert, wenn er Hilary missbraucht und keinerlei Reue gezeigt hatte. Was, wenn Jake es noch schlimmer trieb und zu einem Vergewaltiger wurde, der Frauen entführte? Was, wenn er es bereits getan hatte? Er war so kaltblütig gewesen, obwohl er wusste, dass sie ihn sehen konnte. Seine Arroganz und sein Hass auf Frauen waren erschreckend. Kalt und zitternd fragte ihr Herz: Was, wenn dein Schweigen einer anderen Frau schadet? Was, wenn er irgendwann jemanden tötet? Was, wenn du ihn stoppen könntest?
» Alles in Ordnung, Schätzchen?«
Zoey blinzelte und merkte erst da, dass ihre Wangen feucht waren. Ihr Atem stockte, und sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie hatte solche Angst vor der Wahrheit gehabt, die sie sicher in ihrem Inneren vergraben hatte, hatte sich so geschämt für das, was passiert war. Hatte gefürchtet, dass es irgendwie ihre Schuld gewesen war und die Scham sie zerstören würde. Erst jetzt, als sie zusammen mit ihren Eltern in der warmen Behaglichkeit ihres Zuhauses saß, wurde ihr bewusst, dass Rhys recht hatte. Sie durfte nicht zulassen, dass das, was Scott und Jake getan hatten, sie veränderte. Sie konnte nicht zulassen, dass sie ihr das Leuchten oder ihre Wahrheit raubten. Sie durfte sich nicht verlieren, wie Katherine sich verloren hatte. Doch genau das hatte sie getan, als sie die beiden Männer triumphieren ließ. Und jetzt wieder . Sie hatte das Leben hinter sich gelassen, das sie liebte, und einen Mann, der ihr Herz in einer Weise öffnete, wie sie es sich nie hätte träumen lassen, und all das, weil die Furcht sich wie eine Krankheit in sie fraß.
Mit zitternden Händen griff sie nach der Handtasche, die neben ihr auf dem Teppich stand, und holte Hilarys Karte heraus. Sie hatte sie nicht wegwerfen können.
»Zoey«, sagte ihr Vater nun ernster und beugte sich zu ihr. »Was ist los?«
»Mom«, brachte Zoey hervor und blickte zwischen ihren Eltern hin und her. »Dad.« Ein Schluchzen kam ihr über die Lippen. »Ich muss euch etwas erzählen.«
***
»WILLIAM «, sagte Rhys zu seinem Cousin, und Frust machte sich in ihm breit. »Ich will nicht hören, warum das eine furchtbare Idee ist. Ich will, dass du mir sagst, was ich zu tun habe, damit ich nach Sacramento fahren kann, ohne dass es hier Probleme gibt.« Sie saßen sich auf braunen Ledersofas in der Cigar Lounge gegenüber, zwischen ihnen ein niedriger Glastisch. Obwohl sie verwandt waren, sahen sich die beiden Männer überhaupt nicht ähnlich. William war größer und schlaksig, ein heller Typ und fünf Jahre jünger. Die Bar würde erst später am Tag öffnen, aber Rhys musste sich noch um Geschäftliches kümmern. Die Barkeeper waren bereits da, füllten die Bestände auf und gingen ihren täglichen Aufgaben nach.
Neben einem Stapel Unterlagen lag ein Flugticket, das Rhys heute Abend um acht Uhr nach Sacramento bringen würde. Er hatte das Richtige getan, als er Zoey gehen ließ, um ihren eigenen Weg zu finden. Er fühlte sich allerdings elend damit. Rhys hatte keinen Plan, jedenfalls keinen vollständigen, aber er wusste, dass er die Entfernung zwischen ihnen nicht länger ertrug. Er konnte sie nicht bitten, in New York zu bleiben, und sie würde ihn nie fragen, ob er die Stadt für sie verließ, doch verdammt, er musste sie wiedersehen. Dieses Leben ohne sie würde ihn zugrunde richten.
»So, wie ich es sehe, willst du mir die Pistole auf die Brust setzen«, schoss William zurück. »Dennoch kann ich das nicht so schnell entscheiden. Hier geht es um die Investitionen der Familie. Ganz abgesehen von unseren eigenen Finanzen.« Er wurde blass. »Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll. Du bist das Aushängeschild des Harrington-Vermögens hier in New York City.«
Rhys war sich bewusst, dass er für Chaos sorgen würde, wenn er die Stadt verließ. Deshalb musste alles geregelt sein. Und er wusste, dass er nicht wieder aus Sacramento fortgehen würde, sobald er erst einmal dort war. »Ich weiß, dass das alles überraschend kommt, doch ich habe absolutes Vertrauen, dass du hier in New York mit den Dingen zurechtkommen wirst, bis wir herausgefunden haben, wie all das hier funktionieren kann.«
William warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Verflucht, Rhys, ich bin nicht du. Du hast Termine für den nächsten Monat. Willst du die ernsthaft platzen lassen?« Er blinzelte zweimal. »Okay, was zum Teufel ist los? Hast du einen Nervenzusammenbruch? Brauchst du Hilfe? Ich kann dir welche besorgen.«
Noch nie war sich Rhys einer Sache so sicher gewesen, aber er konnte auch Williams Bedenken verstehen. Rhys handelte nie impulsiv. Doch wieder und wieder hatte ihn Zoey seine eigenen Regeln brechen lassen. Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Knien ab. Er konnte seinem Cousin nicht sagen, dass er die Stadt wegen Zoey verlassen wollte. Sonst würde sein Vater davon erfahren. Zoey sollte nicht zur Zielscheibe des väterlichen Zorns werden, weil er für sie seine Verpflichtungen vernachlässigte. Rhys wusste, wie er mit seinem Vater umgehen musste. Zoey tat das nicht. »Mit meiner Gesundheit ist alles in Ordnung. Für wichtige Meetings können wir neue Termine über Zoom vereinbaren. Und auf Dinnerpartys gehst du an meiner Stelle.« Denn so funktionierte die Finanzwelt. Man musste den richtigen Leuten Honig ums Maul schmieren. Kontakte halten und Beziehungen pflegen. Die anderen wissen lassen, wie süß es war, dem Harrington-Zirkel anzugehören.
William seufzte. »Hast du mit deinem Vater darüber gesprochen?«
»Ich muss meine Pläne mit niemandem besprechen«, entgegnete Rhys.
William wurde noch ein bisschen blasser und wühlte in den Papieren. »Schon gut, schon gut. Verdammt.« Ein Schweißtropfen lief ihm über die Wange, als er Rhys einen ungläubigen Blick zuwarf.
»Du hast also vor, dein Leben in New York von Sacramento aus zu führen? Das ist krank.«
»Was ist krank?«
Rhys blickte zu Seite und sah, dass Archer, Hunt und Kieran gekommen waren. Er hatte gehofft, sein Gespräch mit William vorher zu beenden. »Gib uns eine Minute«, sagte er zu William, der etwas wackelig aussah, als er aufstand.
»Ich werde mir einen Drink an der Bar genehmigen«, gab sein Cousin zurück und nickte Rhys’ Freunden zu, bevor er den Sitzbereich verließ.
Kieran grinste William nach, als dieser davonging. »Was hast du mit ihm gemacht? Er sieht aus, als würde er gleich kotzen müssen.«
Rhys atmete tief durch, als sie alle um ihn herum Platz nahmen. Was nun kam, war der härteste Teil. »Ich wollte es euch eigentlich erst sagen, wenn alles geregelt ist … Ich werde nach Sacramento ziehen.«
Die Stille war ohrenbetäubend.
Rhys grinste schief. »Ich glaube nicht, dass ich euch schon einmal so sprachlos gemacht habe.«
»Ich glaube nicht, dass du schon einmal so eine Bombe hast platzen lassen«, entgegnete Archer. »Wann hast du es entschieden?«
»Ich habe darüber nachgedacht seit dem Abend, als Zoey mir erzählt hat, dass sie wegziehen wird«, erklärte er und hasste die Traurigkeit, die er in den Augen seiner Freunde sah. »Der Entschluss fällt mir nicht leicht. Ganz und gar nicht. Aber du hattest recht, ich muss kämpfen.«
»Um sie?«, ergänzte Hunt.
Rhys nickte. »Sie kann nicht in New York bleiben, was nur verständlich ist, doch ich kann mit Sacramento leben. Es ist alles eine Frage der Planung.«
Archer ruckte mit dem Kinn vor. »Dann ist sie die Eine?«
»Ich denke, das haben wir alle von Tag eins an gewusst.« Rhys lächelte. »Hört mal zu, denn ich habe eine große Bitte. Ich werde meine Wohnung vermieten, und ich werde jemanden einstellen müssen, der sich als Manager um den Cigar Club kümmert. Archer, du übernimmst das Phoenix , bis es jemanden für die Position gibt. Wir müssen es von allen Seiten betrachten, allerdings …«
»Stopp«, sagte Hunt und lächelte durchtrieben. »Du weißt, dass wir dich in allem unterstützen, doch ich hasse es, dir das zu sagen, Kumpel: Du wirst nirgendwohin gehen.«
Rhys legte den Kopf in den Nacken und atmete frustriert aus. »Bitte macht es mir nicht noch schwerer. Es fällt mir nicht leicht, euch zu verlassen.« Dann nahm er das Kinn wieder runter und sah sie der Reihe nach an. »Aber so wird es sein. Ich fliege noch heute Abend.«
Hunts Lächeln wurde breiter. »Auch wenn mir ganz warm wird, wenn ich sehe, wie verliebt du bist. Du wirst nirgends hingehen, weil soeben ein Haftbefehl gegen Jake ausgestellt wurde. Zoey ist zusammen mit ihren Eltern zurück nach New York geflogen und hat heute Morgen gegen ihn ausgesagt. Ihre und Hilarys Aussagen haben gereicht, um Anklage zu erheben.«
Rhys stand auf und ballte die Fäuste in der Luft. Er ging zum Fenster und öffnete es, um frische Luft hereinzulassen, während er kaum glauben konnte, was er gerade gehört hatte. Tiefe Freude erfüllte ihn, dass Zoey sich ihren Ängsten gestellt und gegen Jake ausgesagt hat. Er hatte solch eine Heidenangst gehabt, dass sie sich wie Katherine verlieren würde, und nie war er glücklicher darüber gewesen, sich zu irren. Er schloss die Augen, holte tief Luft und ordnete seine Gedanken. Dann blickte er über seine Schulter. »Sie hat den Schritt gewagt.«
Hunt nickte lächelnd. »Ja, das hat sie.«
Zehn Minuten zuvor war er bereit gewesen, New York für Zoey zu verlassen. Sein Flugticket war gekauft. Sein Plan stand fest. Sie hatte sein Leben komplett auf den Kopf gestellt, und das schon vom ersten Tag an. Rhys drehte sich weg vom Fenster. »Wie habt ihr davon erfahren?«
»Ich habe sie heute im Revier gesehen, wo sie ihre Aussage machen wollte. Ihre Eltern haben sie begleitet. Sie sah … stark aus.«
»Sie ist schon immer stark gewesen«, sagte Rhys und ging zurück zu seinem Platz.
»Und was deinen Umzug nach Sacramento betrifft«, sagte Archer. »Ich bin mir nicht sicher, ob das die klügste Idee ist.« Als Rhys eine Augenbraue hochzog, fügte Archer hinzu: »Nachdem Hunt mir von Jakes Verhaftung erzählt hat, habe ich mich mal ein bisschen umgehört. Zoey ist heute Morgen nach New York zurückgekommen, und sie hatte die beiden Koffer bei sich, mit denen sie abgeflogen war.«
Rhys konnte sich kaum bewegen, kaum atmen.
»In Ordnung, Rhys, ich muss jetzt zu einem deiner Meetings gehen und habe es eilig«, sagte William und gesellte sich zu der Gruppe.
»Nein.«
Williams Brauen schossen in die Höhe. »Nein?«
»Nein zu allem«, sagte Rhys und lächelte seinen besten Freunden zu. »Sieht so aus, als würde ich doch in New York City bleiben.«
Es folgte eine lange Pause. Dann schob William mit tief besorgtem Gesichtsausdruck eine Hand in seine Hosentasche. »Du bist tatsächlich verrückt geworden. Ich werde deine Mutter anrufen.«
Kieran sprang von seinem Platz auf und legte William einen Arm um die Schultern. »Komm schon, William, steck dein Handy ein, und ich hole dir noch einen Drink.«
Rhys drehte sich zu Hunt. »Wo ist Zoey jetzt?«
»Ich vermute, sie ist immer noch auf dem Revier«, antwortete Hunt.
Archer stand auf. »Was sollen wir tun?«
Rhys blickte zu seinem Cousin. »Macht William betrunken genug, dass er das Bewusstsein verliert. Er wird mit meinen Eltern sprechen, aber bevor das passiert, will ich mit Zoey reden.«
Hunt legte den Kopf schief. Er wusste, wie Rhys’ Familie war und wie sie reagieren würde, wenn William sie anrief. »Um sie auf den Harrington-Sturm vorzubereiten, der auf sie zubraust?«
Rhys würde erklären müssen, warum er nicht offen mit seinen Eltern über alles gesprochen hatte. Doch es gab noch eine Sache, um die er sich kümmern musste, bevor er das tat, und dabei spielte Zoey eine große Rolle. Er grinste. »Ja, etwas in der Art.«