Hat die Tatsache, dass Sie jetzt als Bischof von Limburg Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz sind, gerade vor dem Hintergrund der synodalen Tradition des Bistums, Auswirkungen auf die Arbeit in der Bischofskonferenz?
Manche sagen, dass sich die Gesprächskultur in der Vollversammlung der Bischofskonferenz verändert habe. Das liegt aber nicht am Bistum Limburg, sondern eher an den Mentalitäten der Vorsitzenden. Es war nicht das Charisma meines Vorgängers in der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, den ich sehr schätze, andere, wie soll man sagen, unkommentiert zu Wort kommen zu lassen – und das auch mit einer gewissen Gelassenheit. Seine Stärke ist das Vordenken und Vorangehen. Moderieren ist es nicht unbedingt. Ich kann mich zurücknehmen. Wenn ich moderiere, moderiere ich und kann nicht selbst eine Positionierung betreiben und diese nach vorne bringen wollen. Da muss ich dem Prozess dienen. Ich bemühe mich darum, und das ist die größte Anstrengung bei der Leitung der Sitzungen. Dabei ist das ganz wichtig in der Bischofskonferenz, gerade weil wir bei einigen Punkten nicht immer einer Meinung sind. Aber es ist für mich ein Zeichen professioneller Disziplin, dass wir, wenn wir uns heftig streiten können, was ja auch emotional Kraft kostet, dann zur Tagesordnung zurückkehren und zielorientiert miteinander diskutieren und entscheiden – was zu mehr als 80 Prozent der Fall ist.
Wo gibt es denn Veränderungsbedarf bei der Arbeitsweise der Bischofskonferenz?
Wir sind dabei, Strukturen und Verfahren innerhalb der Bischofskonferenz wie auch des Verbands der deutschen Diözesen zu verändern und anzupassen. Das ist zum einen ein Reflex auf den Synodalen Weg und den Handlungstext »Beraten und Entscheiden«. Den müssen wir jetzt umsetzen. Zum anderen gibt es die Notwendigkeit, die Rolle des Vorsitzenden einzubinden und weiterzuentwickeln. Dabei geht es um Arbeitsmethoden ebenso wie um das Anliegen, Leitung auf mehreren Schultern zu verteilen. Warum soll nicht jemand anderes die Sitzung moderieren? Als Vorsitzender der Konferenz könnte ich mich dann stärker positionieren. Ich gebe auch zu: Selbst wenn ich moderiere, bin ich doch sowohl der Bischof einer Diözese als auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und habe jeweils bestimmte Ziele. Aus manchen weiteren Gründen bearbeiten wir derzeit unsere Strukturen und Verfahren, um sie zu verbessern.
Die Limburger Erfahrungen spielen dabei also keine große Rolle?
Das Interessante nach der Wahl zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz war eher meine Rückkehr nach Limburg. Denn für die Limburger war die Wahl des Limburger Bischofs zum Vorsitzenden nach den Krisenjahren Zeichen wiedergewonnener Reputation, die das Bistum Limburg immer hatte. Für viele war wichtig: Wir werden wieder ernst genommen, wahrgenommen als das, was wir auch sein wollen. Diese Reaktion war deutlicher als der Einfluss, den ein einzelnes Bistum mit seiner Kultur in der Bischofskonferenz entfalten kann.
Immerhin gibt es bei den Bischofsversammlungen inzwischen nicht mehr die strenge Sitzordnung nach Anciennität, ganz ähnlich wie beim Synodalen Weg …
Wir haben das einfach freigegeben. Als ein erstes Zeichen habe ich im Sekretariat nach meiner Wahl darum gebeten, dass Briefe künftig einfach an den Herrn Bischof gehen und nicht mehr an die Hochwürdigste Exzellenz und so weiter. Wie bei der Sitzordnung bin ich mir nicht im Klaren, welchen Einfluss da auch die Erfahrungen im Synodalen Weg hatten …
Ein Weihbischof sagte einmal, die Bischofskonferenz sei normal zerstritten. Das ist schon eine Weile hier. Inzwischen hat die Polarisierung weiter zugenommen, sodass man eher von verschärft zerstritten sprechen müsste. Wie ist es dazu gekommen, dass die Polarisierung derart zugenommen hat?
Das ist nicht verwunderlich. Bei den Fragen, bei denen wir nicht rasch zusammenfinden können, geht es um etwas. Es geht der einen Seite um etwas – und es geht der anderen Seite um etwas. Das sind keine Marginalien und keine Lappalien. Die erste Frage, an der das sehr offenkundig wurde, war die des Kommunionempfangs für konfessionsverbindende Ehepaare. 2017 hat sich bereits eine Polarität gebildet, die bis heute bei weiteren Fragen mitschwingt. Es geht immer auch um Inhalte. Ich werde mich gerne, wenn es sein muss, mit den Mitbrüdern, die anderer Meinung sind, streiten, aber ich werde sie nicht dafür angehen, dass sie anderer Meinung sind, weil das ihre theologisch und im Gewissen geprüfte persönliche Entscheidung ist. Die verdient allen Respekt, wenn sie denn argumentativ eingebracht wird. Schwerer tue ich mich mit Mitbrüdern, die gar nichts sagen, aber dagegen sind. Das geht meines Erachtens nicht. Das war übrigens auch Anlass für die große Krisensituation im Synodalen Weg, als der sexualethische Grundtext nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe erreichte.
Die Lagerbildung hatte sich also offenbar bereits vor dem Beginn Ihrer Tätigkeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz angebahnt.
Zum Hintergrund der Entscheidung, dass wir damals 2017 als Bischöfe die Handreichung für den Kommunionempfang konfessionsverschiedener Ehepartner veröffentlicht haben, gehörte die politische Klugheit des damaligen Vorsitzenden, sich das Go vom Papst zu holen. Das war ein politisches Spiel. Jedem war klar: Ohne diese Autorität werden wir das nicht umsetzen können. Aber das hat auch zu einer Veränderung des Stils geführt. Jeder will jetzt für seine Dinge die Autorität des Papstes möglichst durch ein Schreiben oder zumindest eine Äußerung hinter sich haben. Wir haben in den letzten Jahren eine Welle an – teils nicht in der Bischofskonferenz kommunizierten – Briefen an den Heiligen Vater, oder wen auch immer, erlebt. Es kommen dann Antworten auf Anfragen, die wir gar nicht kennen, die aber für alle gelten sollen. Das führt zu inflationären Zuständen, die die Autorität des Heiligen Vaters nicht gerade stärken.
Mitbrüder sorgen sich angesichts der Polarisierung, dass es zu einem Schisma kommen könnte.
Ich muss den Kollegen sehr widersprechen, die darin die Gefahr einer Spaltung sowohl innerhalb der Bischofskonferenz als auch eine Abspaltung von der Weltkirche diagnostizieren. Dahinter gibt es ebenfalls politische Absichten: Man will gewissermaßen eine Beißhemmung oder auch Gewissensnöte bei Bischöfen auf der anderen Seite hervorrufen. Ich gehe mit dieser Chiffre nicht mit. Jeder weiß doch genau, was die Einheit für einen katholischen Bischof bedeutet, welch großen Wert sie für jeden von uns hat. Die heute strittigen Fragen müssen behandelt werden, es muss engagiert gerungen werden. Wir können uns davor nicht drücken. Man muss sich nur einmal die Konzilsgeschichte anschauen. Streit ist doch nichts Schlechtes – überhaupt nicht. Nichts bewegen ist keine Alternative, und kein Streit ist auch keine Alternative. Einer meiner ersten großen Gottesdienste, den ich erleben durfte, war die Amtseinführung von Bischof Hermann Josef Spital in Trier im Mai 1981, das war gleichzeitig die Verabschiedung von Bischof Bernhard Stein. Kardinal Joseph Höffner als Kölner Metropolit und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz kam und sprach davon, dass er im Ausland immer auf die erstaunliche Einmütigkeit innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz angesprochen werde, die die Welt erstaune, weil darin geradezu eine Art sakramentale Einheit offenkundig würde. Viele im Chorgestühl, aber auch im Gottesvolk lachten unvermittelt. Manches war offenbar immer schon so, aber nicht so offensichtlich – aber es wurde auch weniger darüber geredet und die Spannungen wurden nicht als Schlagabtausch in die Öffentlichkeit transportiert.