11. Weltsynode

Positive Momente und anhaltende Erwartungen

Wie haben Sie im Oktober das erste große Treffen der Weltsynode erlebt, gerade vor dem Hintergrund des Synodalen Weges und der Diskussion über die Rolle der katholischen Kirche in Deutschland innerhalb der Weltkirche?

Das war eine sehr positive Erfahrung. Aber es war auch anstrengend. Denn ich hatte versprochen und mich auch daran gehalten, dass ich unsere Anliegen dort einbringe. Da muss man dann viel Textarbeit machen und das, was man sagt, verschriftlichen – und das in einer fremden Sprache. Ich bin nicht so sicher im Englischen, dass ich das alles hätte aus dem Ärmel schütteln können. Das war vier Wochen lang eine harte Arbeit, die sich aber gelohnt hat, weil ich das Synthesedokument in seiner Breite als Bestandsaufnahme wirklich gut finde. Es wurde über alle Themen, die wir im Synodalen Weg bearbeitet haben, und viele darüber hinaus, ehrlich und sehr persönlich gesprochen. Die Methode war für diese Etappe auch gut. Ein spiritueller Stil war dem Ganzen sehr angemessen.

Wie gut ließen sich denn für Sie die internationalen Kontakte vertiefen?

Es war für mich die erste Erfahrung in diesem wirklich weltkirchlichen Kontext. Ich konnte viele Teilnehmende von anderen Kontinenten kennenlernen, die dort eine entscheidende Rolle spielen und die ich vorher nur aus den Medien kannte. Ich konnte auch die kennenlernen, die mir vorher Briefe geschrieben hatten und vielleicht Freunde besonderer Art sind. Aber auch mit denen habe ich am Tisch gesessen und dann über dieselben Themen geredet, weil wir den Anspruch hatten, miteinander einen Text als Gruppenvotum zustande zu bringen. Das ist auch gelungen. Insofern war das wirklich eine positive Erfahrung für mich.

Irritationen hat es im Vorfeld genug gegeben.

Ich weiß, dass wir irritiert haben. Es gab auch alle möglichen Theorien darüber, wie wir Deutschen in der Synode aufgetreten sind, um mit einer Charmeoffensive dort unsere Themen unterzubringen. Warum hatten wir unsere Texte vorab verschickt? Hatten wir uns auf die Sprachgruppen aufgeteilt, um den Wirkungsgrad unserer Eingaben zu erweitern? Oder ist dieses oder jenes auf Betreiben der Deutschen geschehen – oder gerade nicht? Ich kann nur sagen, dass alle diese Spekulationen völliger Quatsch sind. Ich war berufen, an diesem Projekt der Synode mitzuwirken, und habe das authentisch getan. Und dazu gehört für mich der Synodale Weg mit seinen Inhalten, aber auch als Prozess, und genau diese Erfahrungen und Fragen habe ich eingebracht.

Wo haben Sie besonders positive Resonanzen gespürt? Dass andere Ortskirchen oder zumindest Teile von ihnen zugesagt haben, am selben Strang zu ziehen? Oder waren die Vorbehalte oder gar offene Kritik dominanter?

Offene Kritik habe ich kaum erlebt. Vorbehalte lediglich gespürt, sie wurden nicht geäußert. Es gab eher das Gefühl der Zurückhaltung von bestimmten Personen. Ich habe viel Austausch gehabt mit Teilen der US-Amerikaner, der Lateinamerikaner, der Asiaten, vor allem aus Indien, mit Australiern, vereinzelt auch mit Afrikanern – also von allen Kontinenten. Wir Europäer kennen uns schon ganz gut und wissen uns einzuschätzen. Ich habe da gemerkt, dass wir keineswegs die Einzigen sind, die über fundamentale Themen nachdenken und sich Veränderungen wünschen. Nicht, weil das jetzt einfach zeitgemäß wäre, sondern weil es Notwendigkeiten im geschichtlichen Gang der Kirche als ecclesia semper reformanda sind. Das hat mir wirklich gutgetan. Angesichts des Ringens im und über den Synodalen Weg und angesichts der Briefe, die von hier und da kamen, gab es auch die Versuchung, das anders zu sehen. Ich habe mir selbst auch immer diese Frage gestellt: Sind wir so anders im Vergleich mit allen anderen, kann das sein? Es ist nicht so, als ließe ich mich nicht anfragen. Jetzt weiß ich: Viele schauen auch auf uns. Sie sagen: Ihr habt die Potenziale, ihr seid ein stückweit Vorreiter. Einige haben zu mir gesagt: Ihr müsst das tun, bitte macht das, aber tut es ohne Hochmut, dass die Welt das jetzt nur noch irgendwie kapieren müsse, was ihr vorgedacht habt. So habe ich mich allerdings selbst auch nie gesehen. Wir tun das, was in unserer Verantwortung liegt, und andere müssen das tun, was in ihrer Verantwortung steht.

Das klingt eigentlich nach einer guten Arbeitsatmosphäre.

Ich habe durchaus auch viele Ängste wahrgenommen. Die waren am Anfang dieser Synode stärker und bezogen sich auch auf die Methodik. Es gab Unsicherheit bis hin zur Ängstlichkeit: Hier könnte sich vielleicht etwas bewegen … Die Angst ist teilweise auch geblieben – und die Reflexionen im Nachgang zeigen, dass sie nach wie vor besteht. Da frage ich mich allerdings: Woher kommt eine solche Angst vor Bewegung, wo Christsein immer Weg ist – immerhin hat das der Herr von sich selbst gesagt. Wie kann man Angst davor haben, sich zu bewegen? Ich habe Angst vor Erstarrung der Kirche, weil sie dann die Menschen verliert.

Was sind Ihre Erwartungen für den zweiten Teil der Synode?

Was ist Synodalität in der katholischen Kirche? Das war der ursprüngliche Auftrag für die Zeit von 2022 bis 2024, daraufhin will man jetzt die Perspektive noch einmal schärfen. Unsere Aufgabe ist es, positive synodale Erfahrungen in unseren Ortskirchen und in der Kirche unseres Landes beizusteuern. Da haben wir viel zu berichten.

Wie konkret wird man werden?

Der Arbeitsplan für die Zwischenphase zeigt schon an, dass es bei bestimmten fundamentalen Fragen konkreter werden soll. Sie werden in enger Abstimmung mit dem Papst vorbereitet. Da geht es auch um kirchenrechtliche Fragen. Kirchenrechtlich muss nicht zuletzt der Status einer Bischofssynode geklärt werden, bei der nicht nur Bischöfe stimmberechtigte Mitglieder sind. Das muss noch deutlicher abgesichert werden. Und darin liegt ein sehr beachtliches Signal für die künftige Ausgestaltung synodaler Prozesse.

… gerade weil der spirituelle Charakter der Veranstaltung bisher im Vordergrund stand?

Niemand sollte sich täuschen, wie sehr diese Synode in Rom politisch gewesen ist. Sie war ganz geistlich, aber auch sehr politisch. Das spiegelt sich im Schlussdokument. Und siehe da, die dort gestellten Fragen werden aufgenommen. So geht es im Herbst etwa auch darum, die Ergebnisse der bisher beauftragten Arbeitsgruppen zum Diakonat von Frauen in der frühen Kirche aufzugreifen und eine Vorlage zu erarbeiten, wie es weitergehen kann.

Wird es im Dokument Ende Oktober konkrete Reformforderungen geben?

Ich kann es nicht wirklich einschätzen. Mit dem aktuellen Arbeitspaket bleibt der Papst sich treu. Er will über Synodalität verhandeln in der Synode und nicht über Einzelthemen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Vorstoß des Dikasteriums für die Glaubenslehre mit ihrem Papier zum Segen für nicht verheiratete Paare so etwas wie ein Seismograf sein sollte. Was geschieht eigentlich, wenn wir an konkrete Themen herangehen? Ich hoffe nicht, dass die Reaktionen die römische Kurie und den Papst abschrecken, dies weiter zu tun.

Was ist das Ziel des Papstes? Wo will er hin?

Der Papst will Synodalität verstetigen und die Praxis festigen in der katholischen Kirche, damit besser im ganzen Gottesvolk grundierte Entscheidungen auch in sehr konkreten Fragen in Zukunft möglich werden. In einer Weltkirche leben ganz unterschiedliche Kulturen, sodass nicht mehr einfach von Theologen Konstitutionen verfasst und dann darüber abgestimmt werden kann. Wichtig sind die Verbindungen untereinander von allen, die Kirche sind und Kirche leben zusammen mit den Verantwortlichen in der Kirchenleitung.

Deutsche Katholikinnen und Katholiken leben mit großer Selbstverständlichkeit in einer demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft und haben deshalb auch entsprechende Erwartungen an ihre Kirche. Inwieweit irritiert es dann, wenn nicht nur in päpstlichen Äußerungen im Zusammenhang mit Synodalität immer wieder auch doch etwas abfällig über Parlamentarismus gesprochen wird?

Mich irritiert das sehr, und ich habe dem auch Ausdruck verliehen, indem ich meine Kritik daran an die Verantwortlichen der Weltsynode herangetragen habe. Natürlich kann man einmal darauf verweisen, dass Synodalität in der Kirche keine Demokratie und keinen Parlamentarismus meint. Natürlich ist die Kirche keine Demokratie, das ist klar. Wir teilen unsere Werte nicht aufgrund von Mehrheitsentscheidungen, sondern folgen einem geoffenbarten Glauben. Aber die Vehemenz, mit der das, was wir Synodale tun, als leuchtendes Vorbild und der Parlamentarismus als Negativfolie hingestellt wird, ist für mich zunehmend unerträglich.

Inwiefern?

Das gilt nach zwei Seiten hin: Zum einen könnten wir von demokratischen Verfahren und Strukturen in aller Bescheidenheit manches lernen. In unserem Land haben wir als Kirche deshalb auch viel aus der gesellschaftlichen Realität übernommen, weil Menschen in einer Demokratie sowie in einem Rechtsstaat leben und sich in den entsprechenden Disputen ihre Meinung bilden und daher auch die Öffentlichkeit eine große Rolle spielt. Wir sind darin geübt und wollen das auch in unseren kirchlichen Kontexten soweit wie möglich nachvollziehen. Ich finde das richtig, und da könnte auch die Weltkirche profitieren. Die andere Seite ist: Wir leben in einer Zeit, in der parlamentarische Demokratien gefährdet sind. Wir haben in unserem Land mit der AfD eine Partei, die genau dieses rechtsstaatliche System abschaffen möchte. Manche sprechen davon, dass Demokratie nicht das einzig denkbare Staatswesen sei. Das ist doch eine gefährliche Situation. Wir täten deshalb als katholische Kirche gut daran, genau diese funktionierenden Demokratien möglichst in jeder Hinsicht zu stärken, weil sie der katholischen Soziallehre, die auf dem Evangelium fußt, am besten entsprechen. Ich finde es deshalb wirklich ärgerlich, wenn man immer wieder zu hören bekommt, dass man keinen Parlamentarismus wolle.

Diese Erwartungen an die Kirche haben nahezu alle Deutschen, wie die repräsentative Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von Evangelischer Kirche in Deutschland und Deutscher Bischofskonferenz zeigt, die jüngst veröffentlicht worden ist.

Auch die Kirchenmitgliedschaftsstudie zeigt, dass wir gesellschaftliche Relevanz verlieren. Der Anteil der Gläubigen und der Kirche an der gesamtgesellschaftlichen Realität in unserem Land wird geringer. Auf der anderen Seite zeigt die Studie, wie hoch unser Wirkungsgrad nach wie vor ist, gerade was den gesellschaftlichen Zusammenhalt, was die Vermittlung von Werten, was den Minderheitenschutz, was die Frage von Integration von Migranten in die Gesellschaft hinein betrifft. Das schafft Akzeptanz und begründet Plausibilität. Das gilt auch für unsere Orientierungsbeiträge zu gesellschaftlich relevanten Debatten in den Fragen des Lebensschutzes, die von Politikerinnen und Politikern weiterhin wahrgenommen werden. Das ist eine Dimension, in der das Evangelium seine politische Orientierung zeigt. Es gibt kein Evangelium, es gibt keine Kirche, die nicht politisch agieren müsste. Wir sollten das in der Freiheit, die uns geschenkt ist, tun. In anderen Teilen der Weltkirche wird jegliches Engagement der Kirche in dieser Hinsicht niedergeknüppelt oder schlicht von den politischen Kräften ignoriert. Wir sollten deshalb in Europa dankbar für diese Möglichkeiten sein und sie tunlichst nutzen – um der Menschen willen, solange es geht und soweit wir das redlich können.