Kapitel fünfundvierzig

Tom ist angespannt, als er am nächsten Morgen zum Verhör erscheint. Er will überall sein, nur nicht hier. Im Verhörzimmer ist es warm. Die Klimaanlage ist entweder ausgeschaltet oder kaputt. Machen sie das mit Absicht, um ihn schwitzen zu sehen? Rasbach scheint die Hitze jedoch nicht zu bemerken. Tom rutscht nervös auf seinem Stuhl herum.

»Was für eine Beziehung haben Sie zu Brigid Cruikshank?«, fragt Rasbach. Er kommt direkt zu Sache.

Tom wird rot. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«

»Dann erzählen Sie es uns eben noch einmal.«

Tom weiß nicht, ob sie bereits mit Brigid gesprochen haben und was Brigid ihnen gesagt hat. Er macht sich Sorgen, dass ihre Aussagen nicht übereinstimmen könnten. Erneut berichtet er den Detectives von seiner kurzen Affäre und wie er sie beendet hat. »Ich dachte, damit wäre es vorbei. Ich wusste nicht, dass sie noch Gefühle für mich hat. Aber nachdem Karen verhaftet worden ist, da ist sie in unser Haus gekommen und …« Er verstummt.

»Und was?«, hakt Rasbach geduldig nach.

»Meine Frau hat Ihnen das doch schon gesagt.« Tom weiß, was Karen den Detectives am Tag zuvor erzählt hat – jedes Detail. Calvin hat es ihm berichtet. Und er weiß auch, dass Karen ihren Anwalt und die Detectives angelogen hat, was ihr Gedächtnis betrifft. Er wünschte, sie hätte das nicht getan.

»Wir wollen es aber gern von Ihnen hören«, sagt Rasbach.

Tom seufzt. »Brigid hat mir erzählt, dass sie Karen an jenem Abend gefolgt ist, und wenn ich nicht mit ihr schlafen wollte, dann würde sie der Polizei erzählen, dass sie dort gewesen sei, Schüsse gehört und gesehen habe, wie Karen unmittelbar danach aus dem Restaurant gerannt ist.«

»Und? Haben Sie mit ihr geschlafen?«

»Ja«, gesteht Tom. Er weiß, wie erbärmlich das klingt, und er schämt sich. Er hebt den Kopf und schaut dem Detective in die Augen.

»Sie haben ihr also geglaubt, als sie gesagt hat, Karen habe einen Mord begangen«, sagt der Detective.

»Nein! Nein, das habe ich nicht!«, protestiert Tom. »Ich dachte, sie hätte das alles nur erfunden, dass sie mit ihren Lügen zur Polizei gehen würde und dass das für Karen alles nur noch schlimmer machen würde.« Tom windet sich auf seinem Stuhl und spürt, wie er schwitzt.

»Warum, glauben Sie, hat Brigid Sie derart bedroht?«, fragt Rasbach.

»Sie ist verrückt«, antwortet Tom. »Deshalb! Sie sitzt da in ihrem Fenster und beobachtet alles, was wir tun. Sie ist von uns besessen, und sie ist in mich verliebt. Es ist, als hätte irgendetwas ihr den Verstand vernebelt, und wir sind mittendrin. Es ist, als wären wir in ihrer Fantasie gefangen.« Tom hat kein Problem, das zu erzählen, denn es ist die bittere Wahrheit. Calvin hat ihm und Karen erzählt, was die Kriminaltechniker im Haus gefunden haben. Er weiß von den Fingerabdrücken. Tom beugt sich über den Tisch und schaut dem Detective in die Augen. »Wir wissen jetzt alle, dass sie in unserem Haus gewesen ist, wenn wir nicht da waren. Wir wissen alle, was die Fingerabdrücke beweisen. Wochenlang muss sie in unserem Haus herumgeschnüffelt haben. Sie hat in unserem Bett gelegen und Karens Unterwäsche durchwühlt! Und jetzt hat sie sich sogar die gleiche Frisur gemacht wie Karen. Sagen Sie mir jetzt nicht, das sei nicht verrückt. Wer macht sowas?« Tom bemerkt, dass er wild mit den Armen gestikuliert, und so lehnt er sich wieder zurück und versucht sich zu beruhigen.

Rasbach erwidert seinen Blick, schweigt aber.

»Vor ein paar Tagen«, fährt Tom fort, »hat Karen geglaubt, jemand habe den Stopfen aus ihrer Parfümflasche auf dem Schminktisch genommen. Ich dachte, das sei sie selbst gewesen. Aber raten Sie mal, wessen Fingerabdrücke auf dem Stopfen gefunden worden sind? Brigids!«

»Wie, glauben Sie, ist sie reingekommen?«, fragt Rasbach.

»Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht«, antwortet Tom. »Während unserer Affäre habe ich ihr die Schlüssel gegeben. Sie hat sie zwar wieder zurückgebracht, aber ich nehme an, dass sie vorher eine Kopie davon hat anfertigen lassen.«

»Und Sie haben Ihre Schlösser nie gewechselt?«

»Nein. Warum auch? Mit sowas habe ich doch nicht gerechnet.« Aber er hätte damit rechnen müssen.

Rasbachs Blick ist noch immer auf ihn gerichtet. »Sonst noch was?«

»Ja. Brigid ist die Einzige, die die Waffe in unserer Garage deponiert haben kann. Sie muss an dem Abend dort gewesen sein, wie sie gesagt hat. Sie muss Karen gefolgt sein und dann die Waffe genommen haben.« Tom verschränkt die Arme vor der Brust. »So. Und? Werden Sie sie jetzt verhaften?«

»Weshalb genau?«, fragt Rasbach.

Tom funkelt ihn ungläubig an. »Ich weiß nicht«, erwidert er spöttisch. »Wie wäre es mit Hausfriedensbruch? Fälschen von Beweisen …?«

»Ich habe keinen Beweis dafür, dass sie die Waffe wirklich in der Garage deponiert hat«, erklärt Rasbach.

Tom zieht es das Herz zusammen. »Wer soll es denn sonst gewesen sein«, verlangt er verzweifelt zu wissen.

»Ich weiß nicht. Es könnte jeder gewesen sein. Der Anruf kam von einem öffentlichen Fernsprecher.«

Tom starrt Rasbach ungläubig an. Seine Angst nimmt wieder zu. Verdammt! Wenn Rasbach nicht glaubt, dass Brigid die Waffe in der Garage deponiert hat … Tom spürt, wie sich ihm vor Angst der Magen umdreht, und der Detective beobachtet ihn aufmerksam.

»Vermutlich«, sagt Rasbach, »kann ich sie wegen Hausfriedensbruchs drankriegen.« Er steht auf. »Im Augenblick habe ich keine weiteren Fragen mehr. Sie können wieder gehen.«

Tom steht langsam auf und versucht seine Würde zu bewahren.

»Es ist wirklich ein glücklicher Zufall, dass Ihre Frau ausgerechnet jetzt ihr Gedächtnis wiederfindet«, bemerkt Rasbach in beiläufigem Ton.

Tom erstarrt. Dann zwingt er sich, den Kommentar zu ignorieren.

»Oh, eine Sache noch …«, sagt Rasbach. »Warum wollte sich Brigid an jenem Abend mit Ihnen treffen?«

Tom setzt sich langsam wieder. »Ich habe sie an dem Abend angerufen, weil ich sie fragen wollte, ob sie weiß, wo Karen ist. Dann habe ich sie gefragt, warum sie sich eigentlich mit mir treffen wollte und warum sie mich versetzt hat. Sie hat gesagt, sie hätte das einfach vergessen, aber es sei auch nicht wichtig gewesen. Es sei ihr einfach was dazwischengekommen.« Er hält kurz inne und erinnert sich. »Ich hatte solche Angst um Karen, dass ich nicht weiter nachgefragt habe. Aber später …« Er zögert.

»Aber später …«, hakt Rasbach nach.

Tom weiß nicht, ob er dem Detective das sagen soll oder nicht. Aber was, wenn Brigid es ihm sagt? »Sie hat mir erzählt, dass sie sich mit mir habe treffen wollen, weil sie mir habe sagen wollen, dass jemand an diesem Morgen um unser Haus geschlichen sei.«

»Und wer?«

»Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber der Beschreibung nach zu urteilen, war es Robert Traynor.«