Ich bin hier, dachte Saavik. Ich bin tatsächlich hier. Ihr Puls raste plötzlich.
Als sie die Brücke betrat, schienen Spocks Geschichten plötzlich lebendig zu werden. Von hier aus hatte Spock beobachtet, wie die Tholianer ein Netz spannen, während der Captain in einer Sphäre der Nichtexistenz gefangen war. Hier fiel Dr. McCoy auf seinen eigenen Injektor und veränderte fast das ganze Universum. Hier lagen die Offiziere im Sterben, als Khan die Lebenserhaltungssysteme deaktivierte. Hier spielte der Captain eine besondere Art von Poker, als seinem Schiff nur noch zehn Minuten Zeit blieben. Hunderte von anderen Dingen fielen Saavik ein – Spock hatte ihr im Lauf der Jahre davon erzählt und die Geschichten auf ihre Bitte hin mehrmals wiederholt. Einmal schickte er ihr sogar eine Aufzeichnung von den Ereignissen im Kontrollraum während eines ruhigen Tages. Saavik sah sie sich stundenlang an, prägte sich die Gesichter und alle Einzelheiten der Konsolen ein. Sie sehnte sich danach, an einem der Pulte zu sitzen, Teil der Brückencrew zu sein, zur Besatzung des Schiffes zu gehören.
Es spielte überhaupt keine Rolle, dass jetzt fast alle Plätze unbesetzt und die Bildschirme dunkel waren, dass die Enterprise in einem Segment des Orbitaldocks schwebte. Für Saavik genügte es, endlich an diesem Ort zu stehen – für sie ging nun ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.
Freude ist eine emotionale Reaktion, erinnerte sie sich. Und zwar auf das schönste erste Mal überhaupt. Aber ich darf mir davon nichts anmerken lassen. Ich trage jetzt eine Starfleet-Uniform und bin an gewisse Verhaltensregeln gebunden. Ich muss daran denken, Spock mit ›Mister‹ anzusprechen, und es ist auch angebracht, ihn zu siezen. Auf keinen Fall darf ich ihn durch irgend etwas in Verlegenheit bringen. So etwas muss unter allen Umständen vermieden werden …
Nicht alle Brückenoffiziere waren fort. An der Kom-Station saß eine Frau und stützte das Kinn auf die Hände. Sie schien zu meditieren, aber Spock trat trotzdem auf sie zu.
»Commander Uhura. Das ist der bereits mehrfach erwähnte Akademiestudent: Kadett Saavik. Sie hat mit dem ersten Ausbildungsjahr begonnen. Saavik, das ist Lieutenant Commander Uhura, unser Kommunikationsoffizier.«
»Glück und langes Leben, Lieutenant Commander Uhura.«
Die dunkelhäutige Frau stand auf und blickte in ein ernstes, ausdrucksvolles und überaus attraktives Gesicht. Langes, dunkles Haar säumte hohe Wangenknochen und gewölbte Brauen, bildete Locken hinter den spitz zulaufenden Ohren. Große Augen glänzten unter langen schwarzen Wimpern; in den Pupillen leuchteten Neugier und eine für Vulkanier gar nicht typische Aufregung. Die junge Frau stand gerade und trug eine makellos sitzende rote Kadettenuniform. Ihr alter Tricorder steckte in einer nagelneuen Tragetasche. Abgesehen von ihrer fast feierlichen Würde wirkte sie sehr jung. Ihre Miene verriet so etwas wie Erstaunen, als sie den Kom-Offizier der Enterprise musterte.
Uhura lächelte unwillkürlich.
»Willkommen an Bord, Saavik. Sind Sie das erste Mal auf der Enterprise?«
»Ja. Sie haben den Code Rosecrypt erfunden. Er ist bemerkenswert. Wie kamen Sie auf die Idee dazu?«
»Oh, nun …« Uhura suchte nach den richtigen Worten. »Ich hatte es satt, dass Romulaner und Klingonen immer wieder unsere Codes knackten. Es begann als ein Spiel … Ich nehme an, davon erfahren die Kadetten nichts, oder?«
»Nein. Meine Informationen stammen von einem Datenmodul, das Commander Spock mir schickte. Die Daten betrafen Innovationen in der Verschlüsselung von Signalen, die auf Subraumfrequenzen gesendet werden. Außerdem ging es um kreative Anwendungen von Computerlogik. Es handelte sich um ein sehr interessantes und informatives Modul.« Saavik sah kurz zu Spock. Sie erkannte keine Anzeichen von Missbilligung in seinen Zügen, und deshalb fuhr sie fort: »Mich fasziniert insbesondere ein Aspekt des neuen Codes. Ich weiß genau, wie er funktioniert, aber trotzdem bin ich nicht zu einer Entschlüsselung imstande …«
Uhura hätte sich das Datenmodul gern einmal angesehen.
»Und es begann als ein Spiel? Interessant. Spiele stehen in direkter Verbindung mit dem Begriff ›Spaß‹, nicht wahr? Damit befasse ich mich gerade.« Saavik runzelte die Stirn, und einmal mehr musterte sie den weiblichen Kom-Offizier der Enterprise. Uhura versuchte, nicht zu amüsiert zu wirken.
»Nun, in Hinsicht auf ›Spiele‹ sind viele Definitionen möglich, aber in den meisten Fällen geht es dabei um Spaß, ja. Äh, Saavik? Stimmt was nicht?« Uhura überlegte, ob sich vielleicht ihr Haar gelöst hatte oder so.
»Nein«, antwortete die junge Frau. »Aber ich sehe jetzt zum ersten Mal eine Person, die sich durch ein in ästhetischer Hinsicht perfektes Erscheinungsbild auszeichnet. Bisher wusste ich nicht, dass solche Eigenschaften bei Menschen existieren. Oh.« Saavik biss sich auf die Unterlippe und sah erneut zu Spock. »Ich glaube, das war eine persönliche Bemerkung.«
»Nicht nur eine«, bestätigte der Erste Offizier.
»Keine Sorge«, sagte Uhura und strahlte. »In meiner Heimat gelten solche Worte nicht als unhöflich.«
»Ich schätze, Commander Uhura wird diese Erfahrung überleben«, meinte Spock. »Möchten Sie nun den Rest der Brücke kennenlernen?«
»Ja«, erwiderte Saavik und stellte fest, dass Spock sie siezte. Sie nickte eifrig, doch dann fiel ihr noch etwas ein. »Unser Gespräch hat mir gefallen, Lieutenant Commander Uhura. Ich würde es gern fortsetzen, wenn sich Gelegenheit dazu bietet. Ich habe noch viele Fragen. Mein Aufenthalt an Bord dieses Schiffes dauert bis morgen.«
»Gut. Ich bin gern bereit, Ihnen Antwort und Auskunft zu geben. Hat man Ihnen bereits eine Kabine zugewiesen?«
»Nein. Ich benötige keine Unterkunft, da ich bis zu meiner Abreise auf Schlaf verzichten werde. Derartige Ruhephasen wären Verschwendung von kostbarer Zeit.«
»Ich verstehe.« Uhura warf dem Ersten Offizier einen Blick zu, der Mitgefühl zum Ausdruck brachte, aber Spock schien alles für völlig normal zu halten. »Dann sehen wir uns später, Saavik. Und noch etwas: Haben Sie jemals in einen Spiegel gesehen?«
»Ja«, entgegnete die junge Frau verwirrt.
»Nun …« Uhura lächelte. »Vielleicht sollten Sie das wiederholen.«
»Wie … Sie meinen.« Saavik wandte sich verwundert ab, um Spock durch die Brücke zu folgen.
An der wissenschaftlichen Station blickte sie ihm über die Schulter, als er die einzelnen Funktionen erklärte. Anschließend nahm sie Platz und betätigte Tasten, sondierte Schiffe im Dock und den Verkehr in der Umlaufbahn. Uhura hörte, wie sich Spock und seine Begleiterin leise auf Vulkanisch unterhielten.
»Den letzten Hinweis habe ich nicht verstanden, Mr. Spock. Warum soll ich in einen Spiegel blicken? Ist mit meinem Äußeren etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, Saavikam. Commander Uhura hat damit Ihr Kompliment erwidert.«
»Wie bitte?«
»Menschen erachten Bewertungen ihres Aussehens entweder als Komplimente oder als Beleidigungen. Wie sie das eine vom anderen unterscheiden, lässt sich kaum feststellen – es hängt vom Ausmaß der jeweiligen Schmeicheleien und außerdem von der aktuellen Mode ab. Eine sehr komplizierte Angelegenheit, Saavikam. Dabei ist besondere Vorsicht geboten.«
»Oh. Es freut mich, dass ich Commander Uhura nicht beleidigt habe, aber ein Kompliment lag mir ebenfalls fern, Mr. Spock. Es ging mir nur um eine objektive Feststellung. Nun, Spiele sind für Menschen sehr wichtig, nicht wahr?«
»Ja, Saavikam, das sind sie tatsächlich. Manchmal werden sie allen anderen Dingen vorgezogen, was natürlich nicht logisch ist …«
Meine Güte, dies hätte ich auf keinen Fall verpassen wollen, dachte Uhura. Die junge Dame gönnt Spock keine Verschnaufpause – und er ist überglücklich. Was mal wieder beweist: Bei Spock weiß man nie …
»Ja, Saavikam, wir können hierher zurückkehren«, sagte der Erste Offizier, als er die Studentin zum Turbolift führte. »Commander, innerhalb der nächsten Stunde rechne ich mit einer Nachricht vom HQ. Sie erreichen mich vermutlich in meinem Quartier. Ich nehme an, Sie bleiben auch weiterhin von der Aufregung angesichts unserer ›Heimkehr‹ verschont.«
»Ebenso wie Sie, Mr. Spock.« Uhura schmunzelte.
Saavik nickte höflich und entschied, nicht das Risiko eines neuen Gesprächs einzugehen. Doch während sie am Turbolift standen und auf das Eintreffen der Transportkapsel warteten, murmelte die junge Frau auf Vulkanisch: »Mr. Spock, was bedeutet ›Heimkehr‹? Warum sollte damit Aufregung verbunden sein?«
»Auch das ist eine sehr komplexe Thematik, Saavik …«
Uhura lachte leise, als sich das Schott hinter dem Ersten Offizier und seiner Begleiterin geschlossen hatte.
Nein, bei Spock kann man wirklich nie wissen …
Ein Unwetter kündigte sich an.
Kirks Stiefel klackten laut übers Pflaster des von Bäumen gesäumten Wegs, der zum Starfleet-Hauptquartier führte. In der Ferne zuckte ein Blitz aus den niedrigen Wolken, die sich über die Bucht hinwegschoben, und Jim zählte die Sekunden. Bei ›tausendneun‹ grollte Donner. Um ihn herum lockten die Düfte einer Frühlingsnacht: Blumen, Blüten, frisch gemähtes Gras. Hinzu kam das besondere, elektrisch prickelnde Aroma eines bevorstehenden Gewitters.
Die Erde im Frühling – es gibt nichts Vergleichbares. Von einem Augenblick zum anderen spürte Kirk Heimweh, den irrationalen Wunsch, sofort zur Enterprise zurückzukehren. Vor ihm erstreckte sich ein hell erleuchteter Platz, und er trat hinter einen Baum, kam sich dabei wie ein Narr vor.
Vom Landebereich her näherte sich jemand und überquerte den Platz mit einem Antigrav-Container: eine junge Frau mit braunem Haar. Kirk fragte sich, wie sie aus der Nähe betrachtet aussehen mochte.
Am Abend benutzte man die Vordertür, wenn man keinen Prioritätszugang vom Shuttledock hatte – oder vermeiden wollte, dass der Computer den persönlichen ID-Code speicherte. Kirk wartete, bis die junge Dame im Gebäude verschwunden war, geduldete sich noch etwas länger, überquerte dann ebenfalls den Platz und stieg die breite Treppe des Starfleet-Hauptquartiers hoch.
Die Außentür glitt beiseite und schloss sich mit einem vertraut klingenden Zischen hinter Kirk. Er nickte dem Fähnrich am Tresen zu und schritt zielstrebig in Richtung Lift.
»Admiral … Admiral Kirk – Sir!«
Mist!
»Sie … Sie sind es wirklich!« Der Fähnrich stand stramm und errötete bis zu den Wurzeln seines kupferroten Haars. Mit unverhohlener Ehrfurcht starrte er Kirk an.
Jim seufzte.
»Guten Abend, Fähnrich«, sagte er und fragte sich, wie er nun seine Spuren verwischen sollte. »Ja, bei der letzten Überprüfung habe ich festgestellt, noch immer ich selbst zu sein. Warum sind Sie so erstaunt? Werde ich vielleicht gesucht – lebend oder tot?«
Dem Fähnrich schoss noch mehr Blut ins Gesicht.
»Nein, Sir! Nicht dass ich wüsste … Ich meine …« Der junge Mann litt ganz offensichtlich. Kirk hatte Mitleid mit ihm und lächelte. »Ich meine, ich habe beim Geschichtsunterricht von Ihnen gehört, Sir. Hätte nie gedacht, Ihnen einmal zu begegnen!«
»Beim Geschichtsunterricht?« Das war noch viel schlimmer als eine Fahndung. »Altertum? Oder neuere Geschichte?«
»Äh …« Der Fähnrich schien nicht ganz sicher zu sein. »Es ging um den organianischen Friedensvertrag, Sir.«
»Oh. Nun, Sie sollten nicht alles glauben, was in den Büchern geschrieben steht. Offenbar lesen Sie gern. Und in diesem Fall ist es gegen die Vorschriften.« Der Fähnrich starrte entsetzt auf das Buch in seiner linken Hand – ein verräterischer Zeigefinger markierte eine Stelle. Kirk streckte die Hand aus, wie ein Lehrer, der sich anschickte, eine Zwille zu beschlagnahmen. »Mal sehen, was Sie von Ihren Dienstpflichten ablenkt.«
»Ein Kinderbuch, Sir«, murmelte der Fähnrich verlegen. »Als Geschenk für meinen kleinen Bruder gedacht. Hab's in einem Antiquariat gesehen und eine Menge Geld dafür ausgegeben. Konnte einfach nicht widerstehen.«
Kirk hielt das Buch in den Händen und kehrte für einige Sekunden in die Vergangenheit zurück. Er dachte an sein eigenes Exemplar, an Worte auf echtem Papier, an einen brüchigen Lederrücken. Diese Ausgabe stammte aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert, war mit Acryl behandelt und sollte garantiert ewig halten. Am Titel hatte sich während der vergangenen vierhundert Jahre nichts geändert: Die Schatzinsel, von Robert Louis Stevenson. Und die Worte auf dem Deckblatt klangen vertraut:
Wenn Seemannsgarn zu guten Seemannsweisen,
von Glut und Kälte, Stürmen und Passaten,
von Schiffen, Inseln, Abenteuerreisen,
von Ausgesetzten, Schätzen und Piraten,
kurz, all der Zauber alter Heldentaten,
wie er von je mein ganzes Herz bezwungen,
berichtet nach der Weise der Janmaaten,
auch euch noch reizt, ihr neunmalklugen Jungen …{1}
»Ihr kleiner Bruder kann von Glück sagen«, kommentierte Kirk mit einem Hauch Melancholie, als er das Buch zurückgab. »Eigentlich müsste ich dieses Buch beschlagnahmen, aber ich bin selbst einmal ein kleiner Bruder gewesen. Außerdem: Wenn Sie schnell lesen, sind Sie bis zum Ende Ihres Dienstes damit fertig.«
»Aye, aye, Sir! Danke, Sir!« Die Erleichterung war dem jungen Mann deutlich anzusehen. »Wenn Sie sich jetzt bitte in die Anwesenheitsliste eintragen würden …«
»So verlangen es die Vorschriften, nicht wahr?« Kirk grinste schamlos. »Allerdings … Ich habe eine Überraschung geplant, und deshalb möchte ich auch nicht angekündigt werden. Dann wäre alles ruiniert. Wie heißen Sie, Fähnrich?«
»Richards, Sir!«
»Hoffen Sie, irgendwann an Bord eines Raumschiffs versetzt zu werden?«
»Ja, Sir.«
»Gut, gut. Mir gefallen Leute, die gute Bücher zu schätzen wissen.« Kirk lächelte noch einmal, winkte und ging weiter. Dafür sollte man mich eigentlich erschießen, dachte er. Aber eins steht fest: Der Bursche verrät bestimmt nichts. Richards. Netter Kerl. Ein gutes Buch, für seinen kleinen Bruder … Merk dir den Namen, Jim. Vielleicht …
Kurze Zeit später betrat er hundertdreißig Meter tiefer eine Starfleet-Sektion, von deren Existenz die meisten Offiziere überhaupt nichts wussten. Nur zwei andere Raumschiffkommandanten hatten jemals die Erlaubnis erhalten, das ›Gewölbe‹ aufzusuchen.
Kirks Erwartungen gemäß hielt sich niemand in dem gewaltigen unterirdischen Komplex auf. Dies war das Gehirn und Nervenzentrum von Starfleet Command. Die separaten Ambientensysteme konnten zweitausend Personen für unbegrenzte Zeit am Leben erhalten. Doch in erster Linie waren in dem Gewölbe Maschinen untergebracht – abgesehen von Wartungstechnikern kam praktisch niemand hierher. Im stummen Zwielicht reihten sich die Speicherbanken von Computern aneinander. Hier wurden die Flottenbewegungen ebenso überwacht wie der Sicherheitsstatus in allen Sektoren der Föderation. Darüber hinaus empfingen die Elaborationsblöcke Daten von allen Außenbasen und Sonden, die in unerforschte Bereiche der Galaxis vorstießen. Hier gab es eine Miniaturausgabe der großen Einsatzzentrale weiter oben, und dazu gehörten auch viele taktische Displays. Das Gewölbe war vor hundert Jahren entstanden, während der kritischsten Phase des romulanischen Krieges: Unter dem Starfleet-Gebäude schuf man eine künstliche Höhle im Felsgestein, um das Überleben der Erde zu sichern, wenn sie direkt angegriffen werden sollte. Nun, dazu kam es nie. Aber nicht alle Planeten waren Starfleet freundlich gesonnen, und auch nach hundert Jahren Frieden stellten nicht alle Sonnensysteme friedliche Nachbarn dar.
Während Diplomaten ihren Aufgaben in Botschaften und Konsulaten nachgingen, während Raumschiffe am Rand der Föderation patrouillierten, während der galaktische Frieden immer wieder in Gefahr geriet und häufig nur im letzten Augenblick bewahrt werden konnte … Während all dies geschah, blieb die Luft tief unter den Straßen von San Francisco ständig frisch. Die Lebensmittelsynthetisierer funktionierten immer, und die ganze Zeit über strömten Daten in die Speicher der Computer. Der Grund dafür: Man hielt den Frieden nicht für eine Selbstverständlichkeit. Starfleets Aufgabe bestand darin, ihn zu schützen, und um dieser Pflicht gerecht zu werden, musste das Unvorstellbare in Erwägung gezogen werden – das Gewölbe war für den Krieg bestimmt.
Kirk hasste diesen Ort.
Aber hier konnte er ungestört arbeiten. Hier hatte er die Möglichkeit, jede beliebige Starfleet-Datenbank unbemerkt anzuzapfen, ohne dass jemand etwas davon erfuhr – sah man von einem jungen Fähnrich ab, der ihn als Helden verehrte.
Ein Kinderspiel, dachte er und nahm am Terminal neben der Tür Platz. »Computer, Zugriff auf die aktuellen Daten der Admiralität. Neue Order für Captain James T. Kirk.«
»IDENTIFIZIERUNG DURCH NETZHAUT-SCAN NOTWENDIG«, ertönte eine metallisch und maskulin klingende Sprachprozessorstimme. Kirk brachte die dritte ID-Verifizierung innerhalb kurzer Zeit hinter sich. Wenige Sekunden später bestätigte der Computer seine Identität, und auf dem Schirm erschienen einige Zeilen Klartext.
Jim fluchte hingebungsvoll.
Er las die gefürchteten Anweisungen noch einmal: Versetzung ins HQ, offizielle Belobigung, sogar ein Termin für die Auszeichnungszeremonie. All jene Dinge, die ihm wirklich am Herzen lagen … Sie fielen den wenigen Worten im kleinen Projektionsfeld zum Opfer.
»Nein, diesmal nicht, Nogura!«, brachte Kirk leise zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Computer, das soll sich der Admiral … an eine ganz bestimmte Stelle stecken.«
»KONTEXT UNKLAR. BITTE SPEZIFIZIEREN SIE.«
»Datei erneut öffnen! Öffnungsbefehl löschen! Eliminiere auch diese letzte Instruktion aus den Aufzeichnungen, ebenso wie die Hinweise auf meinen Datenzugriff von diesem Terminal aus! Virtueller Datenkanal: Abteilung Einsatzberichte, Sektion Archiv, vierte Etage, Terminal zwei.« Das sollte eigentlich genügen, überlegte Kirk.
Er lehnte sich im Sessel zurück, faltete die Hände hinterm Kopf und stützte die Füße auf den Rand der Konsole. »Neue Datei anlegen«, sagte er. »Zwischenfallbericht …«
In der exo-wissenschaftlichen Abteilung im achtzehnten Stock des Starfleet-Hauptquartiers küssten sich Dr. Goldman und Dr. Rakir. Dabei handelte es sich keineswegs um einen ungewöhnlichen Vorgang. Janet Goldman hatte eine hervorragende Karriere hinter sich, und nun sah sie sich mit einer besonders schwierigen Herausforderung konfrontiert: Sie musste die Hände von ihrem Kollegen lassen, während andere Personen in der Nähe weilten. Nun, derzeit waren sie allein. Janet fand es ohnehin dumm, solche Zurückhaltung zu üben. Immerhin wusste die ganze Abteilung von ihrer bevorstehenden Heirat, die alle für herrlich traditionell hielten. Dr. Goldman teilte diese Ansicht.
Sie widmeten sich so sehr der Interspezies-Kommunikation, dass sie den akustischen Hinweis überhörten, als sich die Tür öffnete.
»Entschuldigung … Entschuldigung!« Jessie Korbet stand im Zugang, die eine Hand am Steuerungsgriff des Antigrav-Containers.
»Ich hoffe, Sie kommen wegen einer wichtigen Angelegenheit, Fähnrich.« Goldman machte keine Anstalten, ihre derzeitigen Aktivitäten einzustellen, doch Rakir löste sich aus der Umarmung und versuchte, ernst und würdevoll zu wirken.
»Ja«, erwiderte Korbet. »Ich bringe Ihre Lieferung vom Orbitaldock.« Sie sah Verwirrung in den beiden Gesichtern und fügte hinzu: »Sie sind doch die zuständigen Wissenschaftler, oder? Mr. Spock von der Enterprise schickt Ihnen dies. Haben Sie keine entsprechende Benachrichtigung erhalten?«
»Oh, bestimmt ist eine eingetroffen«, erwiderte Goldman rasch. »Muss sie übersehen haben. Nun, was enthält der Container?«
»Wir wissen es nicht, weil wir noch keine Gelegenheit hatten, den Update-Bericht einzusehen«, erklärte Rakir und warf einen schuldbewussten Blick zum Meldungsschirm.
Meine Güte, muss Liebe schön sein, dachte Korbet. Sie hielt den Container fest, während die beiden Wissenschaftler das Antigravfeld manipulierten und den Gegenstand zum nahen Untersuchungstisch brachten.
»Was ist das?«, hauchte Rakir. »Substanz gewordene Schönheit …«
Sie betrachteten das Artefakt. Ein Lichtpunkt erschien darin, wuchs zu geometrischen Mustern und schimmerte dabei in allen Regenbogenfarben. Als der Glanz das ganze Objekt füllte, schien er sich zu krümmen, und daraufhin schrumpften die Muster zu einem glühenden Punkt, der zum Beginn eines neuen Zyklus wurde.
»Was das ist?«, wiederholte Korbet leise. »Ich habe keine Ahnung. Aber es sieht toll aus, nicht wahr? Stammt von dem romulanischen Schiff, das die Enterprise hierherbrachte. Vermutlich hat man dort nicht herausgefunden, was es hiermit auf sich hat.«
»Nicht einmal Spock konnte das Rätsel lösen? Donnerwetter!« Goldman lächelte plötzlich. »Aber ich bin dazu imstande. Wir beginnen sofort mit einem Infrascan, und anschließend setzen wir uns mit Spock in Verbindung. Wieso hat er derartige Untersuchungen nicht selbst durchgeführt?«
»Ich weiß es nicht, Doktor. Wie dem auch sei: Ich muss jetzt los. Ein zweites Artefakt dieser Art ist für Life City bestimmt, und ein Unwetter kündigt sich an. Bestimmt gibt's bald Probleme mit dem Verkehr.«
»Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Fähnrich. Hoffentlich erreichen Sie Ihr Ziel vor dem Gewitter.«
»Danke. Was Sie betrifft – arbeiten Sie nicht zu hart.« Korbet zwinkerte, und Goldman lachte. Rakir errötete, als sich die Tür schloss.
Janet wandte sich dem Artefakt zu, und das schimmernde Licht spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. »Sieh dir das an, Dorn. Komm, ich möchte dir etwas zeigen.«
»Du hast mir schon viele Dinge gezeigt, Janet.« Rakir zögerte, trat dann vorsichtig näher. »Und alle lenken mich ab. Vielleicht sollten wir jetzt einen Kom-Kontakt mit Mr. Spock herstellen.«
»Gleich. Zuerst sieh dir das hier an … Hab dich!« Goldman lachte.
»Oh, du bist durch und durch verschlagen, Janet …« Rakir lachte ebenfalls, und dann küssten sie sich einmal mehr.
Jessie Korbets Shuttle glitt über den Wolken des Unwetters durch die Nacht. Ein heller Mond schien auf das Wogen und Wallen weiter unten hinab, doch hier oben war die Luft fast unbewegt. Die junge Frau warf einen Blick auf die Anzeigen für den Frachtstatus – alles in bester Ordnung.
Diesmal könnte sich tatsächlich etwas ergeben, dachte sie. Bobby Harper scheint sehr nett zu sein. Ja, richtig nett. Ich habe ein gutes Gefühl bei dieser Sache …
Solche Dinge spielten eine große Rolle für sie. Jessie hörte auf jene Stimme, die manchmal in ihr erklang, emotionale Eindrücke vermittelte. Wie auch immer man es nennen wollte, ob Instinkt oder Intuition … Letztendlich lief es auf ›Glück‹ hinaus. Jessie Korbet glaubte ans Glück. Und bisher glaubte das Glück auch an Jessie Korbet.
Die Kuppeln von Life City gerieten in Sicht. Das Gewitter befand sich weit hinter dem Shuttle, als Korbet die vom Mondschein erhellten Gipfel der Panamint Mountains überquerte.
Heute Abend ein Abstecher zur Stadt des Lebens – und morgen eine neuerliche Begegnung mit Bobby Harper …
»Wohnen Sie nun in der Akademie, Saavikam?« Spock blieb beim Sie. »Benötigen Sie irgend etwas?«
Sie saßen im warmen Quartier des Vulkaniers, und Saavik wandte den Blick von einigen sonderbaren Figuren ab, um zu antworten. Spock nahm ihre Förmlichkeit zufrieden zur Kenntnis. Er wusste: Sie hätte viel lieber mit einem Streifzug durch die Unterkunft begonnen, um sich ihr unbekannte Gegenstände anzusehen und Dutzende von eigenen Fragen zu stellen. Seltsamerweise erfüllte ihn auch dieses Wissen mit Zufriedenheit.
»Ja, Mr. Spock, ich wohne jetzt im Akademiegebäude. Alle benötigten Dinge werden mir von Starfleet zur Verfügung gestellt. Abgesehen davon brauche ich nichts.«
Der Erste Offizier presste die Fingerspitzen aneinander und musterte Saavik. Sie sah gut aus, unterschied sich sehr von dem ausgehungerten wilden Mädchen auf Hellguard. Auch wenn dieser Aspekt irrelevant war: Uhuras Kompliment erschien ihm durchaus angemessen.
»Wie dem auch sei: Vielleicht gibt es Dinge, die Sie nicht unbedingt benötigen, Ihnen jedoch von Nutzen sein könnten oder an denen Sie schlicht und einfach Gefallen fänden. Wenn das der Fall sein sollte, so zögern Sie nicht, entsprechende Wünsche zu äußern. Außerdem: Ihr Kontostand gibt Ihnen erheblichen finanziellen Spielraum. Sie hätten nicht mit einem Frachtshuttle hierherkommen müssen.«
»Die Credits waren nicht der Grund dafür, Mr. Spock. Es ging mir um eine möglichst lange Flugzeit. Der Aufenthalt an Bord eines Raumschiffs gefällt mir sehr. Dabei scheint es in erster Linie darauf anzukommen, wohin man unterwegs ist. Woher man kommt, hat hingegen kaum Bedeutung.«
»In der Tat, Saavikam. Da Sie dieses Thema ansprechen … Darf ich fragen, welche Auskunft Sie Starfleet gaben? Sie sind keineswegs verpflichtet, mir zu antworten.«
»Ich … ich habe beschlossen, das Geheimhaltungsrecht in Hinsicht auf persönliche Daten in Anspruch zu nehmen.« Saavik faltete die Hände im Schoß und mied Spocks Blick. »Das Ergebnis entsprach Ihren Beschreibungen. Bei der Aufzeichnung war niemand zugegen, und das Modul wurde versiegelt. In der elektronischen Akademie-Akte gibt es keine Hinweise. Man fragte mich aus medizinischen Gründen, welche Planeten ich besucht habe, doch der Zeitraum betraf allein die letzten drei Jahre. Ich bin sehr dankbar für dieses Gesetz, aber … Die Menschen halten mich für eine Vulkanierin. Kommt es einer Lüge gleich, wenn ich ihre Annahmen nicht korrigiere?«
»Nein. Menschen gehen häufig von falschen Vermutungen aus. Zwar achten sie die bei anderen Völkern gebräuchliche Privatsphäre, doch für sie selbst hat dieser Begriff einen eher relativen Bedeutungsinhalt. Anders ausgedrückt: Sie müssen ihn für sich selbst definieren.«
»Für die Menschen ist praktisch alles relativ.« Saavik seufzte. »Ihre Sprache kann sehr schwierig sein und steckt voller Redewendungen, selbst bei Anweisungen und dergleichen. Das könnte zu erheblichen Problemen führen, ›wenn man den Faden verliert‹. Diesen Ausdruck verstehe ich erst seit gestern.«
»Allerdings sind Sie nicht verpflichtet, an den Exzentrizitäten der Menschen teilzunehmen. Redewendungen sind nur … die Spitze des Eisbergs. Befassen Sie sich auch und insbesondere mit den emotionalen Faktoren.«
»Zu diesem Zweck habe ich ein Spezialgebiet gewählt, Mr. Spock. Es …« Saavik runzelte die Stirn und holte tief Luft. »Es handelt sich um ein Spiel.«
»Beobachten Sie die menschlichen Reaktionen darauf?«
»Ja. Und … ich nehme auch selbst daran teil.«
Spock hob fragend die Augenbrauen.
Die junge Frau seufzte. »Ein solcher Kommentar Ihrerseits entspricht meinen Erwartungen.«
»Ich habe überhaupt nichts gesagt, Saavikam … Noch nicht. Worum geht es bei dem Spiel, und wieso haben Sie es gewählt?«
Gerade in dieser Hinsicht fiel eine Erklärung schwer. An jenem Tag schien die Sonne heißer als sonst, und der Himmel erstrahlte in einem herrlichen Blau. Alles wirkte perfekt, als Saavik über die Sportplätze ging. Ihr Ziel: das Büro des Registrators. Unterwegs erinnerte sie sich an ein orangefarbenes Firmament und zerklüftete Berge, an erstickenden Staub. Sie verabscheute die Reminiszenzen. Und sie verabscheute jene Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Geburtsdatum? Abstammung bzw. Namen der Eltern? Gegenwärtige Heimatwelt? Während sie einen Fuß vor den anderen setzte … Sie fragte sich, wie es sein mochte, alle Antworten zu kennen und sich nicht zu schämen, etwas zu haben, das man ›Heimat‹ nannte …
Viele Leute hatten sich an weißen Linien auf dem Boden versammelt. Die meisten von ihnen waren Menschen, aber Saavik sah auch mehrere Außenweltler. Einige Personen schwangen einen Stock, und jemand warf einen kleinen weißen Ball – offenbar nicht besonders gut. Die junge Frau sah eine Zeitlang zu, bevor sie sich zwei Terranern näherte, die für das Geschehen zuständig zu sein schienen.
»Koji kann also fangen. Der Kadett kommt als Dritter an die Reihe.«
»Er ist eine echte Niete, wenn's ums Laufen geht, Coach.«
»Und? Er fängt gut, oder? Was willst du mehr, Mann?«
»Wir haben keinen Werfer, Coach. Abgesehen von dem Burschen namens Walker. Kann wenigstens geradeaus werfen. Besser als gar nichts.«
»Aber es wäre ein echtes Wunder, wenn er bis zum ersten Mal käme.«
»Entschuldigen Sie bitte.« Saavik deutete zum ungeschickten Werfer. »Darf ich es einmal versuchen?«
»Wollen Sie vielleicht einen Platz in der Mannschaft?« Der Mensch mit der rosaroten, fleckigen Haut schien sehr niedergeschlagen zu sein. Der andere ließ wie hoffnungslos den Kopf hängen. Saavik wusste nicht, was ›Mannschaft‹ bedeutete, aber sie wollte den Ball werfen.
Ein Windstoß wehte ihr das Haar von den Ohren, ohne dass sie etwas merkte.
»Ja«, sagte sie.
»Was?«, entfuhr es dem Hoffnungslosen. »Sind Sie übergeschnappt?«
»Ah, Joe …« Der Mann mit der rosaroten Haut gab dem anderen einen Tritt. »Sie bekommen eine Chance, ganz klar. Das ist bei uns die Regel. Name?«
»Saavik. Mit einem Doppel-A. Und wie heißen Sie?«
»Wie? Oh, ich bin Tommy. Das ist Joe, der Coach. He, Joe«, brummte er, »soll ich mich darum kümmern?«
»Nein.« Der Coach stöhnte leise. »Ich übernehm's selbst.« Er ging fort, um einen Spieler zu ersetzen, der nicht ganz zu begreifen schien, worauf es ankam. Saavik fand keine Erklärung für seine offensichtliche Missbilligung. Immerhin: Ihre Uniform saß tadellos, was man von der Kleidung vieler anderer Anwesender nicht behaupten konnte.
»Der Coach meint es nicht böse«, sagte Tommy, als sie zu einem Kreis im Zentrum der Struktur aus weißen Linien schritten. »Er hat Probleme. Nun, hier ist der Ball. Werfen Sie ihn zu Joe, und zwar mit ganzer Kraft.«
»Das genügt?«, erwiderte Saavik skeptisch.
»Ja. Ich meine, Sie sollten natürlich zielen.«
»Ich verstehe.«
»Tatsächlich? Dann sind Sie bereits allen anderen gegenüber im Vorteil. He, du!«, rief Tommy der Person zu, die den Stock schwang. »Leg eine Pause ein. Dies hier dauert nur 'ne Minute.«
Saaviks Finger schlossen sich um den Ball. Sie fühlte die Beschaffenheit des Leders und gewann den Eindruck, dass sich der Ball an die gewölbte Innenfläche ihrer Hand schmiegte. Die Sonne brannte heiß auf sie herab, und ganz deutlich nahm sie den Staub unter ihren Stiefeln wahr. Sie erinnerte sich an die Hitze anderer Sonnen, an den Geruch einer anderen Art von Staub. Hinzu kam etwas angenehm Vertrautes, etwas, das sie kannte und beherrschte. Nur Form und Gewicht waren ein wenig anders …
»Zielen Sie auf dies Ding hier, Mädel!« Joe hob einen großen, gepolsterten Handschuh. »Na, sind Sie soweit? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Ja, ich bin soweit«, bestätigte Saavik und warf.
Später schworen die Zuschauer, dass Joe flach auf dem Rücken lag, mit dem Ball im Handschuh – und zwar bevor er Saaviks Hand verließ. Anerkennende Pfiffe erklangen. Der Coach blieb einige Sekunden lang liegen, rollte sich dann herum und stand auf. Er grinste jetzt vom einen Ohr bis zum anderen.
»Sind Sie verletzt?«, rief Saavik besorgt. Daraufhin lachte das Publikum.
»Nein, nein! He, wie war noch Ihr Name, Mädel?« Jemand bot Joe einen Eisbeutel an, doch er ignorierte ihn und schritt der jungen Frau entgegen. »Bringen Sie das noch einmal fertig?«
»Ich heiße Saavik. Und es scheint mir kaum ratsam zu sein, einen solchen Wurf zu wiederholen. Sind Sie sicher, dass Sie …«
»Hören Sie endlich auf, dumme Fragen zu stellen, Mädel«, knurrte der Terraner. »He, Koji! Wir brauchen einen Fänger!«
Ein großer, stämmiger Kadett wankte heran und zog eine Schau ab, als er die Schutzkleidung überstreifte.
»Also gut«, brummte Joe. »Sie brauchen nicht zu befürchten, ihn umzubringen. Werfen Sie ihm einfach 'n paar Mal den Ball zu.«
Die junge Frau kam der Aufforderung nach, warf mit eleganten, geschmeidigen Bewegungen und fing den Ball mühelos, wenn er zurückgeworfen wurde. Immer wieder jubelte das Publikum. Als sich die Spieler damit abwechselten, den Stock zu schwingen, fragte Saavik: »Soll ich langsamer werfen, damit sie den Ball treffen können?«
»Was? Sind Sie übergeschnappt? Werfen Sie einfach – um den Rest kümmere ich mich. Übrigens … Können Sie den Ball mit Effet werfen, Teuerste? Wissen Sie, was ich meine?«
»Soll sich die Flugbahn des Balls verändern? Eine interessante Vorstellung. Nun, dazu müsste ich eigentlich in der Lage sein.«
»Es ist nicht so einfach, wie es klingt … Potzblitz und verdammt, das war'n Slider!«{2}
Eine Stunde später murmelte Joe: »Okay, das genügt. Ich möchte Ihren Arm nicht zu sehr ermüden.« Er musterte die vermeintliche Vulkanierin mit widerstrebender Bewunderung. »Kommen Sie morgen früh um acht Uhr hierher. Ich schätze, Sie haben sich 'n Platz in der Mannschaft verdient. Äh, wenn Sie mir noch einmal Ihren Namen nennen könnten …«
»Saavik. Ich habe mir einen Platz in der Mannschaft verdient? Was bedeutet das?«
»Es bedeutet Arbeit für Sie, Mädel. Sie werden aufgestellt. Sie gehören zum Team. Und in drei Wochen geht's um die Wurst – dann müssen wir die Oberfähnriche schlagen, ihnen das Fell über die Ohren ziehen. Glauben Sie, dazu imstande zu sein?«
»Ja«, erwiderte Saavik, obgleich ihr die idiomatischen Ausdrücke ein Rätsel blieben. »Bekomme ich morgen noch einmal Gelegenheit, den Ball zu werfen?«
»Wie bitte? Himmel, na klar, Mädel – morgen können Sie das Ding noch einmal werfen.«
»Gut.« Saavik reichte den Ball zurück. »Ich werde pünktlich zur Stelle sein.« Und: »Darf ich Sie etwas fragen?«
»Nur zu, Mädel.«
»Wie heißt dieses Spiel?«
Saavik kehrte aus der Welt ihrer Erinnerungen ins Hier und Jetzt zurück. Sie entschied, auf Erklärungen zu verzichten. »Base Ball, Mr. Spock. Das Spiel heißt Base Ball, und ich werfe dabei. Ich beobachte die emotionalen Reaktionen der anderen Spieler«, rechtfertigte sie sich. »Darüber hinaus versuche ich, die verbale Kommunikation zu analysieren. Sie besteht fast ausschließlich aus Redewendungen. An diesen Dingen gibt es eigentlich nichts auszusetzen, Mr. Spock. Das Spiel basiert auf einer logischen und sehr komplexen Strategie. Erfolg oder Misserfolg hängen zu einem erheblichen Teil von mathematischen Sequenzen ab, die …«
»Die Grundlagen sind mir durchaus klar, Saavikam.« Spock unterbrach den Vortrag, indem er die Hand hob. »Zwar teile ich nicht den menschlichen Enthusiasmus für Ballspiele, aber in der einen oder anderen Form sind sie praktisch überall in der Galaxis anzutreffen. Angesichts Ihrer Vorliebe für Wurfgeschosse überrascht es mich kaum, dass Sie dem Reiz von Baseball erliegen. Ich rate Ihnen nur, dabei Ihre Objektivität zu bewahren.«
»O ja«, antwortete Saavik sofort. »Später. Morgen findet das große Spiel statt. Kadetten treten dabei gegen Oberfähnriche an, und bisher haben sie immer verloren. Doch diesmal …« Sie kniff die Augen zusammen. »Diesmal gewinnen wir.«
Daran zweifelte Spock nicht. »Denken Sie an die alte Weisheit, Saavikam: Nicht der Sieg zählt, sondern die Teilnahme am Spiel.«
»Nun, das muss eine sehr alte Weisheit sein, Mr. Spock. Inzwischen glauben die Menschen nicht mehr daran. Wenn Sie sich heute mit Spielen befassen, so wollen sie gewinnen. Sie diskutieren sogar darüber, welche wichtiger sind als andere. Nun, ich gehöre jetzt zur ›Mannschaft‹, und deshalb muss ich ebenfalls bestrebt sein zu gewinnen.«
»Natürlich. Wann findet das bedeutungsvolle Ereignis statt?«
»Morgen um vierzehn Uhr.«
»Ich sehe es mir an. Es sei denn, Sie möchten nicht, dass ich mich dem Publikum hinzugeselle.«
»Ich empfände Ihre Präsenz als große Ehre.« Saavik hielt es für besser, nicht auf ihren Spitznamen hinzuweisen: Die anderen Kadetten nannten sie ›Photonentorpedo‹. Nun, vielleicht war es besser, überhaupt keine Erläuterungen hinzuzufügen. Ihr Blick kehrte zu einem ganz bestimmten Objekt – beziehungsweise zu einer Anordnung von mehreren Gegenständen – zurück. »Wenn Sie mir eine Frage gestatten, die hoffentlich nicht zu persönlicher Natur ist, Mr. Spock … Was hat es mit den Figuren dort auf sich?«
Die Miene des Vulkaniers schien sich ein wenig zu erhellen. »Es sind Schachfiguren, Saavik. Man spielt mit den Figuren, indem man sie auf verschiedene Felder setzt. Eine sehr interessante Angelegenheit. Eines Tages haben wir vielleicht Gelegenheit, uns eingehend damit zu beschäftigen.«
»Schach ist ein … Spiel?«
»Ja«, bestätigte Spock. »Aber es unterscheidet sich sehr von Baseball. Es fordert den Geist heraus.«
»Figuren, die auf verschiedene Felder gesetzt werden? Und das ist alles?«
Spock schloss kurz die Augen und schien einen inneren Schmerz zu unterdrücken. »Wohl kaum. Es mag Sie enttäuschen, Saavik, aber diese Figuren werden nicht geworfen. Bei Schach kommt es vor allem auf Strategie an. Die Figuren bewegen sich in logischen Sequenzen, basierend auf mathematischen …« Er zögerte. Saavik neigte den Kopf ein wenig zur Seite, faltete die Hände im Schoß und wartete darauf, dass der Vulkanier fortfuhr. Sie wölbte die Brauen, wodurch ihr Gesicht eine Mischung aus Neugier und Geduld zum Ausdruck brachte, die Spock an irgend etwas erinnerte. »Daher bitte ich darum, sie nicht bei Baseball-Übungen und dergleichen zu verwenden.«
»Dadurch könnten sie beschädigt werden«, entgegnete die junge Frau. »Ich beschädige keine Dinge mehr. Und ich übe Baseball an jedem Morgen.«
»Faszinierende Prioritäten«, kommentierte Spock. »Beschränkt sich Ihr Lehrplan nur auf Baseball und terranische Redewendungen? Haben Sie es aufgegeben, zusätzliches Wissen in Hinsicht auf Physik und Astronomie zu erwerben? Schickt die Starfleet-Akademie ihre Absolventen mit umfangreichen Kenntnissen in Hinsicht auf Baseball und Umgangssprache zur Flotte? Fast könnte man meinen, dass die kausalen Wissenschaften über Nacht veraltet sind.«
Saavik runzelte ernst die Stirn. Manchmal formulierte Spock solche Bemerkungen, um dann die Reaktion darauf zu beobachten. Die junge Frau war schon vor einer ganzen Weile zu dem Schluss gelangt, dass es sich dabei um eine Art Test handelte. »Nein, so etwas ist nicht geschehen. Darüber hinaus habe ich ausführlich von meinem Studium berichtet. Manchmal sagen Sie seltsame Dinge, Mr. Spock.«
»Eine gelegentliche Schwäche«, räumte er ein. »Vermutlich geht sie auf die menschliche Hälfte meines Selbst zurück.«
»Oh. Darauf wollte ich keineswegs hinaus. Ich bin bemüht gewesen, korrekt zu sein.«
»Und ich darf Ihnen versichern, dass Ihre Bemühungen durchaus erfolgreich gewesen …« Das Interkom summte leise. »Bitte entschuldigen Sie. – Hier Spock.«
»Die von Ihnen gewünschte Verbindung mit Starfleet ist hergestellt, Sir«, tönte es aus dem Lautsprecher.
»Danke, Commander Uhura. Ich führe das Gespräch von hier aus.«
»Soll ich an einem anderen Ort warten?«
»Das ist nicht nötig, Saavik. Diese Sache nimmt nur wenig Zeit in Anspruch. Sehen Sie sich unterdessen ganz nach Belieben in meinem Quartier um … Ah, Dr. Goldman. Es freut mich, dass Sie heute Abend im Dienst sind …«
Diesen besonderen Rat des Vulkaniers beherzigte Saavik gern. Sie stand auf und bewunderte das glitzernde Mosaik an der Wand, die Darstellung eines Kreises, der mit einem Dreieck verbunden war. Nun, Baseball an der Starfleet-Akademie kam einem konkreten Beispiel für das UMUK-Prinzip der unendlichen Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination gleich – erst recht dann, wenn Spock unter den Zuschauern weilte.
»Ein interessantes Objekt, nicht wahr?«, sagte er gerade. »Ich nehme an, die Verzögerung geht auf Probleme beim Transport zurück …«
»Nein, nicht unbedingt. Heute Abend ergaben sich mehrmals … Schwierigkeiten, die Zeit kosteten, Mr. Spock«, erwiderte Goldman glatt. Außerhalb des Erfassungsbereichs der visuellen Übertragungssensoren strichen ihre Finger sanft über das seidenweiche Haar auf Rakirs Arm. Zärtlich zupfte sie daran, während ihr Blick auch weiterhin dem Kom-Schirm galt.
»Ich verstehe. Nun, morgen früh statte ich Ihnen einen Besuch ab. Wenn Sie genug Zeit finden, so führen Sie bitte erste Untersuchungen durch, insbesondere in Bezug auf die chemische Struktur des Gehäuses und so weiter. Allerdings möchte ich Ihnen keineswegs zuviel aufbürden. Sie scheinen auch so schon erheblichen Belastungen ausgesetzt zu sein. Eigentlich geht es bei dieser Sache nur um Neugier.«
»Schon gut, Mr. Spock. Das Artefakt befindet sich bereits unterm Scanner.« Janet Goldman betätigte einige Tasten, veränderte damit den Erfassungsfokus der visuellen Sensoren. Auf Spocks Kom-Schirm erschien ein unverändertes Artefakt, das auf der transparenten Analyseplattform des Infrascanners ruhte. In seinem Innern bildeten sich immer neue schimmernde Muster. »Wenn Sie eine gründlichere Sondierung wünschen …«
»Nein, ein normaler Scan genügt. Das Ergebnis können Sie mir umgehend mitteilen – die Uhrzeit spielt dabei keine Rolle. Ich danke Ihnen für Ihrer Hilfe, Dr. Goldman. Spock Ende.«
»Nichts zu danken, Mr. Spock.« Und als das Gesicht des Vulkaniers vom Schirm verschwunden war: »›Sie scheinen auch so schon erheblichen Belastungen ausgesetzt zu sein.‹« Janet kicherte. »Entschuldige, Dorn. Dies dauert nicht lange. Ich bin jetzt neugierig geworden.«
»Das ist normal für deine Spezies, nicht wahr? Und auch für Vulkanier, obwohl sie es nur selten zugeben. Mr. Spock sagt immer die Wahrheit, und daran solltest du dir ein Beispiel nehmen. Du hast angedeutet, wir hätten hart gearbeitet, aber das ist nicht der Fall.«
»Tatsächlich nicht? Hast du dich etwa ausgeruht, als wir vorhin …«
»Ich erstelle den routinemäßigen Dienstbericht, während du den Infrascan durchführst«, sagte Rakir würdevoll. »Wenn du mir erlaubst, mich zu konzentrieren, wird weder das eine noch das andere viel Zeit in Anspruch nehmen.«
»Küss mich schnell!«
»Nein, Janet. Ich küsse dich später – und zwar mit jeder Menge Leidenschaft.« Rakir nahm vor einer nahen Konsole Platz und begann mit der Arbeit.
»Abgemacht.« Goldman lachte und schaltete den Scanner ein.
Zwei blauweiße Strahlen – einer von oben, der andere von unten – bohrten sich in das Objekt, und in ihrem Gleißen schien der Glanz im Innern zu verblassen. Einige Sekunden später …
Einige Sekunden später lösten sich die schimmernden Muster auf. Und in der Mitte, im Bereich der sondierenden Strahlen, entstand ein haarfeiner Riss, der Verästelungen bildete, wuchs …
Jäh splitterte das Artefakt, und es klang nach zerbrechendem Glas.
Oh, das wird Spock sicher nicht gefallen! Goldman versuchte, den Scanner abzuschalten, doch ihre Hand rührte sich nicht von der Stelle … Was ist los? Fühle mich irgendwie seltsam. Grässlicher Schmerz durchzuckte sie, heiß wie Plasma. Ein Herzinfarkt? Dafür bin ich viel zu jung! Das ist einfach nicht fair! Dorn!
Janet brachte keinen Ton hervor. Intensive Pein glitt ihr durch Arme und Beine, brannte in der Kehle, heulte in den Ohren. Nein, es war kein Infarkt – jede einzelne Körperzelle schien plötzlich in Flammen zu stehen. Das Bild vor ihren Augen verschwamm. Auf der anderen Seite des Zimmers, in einem anderen Universum, wandte sich Rakir vom Bildschirm ab. Goldman versuchte, einen Fuß vor den anderen zu setzen, verlor das Gleichgewicht und fiel. Etwas befand sich in dem Objekt! VERSCHWINDE VON HIER, DORN!, riefen ihre Gedanken. Gib Spock Bescheid! Überbring eine Warnung …
Der Schmerz wurde zu einer Welle, die Janet fortspülte. Sie lag auf dem Boden und hörte, wie die Luft mit leisem Zischen durchs Gitter der Klimaanlage glitt. Das war falsch – aber warum? Vom Rand ihres Blickfelds her schob sich Schwärze heran, presste das Licht zu einem fernen Punkt zusammen. Und in jenem Punkt sah sie Vater und Mutter, ihre Brüder und Freunde, jeden Tag ihres Lebens, jeden Gedanken, der ihr jemals durch den Kopf gegangen war – und Dorn. So ist das also, dachte sie. Aber ich kann jetzt nicht sterben. Es ist … unfair … Dann sah sie sich selbst im Licht und beobachtete, wie die andere Entsprechung ihres Selbst das Körperliche abstreifte. Dorn hätte mich küssen sollen … Jetzt ist es zu spät. Ich bin bereits …
Rakir blinzelte. Schmerz explodierte in seiner Brust, loderte durch Arme und Beine, dröhnte zwischen den Schläfen. Das Atmen fiel ihm immer schwerer – die Luft schien Substanz zu gewinnen, die Konsistenz von Wachs. Und es kostete ihn enorm viel Kraft, sich umzudrehen. Er sah das Licht des Scanners und die Splitter des Artefakts. Janet fiel zu Boden, die braunen Augen weit aufgerissen, das Gesicht eine schmerzverzerrte Grimasse. Flecken entstanden auf ihrer Haut. Von einem Augenblick zum anderen begriff El-Idorn Rakir, dass er starb. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod, aber dass er so traurig sein sollte … Warte auf mich, Janet! Ich begleite dich. Aber vorher muss ich noch …
Die roten Buchstaben an der Wand schienen an Kontur zu verlieren, ineinander überzugehen. Rakir blinzelte erneut, und es gelang ihm, ein Wort zu lesen: KONTAMINATIONSALARM. Eine Taste hinter einer Scheibe, daneben ein kleiner Hammer. Er hielt sich nicht damit auf, nach dem Hammer zu greifen, ballte statt dessen die Hand zur Faust und schlug zu. Schwärze wogte heran. Das Glas gab sofort nach, doch Rakir bekam keine Gelegenheit, die Taste zu drücken. Er rutschte an der Wand zu Boden und wusste, dass er versagt hatte.
Jetzt existierte nur noch Pein – und tiefes Bedauern. Seine kalte Heimatwelt, die weiten Schneelandschaften, selbst der letzte Misserfolg … Das alles verflüchtigte sich und wich profundem Kummer. Er dachte nur noch an Janet, an die vielen Küsse, die sie eigentlich bekommen sollte, an jenen einen, den er vorhin abgelehnt hatte. Nur drei Meter trennten sie von ihm, aber ebenso gut hätten es drei Lichtjahre sein können – eine unüberbrückbare Distanz. Er zog sich über den Boden, Zentimeter um Zentimeter, hoffte dabei, dass ihm noch genug Zeit blieb. Es tut mir leid, Janet. Habe dich nie genug geküsst … Ich hätte dir mehr geben sollen, viel mehr … Sein Leben schrumpfte zu einem winzigen Licht, das eine bittere, grausame Wahrheit verkündete: Nie wieder konnte er Janet berühren. Trotzdem hob er die Hand und streckte sie aus, als die Finsternis auch jenes letzte Licht verschlang.
Das zerbrochene Glas der Schalteinheit löste eine automatische Kontrollsequenz aus. Als die Taste auch nach zehn Sekunden unbetätigt blieb, heulten Sirenen in den leeren Korridoren des Starfleet-Hauptquartiers. Noch einmal zehn Sekunden später reagierte das Notprogramm des Wartungscomputers: Sicherheitsschotten schlossen sich an allen Zugängen der wissenschaftlichen Sektion; die Turbolifte wurden deaktiviert und alle Luftschächte des achtzehnten Stocks isoliert, um eine Ausbreitung der Kontamination zu verhindern.
Die Alarmsirenen heulten auch weiterhin, denn niemand kam, um sie auszuschalten.
»… ausgestattet mit einer verbesserten Tarnvorrichtung. Sowohl Chefingenieur Scott wie der wissenschaftliche Offizier glauben, dass sie auch während eines Warptransfers Ortungsschutz gewährt und … Was ist los, Computer?«
ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM … Die akustische Datenausgabe war deaktiviert – der Hinweis blinkte in roten Lettern auf dem Bildschirm vor Kirk.
»Identifizierung!«
ALARM: KONTAMINATION IN DER EXO-WISSENSCHAFTLICHEN ABTEILUNG.
»Status! Art der Kontamination?«
UNBEKANNT.
»Sicherheitsstatus!«
KONTAMINATION DAUERT AN.
Na schön. Jim schaltete das Interkom ein.
»Richards, hier ist Kirk. Mein Schirm zeigt Probleme in Exo. Wie ist der Status bei Ihnen? Richards?« Die einzige Antwort bestand aus leisem Rauschen. Irgendwo im Hintergrund heulten Sirenen. Er hat seinen Posten verlassen, verdammt! Wollte wahrscheinlich nach dem Rechten sehen.
Er drückte eine andere Taste.
»Exo-wissenschaftliche Abteilung: Wie ist Ihre Situation?« Diesmal war das Heulen so laut, dass es Jim fast die Trommelfelle zerriss. Hastig reduzierte er die Lautstärke. »Bericht, Exo! Ein Kontaminationsalarm wurde ausgelöst. Bitte nennen Sie Ihren Status.« Muss ziemlich schlimm sein. Verdammt, warum antwortet niemand? »Ganz gleich, wer mich hört – bitte melden Sie sich!«
Nichts.
»Offiziersmesse, hier spricht Admiral James T. Kirk. Wir haben ein Problem im exo-wissenschaftlichen Laboratorium. Ist bei Ihnen alles unter Kontrolle?« Bestimmt will man wissen, wo ich stecke. Na ja, ist nicht zu ändern.
Doch auch diesmal blieb eine Antwort aus.
»Richards!« Kirk versuchte es noch einmal. Vielleicht ist er inzwischen zurückgekehrt. Aber mit dem hiesigen Kom-System stimmt was nicht. Oder … »An alle Abteilungen des Hauptquartiers. Sicherheitsüberprüfung. Bitte melden Sie sich.« Jim spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Diese Stille war einfach … absurd. Selbst des Nachts wurde in den einzelnen Sektionen gearbeitet. »Ganz gleich, wer mich hört«, wiederholte er. »Bitte melden Sie sich.«
Nichts. Abgesehen von …
Kirk wirbelte um die eigene Achse, als er ein Geräusch vernahm, das nicht aus dem Interkom-Lautsprecher stammte: ein fernes, pneumatisches Zischen, dann ein dumpfes Pochen und Klicken von der großen, dicken und abgeschirmten Tür des Gewölbes. Neue Hinweise leuchteten auf dem Bildschirm.
*GESICHERT*GESICHERT* DIESE SEKTION IST GESCHÜTZT UND KONTAMINATIONSFREI.
»Wer gab den Befehl dazu, Computer?«, entfuhr es Jim. »Wer löste den Alarm aus?«
KONTAMINATIONSSEQUENZ BEGANN IN DER EXO-WISSENSCHAFTLICHEN ABTEILUNG UM 20:52:32,07
KEINE UNTERBRECHUNGEN. NOTPROGRAMM VOLLSTÄNDIG AUSGEFÜHRT.
SICHERHEITSMAßNAHMEN FÜR ALLE ETAGEN ABGESCHLOSSEN.
»Visuelle Darstellung.« Kirk hielt unwillkürlich den Atem an, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals empor. Einerseits fürchtete er sich vor dem, was ihm der Bildschirm gleich zeigen mochte, doch andererseits musste er Bescheid wissen. Die eingeblendeten Worte lösten sich auf, und das Projektionsfeld präsentierte den Bereich des Haupteingangs. Der Übertragungssensor befand sich irgendwo hinter dem Empfangstresen.
Richards hatte seinen Posten nicht verlassen. Ein Kopf mit lockigem Haar ruhte auf einem ausgestreckten Arm. Die ums Buch geschlossenen Finger waren dunkel und fleckig. Noch immer heulte der Alarm … Im exo-wissenschaftlichen Laboratorium lag eine Tote auf dem Boden. Jemand war bei dem Versuch gestorben, ihr zu helfen – nur wenige Zentimeter trennten seine ausgestreckte Hand von der Leiche.
In der Offiziersmesse sah Kirk Karten, Backgammon-Teile, zerbrochene Gläser und … weitere Tote. Sie lagen halb auf Tischen oder waren in Sesseln zusammengesackt: die Gesichter schmerzverzerrt, die Haut dunkel und fleckig. In vielen von ihnen erkannte Kirk alte Freunde. Was kann sie so schnell umgebracht haben? Bradley hatte fast das Interkom erreicht, bevor es ihn erwischte. Und Conklin … Er schien versucht zu haben, aus dem Fenster zu klettern. Armer Kerl. Jene Fenster ließen sich überhaupt nicht öffnen – die Offiziersmesse hatte sich in eine Falle verwandelt.
Ebenso wie das Gewölbe? Ein jäher Adrenalinschub ließ Jim erzittern. Er nahm den Kommunikator vom Gürtel und klappte ihn auf.
»Kirk an Enterprise! Kirk an … Verdammt!« Er deaktivierte das kleine Gerät wieder und rief sich selbst zur Ordnung. Er befand sich hier im Gewölbe, und das bedeutete: Die Signale seines Kommunikators konnten unmöglich das Raumschiff im Orbitaldock erreichen. Langsam ließ er sich auf einen Stuhl sinken und spürte dabei eine sonderbare Schwäche in den Knien. So viele Personen … Alle tot. Die Kontamination ging vom achtzehnten Stock aus, und innerhalb weniger Sekunden reichte sie bis zur ersten und neunundsechzigsten Etage.
Was kann sich so schnell ausbreiten?
Das Unbehagen in Kirk wuchs, als er sich einer sehr unangenehmen Erkenntnis stellte. Abgesehen von den Kommunikatoren gab es noch etwas anderes, das hier unten im Gewölbe nicht funktionierte.
Transporter.
Stille umgab ihn, und ganz deutlich hörte Kirk das Pochen des eigenen Herzens. Er holte zischend Luft und trachtete danach, sich zu entspannen und konzentriert zu überlegen.
»O ja«, murmelte er. »Ein Kinderspiel …«
»… die Uhrzeit spielt dabei keine Rolle. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe, Dr. Goldman. Spock Ende.«
Der Vulkanier unterbrach die Kom-Verbindung und beobachtete, wie das Schimmern des Artefakts verblasste. Einige Sekunden lang blickte er auf den leeren Bildschirm, berührte dann eine Schaltfläche und aktivierte die automatische Aufzeichnung. Kurz darauf erschien das Objekt erneut auf dem Schirm, und Spock hielt die Wiedergabe mit einem Tastendruck an. Ein seltsamer Gegenstand, dachte er. Erneut spürte er eine fast hypnotische Wirkung …
»Saavik …«, sagte er. »Dieses Gebilde ist von beträchtlichem Interesse. Die Details der Entdeckung unterliegen der Geheimhaltungsklassifikation, was jedoch nicht für das Artefakt selbst gilt. Sie können es sich ansehen, wenn Sie möchten.«
Die junge Frau kam näher und blickte ihm über die Schulter. Das Objekt ruhte auf der transparenten Analyseplattform des Scanners, und die bunten Muster in seinem Innern veränderten sich ständig, wuchsen und schrumpften …
Spock wusste nicht genau, was ihn veranlasste, den Kopf zu drehen. Wie dem auch sei: Saaviks Anblick sorgte dafür, dass er aufsprang – sie war plötzlich sehr blass, und Entsetzen zeigte sich in ihrem Gesicht.
»Saavik!« Er streckte die Hand aus, doch die junge Frau wich zurück.
»Nein!«, brachte sie hervor und schüttelte den Kopf. Sie bebte am ganzen Leib und starrte voller Grauen zum Bildschirm. »Nein … nein … Es war ein Traum …«
»Was meinen Sie, Saavik? Wovon reden Sie da?«
»Ich … habe so etwas … schon einmal gesehen! In einer Höhle auf … Hellguard …«
Spock schaltete das Interkom ein und setzte sich mit der Brücke in Verbindung.
»Dort gab es Tausende davon …«, hauchte Saavik.