Kapitel 9

 

»Eine Person an Bord, Mr. Spock. Die Lebensindikatoren stellen relativ geringe Bio-Aktivität fest.« Chekov runzelte die Stirn und sah zum Wandschirm, der ein antriebslos im All treibendes Schiff präsentierte.

Schwarz war es, schien kaum mehr zu sein als ein Schatten in der Finsternis des Weltraums. Alle Wölbungen der Licht absorbierenden Außenhülle deuteten auf Reichtum hin. Schwingenartige Ausleger endeten in komplexen Sensornetzen, und die beiden Warpgondeln wirkten wie Nadeln. Nirgends zeigten sich Name, Registrierungsnummer oder ID-Code. Spock nahm diesen Umstand zum Anlass, mit Hilfe des Bibliothekscomputers eine Datenkorrelation vorzunehmen und nach Hinweisen auf das Konstruktionsmuster zu suchen.

»Hinzu kommt ein hochenergetischer Werkzeugphaser«, berichtete Sulu. »Allerdings sind seine Akkumulatoren nicht geladen, und bisher ist keine Zielanpeilung erfolgt. Sir, alle Bordsysteme arbeiten mit Minimalleistung. Da drin muss es ziemlich kalt sein.«

»Verbindung Schiff zu Schiff, Commander Uhura. Richtstrahl.«

»Ja, Sir … Hier ist das Raumschiff Enterprise. Empfangen Sie diese Signale? Sind Sie in der Lage, Antwort zu geben? Enterprise an fremdes Schiff: Hören Sie uns?« Nach einer Weile schüttelte Uhura den Kopf. »Nichts, Sir. Mr. Scott meinte, ein Andockmanöver sei nicht möglich. Der Transporterraum hält sich in Bereitschaft.«

»Nein, Commander, wir schicken keine Einsatzgruppe. Teilen Sie Mr. Scott mit, dass wir jenes Schiff an Bord holen. Medo-Gruppe und Sicherheitswächter zum Hangar. Mr. Sulu, Sie haben das Kommando.« Spock wirkte noch ernster als sonst, als er die Brücke verließ.

Chekov wartete, bis sich die Tür des Turbolifts hinter dem Ersten Offizier schloss. »Das Raumschiff da draußen ist viel zu klein. Normalerweise hätte es nicht imstande sein sollen, ein so starkes Notsignal zu senden.«

»Darüber hinaus hat es ein zu großes energetisches Potenzial und zu viele Sensoren. Wir haben kostbare Zeit damit vergeudet, einen Schmuggler zu retten! Sind Ihnen Mr. Spocks Augen aufgefallen?«

»Ja. Er scheint alles andere als glücklich zu sein.«

 

Das Medo-Team wartete am Fenster, das Blick in den Hangar gewährte. Sicherheitswächter hielten sich mit gezogenen Phasern bereit. McCoy veränderte immer wieder die Justierungen seines Tricorders, und Scott beobachtete das kleine Schiff mit offensichtlicher Bewunderung. Es schwebte in die große Kammer und setzte auf, ohne dass die mattschwarze Außenhülle das Licht der Scheinwerfer reflektierte. Der Druckausgleich war noch nicht wiederhergestellt, als Spock die Brücke per Interkom anwies, wieder Kurs auf Hellguard zu nehmen.

»Ich rate zu Vorsicht«, sagte er, als sie den Hangar durchquerten. Nach dem direkten Kontakt mit dem Vakuum und der Kälte des Alls herrschte noch immer eine recht niedrige Temperatur; Spocks Atem kondensierte ebenso wie der seiner Begleiter. An der Luftschleuse des fremden Schiffes blieben sie stehen, und Scott streckte die Hand nach dem Rad aus. Er hatte es noch nicht berührt, als es sich von ganz allein drehte. Mit einem leisen Zischen schwang die Luke auf, und eine Rampe neigte sich dem Boden entgegen. Eine hochgewachsene Gestalt stand im Zugang, gekleidet in einen weiten schwarzen Kapuzenmantel.

»Ich bin Ihnen sehr dankbar«, erklang die tiefe Stimme eines Mannes. Der Unbekannte sprach fehlerloses Föderationsstandard. »Ich habe befürchtet, lange Zeit …« Er taumelte, kippte und fiel nach vorn. Mehrere Hände bewahrten ihn vor einem Sturz und ließen ihn langsam aufs Deck sinken. Die Kapuze rutschte zurück und offenbarte ein markantes, wettergegerbtes Gesicht, das selbst im entspannten Zustand unheilvoll anmutete. Silbergraues Haar umschmiegte spitz zulaufende Ohren.

»Es ist alles in Ordnung mit ihm.« McCoy blickte auf die Anzeigen des medizinischen Tricorders, als seine Assistenten den Patienten auf eine Bahre legten. »Wahrscheinlich dachte er, längere Zeit auf Hilfe warten zu müssen, und deshalb nahm er Metabonil. Ich möchte ihn genauer untersuchen, bevor ich ein Gegenmittel verabreiche und den Metabolismus stimuliere. Heute Abend bekommen Sie keine Auskünfte mehr von ihm.«

»Nun gut, Doktor. Mr. Scott, durchsuchen Sie das Schiff. Und zwar gründlich. Ich möchte wissen, woher es kommt, woraus die Fracht besteht und warum ein Notruf gesendet wurde. Erstatten Sie mir so schnell wie möglich Bericht.«

»Aye, Sir. Ein solches Schiff sehe ich jetzt zum ersten Mal. Ich wusste gar nicht, dass Vulkanier so etwas bauen. Kommt, Jungs.« Der Chefingenieur strich kurz über die Außenhülle, bevor er die Luftschleuse betrat. Mehrere Sicherheitswächter folgten ihm. Die Medo-Assistenten brachten den Bewusstlosen zur Krankenstation, und McCoy schüttelte den Kopf, blickte noch immer auf die Anzeigen des Tricorders.

»Mr. Spock … Unser Gast ist kein Vulkanier, sondern Romulaner. Ein interessanter Zufall, nicht wahr?«

 

Am nächsten Morgen war der Patient wach, und McCoy meinte, er sei nun imstande, Fragen zu beantworten. Der Mann erweckte einen gelassenen Eindruck, doch seine dunklen Augen blickten wachsam, und hinter ihnen spürte Spock hohe Intelligenz. Er gab bereitwillig Auskunft: Das Schiff gehörte ihm, und er bezeichnete sich als Geschäftsmann. Sein Name lautete Achernar.

Kurze Zeit später kam ein verstimmter Scott mit einem Antigravkarren, auf dem Beispiele der entdeckten Fracht lagen: ein vulkanischer Zeremonienkelch; Blutstein aus dem klingonischen Imperium; kleine Fässer mit romulanischem Wein; einige Kisten romulanisches Bier; zwei alte orionische Skulpturen, vermutlich religiöse Relikte. Bei diesen Dingen handelte es sich ausnahmslos um illegale Handelswaren. McCoy leckte sich die Lippen, als er das Bier sah, und Scotts Blick glitt immer wieder zu einigen verstaubten Flaschen, auf deren Etikett ›Glenlivet‹ geschrieben stand.

»… überhaupt keine richtige Frachtkammer! Diese Dinge fanden wir in einem Versteck unterm Decksboden. Fast einen ganzen Tag lang mussten wir danach Ausschau halten – die Decksplatten sind mit einem integrierten Sondierungsschutz ausgestattet. Und dies hier ist nur ein kleiner Teil von dem, was wir fanden.« Er richtete einen verdrießlichen Blick auf die Glenlivet-Flaschen. »Im Innern kommt das Schiff einem kleinen Palast gleich. Es hat einen leistungsstarken Warpantrieb, einen Transporter sowie Sensoren, die einem Starfleet-Kreuzer zur Ehre gereichen würden. Nach den Flugdaten zu urteilen, kommt es aus dem romulanischen Reich, aber der Grund für den Notruf …«

»Eine Fehlfunktion des Stabilisators.« Achernar lächelte. »Dadurch arbeitete das Steuerungssystem nicht mehr zuverlässig. Zusätzlicher Navigationsinput konnte den Defekt nicht kompensieren. Ich flog praktisch in weiten Kreisen. Hier am Rand des Nichts hätte es Monate oder gar Jahre dauern können, bis Hilfe eintraf – vielleicht hätte ich gar vergeblich gewartet. Aus diesem Grund reduzierte ich das energetische Niveau, programmierte den Kommunikator auf ein automatisches Notsignal und nahm eine Dosis … Metabonil – ich glaube, so nennen Sie das Medikament. Damit wollte ich eine Hibernation herbeiführen, um …«

»Um darauf zu warten, von irgendeinem anderen Halunken gerettet zu werden?«, brummte Scott. »Von jemandem, dem es ebenfalls nur ums Geld geht, dem es völlig gleich ist, ob …«

»Mr. Scott, Doktor …« Spock winkte die beiden Männer aus dem Zimmer und wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte. »Wie beurteilen Sie den medizinischen Zustand?«, wandte er sich dann an den Arzt.

»Bei in Not geratenen Raumschiffen hat Metabonil schon häufig Leben gerettet«, sagte McCoy. »Achernar muss gerade eine Dosis genommen haben, bevor wir eintrafen. Angeblich hat er unseren Kom-Ruf gehört, als wir sein Schiff bereits an Bord brachten. Das ist typisch: Das Zeug verlangsamt nicht nur den Stoffwechsel, sondern auch die Reaktionszeit. Einige Tage lang wird er schwach und wacklig auf den Beinen bleiben. Er braucht jetzt Bewegung.«

»Soll er sich ruhig bewegen – in der Arrestzelle!«, warf Scott ein. »Er ist ein Schmuggler, Sir. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Und was die Sache mit dem Stabilisator betrifft … Es wird sich bald herausstellen, ob er in dieser Hinsicht die Wahrheit gesagt hat.«

»Können Sie mit einer Untersuchung herausfinden, ob tatsächlich ein Defekt der erwähnten Art vorliegt?«

»Aye. Aber das Schiff, Mr. Spock: Sollen wir es reparieren?« Scott errötete, als der Vulkanier die Brauen wölbte. »Es geht mir keineswegs um ihn, Sir – solche Typen kann ich nicht ausstehen. Aber der Raumer ist eine wahre Pracht. Eine Spezialanfertigung mit hervorragendem Triebwerk. Es wäre eine Schande …« Der Chefingenieur sprach den Satz nicht zu Ende und runzelte die Stirn.

»Nun gut, Mr. Scott. Die Reparatur wird hiermit genehmigt. Darüber hinaus möchte ich, dass Sie die Fracht inventarisieren und beschlagnahmen. Wir brauchen sie als Beweismittel.«

»Aye.« Scott seufzte. »Meinen Sie … die ganze Fracht?«

»Ja, Mr. Scott, ohne irgendwelche Ausnahmen.« Spock kehrte ins andere Zimmer zurück und musterte den Mann namens Achernar. Sein Schiff beförderte Konterbande aus zwei feindlichen Sternenreichen; hinzu kam Schmuggelware von einem neutralen Planeten, zwei Föderationswelten und Spocks Heimat. Doch das, was er in seinem Kopf trug, mochte noch viel wertvoller und nützlicher sein.

Der Romulaner saß auf der Diagnoseliege und erwiderte Spocks Blick mit einem süffisanten Lächeln. Ein intelligenter Mann, der gefährlich sein konnte und nicht unterschätzt werden durfte.

»Sie sind also Schmuggler«, sagte Spock.

»Ich ziehe die Bezeichnung ›Geschäftsmann‹ vor«, entgegnete Achernar.

»Wie Sie wünschen. An den Umständen ändert sich dadurch nichts. Ohne Erlaubnis transportieren Sie Waren, die Handelsbeschränkungen unterliegen. Sie sind ohne ID-Kennung oder einen offiziellen Subraum-Code unterwegs. Sie haben die Neutrale Zone durchflogen und ein Starfleet-Schiff veranlasst, eine wichtige Mission zu unterbrechen. Der Grund dafür muss erst noch verifiziert werden.«

»Ich bedauere die Unannehmlichkeiten für Sie.« Achernar wirkte nun ernst. »Das sind keine leeren Worte. Nun … Vielleicht könnten wir irgendeine … Übereinkunft treffen.«

»Das bezweifle ich«, sagte Spock. »Sie sind Romulaner. Arbeiten Sie nicht nur als Schmuggler, sondern auch als Agent fürs Reich?«

Daraufhin neigte Achernar den Kopf nach hinten und lachte. »Nein, Freund Spock. Nein, ich stehe nicht auf der Lohnliste des romulanischen Geheimdienstes. Ich bin nur als Romulaner geboren

»Welcher Welt fühlen Sie sich verpflichtet?«

»Mein Schiff ist meine Welt. Und was Verpflichtungen betrifft …« Dieses Wort schien Achernar zu amüsieren. »Meine Loyalität – ich nehme an, davon reden Sie – gilt einem Prinzip, das weitaus dauerhafter ist als irgendwelche Genehmigungen oder Sternenreiche.«

»Das klingt gut. Ich befürchte allerdings, dass die Behörden der Föderation nicht bereit sind, Ihren Standpunkt zu teilen.«

»Mag sein. Regierungen und ihre exekutiven Organe sind von Dingen wie Loyalität und Gesetzen regelrecht besessen. Ich hingegen befasse mich mit der Realität. Wissen Sie, die Leute sind immer bereit, Waren zu kaufen und zu verkaufen – ganz gleich, zu welchem Volk die betreffenden Personen gehören und wo sie leben. Bei meinen Reisen habe ich festgestellt, dass jeder einen Preis hat. Wenn ich ganz offen sein darf … Zwar bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe, aber leider gerate ich dadurch auch in eine schwierige Lage. Nun, zufälligerweise besitze ich Informationen, die für Starfleet von großer Bedeutung sind. Ich biete sie hiermit zum Verkauf an.«

»Was mich kaum überrascht. Soviel zu Ihren Prinzipien – die sich vermutlich auf das Streben nach Reichtum beschränken. Woraus bestehen die Informationen? Und welchen Preis verlangen Sie? Wie können wir sicher sein, dass Sie die Wahrheit sagen?«

»Meine Informationen betreffen den jüngsten romulanischen Plan gegen die Föderation«, sagte Achernar. »Sind Sie daran interessiert?«

»Ah, ein Plan.« Spock seufzte und gab sich gelangweilt. »Ich nehme an, Ihr Wissen basiert auf Gerüchten. Ihr Mangel an Originalität enttäuscht mich.«

»Ich bitte tausendmal um Entschuldigung. Ja, Pläne und Verschwörungen sind im Reich ebenso häufig wie Mäntel und Umhänge. Doch in diesem Fall sieht die Sache ein wenig anders aus. Selbst wenn es mir an Originalität mangelt – dem Plan gewiss nicht. Vielleicht haben Sie falsche Vorstellungen vom Einfallsreichtum Ihrer Gegner. Mein Preis ist eher bescheiden: Reparieren Sie mein Schiff; und geben Sie mir die Möglichkeit, auch weiterhin meinen Geschäften nachzugehen. Die aktuelle Fracht gehört Ihnen – sehen Sie darin ein Zeichen meiner Dankbarkeit. Wie Sie sicher sein können, ob ich die Wahrheit sage? Ich fürchte, Sie müssen sich mit meinem Wort begnügen. Ebenso wie ich mich darauf verlassen muss, dass mein Schiff nicht kurz nach dem Start explodiert. Ich bitte Sie, Freund Spock«, fuhr Achernar fort. »Die Vorteile liegen bei Ihnen. Schieben Sie Ihre philosophischen Bedenken und Einwände beiseite. Ich bin Geschäftsmann. Lassen Sie uns ein Geschäft abschließen.«

Einige Sekunden lang schien der Vulkanier sorgfältig über den Vorschlag nachzudenken, und dann schüttelte er den Kopf. »Ich sehe mich außerstande, Ihnen irgend etwas zu versprechen, ohne Einzelheiten des sogenannten ›Plans‹ zu kennen. Vielleicht betrifft er die Krise des vergangenen Jahrs, die wir längst kennen und überwunden haben. Wenn mehr dahintersteckt, könnte ich eine Vereinbarung mit Ihnen in Erwägung ziehen. Die Wahl liegt bei Ihnen.«

Achernar lachte erneut. »Offenbar sind Sie ebenfalls Geschäftsmann, Freund Spock. Nun gut. Ich bin einverstanden und sogar bereit, Fragen zu beantworten, wenn ich kann. Dies sind meine Informationen …«

Drei erkenntnisreiche Stunden später stand Spock auf. »Ihr Schiff wird repariert«, sagte er. »Nach unserer Mission sind Sie frei. Bis dahin dürfen Sie Ihr Quartier nur verlassen, wenn Sie von mindestens einem Sicherheitswächter begleitet werden und einen Signalgeber tragen. Jeder Versuch, den Sender abzulegen oder Ihnen verbotene Bereiche des Schiffes aufzusuchen, löst einen Alarm aus und führt zur sofortigen Annullierung unserer Übereinkunft. Ich bitte Sie um Verständnis für diese Maßnahmen.«

»Vorsicht ist Ihr oberstes Gebot«, erwiderte Achernar würdevoll. »Nun, ich danke Ihnen.«

Spock ging zur Tür, und dort blieb er noch einmal stehen.

»Gestatten Sie mir eine Bemerkung zu Ihrem ›größeren Prinzip‹. Es ist in moralischer Hinsicht verwerflich und außerdem falsch: Die Leute sind nicht immer bereit, etwas zu kaufen oder zu verkaufen. Manchmal manipulieren sie den Händler. Und gelegentlich ist ihnen das lieber, was sich bereits in ihrem Besitz befindet. Vielleicht bekommen Sie es irgendwann einmal mit einem solchen Fall zu tun.«

»Und Sie, Freund Spock …« Achernar schmunzelte. »Vielleicht finden Sie eines Tages etwas, das Sie haben möchten. Und dann wären selbst Sie bereit, den Preis zu zahlen. Wie dem auch sei: Es ist ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte abzuschließen, Freund Spock …«

Von ›Vergnügen‹ konnte sicher nicht die Rede sein, überlegte Spock auf dem Weg zur Brücke. Aber es war zweifellos eine sehr aufschlussreiche Erfahrung. Die Informationen schienen zuverlässig zu sein und wurden – unter anderem – von den jüngsten Ereignissen auf der Erde bestätigt. Doch es ging um mehr: Eine geheime militärische Gruppe im romulanischen Reich setzte schon seit einer ganzen Weile Raumschiffe und Soldaten für eigene Zwecke ein – ohne das Wissen der Regierung. Das erklärte viele Jahre der diplomatischen Fehlschläge und unterbrochenen Kontakte: Jede Seite war sicher gewesen, dass die andere log. Jetzt drohte eine verheerende Katastrophe auf der Erde, und unter solchen Voraussetzungen würden die Mitglieder des Föderationsrates noch ärgerlicher als sonst auf die sturen Dementis der Romulaner reagieren. Die Enterprise war nur noch wenige Flugstunden von der Neutralen Zone entfernt und musste Kom-Stille wahren. Spock konnte dem Rat – der eine wichtige, folgenschwere Entscheidung zu treffen hatte – nicht mitteilen, dass die offiziellen Repräsentanten des Reiches die Wahrheit sagten: Sie wussten tatsächlich nichts von einem Angriff auf die Erde.

Und Achernar … War er tatsächlich das, was er zu sein behauptete? Ein gut informierter Mann. Doch warum nannte er keine Namen, wenn er in erster Linie an sich selbst dachte? Und falls seine Loyalität woanders lag … Dann hatte er kaum etwas zu verlieren, wenn er der Maus die Mausefalle erklärte, nachdem sie bereits zugeschnappt war.

 

An jenem Abend saß Saavik in Dr. McCoys Besprechungszimmer und versuchte, höflich zu sein, während der Arzt von den Gefahren verdrängter Gefühle und dem Zusammenhang mit traumatischem Gedächtnisschwund berichtete. Darüber hinaus betonte er seine Überzeugung, dass Emotionen nützlich sein konnten. Saavik fand derartige Vorstellungen so absurd, dass sie es ablehnte, ihre Empfindungen zu diskutieren. Schließlich gab McCoy der jungen Frau jene Datenmodule, um die sie gebeten hatte. Mit der undeutlich gemurmelten Bemerkung, dass es vielleicht irgend jemanden gab, der mit ihm reden wollte, verließ er den Raum.

Die Ergebnisse der Sondierungen bestätigten ihre Erinnerungen an Schmerz und Pein. Fast eine Stunde lang starrte Saavik auf die Resultate, doch der Grund für jene alte Verletzungen blieb ihr rätselhaft.

Draußen im Korridor begegnete sie Lieutenant Harper.

»Hallo, Saavik. Die Sache von neulich tut mir leid. Wenn Sie etwas Zeit haben … Ich möchte noch immer mit Ihnen sprechen.«

Sie nickte. Vielleicht dauerte es nicht lange.

»Es ist eine etwas längere Geschichte …« Harper erzählte sie, während sie nebeneinander durch den Gang schritten. »… und in jener Nacht starb die ganze Stadt. Meine Mutter, Leute, mit denen ich aufgewachsen bin, und … Und eine Person, die mir viel bedeutete, obwohl ich sie gerade erst kennengelernt hatte. Sie alle kamen ums Leben – durch meine Schuld.«

Saavik hörte mit wachsendem Entsetzen zu. Die Schilderungen des Lieutenants berührten etwas in ihr, weckten Furcht im Kern ihres Ichs. Außerdem: Harpers Offenheit beschämte sie. Es erforderte sicher Mut, so offen über derartige Dinge zu reden.

»Gestern habe ich mit Dr. McCoy darüber gesprochen. Er meinte, das Bewusstsein schützt sich manchmal auf eine recht seltsame Art und Weise. Gelegentlich fühlen sich Leute ihr ganzes Leben lang schuldig, anstatt sich einzugestehen, dass sie keinen Einfluss auf gewisse Geschehnisse hatten – sich einer solchen Erkenntnis zu stellen, wäre noch schrecklicher für sie gewesen. Zuerst hielt ich das für absurd. Immerhin wäre es nicht zu einer Katastrophe gekommen, wenn …« Harper zögerte kurz. »Aber dann fand das Gespräch über Pandora statt, erinnern Sie sich? Ich habe darüber nachgedacht und kam zu folgendem Ergebnis: Meiner Ansicht nach wurde Pandora hereingelegt! Die Götter wussten, dass sie neugierig genug war, um die Büchse zu öffnen. Und sie wussten auch, was sie enthielt. Nun, wenn Pandora den Umständen zum Opfer fiel … Vielleicht hat Dr. McCoy recht. Vielleicht bin auch ich ein Opfer. Ich muss mit den Konsequenzen leben, die sich aus meinem Handeln ergaben, und das ist in diesem Fall sehr schwer. Aber Ihre Worte haben mir sehr geholfen. Das wollte ich Ihnen nur sagen.«

Eine derartige Ungerechtigkeit … Saavik hätte schreien können. »Der Tod Ihnen vertrauter Menschen hat anderen Personen, die Sie nicht kennen, das Leben gerettet. Aber das ist sicher kaum ein Trost für Sie. Ja, Sie sind ein Opfer. Ja, man hat sie hereingelegt. Ihre Heimatwelt wurde angegriffen, und die menschliche Neugier war integraler Bestandteil des Plans. Die Verantwortung für das schreckliche Geschehen liegt nicht bei Ihnen, sondern bei den Romulanern. Sicher begegnen Sie ihnen nun mit Hass. Bei mir ist das der Fall.« Eine halbe Sekunde später wusste sie, dass die Worte falsch klangen.

Harper wirkte sehr nachdenklich, als sie den Lift erreichten, und er hielt die Tür für Saavik auf. Sie folgte ihm in die Transportkapsel, um über ihre Verwirrung hinwegzutäuschen.

»Wer auch immer dahintersteckt – er hat Abscheu verdient. Aber ein ganzes Volk zu hassen, das ich überhaupt nicht kenne …« Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, davon hätte meine Mutter nichts gehalten. Sie sagte immer: ›Es gibt keine sie – nur Personen.‹ Ich schätze, mit dieser Überzeugung bin ich aufgewachsen.«

Oh, Sie irren sich, Mr. Harper, dachte Saavik. Diese ›sie‹ existieren tatsächlich.

Die Lifttür öffnete sich, konfrontierte die junge Frau mit Licht und Lärm des Freizeitdecks. »Darf ich fragen, warum wir hierhergekommen sind, Mr. Harper? Mein Unterricht beginnt in einer Stunde.«

»Hier findet eine Party statt«, erwiderte er. »Ich habe Ihnen nichts davon gesagt, um sicher zu sein, dass Sie mich begleiten. Heute Abend ist unsere letzte Chance, ein bisschen Spaß zu haben. Kommen Sie, Saavik. Leisten Sie uns Gesellschaft.«

»Ich … ich sollte mich auf die Lektionen vorbereiten, aber …« Spaß? Und eine Gelegenheit, dieses Phänomen aus unmittelbarer Nähe zu beobachten? Saavik hatte keine Erfahrung mit Einladungen und emotionalen Bitten; sie wusste auch nicht, wie man welche zurückwies.

An Bord der Enterprise und am letzten Abend im stellaren Territorium der Föderation nahm sie an einer Party teil, anstatt sich mit dem Lehrstoff zu befassen.

Nach ›Spaß‹ hielt sie vergeblich Ausschau. Die Anwesenden aßen nur. Auf den Tischen standen große Tabletts mit vielen exotischen Speisen – sie boten weitaus mehr Nährstoffe als erforderlich. Mit vollem Mund sprachen die Menschen über den Schmuggler, sein Schiff und die illegale Fracht. Chekov und Sulu bezeichneten ihn in einem bewundernden Tonfall als Schurken und meinten, man dürfe ihm nicht vertrauen. Uhura hatte ihn bei einem kurzen Abstecher zur Krankenstation gesehen und betonte, dass ein so attraktiver Mann in jedem Fall Argwohn verdiente. Obo arbeitete sich von Schoß zu Schoß, trank sprudelnde Flüssigkeit, benutzte einen Strohhalm und gab schlürfende Geräusche von sich. Immer wieder suchte er unmittelbaren physischen Kontakt mit anderen Personen, und niemand schien daran Anstoß zu nehmen. Als sich der Belandrid Saavik zuwandte, stellte sie überrascht fest, dass ihr die Berührungen keineswegs unangenehm waren.

»Mr. Obo …« Sie sah in die großen, glühenden Augen. »Ich möchte Sie etwas fragen. Wie gelingt es Ihnen, Dinge zu reparieren – ohne eine Untersuchung der entsprechenden Geräte und ohne die Verwendung von Werkzeugen? Ich habe Sie dabei beobachtet …«

»Llleicht zu rrreparieren! Gggeht sssehr schnell!«

»Ja. Aber wie gehen Sie dabei vor?«

»Wenn Sie sich Auskunft erhoffen, so bleibt Ihnen eine Enttäuschung nicht erspart«, sagte Harper. »Obos Finger können heiß genug werden, um zu schweißen, und sie sind so dünn, dass man die Spitzen überhaupt nicht sieht. Aber wenn Sie wissen wollen, wie er seine kleinen Wunder vollbringt – niemand von uns weiß eine Antwort darauf. Auf Belandros gibt es überhaupt keine Technologie. Obo hat einfach … den Dreh raus.«

»Sie sind sehr begabt, Mr. Obo.«

Uhura hatte auf einer Gitarre geklimpert, und jetzt begann sie zu singen – ein neues Lied, das sie gerade komponiert hatte.

 

»Gutes Schiff Erde, deine Kinder sagen:

›Eines Tages brauchst du uns nicht mehr zu tragen;

dann suchen wir neue Welten jenseits der Horizonte,

die dein Himmel schuf …‹«

 

»Und Sie sind wwwunderschön, Saavik«, flüsterte Obo. Weiche blaue Finger strichen sanft über ihre eigenen.

 

»Wir reisen durchs All, sofern,

singen von der Heimkehr gern

und wissen: Von Anfang an waren wir dazu bestimmt,

zu hören der Sterne Ruf …«

 

Uhura sang weiter, und nach einer Weile stellte Saavik fest, dass Obo ihre Hand hielt. Die Melodie schien Substanz zu gewinnen und sie in einen Kokon zu hüllen. Ihre Gedanken trieben dahin, ohne die Fesseln mentaler Disziplin, und die junge Frau fühlte sich auf eine neue, ungewohnte Weise entspannt. Bobby Harper lächelte nun. Obo streichelte ihre Wange, und seltsame Empfindungen erwachten in Spocks Schülerin.

Farben und Umrisse wogten vor ihren Augen, waren ebenso deutlich zu erkennen wie die Gesichter der übrigen Personen. Ja, die Menschen setzen sich selbst Grenzen, und manchmal sind sie auch töricht …, dachte Saavik. Aber ihnen haftet auch eine gewisse … Attraktivität an. Sie sah die Terraner plötzlich aus einer ganz neuen Perspektive. Für sie alle gibt es einen Platz, ein Zuhause … Für einige Sekunden glaubte sie zu verstehen, was Liebe und Heimkehr bedeuteten. Sie wollte darauf hinweisen und hinzufügen, dass sie sich wünschte, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein und eine Heimat zu haben …

Von einem Augenblick zum anderen erstarrte sie.

Ein Sicherheitswächter stand in der Tür, neben einem hochgewachsenen Mann, der einen schwarzen Umhang trug. Der Fremde hatte silbergraues Haar, ein markantes Gesicht und spitz zulaufende Ohren. Sein Blick glitt durchs Zimmer und verharrte bei Saavik. Er lächelte – und die junge Frau wusste, dass sie den Feind sah. Obo rückte fort, und ihr Puls raste.

»Kommen Sie herein«, sagte Uhura. Zu Saaviks Entsetzen erwiderte sie das Lächeln des Mannes. »Das ist Achernar, der Gerettete. Hat er Ihnen irgendwelche Schwierigkeiten bereitet, Nelson?«

»Nein.« Der ziemlich kräftig gebaute Wächter grinste und schüttelte den Kopf. »Er ist ein richtiger Gentleman. Dr. McCoy meinte, angesichts seines geschwächten Zustands bliebe ihm auch gar keine andere Wahl.«

»Hinzu kommt Dankbarkeit«, sagte Achernar. »Ohne Ihre Hilfe hätte mich das Schicksal vielleicht dazu verdammt, einen langsamen Tod zu sterben.«

»Ja, das ist uns klar«, erwiderte Sulu wie beiläufig. Uhura übernahm die Vorstellungen, nannte einzelne Namen. Saaviks Perspektive gewann wieder eine vertraute Struktur, aber sie hatte trotzdem den Eindruck, dass die Welt auf dem Kopf stand. Alle musterten den Neuankömmling interessiert. Die einzige Ausnahme bildete Obo, der nun auf Harpers Schoß schlief.

»… und das ist Kadett Saavik.«

»Oh, ›Kleine Katze‹«, murmelte Achernar. Sein Blick bohrte sich in sie hinein.

Schwindel erfasste Saavik, und Instinkte erwachten, erfüllten sie mit dem Wunsch zu töten. Gleichzeitig regte sich eine Furcht in ihr, die an Panik grenzte. Krampfhaft fest schlossen sich ihre Finger um die Tischkante, nur wenige Zentimeter von einem Messer entfernt, das am Rand eines Tabletts lag. Jemand fragte den Mann etwas, und er sah kurz zur Seite. Als seine Aufmerksamkeit zu Saavik zurückkehrte, ruhte das Messer hart und kalt in ihrem Ärmel. Niemandem war etwas aufgefallen. Und niemand hörte das Hämmern ihres Herzens.

»Ich muss gehen«, sagte sie und stand auf.

»Oh, bitte nicht, Saavik«, wandte Uhura ein. »Ist das die Bedeutung Ihres Namens? Wundervoll.«

»Das gilt nicht nur für den Namen, sondern auch für die Frau.« Achernar schmunzelte, verspottete damit den Hass in Saaviks Augen. »Und für dieses Schiff – hier gibt es zahllose wundervolle Dinge. Leider habe ich keinen Zugang zu Ihren Computern, aber vielleicht ist jemand von Ihnen bereit, mir folgende Frage zu beantworten: Wohin fliegen wir?«

»Tut mir leid.« Sulu schüttelte den Kopf. »Solche Informationen dürfen Sie nicht von uns erwarten.«

»Gggeheim!« Obo richtete sich auf und blinzelte schläfrig. »Ssspock hat gggesagt …«

»Was ist mit Ihrem Schiff passiert?«, stieß Sulu hastig hervor, und Harper warf dem Belandriden einen warnenden Blick zu.

Achernar zuckte mit den Schultern. »Ich habe es Spock erklärt …«

»Ssstabilisator«, gurgelte Obo fröhlich. »Llleicht zu rrreparieren.«

Harper stöhnte laut. »Obo …«

»Oooh! Geheim, Bbbobby?«

»Entschuldigung!« Saavik trat über Kissen und ausgestreckte Beine hinweg. »Ich muss jetzt wirklich gehen.« Sie wollte den Raum verlassen, bevor jemand ihr Zittern bemerkte. Dem Romulaner war es bestimmt längst aufgefallen, aber er beobachtete nur und lächelte sein schreckliches Lächeln.

Hastig strebte sie dem Ausgang entgegen, während um sie herum Stimmen erklangen, Worte wie »Schön, dass Sie gekommen sind« und »Bis später« formulierten. In ihrem Innern fand ein heftiger Konflikt statt: Besorgnis um die Menschen rang mit der Furcht vor dem, was sie selbst anstellen mochte, wenn sie noch länger im Freizeitraum blieb.

In ihrem Quartier verriegelte sie die Tür, lehnte sich dagegen und zog das Messer aus dem Ärmel. Es glänzte matt in ihrer Hand, und die Klinge erwies sich als viel zu stumpf. Eine Mischung aus Verzweiflung, Scham und Zorn brodelte in ihr. Nur wenige Sekunden genügten, um all das zu vergessen, was Spock sie über Jahre hinweg gelehrt hatte. Mit einem Verhalten wie im Aufenthaltsraum verriet sie nicht nur Spock, sondern auch sich selbst. Saavik beschloss, das Messer sofort ins Terminal des Abfallbeseitigers zu legen und es damit den Recyclinganlagen des Schiffes zu überlassen. Vielleicht nahm das Objekt auch die damit verbundenen Gedanken mit …

Der Kom-Anschluss summte, und das Herz der jungen Frau schien sich in Eis zu verwandeln. Sie zerrte die Schublade ihres kleinen Schreibtischs auf, warf das Messer hinein und schloss sie wieder. Dann aktivierte sie das Interkom.

»Der Unterricht hätte vor sechzehn Minuten beginnen sollen, Saavik. Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten, von denen ich nichts weiß?«

»Bitte … entschuldigen Sie, Mr. Spock. Ich bin unterwegs.« Saavik unterbrach die Verbindung und starrte zur geschlossenen Schublade. Sie erinnerte sich an das spöttische Lächeln eines ganz bestimmten Mannes und dachte daran, warum sie das Messer gestohlen hatte.

Als sie ihr Quartier verließ, betätigte sie erneut die elektronische Verriegelung.

 

»Aber er ist Romulaner!«

»Ja, Saavik. Das wissen wir.«

»Das wissen Sie? Und trotzdem lassen Sie ihn … Wie haben Sie es herausgefunden?«

»Die medizinischen Sondierungen gaben uns Aufschluss. Sie wiesen auf die charakteristischen Komponenten im Blut sowie geringfügige Unterschiede bei …«

»Sperren Sie ihn irgendwo ein!«

»Saavik … Er wird bewacht – und Sie sind überreizt. Ich rate Ihnen dringend, Ihre emotionalen Reaktionen zu kontrollieren. Glauben Sie vielleicht, dass wir keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen haben? Möchten Sie jemanden seiner Freiheit berauben, nur weil das Blut des Betreffenden …«

»Wenn es dabei allein ums Blut ginge, müsste ich ebenfalls hinter Schloss und Riegel gebracht werden! Der Mann ist gefährlich, Spock! Trauen Sie ihm nicht! Er bringt uns Unheil, wenn er Gelegenheit dazu erhält!«

Spock musterte seine Schülerin aufmerksam. Ihre Augen glitzerten, und auf den Wangen glühten fiebrige Flecken. Der Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass sie es ernst meinte, sehr ernst.

»Warum sagen Sie so etwas?«, fragte der Vulkanier. »Wie soll er imstande sein, uns Unheil zu bringen? Was veranlasst Sie zu einer solchen Annahme?«

»Ich … ich weiß es nicht! Aber ich bin ganz sicher, dass er eine Gefahr darstellt! Bitte hören Sie auf mich, Spock! Der Mann plant etwas! Ich habe es gesehen – in seinen Augen. Und ich fühle es. Es mag unlogisch für Sie klingen, Mr. Spock … Doch dieses Gefühl hat es mir erlaubt, auf Hellguard zu überleben. Er ist Romulaner, und er weiß, was ich bin. Er nannte sogar die Bedeutung meines Namens! Sprach sie ganz offen aus, vor allen Anwesenden …«

Spock unterbrach Saavik, indem er die Hand hob und dann das Interkom einschaltete. »Brücke, hier Spock. Wo befindet sich Mr. Achernar?«

»Auf dem Freizeitdeck, Sir«, klang die Antwort aus dem kleinen Lautsprecher. »Aufenthaltsbereich drei. Er sitzt dort bei …«

»Bestätigung. Spock Ende … Nun, wir haben die Situation unter Kontrolle, wie Sie sehen. Nehmen Sie Platz. Und beruhigen Sie sich. Erklären Sie mir, warum Sie den Freizeitraum aufsuchten und es versäumten, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen.«

Spocks ruhige Präsenz entfaltete nun die übliche Wirkung auf Saavik. Vielleicht brauchte sie sich wirklich keine Sorgen zu machen: Immerhin wurde der Romulaner bewacht; die Besatzungsmitglieder der Enterprise behielten ihn im Auge …

Sie atmete langsamer, und die eigene Furcht erschien ihr immer irrationaler. »Mr. Harper bat mich, ihn zu begleiten«, murmelte Saavik. Ein Rest von Unbehagen verharrte in ihr und veranlasste sie, auf dem Stuhl hin und her zu rutschen. »Er lud mich zu einer Party ein und sprach in diesem Zusammenhang von ›Spaß‹. Ich wollte einen direkten Eindruck von dem Phänomen gewinnen, aber es kam gar nicht dazu. Die Anwesenden konsumierten keine berauschenden Mittel und beschränkten sich darauf, viele Nahrungsmittel zu verspeisen sowie der singenden Lieutenant Commander Uhura zuzuhören.«

Stille folgte.

»Sind Sie wegen morgen besorgt, Saavikam? Sollen wir darüber sprechen?«

Morgen. Hellguard. »Bekomme ich dort meine Erinnerungen zurück?«

»Das lässt sich jetzt noch nicht sagen, Saavikam.«

»Und wenn ich mich erinnere …« Die junge Frau wandte den Blick ab. »Werde ich dann wieder zu dem, was ich einst gewesen bin? Ich meine, ist es möglich, dass ich …«

»Nein. Sie brauchen sich nicht vor Ihren Reminiszenzen zu fürchten. Das Leben geht weiter, Saavikam, für uns alle. Wir können nicht unsere Vergangenheit wählen, nur unsere Zukunft. Ihre Vergangenheit hat keine Macht über die inzwischen erzielten Fortschritte. Sie ist gelebt und liegt hinter Ihnen.«

Nein, das stimmt nicht, dachte Saavik. Meine Vergangenheit liegt vor mir, wartet auf Hellguard. Und ich habe Angst vor ihr … »Morgen«, sagte sie. »Wie soll ich mich verhalten?«

»Wie immer: Stellen Sie fest, wo Ihre Pflicht liegt, und werden Sie ihr gerecht.« Etwas fester fügte Spock hinzu: »Nun, ihre Pflichten am Ziel unserer Reise bleiben keinen Spekulationen überlassen. Sie werden meine Anweisungen befolgen, und zwar in jedem Fall. Viele Leben hängen davon ab, was wir finden. Sie müssen mir gehorchen, Saavikam. Und möglicherweise genügt die Zeit nicht, um Fragen zu stellen. Verstehen Sie?«

Saavik nickte. Sie sah ein gestohlenes Messer in einer Schublade, und sie sah auch Müdigkeit in Spocks Augen. Sie dachte an lange Nächte, gefüllt mit Fragen und ausführlichen Antworten. Sie dachte an Schulen auf verschiedenen Welten, an Datenmodule, die ihr Spock über viele Lichtjahre hinweg schickte. Sie dachte daran, wie sich das Lernen anfühlte … Und immer war es Spock, der sie in die Geheimnisse des Universums einweihte, von subatomaren Partikeln bis hin zu den Lebenszyklen der Sterne. Wenn es doch nur möglich gewesen wäre, dass diese Nacht nie zu Ende ging …

»Nun, noch haben wir Zeit«, sagte der Vulkanier. »Man erwartet mich erst in fünf Stunden auf der Brücke. Wir können sie Ihren Wünschen gemäß verbringen.«

»Ich möchte mich wie sonst auch mit dem Lehrstoff beschäftigen. Morgen finde ich vielleicht keine … Gelegenheit dazu.«

Spock nickte zustimmend, lehnte sich im Sessel zurück, schaltete das Sichtgerät ein und griff nach einer ersten Datenkassette.

Eine Zeitlang arbeitete Saavik schweigend. »Mr. Spock?«, fragte sie schließlich. »Darf ich Sie etwas fragen?«

»Mhm …«

»Wenn ich mich damals dem Gen-Scan unterzogen hätte … Dann wären für Sie weitaus weniger … Unannehmlichkeiten entstanden, nicht wahr?«

Spock überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich – ich hätte ohnehin um die Genehmigung gebeten, Sie zu unterrichten. Wie dem auch sei: Ich kann Ihnen nur Wissen geben, Saavikam, kein Heim. Deshalb mein damaliger Rat, die Möglichkeit des Scans zu nutzen. Was mich persönlich betrifft … Ich bedauere es keineswegs, viel Zeit mit Ihnen verbracht zu haben.«

»Ich auch nicht«, sagte Saavik leise und setzte die Arbeit fort. Fast eine Stunde später sah sie auf, um erneut eine Frage an den Vulkanier zu richten, doch Spocks Kinn ruhte auf der Brust: Er hatte die Augen geschlossen und schlief. Seit Jahren war so etwas nicht mehr geschehen. Saavik beobachtete ihn ein oder zwei Minuten lang, bevor sie aufstand und die Kabine des Ersten Offiziers auf leisen Sohlen verließ.

Sie wollte nicht in ihr Quartier zurückkehren, ließ sich vom Turbolift von Deck zu Deck tragen und wanderte durch die Korridore der Enterprise. Gelegentlich blieb sie an Panoramafenstern stehen und beobachtete die Sterne, genoss es dabei, sich an Bord eines Raumschiffs zu befinden, das mit vielfacher Überlichtgeschwindigkeit durchs All raste. Sie erreichte auch das Freizeitdeck und trat dort aus der Transportkapsel, bevor sie den Mann sah.

Er lehnte an der Wand und sah sie an, schien seit Stunden auf diesen Augenblick zu warten. Furcht explodierte so heftig in Saavik, dass ihr der Atem stockte, und das Blut rauschte in den Ohren.

»Oh, hallo, Kleine Katze«, sagte Achernar und lächelte.

»Nennen Sie mich nicht so!«, fauchte sie und hörte das Vibrieren in ihre Stimme. »Wo … wo ist Ihr Wächter?«

»Indisponiert. Aber nur für kurze Zeit. Keine Sorge, Kleine Katze. Ich habe ihm versprochen, hier zu warten.«

»Sie lügen! Er hätte seinen Posten nie verlassen! Und er wäre wohl kaum bereit, Ihrem Versprechen zu trauen!« Ich sollte die Brücke alarmieren, dachte sie. Doch der nächste Interkom-Anschluss befand sich direkt neben dem Kopf des Romulaners. Mit der rechten Schulter lehnte er an der Wand, und die rechte Hand blieb zwischen den Falten des Umhangs verborgen. Hielt sie vielleicht eine Waffe?

»Sie trauen nichts und niemandem, oder? Bitte beantworten Sie mir eine Frage: Was macht eine kleine romulanische Katze an Bord eines Starfleet-Schiffes?«

»Ich habe ein Recht darauf, hier zu sein. Im Gegensatz zu Ihnen. Sie sind ein … Krimineller!«

»Ich nehme an, Sie hätten keine Hilfe geleistet und mich meinem Schicksal überlassen, wie?«

»Ich?« Saavik spürte, wie ihre Wangen glühten. »Ich hätte das Feuer auf Ihr Schiff eröffnet. Sie können mich nicht täuschen – ich weiß über Sie Bescheid.«

»Dann sind Sie mir gegenüber im Vorteil. Ich möchte mehr von Ihnen erfahren. Sie gefallen mir, Kleine Katze. Verachten Sie die Bedeutung Ihres Namens oder den Umstand, dass romulanisches Blut in Ihren Adern fließt? Oder gilt der Abscheu allein mir?«

»Er gilt Ihnen und Ihren Lügen. Sie wissen nichts von mir!«

»Ich weiß eins: Sie wollen etwas sein, das Sie nicht sein können. Wie schade. Sie wären die Schönste aller Vulkanierinnen. Nun, ich verspreche Ihnen, Ihr Geheimnis für mich zu behalten. Andererseits: Man sollte darauf achten, die eigenen Lügen nicht mit der Wahrheit zu verwechseln.«

Saavik ballte die Fäuste. »Lassen Sie mich Ihnen folgendes mitteilen, Mr. Achernar: Ich sehe den Feind in Ihnen. Wenn dieses Schiff oder jemand an Bord zu Schaden kommt, so werde ich Sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Wo auch immer Sie sich verkriechen: Ich finde Sie, das garantiere ich Ihnen. Ich finde Sie und schneide Ihnen das Herz bei lebendigem Leibe aus der Brust – das schwöre ich.«

Achernar lachte, und dieses Geräusch goss Öl in das Feuer von Saaviks Zorn. »Dazu bekommen Sie vielleicht keine Gelegenheit, wenn meine Vermutungen in Hinsicht auf das Ziel dieser Reise stimmen.«

»Sie kennen jetzt die möglichen Konsequenzen – treffen Sie Ihre Wahl mit der angebrachten Vorsicht. Und unser Ziel geht Sie nichts …«

Eine nahe Tür öffnete sich, und ein verlegener Sicherheitswächter eilte durch den Korridor.

»Danke für … Oh, hallo, Kadett. Entschuldigen Sie bitte …« Der Mann streckte den Arm aus und aktivierte das Interkom. »Brücke, hier Nelson. Ich bin zurück. Keine Probleme … Nein, nur ein Ruf der Natur. Wir sind unterwegs.« Er nahm einen kleinen grauen Metallzylinder vom Gürtel. Achernar sah Saavik an und lächelte einmal mehr, als er den Umhang beiseite strich und die linke Hand so weit hob, wie es die Sicherheitsschelle erlaubte. Der Zylinder löste das eine Ende vom Handgelenk und das andere von einem kleinen, stabilen Belüftungsgitter in der Wand.

»Tut mir leid«, sagte Nelson und deutete zum Lift. »So verlangen es die Vorschriften.«

»Ich verstehe«, entgegnete der Romulaner würdevoll. »Im Gegensatz zu dem Kadetten. Wenn es nach ihr ginge, befände ich mich längst in einer Arrestzelle.«

»Das ist nicht nötig, Kadett«, sagte Nelson zu Saavik. »Wir wissen die ganze Zeit über, wo er ist. Und wir hatten es schon mit schlimmeren Fällen zu tun. Meine Güte, da könnte ich Ihnen Geschichten erzählen … Fühlen Sie sich nicht gut, Kadett? Man könnte meinen, Sie hätten gerade einen Geist gesehen.«

»Es gibt keine Geister, Lieutenant. Es geht mir gut.«

»Dann kommen Sie mit«, ließ sich Achernar vernehmen. »Wir haben interessante Gespräche geführt. Wenn Sie daran teilnehmen, könnten unsere Diskussionen noch interessanter werden.«

»Nein, danke.« Noch immer brannte die Wut in Saavik, und sie zitterte, als die beiden Männer den Lift betraten. »Denken Sie an das, was ich Ihnen vorhin gesagt habe.«

»Das verspreche ich Ihnen … Saavik.« Achernar lächelte wieder, und Nelson blinzelte verwirrt, als sich die Tür des Turbolifts schloss.

Oh, die dummen Menschen! Sie erkannten nicht die Gefahr. Und für Spock existierte nur Logik. Diese Denkweise war neu für Saavik, und unter den gegebenen Umständen hielt sie es für besser, in erster Linie ihren Instinkten zu vertrauen. Sie glaubte, damit mehr zu sehen als alle anderen, auf eine Weise, der Logik fehlte und die nicht einmal Spock verstand. Einen Geist gesehen …

Jenes Lächeln … Es wirkte wie vertrautes Gift.

Lügen nicht mit der Wahrheit verwechseln … Diese Worte kamen einer Mahnung gleich.

Der Turbolift brachte Saavik zum Quartiersbereich zurück, und unterwegs hielt sie die Transportkapsel einmal an: auf Deck sechs. Dort wuchs ein großer Feigenbaum, dessen Äste fast bis zur Decke reichten. Die junge Frau hatte ihn schon mehrfach bewundert, doch diesmal kam sie aus einem ganz bestimmten Grund: Sie nahm einen der ovalen Sandsteine, die dicht neben dem Stamm lagen.

In ihrer Kabine holte sie das Messer aus der Schublade und strich mit der Klinge immer wieder über den Stein. Ein leises, bitter klingendes Kratzen ertönte dabei. Sie wollen etwas sein, das Sie nicht sein können … O ja, ich möchte mehr sein – aber dadurch werde ich nicht zu einem Narren. In der dunklen Stille ihres Quartiers fuhr sie damit fort, das gestohlene Messer zu schärfen.

Sie wollte nicht schlafen. Und sie wollte auch nicht jenen Traum träumen. Mehrere Nächte lang war sie von ihm verschont geblieben, aber jetzt manifestierte er sich wieder, brachte den erstickenden Staub von Hellguard. An Wänden aus flackerndem, wogendem Licht lief sie entlang und floh vor einem Tod, der nicht sterben wollte. Mit leeren Händen stellte sie sich zum Kampf und verfluchte die an ihr zerrende Finsternis.

Diesmal hörte sie auch noch ein anderes Geräusch: eine Stimme aus der Zeit vorher, und sie flüsterte an einem Ort jenseits des Traums. Sie beendete die Schreckensvisionen, und Saavik vernahm die geraunten Worte auch nach dem Erwachen. Jene Botschaft aus einer vergessenen, verdrängten Vergangenheit sorgte dafür, dass sie schluchzte, sich zusammenrollte und an einen Schmerz entsann, der nicht nur den Körper betraf. Sieh auf, Kleine Katze, hauchte die Stimme. Sieh auf und beobachte die Sterne …

 

»Zielanflug, Mr. Spock. Sensorerfassung läuft. Wir sind allein in diesem Raumbereich.«

Das System 872 Trianguli bestand aus einer lodernden Doppelsonne (die wie ein grelles, flammendes Augenpaar von Hellguards Himmel starrte) und fünf Planeten. Vier davon waren schon seit Äonen sterile Wüsten, entweder ganz ohne Atmosphäre oder von giftigen Gasen umhüllt. Der fünfte galt nach den Maßstäben der Föderation ebenfalls als tot: eine rotbraune Kugel, trocken und alles andere als einladend. Die Angehörigen vieler Spezies hätten dort nur mit spezieller Schutzkleidung überleben können – die Luft war dünn und heiß, und der schweflige Staub übte eine ätzende, korrodierende Wirkung aus.

»Mr. Spock …« Chekov bediente die Kontrollen der wissenschaftlichen Station. »Der planetare Scan liefert Daten über den größten Teil von Hellguard, aber ein Bereich unter den Bergen …«

»… lässt sich nicht sondieren. Ich weiß, Mr. Chekov. Dort existiert ein Schirmfeld.« Es war vor sechs Jahren auch der vulkanischen Einsatzgruppe aufgefallen. »Jene Koordinaten markieren unser Ziel. Der isolierende Faktor ist für Sensorsignale und Transporterstrahlen undurchdringlich. Ich beabsichtige einen Transfer in die Nähe, und anschließend geht es zu Fuß weiter. Irgendwelche Fragen, Mr. Sulu? Gut. Sie kennen Ihre Anweisungen.«

»Aye, Sir.« Sulu nickte. Ja, er kannte die Anweisungen – und sie gefielen ihm ebenso wenig wie Scott. Am Morgen hatten sie sich in Spocks Quartier versammelt, um den Plan zu erörtern, und selbst mit Chekov durfte er nicht darüber reden.

Der Wandschirm zeigte nun die gewölbte Ödnis des Planeten – und noch etwas anderes. Ein kleiner leuchtender Punkt kletterte über den Horizont.

»He, wir sind nicht allein! Ein Scoutschiff! Waffen einsatzbereit!«

»Störsignale für Kom-Sperre«, wandte sich Spock an Uhura. Die dunkelhäutige Frau hatte bereits reagiert, und Tasten klickten unter ihren Fingern. »Keine Phaser und Photonentorpedos, Mr. Sulu. Setzen Sie einen Traktorstrahl ein, Mr. Harper!«

Das kleine Schiff drehte, um ›hinter‹ den Planeten zu fliehen, doch der Traktorstrahl packte den Scout, bevor er außer Reichweite geriet. Selbst wenn die Waffensysteme des im Vergleich zur Enterprise geradezu winzigen Raumers über volle Energie verfügten – das Destruktionspotenzial genügte nicht, um die Schilde des Starfleet-Kreuzers zu durchdringen. Scouts waren dazu bestimmt, Ausschau zu halten, zu lauschen und rasch zu verschwinden – für den Kampf eigneten sie sich nicht. Mit anderen Worten: Das fremde Schiff stellte nicht die geringste Gefahr dar, und deshalb sah Spock keinen Grund, es zu zerstören.

»Grußfrequenzen öffnen, Commander Uhura. Automatischen Translator aktivieren.« Spock atmete tief durch. »An das Scoutschiff: Wir hegen keine feindlichen Absichten. Stellen Sie Ihre Fluchtversuche ein. Andernfalls könnte es durch die strukturellen Belastungen zu Beschädigungen wichtiger Installationen an Bord kommen. Wenn wir unsere hiesige Mission beendet haben, geben wir Sie frei. Haben Sie verstanden? Bitte bestätigen Sie.«

Es erfolgte keine Antwort, aber jemand an Bord des Scouts schaltete das Triebwerk aus.

»Eine alles andere als wünschenswerte Komplikation.« Spock seufzte. »Wie viele Personen befinden sich an Bord?«

»Nur eine, Sir. Weitere Besatzungsmitglieder stellen die Lebensindikatoren nicht fest.«

»Wer auch immer dort drüben an den Kontrollen sitzt: Er hat keine Möglichkeit, die Romulaner auf unsere Präsenz hinzuweisen. Mr. Sulu, feuern Sie nur dann auf das Schiff, wenn die Umstände Sie dazu zwingen.«

»Aye, Sir«, erwiderte Sulu kummervoll – er schien es vorzuziehen, den Störfaktor mit einer kurzen Phasersalve zu beseitigen.

Die Tür des Turbolifts öffnete sich, und McCoy betrat die Brücke.

»Wir sind also da, wie? Wollte hier nur mal nach dem Rechten sehen und …«

»Doktor, Ihre Anwesenheit im Kontrollraum ist unnötig und dient höchstens dazu, uns von der Arbeit abzulenken.« Spock öffnete einen internen Kom-Kanal. »Bitte melden Sie sich unverzüglich im Transporterraum, Saavik. Es wird Zeit.«

»Es wird Zeit wofür! Wollen Sie das Mädchen etwa auf den Planeten mitnehmen?« McCoy folgte dem Vulkanier zum Lift. »Das ist doch Wahnsinn, Spock! Die junge Dame …«

»Nach Ihnen, Doktor. Mr. Sulu, Sie haben das Kommando.«

Eine seltsame Stille folgte, als Sulu zum Befehlsstand ging. Schließlich hielt es Chekov nicht mehr aus und drehte sich um.

»Ich habe bei dieser Sache ein verdammt ungutes Gefühl …«

»Und wenn schon, Pavel. Wir müssen unseren Befehlen gehorchen – ob es uns gefällt oder nicht.«

In diesem besonderen Fall fiel es Sulu sehr schwer, sich mit den Ordern abzufinden.

 

»Ja, Mr. Spock.« Saavik deaktivierte das Interkom und zog die Schublade des Schreibtischs auf. Darin lag das Messer, die Klinge jetzt rasiermesserscharf. Sie nahm es in die eine Hand, den Sandstein in die andere – und verachtete sowohl das eine als auch das andere. Langsam schloss sie die Finger um den Sandstein und drückte immer fester zu, bis er mit dumpfem Knirschen zerbröckelte. Große und kleine Bruchstücke fielen in die Schublade. Saavik warf das Messer ins Fach, schloss es und verließ die Kabine, ohne die Tür zu verriegeln – solche Dinge spielten jetzt keine Rolle mehr.

»Deck sieben«, wies sie den Computer des Turbolifts an.

Kurze Zeit später schritt sie durch einen Korridor und sah weiter vorn das Schott des Transporterraums. Irgend etwas in ihr drängte zur Flucht, doch sie setzte auch weiterhin einen Fuß vor den anderen – sie war zu oft geflohen.

Spock befand sich in jenem Zimmer. Und Hellguard wartete.

 

Die Enterprise war überfällig.

Kirk wiederholte die Berechnungen mehrmals und sagte sich jedes Mal, dass sie nichts bedeuteten. Er versuchte sich einzureden, dass die erhoffte Kom-Meldung jeden Augenblick eintreffen konnte. Doch als sie auch weiterhin ausblieb, fluchte er in hilfloser Wut und hörte, wie seine Stimme in der Sicherheit eines Kerkers ganz besonderer Art widerhallte. Er sehnte sich nach einer Herausforderung, nach einer Möglichkeit, einen eigenen – vielleicht sogar entscheidenden – Beitrag für die Lösung der Probleme zu leisten. Aber er saß auch weiterhin mutterseelenallein im Gewölbe fest, in einem vom Rest der Welt separierten Kosmos: Hier schienen die Sekunden zu Minuten zu werden, und jede einzelne Stunde kam einer halben Ewigkeit gleich. Die einzigen Herausforderungen in diesem Universum beschränkten sich aufs Geistige und Emotionale. Manchmal erlag Kirk fast der Panik und glaubte, dass die große Zugangstür für immer geschlossen blieb. Dann dachte er daran, nie wieder die Gesichter seiner Freunde zu sehen, nie wieder ein lebendes Wesen zu berühren oder von ihm berührt zu werden. Gab es etwas Schrecklicheres, als den Rest seines Lebens auf diese Weise zu verbringen?

Bei anderen Gelegenheiten klammerte er sich an der Hoffnung fest und glaubte, dass die Enterprise einen Erfolg erzielte – nur dadurch konnte er der Panik Widerstand leisten. Seine Stimme wurde heiser, und die Hände zitterten. Er vergaß zu essen, und die Erschöpfung wurde zu einem ständigen Begleiter. Die Realität schrumpfte, bis sie außer ihm selbst nur noch den Raum 2103 und seine Begleiter im Exil umfasste.

Wieder ging ein Tag zu Ende – ein Tag, der das Scheitern von zwei weiteren Theorien brachte.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?«, fragte Kinski.

Renn sah von ihrem Bericht auf. »Gönnen Sie sich eigentlich nie eine Ruhepause, Admiral?«

»Falle ich Ihnen etwa auf die Nerven, Doktor?« Kirk rang sich ein Lächeln ab.

»Nein, Sir. Allerdings: Sie sehen erschöpft aus. Wenn's so weitergeht, brauchen Sie bald einen Arzt. Wann haben Sie zum letzten Mal geschlafen oder eine ordentliche Mahlzeit …«

»Kümmern Sie sich um Ihre Sachen – ich kümmere mich um meine.«

Renn schüttelte missbilligend den Kopf und setzte die Arbeit fort. Kinski hingegen blieb am Interkom.

»Haben Sie ein wenig Zeit für mich, Admiral?«

»Zufälligerweise ja«, entgegnete Kirk ernst.

»Nun, ich habe nachgedacht. Darüber, was ich mache, wenn dies alles hinter uns liegt.«

»Eine völlig normale Reaktion, Kinski«, kommentierte Kirk. »Übrigens: Sie leisten gute Arbeit.«

»Danke, Sir, aber ich meine nicht die Arbeit, sondern mich selbst. Glauben Sie, dass man sich in erster Linie mit den Dingen beschäftigen sollte, die einen wirklich interessieren – auch wenn man dazu den Beruf wechseln und vielleicht sogar Starfleet verlassen muss?«

»Zweifel dieser Art sind verständlich, Kinski. Sie sind einer Menge Stress ausgesetzt. Nun, unter solchen Umständen sollte man keine Entscheidungen in Hinsicht auf die berufliche Zukunft treffen.« Kirk zögerte kurz. »Welche Alternative wünschen Sie sich?«

»Bevor ich die Akademie besuchte …« Kinski unterbrach sich und wirkte ein wenig verlegen. »Sir, als ich jünger war, habe ich elektronische Spielzeuge konstruiert. Mit vierzehn Jahren gründete ich eine eigene Firma, doch als meine Ausbildung begann, hatte ich nicht mehr genug Zeit …«

»Kinski-Spielzeuge! Der Name klang von Anfang an irgendwie vertraut!« Kirk musterte den nervösen jungen Mann mit neuem Interesse. »Die sogenannte ›Endlosschleife‹ stammt von Ihnen, nicht wahr?«

»Ja, Sir.« Ein Lächeln veränderte Kinskis Miene. »Mein bestes Exemplar. Sie haben davon gehört?«

»Ich habe damit gespielt«, gestand Kirk. »Ebenso wie mein vulkanischer Erster Offizier. Ihm gelang es, alle sechzehn Lösungen zu finden.«

»Es sind siebzehn, Sir. Anfang des Jahres entdeckte jemand in Iowa eine weitere. Nun, Sir, es geht mir um folgendes: Ich glaube, ich kann beim Herstellen solcher Spielzeuge bessere Dienste leisten als in Starfleet. Sie hatten recht mit dem Hinweis, dass die Realität ganz anders ist: Selbst die komplexesten Akademie-Szenarios können einen nicht auf Situationen wie diese vorbereiten. Ich bin noch immer entsetzt, Sir. Und ich werde die Furcht einfach nicht los. Wenn wir es doch noch schaffen sollten, eine Lösung für die aktuellen Probleme zu finden, und wenn ich anschließend heimkehre … Dann möchte ich nur noch Spielzeuge konstruieren. Verstehen Sie, was ich meine?«

Kirk seufzte leise. »Ich verstehe Sie sogar sehr gut. Und ich möchte Ihnen folgendes sagen, Kinski: Sie brauchen sich Ihrer Furcht nicht zu schämen. Und es ist keine Schande, Starfleet zu verlassen. Wie dem auch sei: Ich gebe Ihnen den guten Rat, nichts zu überstürzen. Sie haben viel Arbeit in das investiert, was Sie jetzt sind. Warten Sie, bis dies vorbei ist. Denken Sie dann noch einmal gründlich über alles nach. Wenn sich bis dahin nichts an Ihren Empfindungen geändert hat, sollten Sie tatsächlich heimkehren und sich dem Bau von Spielzeugen widmen. Die einzige wahre Schande des Lebens besteht darin, sich nicht mit der Arbeit zu befassen, für die man bestimmt ist. Und noch etwas: Wenn man sie gefunden hat, so muss man an ihr festhalten und darf sie sich auf keinen Fall wegnehmen lassen.«

»Ja, Sir.« Neues Selbstbewusstsein erklang in Kinskis Stimme. »Ich werde Ihren Rat beherzigen, Admiral. Herzlichen Dank.«

»Gern geschehen, Mr. …«

Auf Kirks Konsole blinkte eine Kontrolllampe: Zwei Tage lang hatte Nogura nichts von sich hören lassen, und nun stellte er eine Verbindung her. Jim dachte sofort an die Enterprise

»… ich glaube, ich lege jetzt eine Pause ein. Kopf hoch, Kinski. Bestimmt werden die Dinge bald besser.«

»Ja, Sir.«

Kirk betätigte einige Tasten, schloss damit einen Kom-Kanal und öffnete einen anderen. Noguras Gesicht erschien auf dem Bildschirm – und Jim begriff sofort, dass die Dinge nicht etwa besser geworden waren, sondern schlechter. Sogar viel schlechter.

»Admiral …«

Nogura hielt sich nicht mit irgendwelchen Floskeln auf. »Heute um neun Uhr zwanzig haben wir das offizielle Dementi des romulanischen Reiches erhalten: Alle Vorwürfe werden zurückgewiesen. Der Föderationsrat unterbrach seine Debatte, und eine Abstimmung fand statt. Die Art der Gefahr, der Umstand, dass bisher alle wissenschaftlichen Bemühungen ohne Erfolg blieben … Diese Faktoren spielten eine erhebliche Rolle. Diesmal gelang es nicht einmal Sarek, die Mitglieder des Rates zu bewegen, auch weiterhin den Pfad des Friedens zu beschreiten. Die vulkanische Delegation verließ den Saal.«

»Bedeutet das, es gibt … Krieg?« Kirk gewann den Eindruck, dass die Schatten im Gewölbe näher krochen.

»Ich fürchte, ja«, bestätigte Nogura. »Der Rat hat einen taktischen Schlag befürwortet. Kampfgruppen werden am Rand der Neutralen Zone stationiert, bis hin zur Starbase Zehn …«

»Mein Schiff ist noch immer da draußen!«, entfuhr es Kirk. »Es hätte nicht die geringste Chance!«

»Jim … Die Chancen der Enterprise waren von Anfang an außerordentlich gering. Spock wusste das. Er brach trotzdem auf, weil er einen Versuch für erforderlich hielt. Der Umstand, dass wir bisher nichts von ihm gehört haben …«

»Spock und die anderen leben, Admiral!« Kirk schrie fast und begriff: Er bot einen deutlichen Hinweis darauf, erschöpft und mit den Nerven am Ende zu sein. »Ich weiß es … Verdammt, ich weiß es!«

»Sagen Sie das den Rigel-Welten, Jim. Sagen Sie es den Millionen und Milliarden, die sterben werden, wenn die molekulare Waffe auch nur einmal im globalen Maßstab funktioniert. Sagen Sie es dem Föderationsrat. Wir sind an seine Entscheidungen gebunden – vergessen Sie das nicht. Und um Himmels willen …« Nogura zögerte ein oder zwei Sekunden lang. »Reißen Sie sich zusammen. Sie wissen, womit wir es zu tun haben.«

»Zeit, Heihachiro.« Kirk versuchte, vernünftig zu klingen. »Geben Sie Spock etwas mehr Zeit. Nur darum bitte ich Sie.«

»Ich glaube, Sie haben noch immer nicht verstanden, wie die Situation beschaffen ist, Jim. Eine ganze Stadt starb. Ein Raumschiff fehlt, wenn der Einsatzbefehl kommt … Und Sie wollen, dass ich die Anweisungen des Föderationsrats ignoriere?«

»Ja! Ich meine … nein! Ich …« Kirk kämpfte gegen die Müdigkeit an, die ihn daran hinderte, konzentriert nachzudenken. »Nutzen Sie Ihren Einfluss, Admiral! Die Flottenorder kommen direkt von Ihnen. Solange mein Schiff existiert, gibt es noch eine Chance, das Problem zu lösen und den Krieg zu verhindern. Ist das nicht jede Sekunde wert, die Sie irgendwie herausschlagen können?«

»Kein einziger Flaggoffizier würde mich dabei unterstützen«, wandte Nogura ein.

»Sie können mit meiner Unterstützung rechnen!«, platzte es aus Kirk heraus. Er hörte sich selbst – und von einem Augenblick zum anderen spürte er, dass sich der Benommenheitsdunst hinter seiner Stirn aufgelöst hatte. Das Unterbewusstsein hatte die ganze Zeit über nach einem Ausweg gesucht und bot nun eine Möglichkeit. Er entsann sich an die Gedanken in Hinsicht auf Herausforderungen und dergleichen. Nun, vielleicht war er tatsächlich imstande, selbst vom Gewölbe aus einen wichtigen Beitrag zu leisten. »Hören Sie, Heihachiro …«, fuhr er verzweifelt fort. »Die Stationierung der Kampfverbände bedeutet, dass die Neutrale Zone keine unangenehmen Überraschungen präsentieren kann. Wenn Sie den Angriff hinauszögern …« Eine kurze Pause, erfüllt von dem Wissen, dass es nach den folgenden Worten kein Zurück mehr gab. »Dann bin ich mit der Versetzung zum HQ einverstanden! Dann nehme ich den Schreibtischjob und gewähre Ihnen meine volle Unterstützung. Mein Wort ist nicht ohne Gewicht bei Starfleet Command und im Föderationsrat – das dürfte Ihnen klar sein!«

Nogura starrte vom Schirm und schwieg. Der alte Fuchs, dachte Kirk. Was ihm jetzt wohl durch den Kopf geht? Verdammt, sein Gesicht ist noch maskenhafter als Spocks Miene …

»Diesmal lasse ich mir keine Hintertür offen«, fügte er hinzu. »Diesmal greife ich nicht zu irgendwelchen Tricks. Ehrenwort.«

»Wir reden hier im besten Fall von vierundzwanzig Stunden, Jim«, sagte Nogura langsam. »Der Rat hat abgestimmt, und auch meinem Ermessensspielraum sind Grenzen gesetzt. Sie riskieren viel für nur einen Tag. Sind Sie ganz sicher …«

»Mein Schiff ist dort draußen …« Und ich wäre zu allem bereit, um es zu retten, dachte Kirk. Es gelang ihm nicht, diese Worte auszusprechen – der Kloß im Hals war zu dick.

Schließlich nickte Nogura. »Ich weiß, Jim«, sagte er sanft. »Und ich weiß auch, dass Sie gern wetten.«

Graues Flimmern verdrängte das Bild vom Schirm und schien anzuschwellen, die Konturen der Umgebung zu verschlingen. Es bestanden keine Kom-Verbindungen mehr, und das Gewicht der Erschöpfung verdoppelte sich. Kirks Leib schmerzte; Arme und Beine waren bleischwer. Seine Gedanken bewegten sich in einem ganz besonderen Zirkel: dem von Sieg und Niederlage. Ich habe gewonnen, oder? Der Kreis dehnte sich aus, umfasste auch andere Dinge, Erinnerungen an Luft und Licht. Er dachte an fremde Welten, die er gesehen und besucht hatte – junge, grüne Welten, deren Bewohner lebten und lachten, ohne etwas von der Föderation oder irgendwelchen Sternenreichen zu ahnen. Er dachte an Freunde, die ihn begleitet, ihn berührt und geliebt, mit ihm gekämpft hatten – und die manchmal gestorben waren. Er dachte an ein Meer aus Dunkelheit, an einen wahrhaft endlosen Ozean, der sich zwischen den Sternen erstreckte: Dort bestimmte allein der Captain den Kurs, und sein Schiff segelte für immer und ewig …

Kirk schlief ein.

 

Nogura unterbrach die Kom-Verbindung und wusste, dass Kirk den Bogen nur aufgrund seiner Erschöpfung überspannt hatte. Andererseits: Seit einiger Zeit bekam Heihachiro nur selten Gelegenheit, sich über Erfolge zu freuen; in diesem Fall handelte es sich um ein ebenso unerwartetes wie erfreuliches Geschenk – gewissermaßen das Versprechen eines Ertrinkenden.

Er schritt durchs Büro zum Panoramafenster in der gegenüberliegenden Wand. Die Erde schlief: eine dunkle Scheibe, umrahmt von Licht. Nach einer Weile drehte sich Heihachiro um, und sein Blick wanderte zum Onyxtisch mit dem Bonsai. Er dachte an Eichen und Jim Kirk, als der Türmelder summte.

»Sir?« Der Adjutant kam herein. »Admiral Komack hat mitgeteilt, dass alle Schiffe in Position sind – abgesehen von der Enterprise. Er erwähnte den Umstand, dass die Enterprise keine Delegierten zur Versammlung des Rates brachte. Aus diesem Grund schien er ein wenig … ungehalten zu sein, Sir.«

»Und Ihre Antwort, Michaels?« Noguras Blick galt auch weiterhin dem kleinen Baum: eine Weide, die ihre Äste und Zweige nach unten neigte. Sein Vorfahr fiel ihm ein – und eine Lektion aus der Vergangenheit, der er sich im Hier und Heute widersetzte.

»Äh … ich habe Ihre Worte von heute morgen wiederholt. Ich sollte ihm ausrichten, dass die Enterprise unterwegs ist und das Einsatzgebiet in einem Solartag erreichen wird. Ich wies auch darauf hin, dass die Flotte ohne jenes Schiff nicht komplett ist …«

»Ja, genau.« Eigentlich hätte Kirk wissen sollen, dass Admiral Nogura einen Weg fand, um etwas Zeit zu gewinnen … Doch Jim war so erschöpft, dass er nicht mehr klar dachte. Ehrenwort … Glaubte er wirklich, dass solche Dinge nötig waren?

»Und Admiral Komack antwortete … Nun, er drückte sich sehr … offen aus, Sir. Möchten Sie, dass ich seine Bemerkungen wiederhole?«

»Das ist nicht nötig, Michaels. Ich kann mir denken, was er erwiderte. Wenn er sich noch einmal meldet … Ich bin beschäftigt. Verstanden?«

»Aye, Sir. Admiral? Kann ich Ihnen irgend etwas besorgen?«

Winzige grüne Knospen zeigten sich an der Borke des Bonsai. Der Frühling kam selbst ins All, wenn auch langsam. Hinter Nogura scharrte ein junger, nervöser Mann mit den Füßen. »Nein, danke. Wie geht es Ihnen, Michaels?«

»Gut, Admiral. Es ist nur … Ich finde das Warten fast unerträglich! Aber so heißt es ja: Das Schlimmste ist immer das Warten.«

»Heißt es so?« … jede Sekunde, die Sie irgendwie herausschlagen können …

Die kleine Weide beugte sich, als Nogura sie berührte. Auf die gleiche Weise musste sie sich unter dem Leib seines Ahnen gebeugt haben, damals, als Höllenfeuer den Himmel über Hiroshima lodern ließ. Der kleine Baum kam einem Wunder gleich. Der Tod des Vorfahren hatte ihm das Leben bewahrt.

»Nun, wer so etwas behauptet, irrt sich gewaltig, Michaels«, sagte Nogura scharf. »Das Warten ist nicht das Schlimmste.«