Siebzehntes Kapitel
Am Samstag rief Tom bei Joschi an und fragte ihn, ob sie zusammen ausgingen. Und Joschi sagte zu. Allerdings fühlte sich Tom ein bisschen unsicher, weil er Gefahr lief, Finn und Marcel in der Szene zu begegnen. Gerade als er sich fertig machen wollte, um loszugehen, schickte Joschi jedoch eine Nachricht und fragte, ob sie sich auch einfach privat treffen könnten. Er habe keine Lust auf viele Leute und komme auch gerne bei Tom vorbei und bringe Bier mit. Tom war das recht. Damit umging er jedes unangenehme Aufeinandertreffen.
Eine halbe Stunde später stand Joschi vor der Tür und sie setzten sich mit Jula in die Küche, die an diesem Abend nichts vorhatte. Auch wenn sie immer wieder sagte, sie müsse dringend etwas für ihr Studium machen, müsse mit einer Hausarbeit anfangen, goss sie sich ein Glas Wein nach dem anderen ein und hatte ziemlich viel Spaß mit Joschi. Tom genoss es, die beiden so schnell vertraut miteinander lachen zu sehen. Und als Joschi zum Pinkeln verschwand, sah Jula Tom bedeutsam an.
»Mensch, das ist ja mal ’ne schmucke Hecke«, sagte sie und lachte.
»Wo hast du die Formulierung eigentlich aufgeschnappt?«, fragte Tom amüsiert und erinnerte sich, dass Jula ihn am ersten Tag auch so bezeichnet hatte.
»Der ist echt süß. Und intelligent. Einfach perfekt. Warum versuchst du es nicht mit ihm?«
»Ich bin mit ihm befreundet. Das geht nicht.«
Jula sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Manchmal bist du so richtig schön spießig«, sagte sie.
»Das ist wie mit Mitbewohnern.«
»Was ist wie mit Mitbewohnern?«, fragte Joschi, als er zurückkam und sich wieder an den Tisch setzte.
Tom wollte gerade irgendwas Lustiges sagen, um abzulenken, doch Jula war schneller: »Der Sex. Wir haben die Regel, dass wir keinen Sex mit den Mitbewohnern haben.«
»Ah, ihr redet über Sex«, sagte Joschi lachend. »Dann will ich mitreden.«
»Äh ... wir haben über Freundschaft allgemein geredet«, versuchte Tom, das Gespräch doch noch in eine unverfänglichere Richtung zu lenken.
»Und ich habe gesagt, dass ihr beiden einfach perfekt zusammenpasst«, ergänzte Jula genau in die falsche Richtung. »Ihr solltet ein Paar werden.«
»Ach!«, sagte Joschi. »Das ist ja mal ein interessanter Vorschlag.«
Er grinste zu Tom herüber, dessen Kopf schlagartig heiß wurde.
»So ein Quatsch!«, warf Tom ein. »Wir sind befreundet, mehr nicht.«
Jula lachte schallend.
»Du bist knallrot geworden«, flüsterte sie ihm übertrieben zu. »Ach, Tom!« Sie stand auf, legte die Arme von hinten um ihn und kuschelte sich an ihn. »Guck ihn dir doch mal an.« Sie wies auf Joschi. »Der liegt dir zu Füßen. Du brauchst nur Ja zu sagen.« Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter und schenkte sich noch ein Glas Wein ein.
»So schlecht ist die Idee von Jula gar nicht«, meinte Joschi und zwinkerte Tom zu. »Immerhin kennen wir uns schon ewig und wissen genau, woran wir sind.«
Tom musste zugeben, dass beide irgendwie recht hatten. Joschi hatte sich, seit Tom in der Stadt war, allmählich wieder zu dem alten Freund entwickelt, der er für Tom in der Schule gewesen war. Und er sah verdammt attraktiv aus. Noch attraktiver als damals in der Schule. Außerdem kannten sie sich lange genug, um sich einschätzen zu können, auch wenn eine lange Pause zwischen der Schulzeit und der Gegenwart lag, in der sie keinen Kontakt gehabt hatten. Aber Tom wollte diese irgendwie noch fragile Freundschaft nicht riskieren. Gerade nach seinen Abenteuern mit Marcel und Finn schien Joschi für ihn wichtiger denn je. Was war, wenn es nicht klappte? Und wenn einer – Joschi oder er selbst – mit einer Trennung nicht klarkam?
»Ach, komm schon, Tom«, sagte Joschi, streckte die Hand aus und wuschelte ihm durch die Haare. »Zieh nicht so ein Gesicht! Wir machen doch nur Spaß.«
Sie alberten noch eine Weile herum, tranken Bier und Wein, und um kurz nach zwölf verzog sich Jula in ihr Zimmer. Tom spürte den Alkohol, der ihn träge und benommen machte. Auch Joschi war nicht mehr sicher auf den Beinen, als er ihnen zwei neue Flaschen Bier aus dem Kühlschrank holte. Sie redeten über die Schulzeit und ihr Dorf, lästerten über die Leute, die sie schon damals langweilig fanden. Und als Peter von einer Party nach Hause kam und sich mit Joschi unterhielt, betrachtete Tom seinen Freund eingehend.
Nach all den komischen Begegnungen der vergangenen Wochen sehnte er sich nach Ruhe und Geborgenheit. Mit Pia hatte er so etwas wie eine Beziehung geführt, die aber keine Zukunft gehabt hatte. Und er war sich nach den vielen Jahren des Versteckens endlich sicher, Männern den Vorzug zu geben. Vielleicht war Joschi tatsächlich der Richtige. Immerhin hatte er mit ihm den ersten, wenn auch etwas missglückten Sex. Damals im Fahrradkeller. Aber war das wirklich eine Basis?
Als Peter sich ins Bett verabschiedete, merkte Tom, dass er hundemüde war. Joschi sah ihn an.
»Du kannst die Augen ja kaum noch aufhalten«, sagte er und drückte sich vom Stuhl hoch. Er schwankte und musste sich kurz am Tisch festhalten, damit er nicht gegen die Spüle torkelte. »Ups … ich habe wohl ein bisschen zu viel getrunken.«
»Schaffst du es nach Hause?«, fragte Tom besorgt.
»Wird schon gehen.«
Joschi versuchte, sich die Jacke anzuziehen, traf aber den Ärmel nicht.
»Das ist schwieriger als gedacht«, kicherte er.
Auch der zweite Versuch war nicht erfolgreich und er taumelte gegen den Kühlschrank, wobei er eine leere Bierflasche umwarf und im letzten Moment mit einer ungelenken Armbewegung davor bewahrte, auf den Boden zu fallen.
»Du kannst auch hier pennen«, sagte Tom ohne groß nachzudenken.
»Ach, Quatsch. Ich schaff das schon.«
Joschi verlor beim Versuch, seinen Rucksack aufzuheben, wieder das Gleichgewicht. Er setzte sich frustriert auf den Küchenstuhl.
»Mist!«, fluchte er leise.
Tom stand mit unsicheren Beinen auf und ging auf den Flur.
»Komm schon!«, sagte er. »Ich tu dir auch nichts.«
Er ging in sein Zimmer und hörte, wie Joschi ihm folgte. Tom kippte auf seine Matratze, löste den Gürtel seiner Hose und strampelte sie sich von den Beinen. Er zog sich den Kapuzenpulli und das T-Shirt aus und kroch unter die Decke. Als er hochsah, stand Joschi am Türrahmen und blickte ihn an.
»Bist du dir sicher?«, fragte er mit schleppender Stimme.
»Wir sind sowieso viel zu besoffen, um noch irgendwas zu machen«, nuschelte Tom grinsend.
Joschi gab sich geschlagen und zog die Tür hinter sich zu. Er kämpfte sich aus seinen Klamotten und stand schließlich in Boxershorts vor der Matratze. Unter dem dünnen Stoff zeichnete sich eine Erektion ab, auf die Joschi jetzt skeptisch heruntersah.
»Ich befürchte«, stellte er fest, »der da ist ganz anderer Meinung.«
Tom schlug die Decke zur Seite und rückte näher an die Wand, um Joschi Platz zu machen. Auch er hatte eine Beule in der Hose, wie er überrascht feststellte. Joschi setzte sich neben Tom und sah auf dessen Hose herab.
»Das Blöde ist, dass ich irgendwie Lust hätte, deinen Schwanz zu sehen«, sagte er.
Tom lachte. Und dann hob er das Becken und zog seine Shorts so weit runter, dass sein Penis über den Bund herausragte.
»Zufrieden?«, fragte er.
»Ja, das sieht gut aus.«
Er hüpfte kurz mit dem Hintern hoch, um sich ebenfalls die Unterhose herunterzuziehen, und legte sich neben Tom. Die Arme verschränkte er dabei hinter dem Kopf.
»Ich war damals in der Schule echt in dich verschossen. Wusstest du das?«, fragte er und wandte Tom den Kopf zu.
»Warum hast du nichts gesagt?«
»Ich hatte doch keine Ahnung, was mit mir los war. Oder wie du reagieren würdest. Ich hatte Angst, dass du mich auslachst und nichts mehr mit mir zu tun haben willst.«
»Dann habe ich ja auf der Abifeier genau richtig reagiert«, bemerkte Tom selbstironisch.
»Ich war danach völlig fertig. Wochenlang.«
Tom sah an sich und Joschi herunter. Da ragten zwei Schwänze in die Höhe und schienen nur darauf zu warten, dass sie sich mit ihnen beschäftigten. Aber wollte er das?
»Pass auf«, sagte Joschi und drehte sich zu Tom auf die Seite, »ich will ihn nur einmal kurz anfassen. Mehr nicht. Damit ich weiß, was ich verpasst habe. In Ordnung?«
Die Matratze und das Zimmer drehten sich ein bisschen, als Tom sich Joschi zuwandte. Die Augen fielen ihm dabei fast wieder zu.
»Ich bin echt zu besoffen für Sex«, sagte er leise.
»Nur einmal anfassen. Versprochen! Danach schlafen wir.«
»Einverstanden.«
Joschi schob seine rechte Hand auf Toms Schwanz zu und umfasste ihn sanft. Ein Schauer durchfuhr Tom, obwohl er so müde war. Das fühlte sich gut an. Unter anderen Umständen hätte er sich auch bestimmt mehr gewünscht. Er griff seinerseits nach Joschis Schwanz und umfasste ihn. Joschi stöhnte leise. Eine Weile lagen sie mit geschlossenen Augen nebeneinander, hielten sich aneinander fest und Tom schlief beinahe ein. Irgendwann löste Joschi seine Hand von Toms Penis, aus dem das Blut langsam gewichen war, und lachte leise.
»So, genug gefummelt. Versprochen ist versprochen.«
Tom ließ Joschis Schwanz aus seiner Hand frei und drehte sich zur Wand. Joschi zog die Decke zurecht, legte einen Arm um Tom und kuschelte sich von hinten an ihn heran. Tom fühlte den Arm vor seiner Brust und die warme Haut auf dem Rücken, dem Hintern und an den Beinen. Er spürte Joschis Erektion, die sich an ihn schmiegte, und seufzte leise. So war es gut. Sie mussten gar keinen Sex haben, um sich miteinander wohlzufühlen.