Vor dem Hauptquartier der Rettungswacht stand ein Streifenwagen, in dem Licht brannte und jemand am Steuer saß. Ansonsten war der Parkplatz menschenleer. Zwar parkten dort jede Menge Autos, aber die Leute waren alle noch im Suchgebiet und würden erst später zurückkommen. Jóhanna war in Begleitung eines Kollegen nach Hause geschickt worden. Nicht weil man ihr nicht zutraute, selbst zurückzufinden, sondern weil die Rettungswacht ihre Mitglieder nie alleine durchs Hochland laufen ließ.
Jóhannas Begleiter war genauso froh gewesen wie sie, vom Fundort der Leiche wegzukommen. Zurück in Höfn, hatte er sich bereit erklärt, die Ausrüstung einzuräumen, und Jóhanna war zu erschöpft gewesen, um zu protestieren. Am liebsten wäre sie einfach auf einen der unbequemen Plastikstühle gesunken und hätte ihm beim Aufräumen zugeschaut. Sie wollte nicht bis spät in die Nacht alleine zu Hause auf Geiri warten.
Sie trat hinaus in die Abenddämmerung. Am Mittag war sie zu Fuß zum Hauptquartier gegangen. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch genug Energie gehabt, um die Schmerzen zu ignorieren, so wie meistens vor einer Herausforderung. Aber seit sie ihrer toten Ex-Kollegin ins Gesicht geschaut hatte, war ihr Enthusiasmus wie weggeblasen. Seitdem war jeder Schritt schmerzhaft, und das letzte kurze Stück nach Hause überstieg ihre Kräfte.
Die Fahrerin des Streifenwagens ließ die Autoscheibe runter, rief ihren Namen und winkte. Jóhanna stöhnte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken und winkte zurück. Sie war nicht in der Stimmung, in der Kälte rumzustehen und mit der jungen Polizistin zu quatschen. Zwar sehnte sie sich nach Gesellschaft, aber nur nach Nähe, nicht nach Gesprächen. Sie konnte jetzt nicht reden, wandte sich einfach ab und ging los.
»Jóhanna!« Die Polizistin winkte wieder. »Geiri hat mich gebeten, dich nach Hause zu fahren.«
Jóhanna drehte sich um und zögerte einen Moment zu lange. Dumpf glotzte sie die Polizistin an, die wohl dachte, sie würde ihr nicht glauben. »Er hat sich über Tetra-Funk gemeldet. Komm, ich fahre dich schnell.«
Das Angebot war nett, und es war einfacher, es anzunehmen, als den Mund aufzumachen, um es abzulehnen. Jóhanna nickte nur und ging zu dem Streifenwagen. Sie versuchte vergeblich, sich an den Namen der Frau zu erinnern, irgendwas Kurzes, das mit D anfing. Dísa oder Dóra. Sie zwang sich, nicht zu humpeln, aber dem besorgten Blick der Polizistin nach zu schließen, misslang es ihr.
»Hast du dich verletzt?«, fragte die Polizistin und schaute auf Jóhannas Beine.
Der Beifahrersitz war viel bequemer als die Sitze in dem alten Geländewagen, mit dem sie nach Höfn zurückgefahren waren. Die Schmerzen ließen etwas nach, und Jóhanna konnte endlich etwas sagen. »Eine alte Sportverletzung.«
»Ach so.« Die Polizistin lächelte, fuhr aber nicht los. Stattdessen zeigte sie auf Jóhannas Schulter. »Anschnallen bitte.«
Während Jóhanna den Sicherheitsgurt anlegte, starrte die junge Frau durch die Windschutzscheibe. »Schreckliche Geschichte da oben im Hochland. Da fehlen einem die Worte. Mein herzliches Beileid wegen deiner Kollegin.«
Obwohl Jóhanna sich ein wenig besser fühlte, war sie noch nicht in der Lage, über den Leichenfund zu sprechen. »Danke fürs Abholen.«
»Kein Problem. Heute Abend ist absolut nichts zu tun. Ist also eine willkommene Abwechslung.« Die Polizistin fuhr los, mit einer Hand am Lenkrad. Sie spürte, dass Jóhanna nicht über Wiktoria sprechen wollte. »Hast du Hunger? Ich wollte kurz was essen gehen. Du kannst gerne mitkommen. Dann brauchst du zu Hause nichts zu kochen.«
Jóhanna hatte keinen Appetit. Außerdem trug sie noch ihren Rettungswachtoverall. Aber dann hätte sie wenigstens Gesellschaft. Wahrscheinlich steckte Geiri hinter der Einladung. »Ja, gerne.« Als ihr klar wurde, dass sie nicht mit der Frau zu Abend essen konnte, ohne ihren Namen zu wissen, fragte sie sie danach und ergänzte, sie könne sich furchtbar schlecht Namen merken. Es stellte sich heraus, dass die Polizistin Rannveig hieß. Weder etwas Kurzes noch mit D.
In dem Restaurant saßen nur wenige Gäste, denn die übliche Essenszeit war vorbei. Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster, von dem sie den Parkplatz und den Streifenwagen im Blick behalten konnten. Jóhanna fragte sich, ob Rannveig den Platz bewusst so gewählt hatte. Wohl kaum. Wer würde einen Streifenwagen aufbrechen? Sie pellte sich aus dem Oberteil des Overalls, stopfte es hinter den Rücken und ließ die Ärmel auf den Boden hängen. Es war ihr egal.
Die Bedienung notierte ihre Bestellung und verschwand in der Küche. Jóhanna nahm einen Hamburger, obwohl sie keinen Appetit hatte. Sie musste etwas essen, denn sie wollte nicht in der Nacht hungrig aufwachen und alleine runter in die Küche gehen müssen. Ihre Begleiterin bestellte die kleinste Vorspeise auf der Speisekarte. Die Idee, zusammen essen zu gehen, war definitiv Geiris gewesen. Rannveig hatte überhaupt keinen Hunger.
»Darf ich dich was fragen?« Rannveig setzte die Polizeimütze ab und legte sie auf den Tisch. »Du musst nicht antworten.«
Jóhanna nickte. »Schon okay.« Sie wusste, dass sich die Frage um den Leichenfund drehen würde. Aber da sie endlich auf einem bequemen Stuhl saß, in Gesellschaft eines anderen Menschen, würde sie darüber reden können. Nicht viel und nicht ausführlich, aber sie konnte einfache Fragen beantworten. Falls es um Wiktoria ging, bestand keine Gefahr, dass sie losheulen oder zusammenbrechen würde. Ihre Tränendrüsen hatten sich schon auf dem Weg in den Ort geleert. Jetzt fühlte sie sich zu betäubt für Gefühlsausbrüche.
»Geiri hat mich gebeten, über Wiktoria zu recherchieren, aber ich hab noch nicht viel rausgekriegt. Die meisten, mit denen sie Kontakt hatte, wohnen nicht mehr in Höfn. Und diejenigen, die noch hier sind, haben nichts mehr von ihr gehört, seit sie in der Fischereifirma aufgehört hat. Sie ist in die Ostfjorde gezogen, aber niemand weiß, wohin. Ich habe mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber gesprochen, der sagt dasselbe. In der Firma wissen sie nur, dass sie einen Mann kennengelernt hat und zu ihm ziehen wollte. Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht glücklich über ihre Kündigung waren.« Rannveig schwieg, während die Bedienung ihnen die Getränke brachte, und fuhr dann fort: »Hat sie dir was über ihre Pläne erzählt?«
Gedankenverloren zog Jóhanna mit dem Finger einen Strich durch die feuchte Oberfläche ihres Glases. »Sie hat sich verliebt. In einen Kapitän aus den Ostfjorden. Ich glaube aus Neskaupstaður. Oder Eskifjörður. Ich erinnere mich nicht genau, tut mir leid. Das ging alles so schnell.« Jóhanna korrigierte sich: »Jedenfalls für mich. Sie kam eines Tages zur Arbeit, kündigte, steckte den Kopf in mein Büro und verabschiedete sich von mir. Das war vor ungefähr zwei Monaten.«
»Hat sie dir gesagt, wie er heißt und wie sie sich kennengelernt haben? Das würde uns sehr helfen. In den Ostfjorden wohnen viele Kapitäne. Wenn wir wenigstens seinen Vornamen wüssten, würde uns das viel Telefoniererei ersparen.«
Jóhanna versuchte, sich an den Namen zu erinnern, Wiktoria hatte ihn ihr definitiv gesagt. Aber sie hatte ihn sich nicht gemerkt und wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie jemals danach gefragt würde. »Puh, ich bin, wie gesagt, leider ganz schlecht mit Namen. Aber ich glaube, er heißt Einar. Oder Eiður. Vielleicht auch Einir. Irgendwas Kurzes, das mit E anfängt. Er könnte aber auch Játvarður oder ganz anders heißen. Keine Ahnung, wessen Sohn er ist. Ich glaube, das hat sie mir gar nicht gesagt. Wir haben eigentlich immer nur über die Arbeit geredet und manchmal über Polen. Ich fand es interessant, wenn sie von ihrer Heimat erzählte. Über Persönliches haben wir kaum gesprochen, ich weiß nicht, wo die beiden sich kennengelernt haben oder wie lange sie sich kannten.« Plötzlich fiel Jóhanna doch etwas ein. »Eine Zeitlang lebte sie mit jemandem zusammen. Mit einem polnischen Seemann, von dem war sie schon länger getrennt, bevor sie aus Höfn wegzog. Das weiß ich, weil sie ein Zimmer suchte und keine ganze Wohnung mieten wollte. Sie hat gespart. Arbeitete nebenbei im Hotel, um sich was dazuzuverdienen.« Jóhanna seufzte. »Das war wohl überflüssig.« Sie merkte, dass sie den Faden verloren hatte. »Vielleicht weiß ihr Ex-Freund ja was. Ich glaube, sie haben sich freundschaftlich getrennt.«
»Oder auch nicht.« Die Polizistin lächelte, darum bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Anscheinend hatte sie gehofft, Jóhanna wüsste den vollen Namen des Kapitäns samt seiner Adresse und ID-Nummer. Außerdem schien sie schon über Wiktorias Ex-Freund informiert zu sein. »Wir versuchen, ihn zu erreichen. Sein ehemaliger Arbeitgeber sagt, er hätte sich schnell einen neuen Job gesucht, nachdem die Beziehung zu Wiktoria in die Brüche ging. Er weiß nicht, wo er jetzt arbeitet, vermutet aber, dass er zur See fährt, möglicherweise im Ausland. Wir werden ihn sicher finden, es ist nur ein bisschen schwieriger, wenn er nicht mehr in Island lebt.«
Sie schwiegen beide, bis das Essen kam, das sie ohne großen Appetit aßen. Rannveig hatte ihre Vorspeise erst halb aufgegessen, als sie den Teller zur Seite schob. »Du hast gesagt, ihr standet euch nicht sehr nah, aber kannst du dir vorstellen, was Wiktoria mit den Wanderern aus Reykjavík zu tun gehabt haben könnte? Kannte sie sie? War sie vielleicht ihre Reiseleiterin?«
Jóhanna schluckte einen trockenen Bissen hinunter. »Das weiß ich nicht. Sie fuhr nur selten nach Reykjavík, ich glaube nicht, dass sie dort viele Bekannte hatte. Sie war meistens mit ihren Landsleuten zusammen, wie das halt so ist. Und sie hat nie erwähnt, dass sie Reiseleiterin ist.«
Weitere Fragen kamen nicht. Anscheinend war auch die Polizei überrascht gewesen, dass es sich bei der Toten um Wiktoria handelte. Eine ehemalige polnische Mitarbeiterin der größten Fischereifirma in Höfn. Von der man genauso wenig wie von den anderen wusste, was sie im Hochland gewollt hatte.
Während Jóhanna sich zwang, noch ein paar Bissen von ihrem Hamburger runterzukriegen, erzählte ihr Rannveig, dass es auf die Suchanzeige nach dem Fahrer bisher keine Rückmeldungen gegeben habe. Die auf Jeeptouren spezialisierten Reiseunternehmen wüssten nichts über die Wandergruppe. Sie hätten noch mit ein paar Leuten gesprochen, die bei Autovermietungen in der Umgebung große Jeeps gemietet hätten, leider auch ohne Ergebnis. Die Polizei in Reykjavík sei noch damit beschäftigt, die Autovermietungen im Hauptstadtgebiet abzuklappern.
Da Wiktoria keinen Jeep besessen hatte, sondern einen PKW, sei es unwahrscheinlich, dass die Wanderer damit ins Hochland gefahren seien, aber vielleicht hätten sie es ja doch irgendwie geschafft. Ein normaler PKW könnte zugeschneit und deshalb noch nicht gefunden worden sein. Oder sich überschlagen haben und in eine Schlucht gestürzt sein. Die Polizei wolle morgen in den Fischerorten im Osten, wo der unbekannte Kapitän angeblich wohnte, Ausschau nach dem Wagen halten. Rannveig verstummte, und Jóhanna aß schweigend zu Ende.
Jóhanna bestand darauf, die Rechnung zu übernehmen. Die Mahlzeit hatte ihr letztendlich doch gut getan. Sie war ruhiger geworden und würde bestimmt schnell einschlafen, selbst wenn sie im Haus alle Lampen eingeschaltet lassen würde. Sie hatte keine Angst mehr davor, nach Hause zu gehen und alleine auf Geiri zu warten.
Als der Streifenwagen vor ihrem dunklen Haus anhielt, fielen ihr fast die Augen zu. Sie wollte sich gerade verabschieden, als Rannveig ihr zuvorkam. »Witzig.« Sie stützte sich aufs Lenkrad und betrachtete das Haus. »Heute Morgen war ein Mann wegen eines alten Falls auf der Wache. Ich hatte keinen Dienst, aber ich hab’s im Protokoll gesehen. Der wohnte hier als Kind.«
Jóhannas Blick wanderte automatisch zu ihrem Haus. Es war nicht besonders auffällig und ähnelte den anderen Häusern in der Straße. Ein normales Haus, ursprünglich für eine Familie gebaut zu einer Zeit, als die Leute weniger Ansprüche an die Größe der Kleiderschränke stellten, als es noch keine bodentiefen Fenster gab und Oberschränke in der Küche noch kein absolutes Muss waren. »Wir haben es zwei Brüdern abgekauft. Ihre Eltern wohnten hier, es muss also einer von ihnen gewesen sein. Was macht er denn in Höfn? Sie wohnen beide in Reykjavík.«
»Das weiß ich leider nicht. Das stand nicht im Protokoll. Nur dass er alte Berichte einsehen wollte.«
»Alte Berichte?« Jóhanna fixierte die Polizistin. »Was denn für Berichte?«
»Über einen Unfall. Einen tödlichen Unfall.«
Jóhanna spürte einen Stich im Kreuz, der nur Einbildung sein konnte. Die Formulierung »tödlicher Unfall« hatte eine besondere Bedeutung für sie. Als sie damals im Krankenhaus aufgewacht war, schwer verletzt und wieder zusammengeflickt, sagte man ihr, sie hätte Glück gehabt, dass sie noch am Leben sei. Es hätte auch ein tödlicher Unfall sein können. Während ihrer Genesung und in der Reha hatte sie das andauernd gehört: Wenn sie auf einen Stein geprallt wäre, wenn sie unter dem Auto gelandet wäre, wenn sie über das Auto geschleudert worden wäre oder die Fahrerin noch schneller gefahren wäre, dann hätte sie keine Chance gehabt. Nie sagte jemand, dass es gut gewesen wäre, wenn das Auto langsamer gefahren wäre, wenn die Bremsen richtig funktioniert hätten, wenn sie auf einen Grünstreifen anstatt auf die Straße geschleudert worden wäre oder noch hätte ausweichen können. Oder wenn sie so spätabends gar nicht mehr joggen gegangen wäre. Oder eine andere Strecke gelaufen wäre.
Natürlich sagte das niemand. Das wäre ein schlechtes Omen gewesen. Sie musste auf das Leben und in die Zukunft schauen. Sie konnte froh sein. Sie hatte keinen tödlichen Unfall gehabt. Hurra.
»Wer ist denn gestorben?«, fragte Jóhanna, obwohl ihr Jahresaufkommen an Toten schon mehr als ausgeschöpft war.
»Ein Mädchen. Ein kleines Kind. Sie hieß Salvör und war seine Schwester.« Rannveig redete darüber, ob der Mann ein Recht auf Akteneinsicht hätte oder nicht.
Jóhanna hörte nicht mehr zu. Sie wollte einfach nicht. Ihre Gedanken kreisten schon die ganze Zeit um die fünf Toten in Lónsöræfi. Ein Kind konnte sie nicht auch noch ertragen.
Sie fiel der Polizistin ins Wort: »Schrecklich. Aber ich muss mich jetzt verabschieden. Ich bin total fertig.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich hoffe, ihr findet den Kapitän. Und danke für alles.«
»Keine Ursache.« Rannveig lächelte zurück, wesentlich überzeugender als Jóhanna. Dann stützte sie sich wieder aufs Lenkrad und musterte das Haus. »Noch eine Sache … Sieht so aus, als stünde eure Haustür offen. Das sieht man als Polizistin nicht gern. Oder es ist ein gutes Zeichen … Hier gibt’s keine Einbrecher.«
Jóhanna schaute zur Haustür und sah, dass sie recht hatte. Die Tür war nur angelehnt.
Sie hatte sich ihr Bett in rosaroten Farben ausgemalt, aber diese Vision verschwand schlagartig. Überrascht von sich selbst, hörte sie sich ziemlich abgeklärt sagen: »Merkwürdig. Letztens stand sie auch schon mal offen. Wahrscheinlich müssen wir die Türklinke auswechseln.«
»Habt ihr nicht abgeschlossen?«
»Doch.« Jóhanna wollte die Polizistin nicht anlügen. »Ich dachte, ich hätte abgeschlossen. Beim letzten Mal auch.«
Rannveig starrte immer noch mit ernster Miene auf die Tür. »Eine Frage: Habt ihr das Schloss ausgewechselt, als ihr das Haus gekauft habt?«
Jóhanna schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Aber wir haben alle Schlüssel bekommen.«
Rannveig drehte sich zu ihr. Sie musste gar nichts sagen, denn es lag auf der Hand, dass man nie sicher sein konnte, ob man wirklich alle Schlüssel ausgehändigt bekommen hatte. »Komischer Zufall. Da taucht der Sohn des früheren Besitzers hier auf, und auf einmal öffnet sich die Haustür von alleine.«
Jóhannas Traumbild von ihrem Bett, von Schlaf und Erholung entglitt ihr wieder. »Äh, falls es für dich okay ist, würde ich gerne auf der Wache auf Geiri warten.«
»Klar, aber ich drehe erst eine Runde durch euer Haus. Nur zur Sicherheit. Du kannst mitkommen oder warten, wie du willst.«
Jóhanna wartete lieber. Rannveig stieg aus und ging durch die offene Tür ins Haus. Kurz darauf kam sie wieder raus, schloss die Haustür und setzte sich in den Wagen. »Da ist niemand im Haus. Keine Hinweise auf einen Einbruch, aber ihr solltet noch mal alles genau durchschauen.«
Als der Streifenwagen langsam durch die Straße rollte, behielt Jóhanna ihr Haus so lange im Blick, bis sie sich fast den Hals ausrenkte. Aber ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf. Keine Bewegung, kein Licht, keine unerklärlichen Schatten. Als sie am Haus ihrer Nachbarn vorbeifuhren, sah sie Morri, den schwarzen Labrador. Er stand reglos im Nachbargarten, fixierte ihr Haus und fletschte die Zähne.
Jóhanna musste die Fensterscheibe nicht runterkurbeln, um zu wissen, dass er knurrte.