8    Vertragsrecht

Fotografier- und Nutzungsrechte eindeutig regeln

Viele rechtliche Auseinandersetzungen enden unbefriedigend oder in einem Desaster, nur weil zu Beginn der Vertragsbeziehung nicht auf eindeutige und später auch nachweisbare Absprachen geachtet wurde. Dieses Kapitel befasst sich deshalb mit der Vertragsgestaltung und geht auf einige wichtige Aspekte zu Vertragsform, Vertragsinhalt und Vertragstypen ein.

Ein italienisches Sprichwort sagt treffend: Patti chiari, amicizia lunga – »Klare Vereinbarungen, lange Freundschaften«. Dieses Sprichwort fällt mir immer wieder ein, wenn ich Mandanten vertrete, die ihre Ansprüche geltend machen wollen, aber letztlich daran scheitern müssen, dass entweder zwar eine eindeutige Regelung getroffen wurde, sich diese später aber nicht mehr beweisen lässt, oder dass es generell an einer eindeutigen vertraglichen Regelung fehlt.

Wie wichtig klare vertragliche Regelungen sind, ist auf den vorangegangenen Seiten schon mehrfach deutlich geworden, jetzt möchte ich Ihnen konkret einige wesentliche Punkte der vertraglichen Gestaltung erläutern. Ob Sie nun selbst einen Vertrag aufsetzen oder mit einem vorformulierten Entwurf Ihres Vertragspartners konfrontiert werden – je mehr Sie wissen, desto bewusster können Sie entscheiden.

8.1    Vertragsform

Für einen Vertrag reicht es grundsätzlich aus, dass die Parteien in einem oder mehreren Gesprächen alle vertragsrelevanten Punkte besprochen und darüber Einigung erzielt haben. Damit kommt ein Vertrag zustande, denn dieser beruht auf übereinstimmenden Willenserklärungen. Schriftlichkeit ist keine Bedingung für das Zustandekommen eines Vertrags, sieht man von einigen gesetzlichen Ausnahmen ab, in denen es für bestimmte Verträge ausdrückliche Formvorschriften gibt, die für unser Thema allerdings irrelevant sind.

Zum Beispiel will der Fotograf ein Model gegen Entgelt fotografieren und die Bilder anschließend unbeschränkt gewerblich nutzen, und das Model ist einverstanden damit, dass es gegen das angebotene Honorar fotografiert wird und die Bilder später unbeschränkt genutzt werden dürfen. Hier liegen erkennbar zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor. In der Regel macht also eine Partei ein Angebot auf Abschluss eines Vertrags mit bestimmtem Inhalt, die andere Partei nimmt dieses Angebot entweder an oder lehnt es ab – es kommt also entweder zum Vertrag oder nicht.

Denkbar ist auch die modifizierte Annahme, etwa wenn das Model zwar damit einverstanden ist, gegen Honorar fotografiert zu werden, aber nur möchte, dass der Fotograf die Bilder für seine Imagemappe und seine Internetgalerie, nicht jedoch für kommerzielle Werbung verwendet. Damit nimmt das Model das Angebot des Fotografen nicht an, es liegen keine deckungsgleichen Willenserklärungen vor. In diesen Fällen ist die modifizierte Annahme des Models vielmehr als ein neues Angebot an den Fotografen zu verstehen, den Vertrag mit den modifizierten Bedingungen abzuschließen. Stimmt der Fotograf zu, kommt es zu einem Vertrag, der nur die eingeschränkte Nutzung beinhaltet, lehnt der Fotograf dagegen ab, weil er nach wie vor auf der unbeschränkten gewerblichen Nutzung besteht, kommt überhaupt kein Vertrag zustande.

Dies ist das Grundprinzip über das Zustandekommen eines jeden Vertrags, das ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen möchte.

[+]  Das Entstehen eines Vertrags

Ein Vertrag entsteht durch ein Angebot und dessen deckungsgleiche Annahme. Dazu bedarf es übereinstimmender Willenserklärungen. Wird auf ein Angebot mit einer modifizierten Annahme reagiert, kommt ein Vertrag nur dann zustande, wenn derjenige, der das ursprüngliche Angebot gemacht hat, den Modifikationen zustimmt.

In der Praxis gestalten sich Vertragsabschlüsse in der Regel deutlich komplizierter als im oben dargestellten Grundmodell. Bis zum endgültigen Vertragsabschluss kann es gelegentlich über einen längeren Zeitraum zwischen den Vertragsparteien noch mehrfach hin- und hergehen. So könnte in unserem Beispiel der Fotograf zwar grundsätzlich damit einverstanden sein, die Aufnahmen nicht für Werbezwecke zu benutzen, will dann im Gegenzug jedoch deutlich weniger an das Model zahlen, als er zunächst angeboten hat. Das Model wiederum will sich dann aber nur noch eingeschränkt zur Verfügung stellen etc. Schließlich kommt es irgendwann zu einem Vertrag, der mit dem ursprünglichen Angebot nicht mehr sehr viel zu tun hat.

Wenn gerade in solchen Fällen die Vertragspartner nicht die entscheidenden Punkte ihrer Übereinkunft vor Vertragsabschluss schriftlich fixiert haben, kann sich dies später rächen und unter Umständen sehr teuer werden. Wie bereits erwähnt, können bis auf wenige Ausnahmen, für die eine bestimmte Form des Vertragsabschlusses gesetzlich vorgeschrieben ist (etwa Schriftlichkeit für einen Ausbildungsvertrag oder notarielle Beurkundung für eine Verfügung über eine Immobilie), Verträge formfrei abgeschlossen werden. Demzufolge sind auch mündliche Vereinbarungen in vollem Umfang gültig und unterscheiden sich damit in ihrer Rechtswirksamkeit in keiner Weise von schriftlichen Vereinbarungen. In der Praxis erlebe ich es immer wieder, dass – gerade im Arbeitsrecht – Mandanten zu mir kommen und mir sagen, dass sie seit zehn Jahren in der Firma beschäftigt seien, aber keinen Vertrag hätten, weil sie nämlich der irrigen Auffassung sind, nur ein schriftlich abgeschlossenes Dokument sei ein Vertrag.

Deshalb heißt es nicht umsonst schon in Goethes Faust, erster Teil:

»Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.«

Das Problem mangelnder Schriftlichkeit wird nämlich evident, wenn man sich einen der fundamentalen Grundsätze von Zivilprozessen vor Augen führt, der besagt, dass in einem Rechtsstreit vor den Zivilgerichten – hier werden Urheberrechts- und Schadensersatzstreitigkeiten ausschließlich verhandelt – nur das zur Urteilsfindung berücksichtigt wird, was die Parteien dem Gericht gegenüber vortragen, und dass derjenige, der Tatsachen vorträgt, dafür auch den Beweis antreten muss. Etwas beweisen kann man vor allem durch Vorlage von Dokumenten und durch Zeugen, die einen Vorgang aus eigener Wahrnehmung bekunden können. Es ist deshalb in einem Zivilprozess nicht Aufgabe der Gerichte, von sich aus zu ermitteln, was die Parteien wohl vereinbart haben könnten.

[ ! ]  Die Parteimaxime im Zivilrecht

Im Zivilprozess und damit auch im Urheber- und Schadensersatzprozess gilt die Parteimaxime. Das bedeutet, dass nur das, was die Parteien vortragen und auch beweisen können, bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt wird. Es gibt keine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen. Was eine Partei nicht vorträgt, kann auch nicht berücksichtigt werden.

Nun stellen wir uns vor, der Fotograf hat ein Foto seines Models an eine Werbeagentur verkauft, die es für eine kommerzielle Werbung einsetzt. Das Model macht Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend. Tatsächlich war zwar die Nutzung der Fotos für Werbezwecke vereinbart, das Model bestreitet dies jedoch hinterher, wobei es auf die Gründe des Bestreitens nicht ankommt, das Model muss sein Bestreiten auch gar nicht begründen. Es kann einfach nur vortragen, dass der Vortrag des Fotografen nicht stimmt. Der Fotograf ist nunmehr in der äußerst misslichen Lage, beweisen zu müssen, dass die Nutzung der Fotos für Werbezwecke vertraglich vereinbart war. Denn jeder, der im Zivilverfahren etwas behauptet oder sich auf bestimmte Rechte beruft, muss seine Behauptung bzw. das Bestehen seiner Rechte auch beweisen, anderenfalls wird sein Vortrag nicht berücksichtigt.

Wenn bei dieser Vereinbarung mit dem Model kein Zeuge zugegen war, der in der Lage wäre, dies vor Gericht zu bestätigen, was als Beweismittel ausreichen würde, und wenn es auch keinerlei Schriftverkehr, geschweige denn eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien gibt, hat der Fotograf unabwendbar das Nachsehen. Dies gilt zum Beispiel auch dann, wenn die Höhe des Honorars den Schluss zulassen sollte, dass auch eine werbliche Nutzung vereinbart war. Dies ist jedoch nur ein Indiz, kein Beweis für eine entsprechende Vereinbarung.

[+]  Bedeutung der Schriftform

Die mangelnde Schriftform hat keinerlei Auswirkungen auf die Gültigkeit eines Vertrags, wenn nicht das Gesetz bestimmte Formen für den Vertragsabschluss vorschreibt. Ein nur mündlich und ohne Anwesenheit von Zeugen abgeschlossener Vertrag wird allerdings in der Regel zu erheblichen Beweisproblemen und zur Nichtdurchsetzbarkeit von Ansprüchen führen.

Ich kann Ihnen deshalb nicht eindrücklich genug dazu raten, Verträge zur eigenen Sicherheit grundsätzlich schriftlich abzuschließen, zumindest die wichtigsten Punkte stichwortartig zu skizzieren und dann von allen Vertragsparteien unterschreiben zu lassen. Lediglich dann, wenn von vornherein definitiv feststeht, dass ein Foto ausschließlich für den Privatgebrauch angefertigt wird, mag es vertretbar sein, auf die Schriftlichkeit zu verzichten, da im Zweifel ohnehin nichts passieren wird. Dass im Familien- und Freundeskreis jemand auf den Gedanken kommt, eine schriftliche Vereinbarung mit dem fotografierten Onkel abzuschließen, dürfte ohnehin eher ungewöhnlich sein.