27. Kapitel

Nachdem sie Raj und Jamie am Revier abgesetzt hatte, bog Eva in das Einbahnstraßengewirr ab, überfuhr eine rote Ampel, überquerte die Kingston Bridge und missachtete dann während der gesamten Fahrt nach Virginia Water die Geschwindigkeitsbegrenzung.

Die Sonne war an einem wolkenlosen Himmel untergegangen; der Mond war noch nicht zu sehen. Während sie die von Bäumen gesäumte Straße entlangraste, schaute sie nach oben und sah das Sternbild des Orion tief über der Silhouette der Dächer hängen. Rigel und Betelgeuse schimmerten blau und rot. Jetzt löste der Anblick der Wintersterne immer ein Gefühl der Furcht aus. Eva spürte dasselbe Rumoren im Bauch, an das sie sich von damals her erinnerte, vor mehr als zwei Jahren. Als versuche irgendetwas, sich aus ihren Eingeweiden ins Freie zu fressen. Eine unheilvolle Vorahnung. Auch Flynn hatte die gehabt. Es war nicht nur die Tatsache, dass Huss das Land nicht verlassen hatte, und auch nicht, dass New Thought verrammelt und verriegelt war. Es war etwas an dem Gemälde, dachte Eva. Eine Verbindung, die sich ihr entzog, obwohl sie wusste, dass sie da war. Etwas, das vor aller Augen versteckt wurde.

Sie parkte neben der Kirche. Das einzige andere Auto auf dem Parkplatz gehörte Flynn. Einen Moment lang konnte sie sie nicht sehen, und das unergründliche Angstgefühl war sofort wieder da. Doch dann trat Flynn aus dem Schatten.

»Noch immer kein Lebenszeichen?«, fragte Eva und schlug die Wagentür zu.

Sogar im Dunkeln konnte sie sehen, dass Flynn den Kopf schüttelte. »Nichts. Ich hab’s mit Klingeln versucht. Wenn Harred also da drin ist, geht er nicht an die Tür.« Sie stockte, und Eva wartete. »Boss? Sie glauben doch nicht, dass er sich umgebracht haben könnte, oder?«

»Wie kommen Sie denn darauf?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Flynn, »irgendwas ist faul an dem ganzen Laden hier. Hat mir echt Angst gemacht, als ich das erste Mal hier war. Irgendwas an dem Bild. Es ist unglaublich, es ist absolut umwerfend, aber …«

»Aber was? Kommen Sie schon, Becks, raus mit der Sprache.«

»Es ist, als ob es zu gut ist«, meinte Flynn. »Als ob es einer Wahrheit zu nahe kommt, die wir nicht kennen sollen. Sollen wir so was wirklich sehen? Was muss in Harreds Kopf abgegangen sein, das ihn so etwas hat malen lassen? Kein Wunder, dass er von Ihnen fasziniert war. Bestimmt hat er gedacht, Sie könnten auf das Bild zeigen und sagen: ›Jawohl, genauso ist es.‹«

Eva stapfte zu ihrem Wagen zurück, öffnete den Kofferraum. »Und warum sollte er sich umbringen?«, fragte sie.

»Er hat mindestens fünf Jahre lang daran gemalt. Fünf Jahre der absoluten Konzentration, wenn man Berta Nicholson glauben kann. Das muss doch das Bedeutsamste sein, woran er jemals arbeiten wird; nichts anderes wird dem auch nur nahekommen. Die Depression, wenn er das begreift, wird echt heftig sein.«

Da war etwas dran, dachte Eva, während sie unter dem Reservereifen herumkramte. Was konnte Harred nach diesem Werk noch tun? Ein weiteres Fresko malen vielleicht, doch selbst wenn das ebenso gewaltig wäre, es würde niemals wieder so sein wie beim ersten. »Ich denke, wir sollten uns dieses verdammte Gemälde mal genau ansehen«, sagte sie, richtete sich wieder auf und zeigte Flynn den Montierhebel für den Reservereifen. »Ich verstehe nicht viel vom Schlösserknacken, also versuchen wir’s mal mit einem einfachen Einbruch.«

Zusammen rammten sie den Hebel in den Türspalt. Eva zerrte daran, Flynn drückte gegen die Tür.

»Tun Sie mal so, als wären Sie Moresby«, keuchte Eva, während sie sich abmühten, die Tür dicht oberhalb des Schlosses aufzuhebeln.

»Der würde das Ding einfach eintreten«, japste Flynn.

Es dauerte einige Minuten, doch schließlich hörten sie das befriedigende Krachen splitternden Holzes, und die Tür ging auf.

In der Eingangshalle der Kirche war es dunkel. Eva sah den Lichtschein aus dem Kirchenschiff unter der nächsten Tür hervorkriechen, doch das ließ die nahen Schatten nur noch dunkler wirken. Beide schalteten die Taschenlampen ihrer Handys ein und hielten sie vor sich. Ehe sie weitergingen, reichte Flynn Eva etwas. Eine kleine Dose Pfefferspray, stellte diese fest, als sie es anleuchtete.

»Ich hab noch eine«, erklärte Flynn und hielt eine zweite Dose zusammen mit dem Handy hoch, während sie auf das Licht zugingen.

Eva musste stehen bleiben, als sie die Flügel der Tür aufzogen, die ins Hauptschiff führte. Einen Moment lang blendete sie das gleißende Licht der Scheinwerfer, doch ihre Augen gewöhnten sich schnell daran. Dann schnappte sie nach Luft.

Die Gerüsttürme waren von der Wand weggerollt worden und standen ordentlich aufgereiht an derselben Wand, in der auch die Tür war, wie in Kunststoffplanen gehüllte Belagerungsmaschinen. Sie hatte freie Sicht auf das Bild, genau wie Flynn gesagt hatte, und ihr wurde klar, dass sogar ihr Blickwinkel von außen gesteuert wurde. Statt auf dem Fußboden standen sie jetzt am Anfang mehrerer schmaler Stege aus Metall, etwa dreißig Zentimeter über dem Boden. Die Bodenplatten darunter waren pechschwarz gestrichen worden, und darauf leuchteten LED -Lämpchen. Wieder schnappte Eva nach Luft. Wenn sie nach unten schaute, war es, als blicke sie auf einen Ozean aus Sternen hinaus.

Sämtliche Wände waren mit schwarzem Stoff verhängt, und überall darauf leuchteten kleine LED -Dioden, auch an der Decke. An der gegenüberliegenden Wand, auf der ganzen Breite von fünfundsechzig Metern, prangte das Gemälde.

Damals hatte es sie in Erstaunen versetzt. Jetzt, ohne Gerüste und Kunststoffplanen, von verborgenen Scheinwerfern angestrahlt und aus ihrem durch die sorgfältig platzierten Stege vorgegebenen Blickwinkel, überwältigte es sie. Als stände man am Tor einer Brücke, die in die Unendlichkeit führte. Eva blickte nach oben. Hoch über sich konnte sie sich selbst sehen, gekleidet wie Pallas Athene, den Speer in der Hand. Sie sah Kelly Gibson, Olivia Russell und Grace Lloyd ihre Schriftrolle studieren. Als sie genauer hinschaute, sah sie, dass sich eine vierte Frau zu ihnen gesellt hatte. Alicia Khan. Zusammen standen sie auf einer bewaldeten Scheibeninsel, die wie ein wundersamer Asteroid einen roten Stern umkreiste, der seinerseits dicht an der Wand des Tunneluniversums dahintrieb. Auf dem Gemälde mussten an die zweihundert Personen abgebildet sein, jede so wirklichkeitsgetreu wie eine Fotografie.

»Diese Farben, ich kann’s nicht glauben«, flüsterte Flynn. »Als würden die mehr strahlen als in Wirklichkeit, mehr als alles, was ich je gesehen habe.«

»Das kommt von der Beleuchtung«, antwortete Eva. »Und von der Farbe selbst.« Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. »Als ob die ein kleines bisschen fluoresziert. Ich frage mich, ob Harred da was reingemischt hat.« Fünf Jahre, dachte sie, während sie das Bild ebenfalls wie gebannt anstarrte. Trotzdem musste Harred Tag und Nacht daran gearbeitet haben.

»Wo ist Berta Nicholson?«

Flynns Frage riss sie aus ihren Gedanken. Eva ließ den Blick über die Wand wandern. Sie brauchte fast eine Minute, um Nicholson und Lily Yu zu finden. Als sie sie entdeckte, musste sie näher an die Wand herantreten.

Die beiden saßen nackt am Rand eines türkisblauen Sees und schwelgten mit seligen Mienen im Schein einer fremden Sonne. Ein Baum mit Blättern wie spitze Palmwedel wuchs ganz in der Nähe und warf lange, scharfe Schatten auf sie. Die Schatten zogen sich als gerade Linien über ihre Gesichter und an ihren Körpern hinunter und verbargen ihre Augen.

Eva starrte die beiden Frauen an. Kurz darauf hob sie ihr Handy, öffnete die Kontaktliste und wählte.

»Boss«, sagte Flynn, den Blick auf die beiden Figuren geheftet.

»Ich weiß.« Eva wartete ein paar Sekunden. »Berta geht nicht dran.«

Sie hielten vor Nicholsons Haus. Kurz darauf kam ein Wagen mit rotierendem Blaulicht und zwei Streifenpolizisten ebenfalls dort zum Stehen. Das Tor zur Auffahrt war geschlossen.

Eva drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage, doch selbst nach einer oder zwei Minuten meldete sich niemand. »Wir müssen da rein«, erklärte sie den Polizisten, die sie als Verstärkung angefordert hatte. »Die Bewohner könnten in Gefahr sein.«

Die beiden betrachteten das Tor. Einer ging zum Auto zurück und holte eine Ramme heraus. Damit kam er zurück und trat vor das schmiedeeiserne Tor, während der andere mit einer Taschenlampe auf den Schließmechanismus leuchtete. Dann ließ er die Ramme dagegenkrachen.

Nach fünf Stößen gab der Mechanismus nach, und das Tor sprang aus seiner Schiene. Zusammen zerrten die zwei Polizisten einen der beiden Flügel weit genug zurück, sodass ein Auto hindurchpasste.

»Wir zuerst«, erklärte der Ältere Eva, und sie erhob keinen Einspruch.

An der Haustür ließ Eva sie ein paar Sekunden lang auf die Klingel drücken, während sie um die Hausecke trabte. Der Rasen war hell angestrahlt. Durch eine Hecke konnte sie Lichtreflexe über das Gras tanzen sehen. Sie rannte zurück zur Haustür.

»Die Poolbeleuchtung ist an«, berichtete sie. »Vielleicht sind sie ja bloß schwimmen gegangen.«

»Glauben Sie das?«, wollte einer der beiden Polizisten wissen.

In der Dunkelheit schüttelte Eva den Kopf. »Nein.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf die Tür. »Ich glaube wirklich, dass sie in Gefahr sind. Brechen Sie die Haustür auf.«

Das musste sie ihnen nicht zweimal sagen. Die Ramme krachte gegen die Tür, die Tür sprang auf. »Polizei!«, brüllte einer der Männer, als er ins Haus trat. »Jemand zu Hause?«

Flynn fing an, überall Licht zu machen. Eva schickte sich an, durch den Flur zum Pool zu gehen, doch der ältere Polizist blaffte: »Hey, wir gehen vor. Das ist unser Job.«

Rasch schritten sie den Flur hinunter, die Schlagstöcke einsatzbereit vor dem Körper. Als sie den Pool erreichten, blieben sie stehen. Die Lichtspiegelungen wirbelten an der Decke, ihre Schritte hallten ein wenig in dem leeren Raum.

Eva sah sich um. Nichts, dachte sie, während sie in die Finsternis hinter der Glasscheibe starrte. Hier war nichts, nichts und niemand. Dann schaute sie in den Pool und begriff, wie sehr sie sich geirrt hatte.

Kaum eine Welle kräuselte die Oberfläche. Das Wasser war still, nicht einmal der Filter hatte es in letzter Zeit aufgewühlt. Sie sah sie in der Mitte des Beckens; Berta und Lily Yu, nackt wie auf dem Gemälde, rücklings auf dem Grund ausgestreckt, so friedlich, als würden sie sich sonnen.

Eva ballte die Fäuste. Vor blinder Wut, die sie zu übermannen drohte, hätte sie am liebsten losgeschrien, hätte ihren Zorn über die völlige verdammte Sinnlosigkeit des Ganzen herausgebrüllt. Sie konnte sich nicht beherrschen. »Sie haben nie irgendjemandem etwas getan!«, wütete sie. »Berta hat sich ein Bein ausgerissen, um sicher zu sein, dass auf ihren Partys niemandem etwas passiert. So eine Scheiß vergeudung.«

»Ganz ruhig, Boss«, sagte Flynn.

Eva beachtete sie nicht.

»Ich geh rein«, erbot sich der jüngere der beiden Officers. Er zog sich bis auf die Unterhose aus und machte Anstalten, sich ins Wasser gleiten zu lassen.

»Warten Sie«, wies Eva ihn an, die Kiefer so fest aufeinandergepresst, dass es wehtat. »Erst Fotos. Ich möchte, dass alles dokumentiert wird, bevor wir sie rausholen. Becks«, sagte sie zu Flynn, »rufen Sie bitte Will Moresby an, und schauen Sie, ob er Judy Wren herbringen kann. Das hier soll eine Freundin machen.« Dann fotografierte sie den Tatort mit ihrem Handy.

Sie machte Fotos und Videos. Fünf Minuten lang dokumentierte sie jedes Detail, das sie finden konnte. Die Kamera war zwischen ihr und den Leichnamen, und sie stellte fest, dass es ihr so lieber war. Doch nach einer Weile gab es keine Fotos mehr zu machen, also nickte sie dem Constable zu, der geduldig in Unterhose dastand und wartete. Er ließ sich ins Wasser gleiten und schwamm zu den Leichen.

»Das sollten Sie auch filmen«, meinte der ältere Polizist. Eva nickte stumm und hob abermals das Telefon.

Der jüngere tauchte kurz unter. Als er wieder hochkam, hielt er etwas in der Hand. Er brachte es zum Beckenrand.

»Sie sind beschwert worden«, meldete er. »An Handgelenken und Knöcheln und um die Taille und den Hals.« Er hielt eine kleine Kugelhantel hoch, wie man sie online kaufen oder im Fitnessstudio finden konnte. »Die sind mit Nylonschnüren aneinandergebunden worden. Unter Wasser sieht man’s kaum. Die Schnüre sind über sie rübergelegt worden und verhindern, dass sie an die Oberfläche kommen.«

»Hätte das ausgereicht, um sie zu ertränken?«

»Auf keinen Fall. Die Dinger sollten sie nur am Grund halten, nachdem sie umgebracht worden waren. Es sind auch keine offenkundigen Spuren von Gewalteinwirkung zu sehen. Vielleicht sind sie vergiftet worden.«

Ein Bild von Alicia Khan tauchte vor Evas geistigem Auge auf. »Schauen Sie mal am Hinterkopf nach.«

Der Mann tauchte von Neuem und blieb fast eine Minute lang unter Wasser. Als er wieder hochkam, schnappte er ein paar Sekunden nach Luft, bevor er sprechen konnte. »Hinten am Kopf, relativ weit oben auf der rechten Seite, da fühlt sich’s schwammig an. Stumpfes Schädeltrauma. Ich würde mal sagen, jemand hat ihnen mächtig eins übergezogen.«

»Sie haben bestimmt nichts mitbekommen«, sagte Flynn.

Eva schwieg. Ein weiteres Bild tauchte in ihrem Kopf auf. Nicholson und Yu, die nackt und high von irgendeinem Drogencocktail am Rand des Pools knieten und in freudiger Erregung auf ein existenzielles Erlebnis warteten, das sie dieser Daseinsebene entheben würde. Wussten sie, dass Harred das Gemälde vollendet hatte? Waren sie auf das gefasst, was ihnen angetan werden würde, oder war ihnen mit einem Trick vorgemacht worden, dass dies lediglich ein neues Spiel war, ein devotes Vorspiel für eine Ménage-à-trois? Waren sie ahnungslose Opfer oder willige Beteiligte gewesen?

Nacheinander löste der Constable die Gewichte von den Gliedmaßen der Leichen. Wegen des Wassers in ihren Lungen stiegen Nicholson und Yu sehr langsam empor, bis sie dicht unter der Oberfläche trieben. Ihre Leiber bogen sich, rollten hin und her wie tote Fische.

»Holen Sie sie raus«, wies Eva die beiden Officers an. Sie machte kehrt, um den Poolraum zu verlassen. »Und schauen Sie bitte, ob Sie irgendetwas finden, um sie zuzudecken.« Nicht dass Nicholson oder Yu sich darum geschert hätten, dachte sie im Stillen, während sie zu ihrem Auto zurückging.

»Hier habe ich verloren, Ma’am«, gestand sie Sutton während der Fahrt. »Das hab ich nicht kommen sehen; Nicholson und Yu haben einfach nicht dem Profil entsprochen. Bisher hat er sich Jüngere ausgesucht, hauptsächlich Studentinnen, und sie zerschnitten. Nichts von all dem trifft auf die beiden zu.« Sie umklammerte das Lenkrad. »Herrgott, mir kommt’s vor, als hätte ich die beiden total im Stich gelassen.«

Sie hörte Sutton missbilligend mit der Zunge schnalzen. »Das ist ganz schön weit hergeholt. Keiner von beiden galt als gefährdet. Es gab überhaupt keinen Grund, anzunehmen, dass sie in Gefahr sein könnten, von der Tatsache, dass sie gelegentlich auf eigene Faust gewisse Risiken eingegangen sind, mal abgesehen.« Sutton hielt inne, fast so, als wolle sie sehen, ob ihre Worte angekommen waren. »Machen Sie sich nicht fertig, Harris«, warnte sie Eva nach einem Moment des Schweigens. »Das ist mein Job. Und wenn ich das nicht tue, dann gibt’s wahrscheinlich keinen Grund, Sie fertigzumachen.«

»Ehrlich gesagt mochte ich die beiden gern, Ma’am«, gab Eva zu. »Ich meine, jemandem wie den beiden bin ich noch nie begegnet. Die waren total auf Genuss gepolt, aber nie auf Kosten von irgendjemand anderem.«

»Das ist ein ganz anderes Problem.« Am Telefon klang Sutton gar nicht so brüsk. »Omnia mutantur, nihil interit.«

Aus dem Mund ihrer Vorgesetzten überraschten diese Worte Eva. »Alles verändert sich, aber nichts ist wirklich verloren«, übersetzte sie. »Vielleicht geht’s ja genau darum.«

»Vielleicht«, stimmte Sutton ihr zu. »Huss oder Harred?«, fragte sie dann.

Der schiere Kraftakt, die Frauen auf den Grund des Pools zu ziehen, sie dort unten festzuhalten, während er die Gewichte platzierte. »Harred«, antwortete Eva. »Ich glaube, er hat Berta umgebracht, weil das Gemälde fertig ist. Sie konnte nichts mehr für ihn tun, und ich vermute mal, er wollte nicht, dass sie noch irgendwelche anderen Kunstwerke finanziert. Es ist sein Meisterstück; er will nicht, dass irgendetwas damit konkurriert. Er hat das die ganze Zeit geplant; sobald er den letzten Pinselstrich gemacht hatte, war ihr Schicksal besiegelt, und Berta und Lily gehörten für ihn zusammen. Er hat die beiden zu irgendeinem devoten Sexspielchen überredet und ihnen den Schädel eingeschlagen, als sie am Pool gekniet haben. Es ist Harred«, wiederholte Eva mit Bestimmtheit. »Er hat Kelly Gibson, Olivia Russell, Grace Lloyd und jetzt Alicia Khan umgebracht. Er hat sich Studentinnen ausgesucht, weil die leicht zu kriegen waren. Er kannte die Macht des Gemäldes, und er wusste, er brauchte einfach nur zu warten, bis sie zu ihm kommen. Wenn er erst wusste, wo sie wohnten, dürfte es leicht für ihn gewesen sein, an sie ranzukommen. Dann könnte er einfach aufkreuzen und behaupten, er wolle sie zeichnen. Oder er hatte irgendwelche Zeichnungen dabei, Skizzen für das Fresko, die er ihnen zeigen wollte. Irgendein Vorwand jedenfalls. Dann hätten sie ihn reingebeten. Harred ist der Augenschlitzer. Er ist der andalusische Hund.«

»Das glaube ich auch«, sagte Sutton. »Und wo ist dann Huss?«