Drei Monate nach ihrem ersten Rendezvous sagte Derek zu Antoinette, er wolle sie seinen besten Freunden vorstellen.
»Neil und Charlotte gehen schon seit einigen Jahren zusammen. Charlotte wohnt natürlich noch zu Hause, aber Neil studiert im letzten Semester an der Queen’s University und wohnt zusammen mit zwei weiteren Studenten in einer Wohnung in der Nähe der Uni. Ich fände es schön, wenn wir zu viert was unternehmen. Was meinst du?«
»Das hört sich gut an«, sagte Antoinette, auch wenn sie Panik in sich aufsteigen fühlte. Sie fragte sich, ob Dereks Freunde sie mögen würden. Insgeheim beschloss sie, das gleiche marineblaue Ensemble zu tragen, das sie an ihrem ersten gemeinsamen Abend anhatte. Seither hatten sie sich regelmäßig gesehen. Bislang war es ihr gelungen, vor ihrem Vater zu verbergen, dass sie einen Freund hatte, aber das Versteckspiel fing an, ihr auf die Nerven zu gehen. Sie sahen sich fast nur samstagabends, wenn sie zum Tanzen gingen. Ein paar Mal war sie auch sonntags aus dem Haus geschlichen, um mit ihm spazieren oder ins Kino zu gehen. Dabei hatten sie sich ein bisschen geknutscht. Bisher hatte sie es vermeiden können, dass er sie nach Hause brachte, sie wusste jedoch nicht, wie lange es ihr noch gelingen würde, Dereks Existenz zu verbergen.
Für den bevorstehenden Abend mit Dereks Freunden hatte sie sich allerdings zum ersten Mal bereit erklärt, dass er sie zu Hause abholte. Da ihre Mutter Abendschicht hatte und ihr Vater an einem Billardturnier teilnahm, würde sie allein zu Hause sein. Joe würde bis mindestens Mitternacht wegbleiben, um, falls er und seine Kumpels gewonnen hatten, gebührend zu feiern oder aber im Falle einer Niederlage einen zu heben und seinen Ärger im Alkohol zu ertränken. Wie auch immer, sie würde ihn nicht zu Gesicht bekommen, und er würde nichts von ihren Plänen für den Abend erfahren.
Während sie sich anzog, spürte sie, wie nervös sie war. Wenn Derek sie mit seinen Freunden bekanntmachen wollte, schien er anzufangen, ernstere Absichten zu hegen. In diesem Bewusstsein unterdrückte sie den Impuls, sich wieder etwas Neues zum Anziehen zu kaufen. Ich muss für die Sekretärinnenschule sparen, ermahnte sie sich. Noch immer hielt sie an diesem Traum fest, an dieser Ausbildung, ihrem einzigen Fluchtweg.
Sie wusch das Haar und stylte es, legte Make-up auf und besprühte sich großzügig mit Parfüm. Eine halbe Stunde bevor ihr Freund sie abholen wollte, war sie fertig. Sie mochte dieses Wort – Freund – und sagte es im Geiste wieder und wieder, während sie jedes Mal ein warmes Gefühl durchströmte. Sie lauschte auf Motorengeräusche, und als sie hörte, wie eine Autotür zugeschlagen wurde, eilte sie zur Haustür und öffnete sie.
Statt des großen alten Schlittens, den Derek bisher gefahren hatte, stand vor dem Haus der kleinste Wagen, den sie je gesehen hatte.
»Was ist das denn für ein Auto?«, fragte sie ihn.
»Ein Mini. Das Modell ist brandneu, erst vor Kurzem auf den Markt gekommen.«
»Der ist aber niedlich!«, rief sie aus und ging um das Auto herum, um es in Augenschein zu nehmen. »Und so klein!«
»Er gefällt dir also?«, fragte Derek.
»Oh ja.« Ihr waren der Stolz und das Vergnügen in Dereks Stimme nicht entgangen, als er merkte, dass ihm die Überraschung gelungen war. »Er ist wunderschön.«
Mit einer überschwänglichen Geste öffnete er den Wagenschlag für sie. So anmutig, wie sie es in einer Frauenzeitschrift gesehen hatte, ließ sie sich auf den Beifahrersitz sinken und schwang die Beine in den Wagen.
Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Es gab gewiss keinen begehrteren Wagen in den Augen der Belfaster Jugend. Und sie saß darin! Ihre Knie berührten beinahe das Armaturenbrett, ihr Ellbogen lag an der Wagentür, doch trotz der Enge verspürte sie bei der Fahrt in diesem schicken Wagen einen ungeahnten Kick.
Sie fuhren quer durch Belfast zu dem beliebten Candle Light Inn, einem großen Restaurant mit Bar am Stadtrand. Derek parkte den Wagen, und sie stiegen aus. Mit einer besitzergreifenden Geste nahm er ihren Arm und führte sie in das Lokal.
Seine Freunde waren schon da. Kaum hatte Antoinette sie erblickt, fühlte sie sich auch schon unwohl in ihrer Haut.
Charlotte trug einen schlichten grauen Rock und ein blassgelbes Twinset und dazu flache Lederpumps. Ihr Haar war natürlich gewellt, und abgesehen von einem Hauch rosa Lippenstift hatte sie kein Make-up aufgelegt. Neil hatte ein sportliches Jackett und eine Drillichhose an. In ihren bequemen, aber dennoch pfiffigen Sachen strahlten Dereks Freunde die Aura einer sorglosen, kultivierten Existenz aus. Am liebsten hätte Antoinette ihre weißen hochhackigen Pumps unter dem Barhocker versteckt. Plötzlich fühlte sie sich unwohl in ihrer Haut, ihre Aufmachung erschien ihr billig, ihr Make-up zu aufdringlich.
Als Derek sie miteinander bekanntmachte, fiel ihr noch etwas auf, was ihr das Herz schwer machte. Neils Krawatte gehörte zur Schuluniform der Jungenoberschule von Coleraine, der Heimatstadt ihres Vaters.
Neil ist mehrere Jahre älter als ich, dachte sie, während sie eine tiefe Beklemmung überkam. Im Geiste rechnete sie rasch zurück. Zum Zeitpunkt des Skandals ihrer Schwangerschaft musste er bereits im ersten Semester auf der Universität gewesen sein. Und doch machte der Anblick seiner Krawatte sie nervös. Sosehr sie sich auch zu beruhigen versuchte, konnte sie die Angst, dass ihr Geheimnis enthüllt würde, nicht abstreifen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den Zeitungsartikel, der die ganze Stadt über das Vergehen und die Schande ihres Vaters informierte. Der Anfang hatte gelautet: »Joseph Maguire, ein in Coleraine wohnhafter Mechaniker, wurde heute zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er sich des schlimmen Missbrauchs einer Minderjährigen schuldig gemacht hat.« Auch wenn ihr Name – sie war noch nicht volljährig – unerwähnt geblieben war, hatte die ganze Stadt gewusst, wer diese Minderjährige war. Die Leute hatten es gewusst, ihr Urteil gefällt und ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Sie umklammerte ihr Glas und nahm einen tiefen Zug von ihrem Drink, um ihre Panik hinunterzuspülen. Sie mochte sich nicht ausmalen, wie die drei reagieren würden, wenn ihre Vergangenheit ans Tageslicht käme. Zu oft hatte sie schon Ablehnung in den Gesichtern der Menschen entdeckt. Schließlich ermahnte sie sich, sich zusammenzureißen und stattdessen den Abend zu genießen.
»Und was machst du?« Neil sah sie freundlich und interessiert an, während er die Frage stellte, vor der ihr gegraut hatte.
»Oh, ich werde nächstes Jahr die Sekretärinnenschule besuchen«, sagte sie leichthin. »Momentan helfe ich meiner Mutter. Sie leitet einen Coffeeshop.«
Bitte frag jetzt nicht, was mein Vater macht oder wo ich zur Schule gegangen bin, flehte sie innerlich, und es schien, als würden ihre Stoßgebete erhört. Denn nachdem sie noch ein wenig Smalltalk gemacht hatten, widmeten sich die Männer dem Sport, ihrem Lieblingsthema. Unterdessen sah sich Antoinette einer eher gespreizten Unterhaltung mit Charlotte überlassen, die ebenfalls eine Sekretärinnenschule besuchen wollte, sobald sie ihr Abitur in der Tasche hatte.
»Warum fängst du nicht schon dieses Jahr mit deiner Ausbildung an?«, fragte sie.
Weil ich noch nicht genügend Geld gespart habe, hätte die Antwort lauten müssen, aber Antoinette entschied sich anders. Schnell sagte sie: »Oh, ich habe zwischen Sekretärinnenschule und Hotelfachschule geschwankt, und da hat meine Mutter gemeint, ich soll mir ruhig noch ein Jahr Zeit lassen, um es mir zu überlegen.«
Mit dem Gefühl, die Frage hinlänglich beantwortet zu haben, nahm Antoinette einen weiteren Schluck ihres Drinks und leerte damit ihr Glas. Der aufmerksame Derek bot augenblicklich an, eine weitere Runde Drinks zu bestellen. Er und Neil tranken Bier, Charlotte trank einen Piccolo. Ohne nachzudenken, bat Antoinette um einen Wodka, das Getränk, das sie meinte für ihr Selbstvertrauen zu benötigen. Derek kam ihrer Bitte kommentarlos nach. Nachdem sie auch das zweite Glas im Nu geleert hatte, schirmte sie es mit der Hand ab, damit niemand es bemerkte.
Plötzlich schwappte eine Woge der Niedergeschlagenheit über sie. Diese Menschen führten genau das Leben, das sie sich immer gewünscht hatte. Noch vor drei Jahren hatte sie davon geträumt, zur Universität zu gehen, doch dieser Traum war wie eine Seifenblase zerplatzt, als sie jäh der Schule verwiesen wurde. Das fleißige Mädchen, das zumindest stolz auf seine schulischen Leistungen sein konnte, hatte sich in ein völlig verzagtes verwandelt. Eine zutiefst verunsicherte Jugendliche, die sich kaum mehr Hoffnungen auf eine gute Ausbildung machen durfte.
Den ganzen Abend wurde sie das Gefühl des Nicht-Dazugehörens nicht los, und später im Restaurant rührte Antoinette ihr Essen kaum an. Sie empfand die Atmosphäre als erstickend. Der Kellner schenkte immerfort nach, und sie trank sehr viel schneller als die anderen. Sie bemerkte, wie Derek sie verstohlen beobachtete. Ihm war ihr Weinkonsum nicht entgangen. Auch wenn es ihr peinlich war, konnte sie nicht anders, als immer wieder das Glas an die Lippen zu heben.
Nachdem sie zu Ende gegessen hatten, schlug Neil vor, einen Schlummertrunk an der Bar zu nehmen. Antoinette spürte, wie ein leichter Schwindel sie überkam, und hatte Mühe, in ihren hochhackigen Schuhen, ohne zu schwanken, die paar Meter bis zur Bar zurückzulegen. Auf dem Barhocker stemmte sie die Füße fest auf die Fußstreben und bemühte sich, einen nüchternen Eindruck zu erwecken. Während sie dem Geplauder der anderen lauschte, sträubten sich ihr mit einem Mal die Nackenhaare.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden, als bohrte sich jemandes Blick in ihren Rücken. Sie drehte sich um.
Es war ihr Vater.
Er stand mit einer Gruppe weiterer Männer am Tresen. Nur wenige Meter trennten sie von ihm, und er starrte sie so böswillig an, dass sie erschauderte. Irritiert wandte sie sich wieder ihren Begleitern zu, lächelte verlegen und leerte in einem Zug ihr Glas.
»Möchtest du noch einen Drink?«, fragte Neil höflich.
Sie spürte, dass ihr Verhalten Derek missfiel. Sie hatte bereits drei Wodka getrunken, doch ihr Verlangen nach Alkohol war stärker als ihr Wunsch, ihm zu gefallen.
»Ja, das Gleiche noch mal, bitte«, sagte sie reichlich großspurig.
»Und du, Charlotte?«, fragte Neil.
»Für mich etwas ohne Alkohol, danke«, sagte sie, um rasch hinterherzuschicken: »Ich muss morgen lernen.«
Antoinette verstand nicht, warum sich das Mädchen bemüßigt fühlte, nett zu ihr zu sein, als müsste sie sich entschuldigen. Im Grunde erreichte sie das Gegenteil: Als sie das Wort »lernen« hörte, fühlte sich Antoinette nur noch schlechter.
»Oh, ich kann morgen ausschlafen«, verkündete sie und wurde sich im selben Moment bewusst, dass sie zu laut gesprochen hatte. Wieder sträubten sich ihre Nackenhaare. Noch ehe sie sich umdrehte, wusste sie, dass ihr Vater hinter ihr stand.
»Antoinette, ich muss mit dir reden«, sagte Joe. Ohne ihren Begleitern Beachtung zu schenken, starrte er sie finster an und bedeutete ihr, mit ihm zu kommen.
Mit unguter Vorahnung rutschte sie vom Barhocker und folgte ihm gehorsam.
Während sie hinter ihm herging, versuchte sie, ihren Vater mit den Augen ihrer Freunde zu sehen: einen Mann in mittleren Jahren, dessen blutunterlaufene Augen und aufgedunsene Wangen den Alkoholiker verrieten. Dessen protzige Kleidung, breitbeiniger Gang, barsche Stimme und streitlustiger Blick ihn auf Anhieb als ungehobelt brandmarkten. Als jemanden, wie ihr augenblicklich klar wurde, mit dem die Eltern ihrer Freunde gewiss nichts zu tun haben wollten.
»Was fällt dir eigentlich ein, dich mit diesem schwuchteligen Typen und seinen Freunden herumzutreiben?«, fragte er sie. Sie sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte und dass er kaum an sich halten konnte. »Du gehst jetzt auf der Stelle nach Hause zu deiner Mutter.«
Antoinette ballte ebenfalls die Fäuste, doch im Gegensatz zu ihrem Vater tat sie es aus Angst.
»Derek fährt mich nach Hause«, erwiderte sie, obwohl sie wusste, dass sie ihn nicht würde beschwichtigen können. In seinen Augen sah sie den wahren Grund seiner Wut. Eifersucht. Mochte er auch für sein Verbrechen bestraft worden sein, der Wunsch, es abermals zu tun, trieb ihn noch immer um. In seinem Blick spiegelte sich etwas zutiefst Widerwärtiges, das in seinem Inneren schlummerte.
»Du gehst jetzt auf der Stelle nach Hause, hast du gehört?«
Derek trat hinzu. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt. Er hatte ja bislang nur Antoinettes sympathische Mutter mit ihrem gewinnenden Lächeln und dem englischen Akzent kennengelernt, und es kam ihm wohl ganz und gar nicht in den Sinn, dass diese kultivierte Frau mit einem solchen Mann verheiratet sein könnte.
»Derek, das ist mein Vater, Joseph Maguire«, beeilte sich Antoinette zu sagen. Insgeheim hoffte sie, ihr Vater würde nicht völlig seine Manieren vergessen. »Papa, das ist Derek.«
Joe ignorierte die ausgestreckte Hand und starrte den jungen Mann nur böse an, der instinktiv einen Schritt zurücktrat. Im selben Moment bemerkte Antoinette die beiden dunkel gekleideten Männer, die sich unauffällig im Hintergrund hielten und die Szene beobachteten – die Sicherheitsleute des Lokals. Joe hatte sie wohl ebenfalls bemerkt, jedenfalls sagte er mit mühsam beherrschter Stimme: »Sie bringen sie auf der Stelle nach Hause – und dass sie mir ja keinen Alkohol mehr trinkt!«
Damit machte Joe auf der Ferse kehrt und ging leicht schwankend davon, der Nacken puterrot vor unterdrücktem Zorn. Ein paar Sekunden lang herrschte betretenes Schweigen, während sie ihm nachsahen. Antoinette spürte, wie die Röte ihr ins Gesicht kroch, wusste sie doch, dass alle Leute in nächster Nähe seine Worte gehört hatten. Ihr Versuch, ihre Demütigung zu überspielen, indem sie nervös drauflosplapperte, während sie mit Derek zu ihrem Platz zurückging, machte die Situation nur noch schlimmer.
Und jetzt sah sie sich selbst mit den Augen der anderen: ein Mädchen in billigen Kleidern mit viel zu viel Make-up; ein Mädchen, das zu viel getrunken hatte – wie ihr Vater offensichtlich auch.
Für sie bin ich jetzt die Tochter eines großmäuligen, vulgären Kerls, dachte sie verzweifelt. Selbst wenn seine ölverschmierten Hände ihn nicht als Arbeiter verraten hätten, so hätte er sich spätestens durch seine schlechten Manieren entlarvt.
»Komm, Antoinette, ich fahr dich nach Hause.« Derek ergriff ihren Arm und hielt sie fest, allerdings nicht als zärtliche Geste, sondern um sie zu stützen und ihren torkelnden Gang auf den hochhackigen Schuhen auszugleichen.
Derek hatte den Wagen kaum vom Parkplatz gelenkt, als sie spürte, wie ihr übel wurde.
»Halt an, mir ist schlecht!«
Sie musste ihn nicht zweimal bitten, bestimmt wollte er vermeiden, dass sie sein neues Auto beschmutzte. Er bremste abrupt und lehnte sich hinüber, um die Beifahrertür aufzustoßen. Sie beugte sich hinaus und erbrach sich auf den Gehsteig.
Anschließend wischte sie sich den Mund mit einem Taschentuch ab. Während sie sich in ihren Sitz zurücksinken ließ, fragte sie sich, ob es noch schlimmer hätte kommen können. Dann wurde sie erneut vom Brechreiz übermannt, und wieder beugte sie den Oberkörper ruckartig hinaus, um sich erneut zu übergeben.
Tränen rannen ihr über die Wangen und hinterließen schwarze Mascaraspuren.
»Bist du fertig?«, fragte Derek.
»Ich glaube schon«, sagte sie im Flüsterton. Sie schämte sich.
»Kurble das Fenster herunter«, sagte er kühl. »Die frische Luft wird dir guttun.«
Sie wusste, dass er mehr um seinen Wagen besorgt war als um sie. Er fuhr wieder an und folgte der gewundenen Straße nach Lisburn. Antoinette saß wie ein Häufchen Elend auf ihrem Sitz, die Arme um den Oberkörper geschlungen, weil sie fröstelte. Die restliche Fahrt verlief schweigend. Als sie beim Pförtnerhäuschen ankamen, fühlte sie sich sterbenselend.
»Da wären wir«, sagte er kalt. Als er ihr verstörtes Gesicht sah, schien sich sein Mitleid zu regen. »Schade, dass der Abend nicht so schön war, wie ich gehofft hatte. Ich weiß, du ärgerst dich über deinen Vater, aber es ist nicht deine Schuld, dass er sich danebenbenommen hat.« Er unterbrach sich, ehe er hinzufügte: »Nur in einem Punkt muss ich ihm recht geben: Du hast zu viel getrunken.«
Irgendwie fand sie es beruhigend, dass Derek das Verhalten ihres Vaters mit dessen Wut über ihre Trunkenheit erklärte und nicht mit der Tatsache, dass sie mit einem Jungen ausgegangen war.
»Du solltest nicht so viel Alkohol trinken«, sagte er. Wieder lehnte er sich hinüber und öffnete die Beifahrertür. Es überraschte sie nicht, dass er sie nicht küsste – wer wollte schon jemanden küssen, der sich gerade übergeben hatte? –, aber er sagte auch nicht, dass er sie wiedersehen wolle. Antoinette spürte einen Schmerz in der Magengrube. Natürlich wollte er sie nicht wiedersehen, nach allem, was geschehen war. Warum auch? Sie konnte es ihm nicht einmal verübeln. Es wäre ohnehin nur noch eine Frage der Zeit, bis er hinter ihr Geheimnis käme.
Sie kletterte aus dem Mini und ging schwankend den Fußweg entlang, der zum Haus führte. Noch bevor sie die Haustür aufgeschlossen hatte, hörte sie, wie er losfuhr. Sie blickte sich um und sah, wie sich die Rücklichter entfernten, als er um eine Kurve bog. Antoinette fühlte sich erbärmlich. Sie hatte das Gefühl, dass mit Derek auch das neue Leben, das sie sich erhofft hatte, entschwand.