Antoinette blickte verzagt auf das Kleiderhäufchen, das man auf das Fußende ihres Bettes gelegt hatte; ein ausgeblichenes gemustertes, dunkelbraunes Kleid, eine formlose beige Strickweste, sackartige Unterhosen mit Strumpfhaltern und ein Leibchen. Daneben dicke braune Baumwollstrümpfe, ein geblümtes Flanellnachthemd und ein Paar abgewetzte, ausgetretene schwarze Schnürschuhe.
»Deine Kleider«, sagte die Schwester.
»Aber ich habe meine eigenen Sachen dabei.« Der Gedanke, diese Patientenuniform zu tragen, die schon so viele vor ihr angehabt hatten, war ihr ein Graus. Der Geruch der Sachen, eine Mischung aus billiger Seife und der abgestandenen Luft der Waschküche, wo die Kleidungsstücke dicht an dicht zum Trocknen aufgehängt wurden, war ihr zuwider. Außerdem wusste sie, wozu es führte, wenn man aufhörte, seine eigenen Kleider zu tragen – man verlor unweigerlich seine eigene Identität. Sie würde Teil der Welt der hohläugigen Frauen werden, die ihre Tage damit verbrachten, ihre Oberkörper auf ihren Holzstühlen vor und zurück zu wiegen und seltsame Laute von sich zu geben.
Die Uniform würde sie ihrer Würde berauben und sie zu einem dieser gesichtslosen Wesen machen, denen man ihre Individualität genommen hatte und die für die Schwestern kaum mehr als Tiere waren. Sie hatte gesehen, dass ihre Gesichter keine Empathie widerspiegelten, wenn sie die Medikamente verteilten oder während der Elektroschockbehandlung neben ihnen standen.
Nein, Antoinette wusste genau, was diese Uniform bedeutete. Es war der Beginn eines lebenslangen Aufenthalts an diesem Ort. Es war, als würde sie damit ihre Niederlage einräumen.
»Ich habe meine eigenen Sachen«, sagte sie erneut und riss sich aus ihren Gedanken.
»Das weiß ich, aber wer wird deine Kleider waschen? Deshalb tragen unsere Patienten Krankenhaussachen, so bekommen sie einmal wöchentlich frische Sachen aus der Wäscherei.«
Noch immer stand Antoinette da und weigerte sich, den Wäscheberg auf ihrem Bett anzurühren.
»Antoinette«, sagte die Schwester geduldig, »die Patienten auf deiner vorigen Station bekommen Besuch, aber hierher kommen keine Menschen von draußen. Was spielt es also für eine Rolle, was du anhast? Und hier gibt es jemanden, der deine schmutzige Wäsche mitnimmt und sie dir sauber gewaschen und gebügelt zurückbringt. Ich sehe also nicht, wo das Problem ist.«
»Ich wasche meine Sachen selbst.« Damit drehte sie sich um. Sie wusste, dass sie über kurz oder lang klein beigeben müsste, aber noch war sie nicht bereit, eine der verlorenen Seelen zu werden, die in diesem seltsamen Zwischenreich dahinvegetierten, durch eine Mauer aus Vorurteilen und Gleichgültigkeit von der Außenwelt abgeschieden.