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Die Nacht war ruhig, und er traf nur auf wenige Hindernisse: Dünen aus Schnee, Felsformationen oder kleine Hügel aus Eis, vom Wind geschliffen. In sicherem Abstand wich er ihnen aus. Nie fuhr er schneller als zwanzig oder dreißig Kilometer in der Stunde, und immer hielt er aufmerksam Ausschau. Einen Fehler konnte er sich nicht leisten, er durfte sich nicht ablenken lassen, nicht einmal von den eigenen Gedanken. Deshalb konzentrierte er sich ganz darauf, das Ziel zu erreichen; nur daran dachte er, an nichts anderes.

Die alte Station zu finden, die er als sicheren Zufluchtsort gekauft hatte, fiel Forsythe nicht schwer. Das GPS -Gerät kannte ihren Standort, er brauchte also nur den Richtungshinweisen auf dem Display zu folgen.

Gut zwei Stunden dauerte die Fahrt. Als er sich der ehemaligen Forschungsstation näherte, stand die Mondsichel ein ganzes Stück höher am Himmel, und die Sterne schienen noch etwas heller zu leuchten. Die Signallampe am Mast neben dem Hauptcontainer schuf eine Insel aus Licht in der Nacht …

… und in ihrem Schein sah Forsythe die Fußspuren!

Die Schneedecke, vom Wind geglättet, hätte unberührt sein sollen. Stattdessen zeigten sich längliche Mulden in Abständen menschlicher Schritte.

Forsythe stellte den Motor ab und ließ das Schneemobil die letzten Meter dahingleiten. Als es anhielt, als kein Schnee mehr unter den Kufen knirschte, herrschte völlige Stille.

Nirgends regte sich etwas. Die Blenden der Fenster waren geschlossen, daher ließ sich nicht feststellen, ob im Hauptcontainer Licht brannte.

Voller Anspannung und den eigenen Herzschlag im Ohr stieg Forsythe ab, ging einige Schritte bis zu den ersten Spuren im Schnee, verharrte und lauschte erneut. Nichts.

Die Spuren führten am Hauptcontainer vorbei, und Forsythe folgte ihnen wachsam. Wie alt sie waren, konnte er nicht sagen, vielleicht eine halbe Stunde oder auch zwei oder drei. Die Ränder waren klar abgegrenzt, was aber nicht viel bedeutete. Es schneite schon seit einer ganzen Weile nicht mehr, und inzwischen rührte sich auch der Wind kaum noch.

Er spähte um die Ecke des Containers und sah den Minicopter. Kobaltblau stand er im Licht der Signallampe, eine große, geräumige Passagiergondel zwischen den eingeklappten Rotoren und mit dem goldenen Emblem eines grönländischen Verleihers aus Thule. Für den Transport von Fracht diente ein solcher Copter gewiss nicht, dafür nutzte man größere Transportcopter oder -drohnen. Ein Mensch war mit ihm gekommen, vielleicht mehrere.

Forsythe horchte. Wer auch immer an Bord des Copters gewesen war, wo befand er sich? Im Hauptcontainer der Station? Und hatte er das Schneemobil gehört?

So leise wie möglich trat Forsythe durch den Schnee zur Hintertür, streifte die Handschuhe ab und stopfte sie in die Taschen der langen Jacke. Dann holte er sein Schlüsselbund hervor, öffnete das Lederetui und achtete darauf, dass die Schlüssel nicht klirrten. Im Schein der Signallampe hoch oben am Mast wählte er den richtigen aus, schob ihn behutsam ins Schloss und drehte ihn langsam.

Es klickte, laut in der stillen Nacht.

Forsythe wartete einige Sekunden und lauschte einmal mehr, bevor er die Tür öffnete und in ein halbdunkles kleines Zimmer trat, das ebenso einer Schleusenkammer ähnelte wie der Raum hinter dem Haupteingang.

Dicht vor der Innentür zögerte er, dann zog er die Stiefel aus, stellte sie beiseite, drückte die Klinke und befand sich wenige später im Flur hinter Küche und Speisekammer. Licht kam von vorn; jemand hatte im Hauptraum die Lampen eingeschaltet.

Auf leisen Sohlen schlich Forsythe an der Speisekammer vorbei, und bei der Küche erwartete ihn der Duft von frisch gekochtem Tee.

Er ahnte plötzlich, wer mit dem Copter gekommen war. Besorgnis verwandelte sich in Freude.

Sie saß im Computerraum, stand auf, als er in der Tür erschien, und drehte sich zu ihm um.

»Die Sensoren haben dich natürlich bemerkt«, sagte Xanadu und deutete auf den Monitor. »Ich beobachte dich schon seit fünf Minuten.« Sie lächelte, aber nur kurz. »Nur noch wir beide sind übrig, Francis. Und ich möchte von dir wissen, warum.«