Vor den Toren der First Christian Girls’ School fühlte ich mich wie die kleinste Viertklässlerin auf der ganzen Insel. Blendendweiße Gebäude, getragen von hohen Säulen, Türme mit bunten Glasfenstern und ein riesiger Glockenturm ragten über der Straße auf und hoben sich strahlend vom blauen Himmel ab. Der weiße Gebäudekomplex thronte oben an einem steilen Hang, so dass die Schule aussah wie eine majestätische alte Burg in Europa.
Am Haupteingang konnte ich mir vorstellen, dass ich ein Märchenkönigreich betrat, aber es war schwer, das lange durchzuhalten. Morgen für Morgen legte sich die Schwüle drückend auf meine Haut, und Zweige, an denen wächserne tropische Blätter hingen, schwangen durch die Luft und verbreiteten einen bitteren, erdigen Geruch, der mir in die Nase kroch. Der Mann, der bunte Waffeln mit Eis dazwischen verkaufte, stand an seiner Straßen-Karre und rief: »Lai, lai, siebzig Cent, siebzig Cent!« Ein dichtes Gewirr aus Zweigen hielt einen Teil des Sonnenlichts ab, und hinter ihnen in der Ferne lugten die blassen Umrisse von Bürobauten durch die Wolken. Alles sah nach Singapur aus. Es war nicht möglich, es mit irgendeinem anderen Ort zu verwechseln.
Auf die First Christian gingen Mädchen, deren Mütter und Großmütter hier auch schon Schülerinnen gewesen waren, und sie brachten Geschichten über Gespenster mit, die sich nach dem Krieg in den Gängen niedergelassen hatten. Die Schule war während des Zweiten Weltkriegs von französischen Siedlern und Missionaren errichtet worden, und diese blendendweißen Gebäude waren Zufluchtsorte gewesen für alle, die auf der Flucht vor den Japanern waren. Pastoren in langen, schwarzen Umhängen schmuggelten Fremde herein, die in den Klassenzimmern bleiben konnten, während es überall auf der Insel Bomben und Gewehrkugeln regnete. Die Mädchen erzählten diese Geschichten, als ob sie selbst dabei gewesen wären; wir anderen hörten nur mit halbem Ohr zu, denn der Krieg war eine Ewigkeit her und wir kannten die Geschichten schon alle. Es gab Mädchen, deren Mütter immer schicke Blazer und Seidenblusen trugen, auch wenn sie Hausfrauen waren wie Ma. Ihr Schmuck passte zu ihren Schuhen und sie sprachen mit glänzenden, kirschroten Mündern perfektes British-English.
Die anderen waren wie ich – Stipendiatinnen. Unsere Eltern konnten das Schulgeld nicht bezahlen, deshalb standen wir an jedem Monatsende in einer Ecke der Schulmensa Schlange und erhielten eine Spende von der Schule und eine Übersicht darüber, wieviel wir schuldig waren. Die anderen Mädchen zogen nicht über uns her, weil die Schulleiterin, Mrs D’Cruz, sie immer wieder daran erinnerte, dass es nicht christlich sei, auf die herabzusehen, die weniger hätten. Stattdessen wurden sie behutsam dazu angehalten, uns den HERRN näherzubringen, denn Er bringe Gutes zu denen, die an Ihn glaubten und Ihn fürchteten. Die meisten Stipendiatinnen waren offensichtlich nicht sonderlich vertraut mit dem HERRN.
Eigentlich sollte man die Stipendiatinnen nicht von den anderen unterscheiden können, weil wir alle die gleiche Uniform trugen – dunkelblaue Faltenträgerröcke über weißen Blusen, weiße Bata-Leinenschuhe und weiße Söckchen. Wir trugen alle die gleichen Silber-Plaketten mit einem kleinen, von Weinreben umrankten Kreuz. Aber die Trägerröcke einiger Mädchen waren ein bisschen heller oder zu kurz, weil sie gebraucht gekauft worden waren. Das Gummi in ihren Söckchen war schon zu Beginn des Schuljahrs ausgeleiert, so dass sie ihnen wie überflüssige Haut um die Knöchel schlabberten. Diese Mädchen sahen wie Stipendiatinnen aus. Ma ließ es sich nicht nehmen, mir jedes Jahr eine neue Uniform zu kaufen, weil sie nicht wollte, dass ich in der Schule arm aussah. »Und wir sind nicht arm«, erinnerte sie mich oft. »Wir sind nicht so wohlhabend wie andere, aber schau doch – wir haben ein Dach über dem Kopf, wir haben einen Fernseher, Telefon, Strom, und du bekommst jeden Tag etwas Gutes zu essen.«
Ma wollte immer wissen, was ich in der Schule gelernt hatte. Ich nahm an, das lag daran, dass sie und Daddy mehr für die First Christian School aufwandten, als wenn sie mich auf eine Schule im Viertel geschickt hätten, und sie wollte sichergehen, dass sie etwas bekam für ihr Geld. Sie wollte alles wissen, was ich lernte, und manchmal kam ich mir vor wie eine Lehrerin. Ich sagte ihr das kleine und das große Einmaleins auf, erzählte ihr, wie die Tanks Regenwasser speicherten und lieferte Zusammenfassungen von Geschichten, die wir im Englischunterricht gelesen hatten, bis sie zufrieden war. Bei jeder neuen Information nickte sie kurz. Ich begann mich zu fragen, ob sie schon alles wusste oder ob sie zusammen mit mir lernte. Eines der wenigen Dinge, die ich über sie wusste, war, dass sie nach der Mittelstufe die Schule hatte verlassen müssen, um arbeiten zu können und ihre Familie zu unterstützen, nachdem ihr Vater sich davongemacht hatte.
Eines Tages beschloss ich, ihr eine Falle zu stellen. Ich erzählte ihr nur Blödsinn, angefangen mit einer Matheaufgabe mit einer falschen Lösung. Dann machte ich weiter mit Naturkunde und erzählte ihr, Pflanzen könnten ohne Wasser überleben. Sie nickte nur, hörte zu, ohne aber die falschen Informationen richtig aufzunehmen. Ich konnte es sehen, weil sie ganz glasige Augen hatte. Dann buchstabierte ich einige englische Wörter falsch. Ma protestierte nicht. Ich zerbrach mir den Kopf, was wir an diesem Tag in der Schule sonst noch durchgenommen hatten. Sozialgeschichte: Wir hatten etwas über die frühen Siedler in Singapur gelernt. Ich erzählte ihr, Singapur sei benannt nach Sang Nila Utama, der einen Löwen gesehen habe, keinen Tiger. Ich erzählte ihr, dass Singapur niemals zu Malaysia gehört habe, dass es immer ein unabhängiger Stadtstaat gewesen sei und dass sie uns nicht vertrieben und uns gesagt hätten, wir sollten sehen, wie wir zurechtkämen. Ich erzählte ihr auch, dass die Japaner Singapur während des Krieges niemals angegriffen hätten, sie hätten uns geholfen.
Mas Augen weiteten sich. »Wie kannst du solche Lügen erzählen!«, rief sie. »Dumme Göre!« Sie zog mir den Teller mit dampfendem Babymais, Möhren und mit Honig glasiertem Hähnchen weg. Überrascht von ihrem Ausbruch saß ich da, mit Gabel und Löffel auf dem halben Weg zum Mund.
»Das sollte doch nur ein Witz sein«, sagte ich. »Was ist daran so schlimm?«
»Über die Vergangenheit werden keine Witze gemacht.«
»Aber Geschichte ist langweilig«, sagte ich. Das war sie nämlich. Mein Sozialgeschichte-Buch war das sauberste Buch, das ich hatte, weil ich versuchte, es nicht anzufassen. Wenn ich es öffnete, erschlugen mich die Seiten mit Fakten und Zahlen und sepiabraunen Bildern von Rikschas und Lehmstraßen und windschiefen Schildern, die von heruntergekommenen Shophouse-Galerien hingen. Es gab keine Orte, die ich als zu Hause erkannte.
Ma war sichtlich außer sich. Sie beugte sich zu mir vor, wie um mir ein Geheimnis zu erzählen, aber sie sah besorgt aus, während sie mein Gesicht durchforstete. »Die Vergangenheit ist vielleicht weit weg«, sagte sie. »Und vielleicht finden wir sie nicht so wichtig wie die Gegenwart. Aber es ist nicht richtig, die Tatsachen zu verändern.«
Ich wusste, dass sie mir mein Essen erst zurückgeben würde, wenn ich ihr gezeigt hätte, dass ich verstanden hatte, obwohl ich nicht begreifen konnte, warum das alles so wichtig sein sollte.
»Okay«, sagte ich.
Sie hob skeptisch eine Augenbraue.
»O-keeeeh«, sagte ich betont. Ich hatte ihre Regeln satt. Sie schob den Teller über den Tisch zurück und schüttelte den Kopf. »Pin, Pin, Pin«, sagte sie nur kopfschüttelnd, während ich mir Gemüse und Fleisch in den Mund stopfte. Ich sagte bis zum Ende der Mahlzeit nichts mehr – mein großes Mundwerk hätte mich an diesem Nachmittag schon beinahe um das Mittagessen gebracht. Manchmal war es bei Ma am besten, einfach den Mund zu halten.
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An dem Tag nach dem, als Ma verkündet hatte, dass Nani-ji bei uns einziehen würde, gab ich mir alle Mühe, nicht an sie zu denken. Daddys Rat war gewesen, es zu verdrängen, deshalb ließ ich das Bild von Nani-ji schrumpfen, bis sie nur noch ein winziger weißer Fussel war. Ich lud mir die Schultasche auf die Schultern und ging mit langen Schritten den Hügel hoch auf die Wiese, wo die Morgenversammlung abgehalten wurde.
Die Morgenversammlung lief jeden Tag gleich ab: Wir standen in Reih und Glied und sangen Majulah Singapura, während zwei Präfektinnen die rotweiße Flagge hissten. Wie unsere Stimmen hüpfte und schlackerte sie wild auf und ab. Nach der Nationalhymne ballten wir die rechte Hand zur Faust, legten sie auf unser Herz und sagten das Singapurer Gelübde über den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft auf. Dann übernahm Mrs D’Cruz für die tägliche Andacht. Die unter uns, die keine Christinnen waren, sollten respektvoll den Kopf senken. »Betet zu eurem eigenen Gott«, hatten uns die Lehrerinnen am ersten Tag der ersten Klasse ermahnt. »Oder hört zu.«
Ich wusste, es hätte keinen Sinn, zu meinem eigenen Gott zu beten, denn der wäre garantiert nicht in der First Christian Girls’ School. Er würde mir überhaupt nur zuhören, wenn ich meinen Kopf bedeckte, auf dem Teppichboden im Tempel säße und den geleierten Punjabi-Gebeten lauschte. Er verstand kein Englisch, und das war die einzige Sprache, die wir in der Schule sprechen durften. Es war die Sprache meiner Gedanken, sowie ich morgens unsere Wohnung verlassen hatte und in den Schulbus einstieg.
Mrs D’Cruz trug dicke Wollröcke mit dazu passenden Jäckchen, und sie hatte drahtiges, kurzes Haar, das ihren Kopf einrahmte wie ein Helm. Wenn sie lächelte, kostete sie das Mühe, und ihr ganzer Körper zeugte von der Anstrengung. Spinnwebfältchen brachen an ihren Augenwinkeln auf, ihre Schultern hoben sich ein wenig und sogar ihre rosa Ohren schienen mitzumachen. Sie lächelte nur während der Andachten.
»Eure Eltern und einige von euch älteren Mädchen haben vielleicht ein Bankkonto«, fing sie an. Wir regten uns und nickten. »Um ein Bankkonto zu haben, muss man zuerst Geld verdienen. Um auf dieses Konto zuzugreifen, benutzt man eine Bank-Karte.«
»Oder ein Scheckbuch«, sagte das Mädchen hinter mir, in derselben Stimmlage wie Mrs D’Cruz. Ihr Kommentar sandte eine kleine Welle von Gekicher durch die Klasse und sorgte dafür, dass eine Lehrerin auf uns zumarschiert kam. Ich wischte mir das Lächeln vom Gesicht, als ich ihren wütenden Blick hinter uns spürte. Mrs D’Cruz stand zu weit weg, um etwas zu bemerken. Sie fuhr fort.
»Gott hat Pläne mit euch. Er will, dass es euch wohl ergeht. Unser Leben lang, wenn wir Gutes tun, zahlt Gott Geld auf unsere Bankkonten ein. Auf unsere spirituellen Bankkonten.« Sie betonte jede Silbe und dehnte das R. »Wenn wir sündigen, was glaubt ihr, was Gott dann macht? Er hebt dieses Geld wieder ab. Am Ende unseres Lebens prüft Gott im Himmel unseren Kontostand. Werdet ihr dann reich sein oder bankrott?« Mrs D’Cruz schaute triumphierend auf. »Lasset uns beten«, sagte sie und wir alle senkten die Köpfe. Die täglichen Andachten hatten oft etwas mit Geld zu tun, und Mrs D’Cruz erklärte einmal, das sei die einzige Sprache, die Singapurer verständen. »Ich sage Geld, und wow … das ganze Meer von Köpfen vor mir schaut auf.«
Es gab ein paar Dinge, die ich nicht verstehen konnte, wenn es um Gott ging, zum Beispiel, warum Er unsichtbar war. Ich dachte, jemand, der so viel Gutes für die Welt getan hatte, würde doch sicher wollen, dass alle sahen, wer Er war. Ich verstand auch nicht, warum Er Tiere erschaffen hatte, die unnötig leiden mussten, wie der streunende Hund mit dem lahmen Bein, den ich morgens oft vor unserem Block umherstreifen sah. Das Verwirrendste aber war das: Der Gott in der Schule war ganz sicher nicht derselbe Gott, den ich von zu Hause kannte. Der Gott, über den Mrs D’Cruz sprach, hatte einen Sohn namens Jesus. Mein Gott hatte mehrere Söhne, aber keiner von denen war Jesus. Sein Name war Guru Nanak. Er hatte noch weitere Götter neben sich, die ihm geholfen hatten, Kriege gegen die Muslime und die Hindus zu gewinnen, damit Er die Menschen zu Sikhs machen könnte. Mrs D’Cruz erinnerte uns gerne daran, dass Gott kein Gesicht hatte und dass Er im Herzen aller Menschen wohnte, aber das konnte nicht stimmen. Ich wusste genau, wie Gott aussah. Er hatte wässrige, tiefliegende Augen, einen weißen Bart, und er trug einen Turban.
Ma hatte vor einigen Jahren in einem Tempel ein Porträt von Gott gekauft, nachdem Nani-ji sie dazu gedrängt hatte. Mit ein paar strengen Worten hatte Nani-ji sie außerdem dazu gebracht, einen Kalender mit Gott darauf, ein Gebetbüchlein mit demselben Bild und eine Postkarte zu kaufen. Gott hatte auf all diesen Gegenständen immer dieselbe Haltung. Seine Gewänder waren bronzefarben, was zu dem sanften, trüben Licht passte, das Seinen Kopf umgab. Sein Turban war weiß. Er sah traurig und streng aus.
Ma hatte gefährlich auf einem klapprigen Stuhl balanciert und drei Nägel in die Wand gehauen, um sicherzustellen, dass Gott an unserer Wand bleiben würde. Die anderen Dinge hatte sie an verschiedenen Stellen im Haus deponiert. »Genau, wie immer gesagt wird«, erklärte sie mir fröhlich. »Gott ist überall.« Er starrte von der Rückseite ihrer Schlafzimmertür und von meiner Kommode herab. Ma schien zu glauben, dass die Anwesenheit dieses Gottes in unserer Wohnung uns etwas Gutes tun würde. Das war das Jahr, in dem Daddy weniger Schichten im Hotel zugeteilt wurden und er viel Zeit damit verbrachte, die Stellenanzeigen in der Zeitung nach einem neuen Job zu durchforsten.
Aber es dauerte nur ein paar Wochen, bis Gott anfing, Ma auf die Nerven zu gehen. Das Erste, was sie wegräumte, war der Kalender. »Warum brauche ich Gott, um mich daran zu erinnern, welcher Wochentag ist?«, fragte sie. Das Gebetbuch verschwand als Nächstes, als Ma beschloss, Bücher seien dazu da, Geschichten zu erzählen, und nicht für fromme Gesänge. Gottes Bild auf dem Einband irritierte sie. Sie wickelte es zusammen mit weiteren Büchern in ein hübsches Baumwolltuch und legte sie in ihre Kommodenschublade. Gott auf der Postkarte erlitt das schlimmste Schicksal – Er wurde eines Tages beschädigt, als ein heftiger Wind Regen in unsere Wohnung trug. Ich fand es seltsam, dass Ma an diesem Nachmittag das Fenster offengelassen hatte, wo sie doch Daddy ständig vorwarf, dass er zu nachlässig sei. Aber als sie einen durchweichten Gott von meiner Kommode pulte, schüttelte sie den Kopf und brachte laut ihre Reue zum Ausdruck. »Ach du meine Güte«, seufzte sie. »Wie schade. Ich hab einen Dollar fünfzig dafür bezahlt.« Eine Woche darauf kam ich aus der Schule und sah, wie Ma sich damit abmühte, Gott von der Wand zu nehmen. Sie nannte keinen Grund für Seine Entfernung, also dachte ich mir selbst einen aus: Gott passte nicht zu unseren Möbeln.
»Er ist trotzdem überall«, hatte Ma gemahnt. »Aber du siehst Ihn nicht. Du musst Ihn nicht sehen.« Das tat ich aber. Nach einem Monat, in dem ich Gott überall im Haus gesehen hatte, sah ich Ihn wie ein schweres Blatt an einem Baum hängen. Ich sah Ihn im schlammigen Wasser treiben, das durch die Kanäle strömte, wenn ich mit den Jungs aus dem Viertel Fußball spielte. Ich verwechselte alte Männer mit Turban und Bart im Tempel ständig mit Gott – magere Götter, Götter in Oberhemden, Götter, die Witze rissen, Götter, die nach dem Gottesdienst allein in Taxis verschwanden, Götter, die mit ihren Familien im Auto fuhren. Der einzige Ort, wo ich Gott nicht sehen konnte, war die Schule. Er lungerte vor den Schultoren herum und traute sich nicht hinein, sondern saß stattdessen still auf der Bordsteinkante, während ich Unterricht hatte.
Es war Montag, was bedeutete, dass es nach der Morgenversammlung noch einen Gottesdienst geben würde. Wir trotteten im Gänsemarsch vom Hof. Ich blieb zurück, während die anderen aus der Klasse die Treppe hinauf zur Kapelle verschwanden. Die Musliminnen blieben ebenfalls zurück, und wir warteten darauf, dass die Malaiisch-Lehrerin uns sagte, in welches Klassenzimmer wir gehen sollten, während die restliche Schule Choräle sang und Pastor Williams wöchentlicher Predigt lauschte. Eigentlich sollte sich niemand vor dem Gottesdienst drücken – die Hindumädchen und die Buddhistinnen gingen hin und starrten verständnislos auf die Liedtexte. Nur die Musliminnen waren entschuldigt, weil ihre Religion streng war und ihr Gott es ihnen nicht erlaubte, sich in der Anwesenheit anderer Götter aufzuhalten, selbst wenn sie die Augen zukniffen und sich taub stellten.
In der ersten Klasse war ich immer zum wöchentlichen Gottesdienst gegangen. Ma und Daddy hatten mir gesagt, ich solle stillsitzen und Respekt zeigen. Am Ende verteilten Pastor William und Mrs D’Cruz immer Zettel, mit der Anweisung, eine Alternative einzukreisen: Ich möchte diese kostbare Gelegenheit ergreifen, um den Herrn kennenzulernen oder: Ich bin zufrieden mit meiner Religion. Ich kreiste immer die zweite Alternative ein und gab den Zettel dann an die Präfektinnen zurück. Niemand behelligte mich deswegen. Der Chor führte die Schule normalerweise an bei friedvollen Liedern über Heilande, Erlösung und Hirsche, die von frischen Wassern schleckten. Ich presste die Lippen aufeinander, aber die Melodien wollten mir nicht aus dem Kopf. Zu Hause sang ich sie leise vor mich hin.
Dann hörte Ma mich eines Tages Amazing Grace singen. »Pin, wir schicken dich auf diese Schule, weil sie einen hohen Standard haben und du ein kluges Mädchen bist. Es ist keine Stadtteil-Schule – wir möchten, dass du gutes Englisch sprichst und dir bessere Möglichkeiten offenstehen. Wir schicken dich nicht dahin, damit du Christin wirst.«
Ich versuchte, Ma zu erklären, dass die Lieder harmlos waren. Ich glaubte nicht daran. Mir gefielen die Melodien, und ich bekam sie nicht aus dem Kopf, auch wenn ich versuchte, an etwas anderes zu denken. An diesem Tag nahm ich mir vor, meinen Gott zu bitten, bei unseren Tempelversammlungen bessere Musik einzuführen, statt des gemurmelten Geleiers, das die Priester jede Woche ablieferten.
Ma war nicht überzeugt. Am nächsten Tag schrieb sie einen Zettel für meine Klassenlehrerin, Miss Yoon: Bitte, entschulldigen Sie meine Tochter ab sofort von jeglichem Gottesdienst. Ich nahm Tipp-Ex, um das zweite l zu entfernen, ehe ich Miss Yoon den Zettel gab. Von da an verließ ich vor dem Gottesdienst schweigend den Versammlungsort, zusammen mit den Musliminnen und zwei strenggläubigen Hindumädchen, deren Mütter ebenfalls Zettel geschrieben hatten. Es gab auch noch eine andere Punjabi-Sikh, aber sie ging in die zweite Klasse, und wenn ich mit ihr redete, würden die anderen Mädchen mich auslachen, weil ich mit einem Baby befreundet war. Unter den Musliminnen war Farizah, meine beste Freundin. Sie zog ihre Strümpfe ganz weit hoch, und ihr Trägerrock war extra-lang, so dass er ihr wie ein Sack um die Hüften hing.
Die Malaiisch-Lehrerin, eine kräftige Person in einer Baju Kurung, die ihre Arme und Beine und Haare unter geblümtem Stoff verbarg, führte uns zu einem Klassenzimmer, das roch wie sie: süßes Rosenparfüm und Talkumpuder. Sie schloss die Schranktüren auf und nahm Brettspiele von den Regalfächern. Einige Mädchen stürzten sich auf Monopoly, andere nahmen das Leiterspiel. Farizah und ich setzten uns allein in eine Ecke. Farizah kam jeden Montag, ausgerüstet mit mehreren Kartenspielen, in die Schule.
»Alte Jungfer oder das Eselspiel?«, fragte sie und schob die beiden Kartenstapel in meine Richtung.
»Alte Jungfer«, sagte ich, und es ging los. Eine andere Gruppe von Mädchen tat sich zusammen, um Five Stones zu spielen, aber als eines der Bohnensäckchen platzte, kamen sie herüber, um uns zuzusehen.
»He, Pin, ist das Mädchen deine Schwester?«, fragte Siti. Sie zeigte auf das andere Punjabi-Mädchen, deren Gesicht in einem Buch vergraben war.
»Nein«, sagte ich.
»Sie sieht aus wie du.«
Das tat sie überhaupt nicht, aber die meisten Leute fanden, dass sich alle Punjabis ähnlich sahen. »Sie ist nicht meine Schwester«, sagte ich.
»Ihr Nachname ist Kaur«, sagte Siti misstrauisch. Sie ließ ihren Blick zwischen uns beiden hin- und herwandern. »Sehen sie sich nicht ähnlich?«, fragte sie ein anderes Mädchen auf Malaiisch.
Ich wechselte einen Blick mit Farizah, die ständig Fragen über sich ergehen lassen musste. Das hatten wir gemeinsam. Ständig wurde sie von anderen Mädchen gefragt, warum sie ihre Strümpfe so weit nach oben zog und warum sie so religiös war. »Andere Musliminnen ziehen ihre Strümpfe nicht so weit hoch«, sagten die Mädchen und zeigten zum Beweis auf andere Malaiinnen. Mir stellten sie ebenfalls Fragen. »Du sagst, du bist Inderin, aber warum hast du dann helle Haut? Und warum hast du nicht Tamilisch als Muttersprachenfach wie die anderen Inderinnen?« Ich hatte diese Fragen schon Dutzende Mal gehört. Die Fragen nach meinem Nachnamen waren auch nicht neu.
Er lautete Kaur, weil alle Sikh-Mädchen und -frauen Kaur als Nachnamen hatten. Alle Männer hießen Singh. Daddy sagte, das mache uns alle zu einer großen Familie, aber als ich das den anderen Mädchen so erklärte, dachten sie, ich wäre mit jedem Kaur oder Singh verwandt, den sie kannten. Im vorigen Jahr hatten wir eine Aushilfslehrerin namens Miss Kaur gehabt und einige Mädchen verbreiteten das Gerücht, ich sei ihre Tochter oder ihre Schwester. Das machte mir so zu schaffen, dass ich zu Hause Ma davon erzählte.
»Wie heißt sie mit Vornamen?«, fragte Ma.
»Satwinder«, sagte ich.
Ma überlegte. »Wir kennen sie nicht«, sagte sie endlich mit Erleichterung in der Stimme. Es beschäftigte sie immer, wenn Daddy und ich irgendwo andere Punjabis ausfindig machten.
Siti bestand weiterhin darauf, dass ich die Schwester des Mädchens sein müsse. »Bin ich nicht«, erklärte ich ihr.
»Aber ihr heißt beide Kaur«, sagte Siti.
Da meldete sich Farizah in schnellem Malaiisch zu Wort: »Okay, von mir aus, Siti. Sie ist ihre Schwester. Alle mit demselben Nachnamen hier in der Schule sind verwandt.« Alles prustete los und fing an Witze zu machen und alle Leute, die wir kannten, mit denselben häufigen Nachnamen miteinander zu verkuppeln. Melissa Tay und Tay Wan Hua waren also Zwillinge! Mrs Lee, die Naturkundelehrerin, und Miss Lee, die Kunst unterrichtete, könnten Mutter und Tochter sein! Die alte Mrs Chia, bei der die älteren Mädchen Hauswirtschaft hatten, war verheiratet mit Mr Chia, dem Mann, der in der Getränkebude arbeitete! Bei dieser letzten Paarung kreischten wir vor Lachen. Die Malaiisch-Lehrerin schaute auf und sagte, wir sollten uns beruhigen. Siti machte ein böses Gesicht und ging weg.
Farizah saß auf ihren Fersen. Ihr langer Rock wallte um sie wie eine Decke. »Alte Jungfer!«, verkündete sie und drehte meine Karten um, um das Bild einer hageren, zahnlückigen Frau strohigen Haaren zu enthüllen. »Du passt nicht auf.«
Das tat ich nicht. Ich betrachtete die Punjabi, die in ihr Buch vertieft war. Sie hatte ziemlich kurze Haare und sie sie so wie ich zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich hätte gern gewusst, warum auch sie in der Gruppe war, die nicht mit in die Kapelle ging. An unserer Schule gab es noch ein paar andere Punjabi-Mädchen mit langen Haaren. Sie gingen in den Gottesdienst und hörten zu. Ich dachte über ihre Mütter nach und wie sie wohl waren. Warum hatten sie keine Angst davor, dass ihre Töchter nach Hause kommen und christliche Lieder singen könnten?
• • •
Der Schulbus war auf dem Heimweg immer stickig, egal, wie viele Fenster wir aufmachten. Ich stieg jedes Mal als eine der Ersten ein, weil ich nicht stehenblieb, um mir am Kiosk etwas zu essen zu kaufen. Mein Magen knurrte und wartete auf Mas Essen. Ich warf meine Schultasche auf den Platz, wo ich sitzen wollte, so weit wie möglich weg von dem alten Busschaffner, den wir Bus-Onkel nannten. Die anderen Mädchen kamen nach und nach herein, mit Tintenfischringen und in Chilisauce ertrinkenden Pommes in der Hand. Der Fahrer kletterte vorne durch seinen Einstieg, gefolgt von Bus-Onkel.
Bus-Onkel war ein alter Chinese, der auf dem allervordersten Sitz saß. Seine Aufgabe war es dafür zu sorgen, dass wir uns nicht daneben benahmen, und jeden Monat das Busgeld einzusammeln, das unsere Mütter uns in einem kleinen Briefumschlag mitgaben. Mit lauter, schriller Stimme redete er auf Chinesisch mit dem Fahrer und warf uns dabei manchmal finstere Blicke zu. »Was sagt er?«, löcherten wir immer die Chinesinnen, aber die zuckten nur mit den Schultern und sagten, er rede nur Müll. Er sagte, wir seien zu laut, selbst wenn wir alle ganz still waren. Er wies uns an, die Fenster zuzumachen, weil es bald regnen würde, auch wenn die Sonne hell vom azurblauen Himmel strahlte. Manchmal, wenn wir Widerworte gaben, zog er einen dünnen Bambusstock unter seinem Sitz hervor und drohte damit, ihn uns spüren zu lassen.
»Leise!«, kreischte er, aber es klang eher wie »Scheise«. Wir machten daraus »scheißen« und riefen zurück: »Scheißen! Scheißen! Scheißen!« Verwirrt und wütend sprang er auf und kam langsam auf uns zu, wobei die Bewegungen des Busses ihn schwanken und taumeln ließen wie auf einem Boot bei stürmischer See. Seine weißen Fingerknöchel leuchteten wie Perlen, während wir kreischten und uns gegenseitig ermahnten, die Klappe zu halten.
Heute war es zunächst ruhig. Farizah hatte mir ihre Eselspiel-Karten geliehen, und ich teilte sie hinten im Bus auf dem Boden aus, während die anderen Mädchen sich um mich drängten und fragten, ob sie mitspielen dürften. Siti, die zu stolz war, saß allein auf ihrem Platz und wartete, bis ich sie fragte.
»Hey, spielst du jetzt oder nicht?«, rief ich, nachdem ich allen Karten ausgeteilt hatte. Sie zuckte mit den Schultern und nahm die letzten Karten von mir in Empfang. Der Bus ruckelte beim Anfahren, dann passierte er langsam die schmalen Schultore. Als er Fahrt aufnahm, fuhr der Wind durch die offenen Fenster herein und blies mir die Haare in den Mund. Wir schlängelten uns durch Toa Payoh und Bishan, nummerierte Ziegel-Beton-Wohnblocks über Läden, rechteckige Basketballfelder, Fußgängerbrücken, umwunden von Schlingpflanzen und knallrosa Bougainvilleen. Glänzende Palmblätter ragten aus den Wipfeln einiger hoher Bäume, während andere ihre dünnen Zweige wie Spinnen in den Himmel reckten. Daddy sagte immer, ich sollte auf die Bäume achten, wenn ich mit ihm zusammen unser Viertel zeichnete, weil ich sie oft vergaß. Sie standen so ordentlich aufgereiht am Straßenrand, dass sie sich für mich nicht von den Gebäuden, den Straßen, den Läden und allem anderen in Singapur abhoben.
Der Wind hatte als Pfeifen begonnen, wurde aber zum Tosen, während der Bus weiterfuhr. Ich erhob die Stimme, um ihn zu übertönen, und die anderen Mädchen machten es genauso. Bald brüllten wir, nur um des Brüllens willen, und Bus-Onkel begann auf seinem Sitz herumzurutschen. Der Bus kam mit einem Ruck zum Stehen, um Susheela Surangam aussteigen zu lassen, die uns von vorne her neidisch zugeschaut hatte. Sie stieg jeden Morgen als Letzte ein, und deshalb musste sie auf dem unbeliebtesten Platz sitzen, gleich neben Bus-Onkel. Auf der Rückfahrt stieg sie als Erste aus, was bedeutete, dass sie nicht lange bei unseren Spielen mitmachen konnte, deshalb tat sie es gar nicht erst, sondern setzte sich statt dessen wieder nach vorn. Bus-Onkel ermahnte uns, still zu sein und uns wieder auf unsere Plätze zu setzen. Wir beachteten ihn nicht, sondern brüllten weiter, bis Bus-Onkel langsam auf uns zukam. Unter Kreischen und Schubsen kraxelten wir zu unseren Sitzen. »Ssssss … seid still«, zischten wir einander kichernd zu. »Da kommt er, psssst!« Aus der Nähe war Bus-Onkels Gesicht ein einziges Meer aus Falten und Wülsten, in dem sich eine Hautschicht über die andere legte. Seine Runzeln waren so tief, dass sie Schatten warfen. Er trug eine Brille mit einem riesigen Gestell, das einen Teil seines Gesichts bedeckte.
»Scheise«, krächzte er und warf den Mädchen direkt vor ihm einen wütenden Blick zu. Von meinem Platz aus bemerkte ich, dass in seinen Ohren dunkle Haare wuchsen. Ich stupste meine Sitznachbarin, Shu Ping, an, die schon ganz rot und pausbackig war vor unterdrücktem Lachen. »Iiih. Guck dir mal seine Ohren an. Wie ein Affe«, flüsterte ich.
Shu Ping prustete los und das Lachen stob aus ihr heraus wie Konfetti. »Sei still!«, sagte ich, aber auch ich lachte. Bus-Onkel drehte sich langsam zu uns um. Er fragte Shu Ping etwas auf Chinesisch, und sie antwortete nicht. Er sah mich an, dann fragte er noch einmal. Sie schüttelte den Kopf und zwang sich, ein ernstes Gesicht zu machen, schluckte ihr Gekicher hinunter, bis es ganz verschwunden war. Dann richtete er seinen Blick auf mich.
»Du! Was du sagen? Du so komisch! Was du sagen?«, fragte er in gebrochenem Englisch. Er wiederholte die Frage auf Malaiisch. Ich hoffte, eines der Mädchen hinter mir würde seine Stimme nachmachen, um ihn abzulenken, aber im Bus wurde es seltsam still. Er blieb noch zwei Haltestellen lang so stehen und fragte mich wieder und wieder, was ich gesagt hatte. Ich schüttelte immer nur den Kopf und erwiderte: »Tidak, tidak.« Nichts, nichts. Die Mädchen, die aussteigen wollten, drückten sich eine nach der anderen an Bus-Onkel vorbei und ließen mich zurück als Gefangene seines Blicks. Seine Augen waren wie Murmeln hinter diesem riesigen Brillengestell. Ich zuckte mit den Schultern und schaute aus dem Fenster. Irgendwann ging er weg und zurück nach vorne. Wieder brandete Gekicher auf, diesmal aber unbehaglich und fremd. Ein Mädchen fragte mich, was ich gesagt hatte.
»Nichts«, sagte ich zu ihr, verärgert, weil niemand versucht hatte, mir zu helfen. Ich suchte meine Karten zusammen und steckte sie in meine Schultasche. Für den Rest der Heimfahrt starrte ich aus dem Fenster und sah zu, wie das Sonnenlicht Ziegel und Beton in Goldbraun tauchte. Die Zwischenräume zwischen den Linien auf dem Straßenbelag unter uns verschwanden und tauchten wieder auf, wenn der Bus langsamer wurde.
Mein Viertel war eines der letzten auf dieser Busstrecke. Nach mir kamen noch vier Mädchen, die alle in der Nähe meines Blocks wohnten. Als Irene Seet aus dem Bus stieg, packte ich meine Sachen – Schultasche, Ordner und Wasserflasche – und ging vorsichtig nach vorn. Bus-Onkel wandte den Kopf, um mich wieder anzustarren. Diesmal erwiderte ich seinen Blick lange. Ich hatte das einmal auf dem Markt bei Ma beobachtet. Der Gemüsehändler hatte seine Hand ganz schnell zurückgezogen, nachdem er Ma ihr Wechselgeld gegeben hatte, denn er hatte unter ihren Ärmeln einen Blick auf ihre vernarbte Haut erhascht. Ma hatte ihn angestarrt, bis er vorgab, von einem Geräusch abgelenkt zu werden, und sich abwandte.
»Apa?«, fragte ich Bus-Onkel kühn. Er reagierte nicht und es schien, als habe er nicht gehört, was ich gesagt hatte. Ich war ein bisschen erleichtert. Ich konnte in der Schule Ärger kriegen, wenn ich frech zu Bus-Onkel war. Mrs D’Cruz könnte mich dazu zwingen, bei der Morgenversammlung vor aller Augen aufzustehen und um Entschuldigung zu bitten. Sie könnte alle Schülerinnen und Lehrerinnen auffordern, für mich zu beten, und Ma würde das schrecklich finden, wahrscheinlich würde sie mich dann ganz von der Schule nehmen.
Dann lief ein Blick des Erkennens über Bus-Onkels Gesicht. Seine Augen leuchteten auf und ein Lächeln hob die Winkel seiner schmalen Lippen an. Es war kein freundliches oder versöhnliches Lächeln. In seinen Augen lag etwas Gemeines. Der Bus kam mit einem Ruck zum Stehen und die Tür ächzte, als sie sich öffnete. Als ich aufstand, sagte Bus-Onkel leise ein Wort, das ich zu kennen glaubte, aber ich war jetzt so wild darauf, den Bus zu verlassen, dass ich nicht weiter darauf achtete und auf meinen Block zurannte, dessen Fenster in der Nachmittagssonne funkelten wie Augen.
• • •
Der Gang, der zu unserer Wohnung führte, wurde verengt von Topfpflanzen, Fußmatten, Schuhregalen und abgestellten Fahrrädern. Alle Wohnungen in unserem Gebäude waren identisch, aber von außen wäre man nie auf diese Idee gekommen. Alle schienen sich gewaltig ins Zeug zu legen, um ihre Wohnungen einzigartig aussehen zu lassen – seltsame Gittermuster und knallbunte Vorhänge an den Fenstern waren in Mode. Manchmal ging ich absichtlich langsam an den anderen Wohnungen vorbei, weil manche Familien die Türen offen ließen, wenn sie zu Hause waren. Durch die Gitter vor ihren Eingangstüren linste ich in ihre Wohnungen: Rattanmöbel und Fernsehkonsolen, hölzerne Esstische, Kissenbezüge mit verschossenem Muster, Perlvorhänge, die klirrten, wenn die Bewohner die Küche verließen oder betraten. Einmal hatte eine Nachbarin mich beim Spickeln erwischt. Sie hatte die Hände erhoben und war auf mich zumarschiert, als ob sie einen Vogel verscheuchen wollte.
Die Tür zu unserer Wohnung stand offen, aber ich musste klingeln, damit Ma herauskam und das Gitter aufschloss. »Komme!«, rief sie, aber noch ehe ich ihre Stimme hörte, roch ich das Essen. Gebratene Nudeln in Austernsoße mit Garnelen und Bohnensprossen. Gehackter roter Chili in Sojasoße. Ein Häufchen gewürfelte Honigmelone auf einer Untertasse, um meinen Mund zu beruhigen, wenn ein Gewürz zu scharf war. Ich konnte es kaum erwarten, dass Ma die Tür aufmachte, weil ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte. In der Pause hatten Farizah und ich auf dem Schulhof unsere Mini-Meisterschaft in Alte Jungfer fortgesetzt. Sie aß nicht, weil sie trainierte, ihren Hunger zu ignorieren. An sich begann das Fasten erst in den Wochen vor Hari Raya Puasa im November, aber sie wollte es diesmal besser hinbekommen. Im letzten Jahr hatte sie fast einen Monat lang fasten müssen und war zweimal während der Morgenversammlung in Ohnmacht gefallen und nach Hause geschickt worden.
Ma öffnete das Gitter und küsste mich auf die Wange. »Wie war es in der Schule?«
»Okay.«
»Was habt ihr durchgenommen?«
»Nichts.« Ich ging in mein Zimmer und streifte mir die Tasche von den Schultern, bevor ich wieder in die Küche ging, wo Ma saß.
Ma verdrehte die Augen. »Ich bin froh, dass ich dich auf eine gute Schule schicke, um nichts durchzunehmen und dann nach Hause zu gehen«, sagte sie sarkastisch. Ich musste kichern. Normalerweise hätte ich nicht gewusst, ob Ma einen Witz machte oder nicht, aber das Essen und der Kuss zeugten von guter Laune. Das hieß, dass sie nicht böse war wegen dem, was ich gestern über Nani-ji gesagt hatte. Ich hoffte, dass sie die Sache mit Nani-ji ganz vergessen würde.
»Deine Haare sind eine Schande, Pin«, sagte Ma. Sie fuhr mir mit einer nassen Hand über die Locken, strich sie damit aber nur für ein paar Sekunden glatt.
»Ich muss zum Friseur.«
»Ich bin sicher, wir finden einen Weg, sie nach hinten zu binden, damit du nicht dauernd zum Friseur musst.«
»Warum?«
Ma zuckte mit den Schultern. »Ach, egal. Ich geh nächste Woche mit dir zum Friseur, wenn du möchtest. Ich dachte nur, du würdest zur Abwechslung vielleicht gerne mal was Neues ausprobieren.«
»Nein«, sagte ich.
Ich nahm einen Teller aus dem Regal und schaufelte die Nudeln darauf. Ma hatte die Sojasoße mit dem gehackten roten Chili schon in eine kleine Schüssel gegossen. »Vergiss nicht, dein Obst zu essen«, sagte sie und schob mir die Honigmelonenwürfel hin. Sie sah mir eine Zeitlang beim Essen zu.
»Schmeckt’s?«
»Mmmm«, sagte ich. Die Nudeln waren klebrig und Ma hatte sie mit Röstzwiebeln bestreut. Da war ein Hauch Knoblauch, aber nicht zu stark, was bedeutete, dass Ma auf der Hut war. Sie stellte mir die üblichen Fragen nach der Schule – was habt ihr in Mathe durchgenommen? In Naturkunde? Englisch?
»Was hast du denn heute gemacht?«, fragte ich. Ich musste mit solchen Fragen vorsichtig sein. Hin und wieder fasste sie es als Beleidigung auf, wenn ich fragte, was sie gemacht hatte. »Was hab ich nicht gemacht?«, fauchte sie dann und zeigte auf die Schüsseln und Teller und den blitzsauberen Herd. Aber ich war inzwischen geübter darin, von ihren Mahlzeiten ihre Stimmung abzulesen. Sie war nie sauer, wenn sie chinesische Gerichte kochte, weil die zu leicht waren. Weißer Reis und blassgelbe Nudeln wurden oft als stillschweigendes Friedensangebot eingesetzt. Malaiische Gerichte verbreiteten Wärme, geeignet für ein frühes Abendessen. Die indischen Gerichte mit ihren feurigen Rottönen und ihren intensiven Gewürzen waren es, die eine Warnung aussprachen. Sie sorgten dafür, dass ich den Atem anhielt und es mir genau überlegte, bevor ich etwas sagte.
»Ich habe die Wohnung geputzt, ich habe gewaschen und ich habe Nani-ji besucht.«
»Wie geht es ihr?«, fragte ich, weil ich wusste, dass das höflich war.
»Es geht ihr … es geht ihr einigermaßen«, sagte Ma. Sie schaute auf ihre Hände hinunter und fing an, den Tisch abzuräumen.
Als ich mich umdrehte, um ihr in die Küche zu folgen, erregte etwas im Wohnzimmer meine Aufmerksamkeit. Ich fuhr herum und sah ein Porträt an der Wohnzimmerwand. Gottes Porträt. Er hatte sich nicht verändert – alt, mit traurigen Augen und einem langen, schneeweißen Bart, der von Seinem Kinn herabhing wie ein Vorhang. Er hatte eine Hand erhoben; die Linien auf Seiner Handfläche wurden von einer einzelnen Perlenschnur verdeckt. Seine Augen folgten mir, als ich auf Ihn zuging. Ich sprang schnell zur Seite, und Seine Augen waren noch immer auf mich gerichtet. Wir begannen ein stummes Wettstarren.
»Ma …«, rief ich.
Ma kam aus der Küche. »Das habe ich heute Nachmittag beim Putzen in der Abstellkammer gefunden. Da liegt so viel Müll herum, Pin. Wir können dein altes Fahrrad doch wegwerfen, oder? Und ich sag dir, da drinnen liegen stapelweise Zeitungen und alte Telefonbücher! Erinnere mich, wenn du das nächste Mal den Karung-Guni-Mann kommen hörst. Wir werden unseren ganzen alten Kram los und kriegen noch Geld dafür.«
»Warum hast du das aufgehängt?«, fragte ich, während Gott und ich einander immer noch anstarrten.
Sie zog den Bauch ein wenig ein und stemmte eine Hand in die Hüfte.
»Warum nicht?«, fragte sie herausfordernd.
»Ach, nur so«, murmelte ich und zwängte mich an ihr vorbei in die Küche. Ich kratzte die paar Bohnensprossen- und Zwiebelreste in den Müllschacht und spülte meinen Teller ab. Ma schien vergessen zu haben, dass sie Gott aus gutem Grund in die Abstellkammer verbannt hatte.
Irgendwer klopfte laut an unsere Tür und rüttelte dann so energisch am Gitter, dass es ratterte. Ich eilte hin und sah meinen Freund Roadside auf dem Gang stehen mit einem Fußball unter dem Arm.
»Hallo, Pin! Kannst du zum Spielen rauskommen?«, fragte er.
»Warte kurz«, sagte ich und rief nach Ma, um sie um Erlaubnis zu bitten.
»Erst waschen«, sagte Ma.
Ich stöhnte. Roadside grinste. »Okay, wir sehen uns unten.« Er war verschwunden, ehe Ma zum Gitter kommen und ihm guten Tag sagen konnte.
»Warum muss ich mich waschen, wo ich doch eh wieder dreckig werde?«, fragte ich Ma.
»Weil es meine Regel ist.«
»Aber ich werde Fußball spielen.«
»Keine Diskussion, Pin«, sagte Ma. »Weißt du, was meine Mutter immer gesagt hat, wenn ich mit den Jungs die Straße hinunterrennen wollte? Billig, hat sie mich genannt. Billig und dreckig.«
Ich hatte immer gewusst, dass es ein Privileg war, mit Roadside spielen zu dürfen. Vor einem Jahr hatten er und ich unseren eigenen Detektivclub gegründet. Wir hatten damals sehr viel zu tun; in unserem Wohnblock gab es viele Rätsel zu lösen. Es gab das Lift-Knopf-Drücker-Rätsel, das Roadside und ich zu lösen versucht hatten, indem wir die verschiedenen Stockwerke beobachteten und uns notierten, wer wann den Fahrstuhl betrat, um herauszufinden, wer auf alle Fahrstuhlknöpfe gleichzeitig drückte und damit den Fahrstuhl in jedem Stock anhalten ließ. Dann gab es mehrere Schuhdiebstähle, die wir uns vorgenommen hatten aufzuklären, aber dann hängte der Stadtrat Plakate auf, um die Leute zu ermahnen, ihre Schuhe drinnen zu lagern, und die Diebstähle hörten von selbst auf. Bei unserem letzten Fall war es um Vandalismus gegangen: Wir hatten rauskriegen wollen, wer mit roter Farbe »O$P$« auf die Wohnungstür eines älteren Mannes im dritten Stock gesprayt hatte. Wir hatten aufgehört, an diesem Fall zu arbeiten, nachdem Roadsides Vater uns erklärt hatte, dass der Mann ein paar Kredithaien Geld schuldete und wir lieber draußen spielen sollten, statt unserer Phantasie auf den Gängen in unserem Block freien Lauf zu lassen. Jetzt spielte Roadside Fußball mit den anderen Jungs, und ich hängte mich dran. Manchmal sprach Ma immer noch davon, wie liberal sie doch sei, weil sie mich draußen, wo alle es sehen konnten, mit Jungen spielen ließ.
Mein Handtuch hing draußen über der Bambusstange. Ich musste mich aus dem Küchenfenster lehnen, um es abzuziehen. Es fühlte sich warm an, weil es ein heißer Tag gewesen war. Es ging ein leichter Nachmittagswind, genug, um die Kleider an allen Bambusstangen an unserem Block tanzen zu lassen wie zu Musik. Der abgehackte Rhythmus ließ sie lebendig wirken. Ich stellte mir vor, wie Gott auf unseren Block hauchte, und warf noch einen Blick auf Ihn an der Wand. Er saß still in Seinem Rahmen, seine Augen musterten die Wohnung.
Die Jungs hatten schon angefangen, als ich dazukam, also setzte ich mich am Rand des Basketballplatzes ins Gras und sah ihnen zu. Ihre T-Shirts lagen achtlos auf einem Haufen und sonderten einen leichten Schweißgeruch ab. Es waren ein paar Jungen dabei, deren Namen ich nicht kannte, weil sie nur ab und zu mitspielten; aber die Üblichen waren Roadside, Malik, Samuel, Deven, wie Hao und Kaypoh. Ich sollte den Spielstand im Auge behalten, aber ich träumte vor mich hin, wenn das Spiel sich verlangsamte. Ich war außerdem für die Zeit zuständig. Ich sah auf eine der Uhren, die auf dem Boden lagen. Wir hatten zwanzig Minuten, dann würden die älteren Jungs kommen und den Basketballplatz für sich beanspruchen.
Früher hatte es in Singapur mehr Platz gegeben, das hatten mir meine Eltern oft erzählt. Damals hatten die Menschen nicht übereinander gestapelt oder aufgereiht in Gängen leben müssen. Es hatte dichte Wälder und breite Straßen gegeben. Daddy vermisste diese Zeit, Ma nicht. »Das ist alles so lange her«, erklärte sie. »Was spielt es für eine Rolle? Seht euch doch an, was wir jetzt haben.« Sie machte eine ausladende Geste, so wussten wir, dass sie die sicheren, gut beleuchteten Straßen, die robusten Betongebäude und die Bäume meinte, die die Bürgersteige wie Dächer beschirmten.
Die Jungen hatten rote Gesichter und schwitzten, unter der gebräunten Haut zeichneten sich ihre Rippen ab, helle Haut, asphaltfarbene Haut. Sie rannten und lachten und stolperten und schubsten. Wenn ich ihnen so zusah, beneidete ich sie um ihre schnellen Haken. Manchmal kam Maliks Schwester und setzte sich zu mir ins Gras. Sie bestand noch beharrlicher darauf mitzuspielen und bekam manchmal Wutanfälle, aber Malik wollte sie nicht mitmachen lassen. »Du und das Mädchen setzt euch einfach ins Gras und passt auf die Sachen auf«, wies er sie an. Alle Jungen außer Roadside nannten mich »das Mädchen«. Ich mochte das nicht, und Roadside wusste das, aber er wies seine Freunde nie zurecht.
Dann tauchten die älteren Jungs auf mit dem vertrauten herben Geruch nach Zigaretten. »Okay, raus hier«, sagte einer von ihnen lachend und schnippte mit den Fingern. Roadside klemmte sich den Fußball unter den Arm und führte uns zu den Wohnblocks. »Mädchen, wird unter deinem Block gespielt?«, fragte Malik.
»Glaub nicht«, erwiderte ich.
»Wir gehen zu ihrem Block, lah«, sagte Malik zu den anderen.
Die Jungen spielten unter unserem Block weiter, nachdem sie nachgesehen hatten, ob da schon jemand spielte. Die offenen Untergeschosse unter den Blocks in unserem Viertel waren alle gleich: An jedem Ende gab es Mahjong-Tische aus Beton und kleine Läden, und in der Mitte war genug Platz zum Fußballspielen, auch wenn die paar Pfeiler, die das Gebäude trugen, manchmal im Weg waren. An den Wänden uns gegenüber hingen Schilder, auf denen stand »Fußballspielen verboten«, aber die Wände waren übersät mit staubigen Kreisen, wo Fußbälle sie getroffen hatten.
Nach einem kurzen Streit über den Spielstand machten die Jungen da weiter, wo sie aufgehört hatten. Sie jagten durch das Labyrinth aus Säulen und ihr Geschrei hallte durch den Raum. Mir wurde langweilig, während ich darauf wartete, dass irgendwer sich verletzte oder müde würde, damit ich seinen Platz einnehmen könnte. Ich ging rüber zu einem Mahjong-Tisch und setzte mich auf seine kühle Betonplatte. Die Mahjong-Felder waren aufgemalt und die alten chinesischen Damen aus dem Block brauchten bloß ihre Spielsteine mitzubringen. Ich hatte sie schon oft gesehen, in ihren silbrigen Pyjamas, mit ihren sorgfältig frisierten Haaren und den Jadeohrringen, die ihre Ohrläppchen dehnten wie Teig. Sie spielten flink, versetzten unter lautem Geplauder Spielsteine. Eine von ihnen hatte immer eine Zigarette im Mund, und wenn ich vorüberging, machte sie mir auf Malaiisch Komplimente. »Cantik!«, rief sie gerne. Ich musste immer lächeln und starrte auf meine Füße, dann lachte sie und sagte: »Nicht so schüchtern, lah, mein hübsches Mädchen!«
Der Ball prallte mit einem lauten Knall gegen die Wand. »Verdammte Scheiße!«, rief ein Junge. Die anderen brachen in Gelächter aus. Ich fuhr mit dem Finger über die Tischplatte. Sie war rau und übersät mit Brandflecken. Die älteren Jungen, die unter mir wohnten, rauchten, und dann versuchten sie, den Geruch mit Minzbonbons zu übertünchen, ehe sie zu ihren Müttern nach Hause gingen. Einmal hatte Devens Mutter ihn erwischt, als er für einen anderen Jungen eine Zigarette gehalten hatte, während der ihm eine Bananenflanke vorführte, und er durfte einen ganzen Monat lang nicht nach unten kommen und mit uns spielen.
Die Jungen rempelten sich an, stolperten sich gegenseitig über die Füße und fluchten laut in allen Sprachen. Sie warfen sich gegenseitig Schimpfwörter an den Kopf, dann lachten sie wieder und klopften sich gegenseitig fröhlich auf die Schultern. Malik zog einen chinesischen Jungen auf, weil der so bleich sei, dass er ihn vor den weißen Wänden gar nicht sehen könne. Der Junge konterte, dass die Wände unter meinem Block alle so dreckig seien, damit sie besser zu Maliks dunkler Haut passten. Es folgte eine kurze Pause, Spannung lag in der Luft, bevor Malik losprustete und dem chinesischen Jungen einen Klaps auf die Wange gab. Sie spielten weiter.
Der Wortwechsel erinnerte mich daran, wie sich Bus-Onkels Lippen verzogen hatten, als er dieses Wort ausgesprochen hatte. Mungalee. Es war ein gemeines und hässliches Wort für Inder, und ich kannte es nur, weil Daddy mir einmal erzählt hatte, dass er als junger Mann wegen seiner dunklen Haut so genannt worden war. Er war für einen Südinder gehalten worden, weil viele seiner Freunde welche waren, und wenn sie zusammen die Straße entlanggingen, riefen ihre Klassenkameraden: »Mungalee lai liao! Mungalee lai liao!« Die Inder kommen! Die Inder kommen!
Ich fragte Daddy, was er getan hatte, wenn die Leute so gemeine Dinge sagten, und er sagte, es gebe eigentlich nichts, was er da hätte tun können. Er sagte, es sei immer besser, solche dummen Menschen sich selbst zum Narren machen zu lassen. Aber es machte mich schon wütend, nur davon zu hören, und ich wollte in Daddys Kindheit zurückkehren und diesen Leuten ihre Beleidigungen an den Kopf zurückschleudern.
»Du hast Glück, Pin«, sagte Daddy. »Die Menschen in diesem Land haben gelernt, einander zu tolerieren. Sogar unsere Lehrer haben uns Blackie und Darkie und alles Mögliche andere genannt. Das könnten sie sich heute nicht mehr leisten.« Bus-Onkel war alt, deshalb wusste er vielleicht nicht, dass Singapur sich verändert hatte. Mir machte es aber trotzdem zu schaffen, und es rief mir noch etwas anderes in Erinnerung, das im letzten Jahr im Schulbus passiert war.
Ehe irgendwer auf die Idee gekommen war, Spielkarten, Mikado und Klebeballons in den Bus mitzubringen, vertrieben wir uns die Zeit auf dem Heimweg mit dem Fragespiel. Das war ziemlich einfach. Wir bildeten Gruppen je nach Herkunft und stellten uns dann gegenseitig Fragen in unserer jeweiligen Sprache. Darauf musste die Person, die mit Antworten dran war, dann »ja« oder »nein« sagen, ohne zu verstehen, was die Frage wirklich bedeutete. Manchmal antwortete eine mit »ja« auf eine Frage wie »Bist du das klügste Mädchen der Schule?« oder »Kriegst du mal einen reichen Ehemann?« Dafür gab es dann Punkte. Manchmal antwortete eine auf eine gute Frage mit nein und bekam dann keinen Punkt. Oder manchmal gab ein Mädchen, ohne es zu wissen, zu, dass sie zehn hässliche Freunde hatte oder in Bus-Onkel verliebt war. Die Chinesinnen fragten die Malaiinnen (zu denen ich mich meistens gesellte), die Malaiinnen fragten die Chinesinnen und die Tamilinnen fragten uns alle. Ihre Sprache war die Faszinierendste – schnell und rau, wie Kieselsteine, die in einer Blechbüchse herumkullern.
Margaret Lee, die von allen Maggie Mee genannt wurde, wie die Nudeln, fragte auf Französisch, weil sie als kleines Kind eine zweisprachige Schule in Kanada besucht hatte. Ich mochte Maggie Mee gern, sie wusste, was eine Punjabi war, und fragte mich einmal, ob sie mal zu mir nach Hause kommen könne, um richtiges Punjabi-Essen zu essen. Ihre beste Freundin in Toronto war eine Punjabi gewesen. Sie sagte den anderen Mädchen, sie seien dumm und ignorant, wenn die mich fragten, warum ich kein Tamil verstand. »Alle Inder sind gleich oder was?«, fragte sie kopfschüttelnd. Wie bei Farizah konnte ich mich immer darauf verlassen, dass sie mich verteidigen würde, obwohl ich mir manchmal wünschte, ich könnte mich selbst ein bisschen besser wehren.
Im Bus war auch ein Mädchen namens Gayathiri Vengadasalam, die niemand wirklich leiden konnte. Sie war laut, sie zwickte die Leute, wenn sie Aufmerksamkeit wollte, und sie konnte nicht richtig Englisch. Sie war eine Stipendiatin, die aussah und redete wie eine Stipendiatin und damit uns alle blamierte, die es sich nicht hätten leisten können, auf die First Christian zu gehen ohne unseren monatlichen Zuschuss von der Schule. Ihr alter Trägerrock war ausgebleicht und fleckig wie Jeansstoff, ihre Bluse hatte einen Gelbstich, und sie trug ihr Schulabzeichen zu hoch, so dass es an ihrer Schulter glänzte, statt über ihrem Herzen, wo die Spange angebracht werden sollte. Sie hatte außerdem sehr dunkle Haut.
Es war Abigail Goh, die sie fragte, ob sie mitspielen wolle. »Möchtest du beim Fragespiel mitmachen?«, fragte sie mit einem breiten Lächeln. Gayathiri nickte. Abigail ließ sich zu ihren Freundinnen auf den Sitz fallen und sie fingen an zu tuscheln und zu kichern.
»Okay. Wir sind so weit. Bis du so weit, Ga-ya-thi-ri?«, fragte Abigail. Sie dehnte die Silben unsicher, als handle es sich um die Bezeichnung einer neuentdeckten Spezies.
»Klar, bin so weit«, sagte Gayathiri.
Abigail stellte die Frage. Niemand lachte, alle schienen den Atem anzuhalten. Ich verstand nur ein Wort der Frage, weil ich im Kindergarten alle Kinderreime auf Englisch und Chinesisch hatte lernen müssen. Ich hatte das Wort schon einmal in »Baa Baa Black Sheep« gehört. Zuerst dachte ich, sie fragten sie vielleicht wegen ihrer Locken, ob sie ein Schaf sei. Aber dann wiederholte Abigail ihre Frage. »Bist du schwarz?«, fragte sie.
Maggie stürzte zu Abigail hinüber und hielt ihr Kinn ganz dicht an ihres. »Meine Mutter sagt, Leute wie du sind eine Schande«, sagte sie vorwurfsvoll.
Abigail rührte sich nicht. Sie warf Maggie einen eiskalten Blick zu und sagte: »Dann geh doch zurück nach Kanada, Maggie Mee.« Ein paar Mädchen fingen an zu kichern, tauschten dabei aber unsichere Blicke.
Gayathiri hatte nichts verstanden. Ich wollte sie warnen, aber ich war starr vor Scham. Wenn ich etwas sagte, würden die anderen mich dann auch schwarz nennen? Gayathiri sah zu den beiden Mädchen hinüber, die sich immer noch gegenseitig anstarrten, dann sagte sie: »Ich wähle Ja! Nein … nein … ja! Okay, ja.« Das Herz rutschte mir in die Hose. Einige Mädchen starrten hinunter auf ihre Knie, während andere sich von Maggie und Abigail zurückzogen und mit eigenen leisen Händeklatsch-Spielen anfingen. Die Malaiinnen und Tamilinnen schauten verwirrt; sie fragten ihre chinesischen Freundinnen, was Abigail gefragt hatte, aber keine wollte es ihnen sagen, weil Gayathiri mit ihrer Antwort immer noch nicht fertig war. »Ja, ja!«, sagte sie aufgeregt.
Ich hasste sie in diesem Moment. Ich wollte sie auf ihren Sitz zurückstoßen und ihr sagen, sie solle den Mund halten, weil sie alles nur noch schlimmer machte. Aber sie wiederholte ihre blöde Antwort nur wieder und immer wieder, mit einem Grinsen im Gesicht, als ob sie einen Preis gewonnen hätte.
Ein lauter Schrei riss mich aus meinen Erinnerungen. Zwei von den Jungen, die ich nicht kannte, wälzten sich auf dem Betonboden, ihre Beine ineinander verschlungen wie Brezeln. Die anderen Jungen rannten zu ihnen hinüber, zuerst lachend, aber ihre Mienen änderten sich schnell, als ihnen aufging, dass einer der beiden nicht aufstehen konnte.
»Oh, Scheiße«, sagte Roadside und bückte sich, um seinem Freund zu helfen. Ich ging hinüber und sah von Weitem zu. Ich wollte nicht, dass sich jemand verletzte, aber wenn er nicht mehr konnte, würde ich Fußball spielen dürfen.
Der Junge jammerte. Er versuchte aufzustehen und brach wieder zusammen. Tränen glitzerten in seinen Augen, aber er wandte sich ab, als er mich bemerkte. »Was glotzte so?«, murmelte er und ich drehte mich schnell weg. Die Jungs zierten sich, ihn zu seinem Block zurückbringen, weil sie wussten, dass wer immer ihn heimbrächte, von seiner Mutter zusammengestaucht würde. Eine Weile waren sie damit beschäftigt, sich gegenseitig zu schicken, dann beschlossen sie, die Frage über drei Runden Stein-Schere-Papier zu klären. Malik verlor und forderte den Jungen zähneknirschend auf, ihm den Arm um die Schultern zu legen, dann schleppte er ihn davon. Ich lungerte herum, während sie überlegten, was sie ohne den Jungen machen sollten. Endlich drehte Roadside sich zu mir um. »Du gehst ins Tor, Pin. Du kannst doch fangen, oder?«
»Klar«, sagte ich und versuchte, lässig zu klingen, aber ich war total aufgeregt.
»Okay. Wei Hao, du übernimmst Azmis Position.«
Wei Hao zeigte auf einen Torpfosten. Ich rannte rüber und vergaß meine Gelassenheit. Ich wollte, dass Daddy genau jetzt von seiner Schicht zurückkam und sah, wie ich hier unten die Situation rettete.
»Hey, Torwart. Biste soweit?«, rief Wei Hao.
»Ja!«, rief ich und schwenkte die Arme. Wei Haos Miene veränderte sich, und er drehte sich zu Roadside um, um etwas zu erklären. Dann sagte Kaypoh etwas und alle drehten sich zu mir um.
»Was?«, fragte ich.
»Du musst deinen Armreif abnehmen«, sagte Roadside.
Ich berührte die Kara an meinem Handgelenk. Meistens vergaß ich, dass sie da war, weil ich sie schon trug, seit ich ein Baby war. »Das kann ich nicht!«, rief ich.
»Warum nicht?«
»Sie ist zu klein«, sagte ich. »Und es ist wegen der Religion.« Das war etwas, das ich auch den Präfektinnen in der Schule hatte erklären müssen, die mich ständig verwarnten und mir Punkte abziehen wollten, weil ich Schmuck trug.
»Was für eine Religion?«, gab Kaypoh zurück, aber ich beachtete ihn nicht.
»Wenn du das trägst, kannst du jemanden verletzen«, sagte Roadside. »Wir nehmen alle unsere Uhren ab und legen unsere Schlüssel weg. Nimm den Armreif ab, oder du kannst nicht mitspielen.«
»Aber das kann ich nicht!«, beteuerte ich und bewies es ihnen, indem ich versuchte, den Armreif runterzuziehen. Er kam nicht an dem Knochen vorbei, wo mein Handgelenk sich zur Hand verbreiterte.
»Probier’s mal mit Seife«, schlug einer der Jungen vor. Er hatte verblichene Grasflecken auf seinen weißen Shorts und Schmutzstreifen an den Beinen.
»Du solltest es mal mit Seife probieren«, murmelte ich.
»Tut mir leid, Pin«, flüsterte Roadside, als ich auf dem Rückweg zum Mahjong-Tisch an ihm vorbeikam. Wieder versuchte ich, mir den Armreif vom Handgelenk zu schieben. Diesmal kam ich ein bisschen weiter, aber dabei hinterließ er lange, rote Kratzer, die Ma bestimmt bemerken würde. Vielleicht könnte ich sie überreden, mir im Tempel eine neue Kara zu kaufen, eine, die ich leicht abstreifen könnte, wenn Ma nicht hinschaute. Sie bestand darauf, dass ich die Kara immer trug. »Es ist schlimm genug, dass du christliche Lieder singst«, sagte sie missbilligend. »Und es ist ja nicht so, dass wir dauernd in den Tempel rennen oder uns die Haare wachsen lassen oder die ganze Zeit nur Punjabi-Essen essen. Es ist das Mindeste, das du tun kannst, um Gott ein bisschen Respekt zu erweisen.«
Rote und orange Streifen erschienen am Himmel, als die Spätnachmittagssonne zwischen den Bäumen hindurchsank. Die Jungen spielten um das letzte Tor und ihre Schreie wurden immer lauter, während sich der Himmel langsam verdunkelte. Ich war so auf ihr Spiel fixiert, dass ich die beiden Frauen, die durch das Untergeschoss gingen, nicht bemerkte, bis Roadside brüllte: »Halt! Doppelter Tantchen-Alarm!« Der Ball verfehlte sie und rollte in einen nahe gelegenen Abfluss.
Ich erkannte die erste Frau an ihrem Umfang. Es war Fettes Tantchen. Sie schnaufte und keuchte, weil sie eine Reisetasche schleppte, die sie noch schwerer machte. Ihr blassblaues Salwar-Kamiz ließ ihren Schmerbauch und ihre Baumstammoberschenkel noch wuchtiger aussehen. Während sie sich weiter abmühte, drehte sich einer der Jungen um und nickte in ihre Richtung. Kennst du die?, schien er zu fragen. Ich warf ihm einen finsteren Blick zu – gerunzelte Augenbrauen, zusammengekniffene Augen –, der erklärte: Nein!
Die Frau hinter ihr war in weiß gehüllt. Zuerst glaubte ich, sie an ihrer Aufmachung zu erkennen, aber sie war dünner als meine Großmutter und bewegte sich langsamer. Sie schaute beim Gehen auf den Boden, als ob sie sich vor jedem Schritt fürchtete. Ihre Schuhe machten ein schabendes Geräusch, als sie über den Betonboden schlurfte. Die Jungen wichen an die Wand zurück und ihre Blicke wanderten zwischen Fettes Tantchen und der alten Frau hin und her. Fettes Tantchen verschwand im Fahrstuhlraum. Die Frau öffnete den Mund und rief, sie solle warten, und es war ihre kratzige Stimme, an der ich sie erkannte. Es war Nani-ji. Ich hatte sie noch nie sich so langsam bewegen sehen. Tatsächlich sah sie normalerweise aus, als würde sie vor irgendetwas weglaufen, wenn sie ging – mit umherjagenden Augen, während sie die Umgebung unter die Lupe nahm, und Beinen, die den Hüften davonliefen. Ich sprang vom Tisch und rannte die Treppen hoch, um vor ihnen in unserer Wohnung zu sein.
»Ma! Nani-ji kommt!«, rief ich atemlos durch das Gitter. Dann fuhr ich zurück. Etwas in unserer Wohnung war anders, und es war nicht nur, dass Gott von der Wand herunterstarrte. Ein Geruch nach Rauch und verbranntem Teig drang durch die Tür. Panisch rüttelte ich am Vorhängeschloss, weil ich dachte, in unserer Wohnung hätte es gebrannt. Aber Ma war ganz ruhig. Sie schien auf das Gitter zuzuschweben.
»Ich weiß, Pin«, sagte sie. »Ist sie schon da?«
»Nein, ich hab sie unten gesehen, mit Fettes Tantchen. Warum ist Fettes Tantchen hier?«
»Sie musste Nani-ji helfen, ihre Sachen zu tragen.«
Ihre Sachen. Die Reisetasche. Und die beiden großen Einkaufstaschen, die an Nani-jis kraftlosen Armen gebaumelt hatten. Sie zog jetzt bei uns ein, und sie würde eine Weile bleiben. Wenn Nani-ji bei uns lebte, bedeutete das, dass zwei Sorten von Essen gekocht werden mussten. Der Rauchgeruch kam vom Roti. Ich lugte in die Küche und sah, dass die tiefen Woks und die Bratpfannen durch eine einzelne Eisenplatte zum Erhitzen des flachen Teigs ersetzt worden waren.
»Wie lange wird sie hierbleiben?«, verlangte ich zu wissen, als ich die Wohnung betrat.
»Pin, du bist völlig verschwitzt. Geh duschen«, erwiderte Ma. Ich wiederholte meine Frage, lief dabei aber in mein Zimmer, weil Ma glauben sollte, dass ich ihr gehorchte. Als ich zum Schrank ging, um saubere Shorts und ein T-Shirt herauszunehmen, bemerkte ich, dass mein Zimmer jetzt anders aussah als bevor ich nach unten gegangen war. Mein Bett war frisch bezogen, und daneben lag eine dünne Matratze auf dem Boden. Meine Schultasche, die ich meistens aufs Bett warf, wenn ich nach Hause kam, war ordentlich in die Ecke gestellt worden. Die über meinen Schreibtisch verstreuten Schulbücher und Hefte waren ordentlich gestapelt. Ma kam hinter mir ins Zimmer. »Also, wo sollte deine Großmutter denn sonst schlafen?«, fragte sie, als ob wir schon angefangen hätten, uns zu streiten. Ich konnte mir eine ganze Menge andere Orte vorstellen als mein Zimmer – das Wohnzimmer, den Toilettenboden, den Gang draußen.
»Wie lang wird sie hierbleiben?«, fragte ich. Ma ignorierte mich. Ich machte den Mund auf, um noch einmal zu fragen, lauter diesmal, aber nun rüttelte schon wieder jemand am Vorhängeschloss. »Komme schon!«, rief Ma, dann drehte sie sich zu mir um.
»Pin, deine Großmutter ist sehr krank. Jemand muss sich um sie kümmern. Das tun wir für Menschen, die wir lieben. Wenn ich Nani-ji nicht hier aufnehmen würde, was wäre ich dann für eine Tochter? Ich gehe ja wohl davon aus, dass du deine Türen auch für mich öffnen wirst, wenn ich alt werde.«
»Warum kann sie nicht bei Fettes Tantchen wohnen?«
»Du weißt, dass deine Tante arbeitet, und sie hat zwei Jungs. Und ich will Nani-ji hier haben.« Ich dachte an das Gespräch in der vergangenen Nacht, wie Ma und Daddy über Nani-jis Gründe, herzuziehen, diskutiert hatten.
Ma ging aus dem Zimmer und lief, um Nani-ji und Fettes Tantchen zu begrüßen. Ich blieb in meinem Zimmer und setzte mich auf die Kante meines Bettes, weil es mir nicht mehr zu gehören schien. Ich wusste, ich würde auf dem Boden schlafen müssen, weil Nani-ji einen schlimmen Rücken hatte. Ich war wütend auf Ma, weil sie zugestimmt hatte, dass Nani-ji schon so bald einzog. Ich hatte gedacht, ich hätte mindestens noch eine Woche. In der Zeit hätte ich versuchen können, mich bei Gott einzuschmeicheln. Ich hätte ein paar gute Taten verrichten können, wie nach der Schule freiwillig den Boden zu fegen und mich nicht über Bus-Onkel lustig zu machen. Gott hätte dann sicher gesehen, dass ich mir Mühe gab, und Nani-ji eine bessere Gesundheit gewährt, damit sie nicht bei uns wohnen müsste.
Ich fragte mich, ob Daddy gewusst hatte, dass Nani-ji schon so bald kommen würde. Wahrscheinlich nicht, sonst hätte er es mir gesagt. Aber andererseits wusste ich, dass er so manches für sich behielt. Er sagte, ich sei zu jung dafür oder dass Ma mir davon erzählen müsse, wenn sie soweit sei. Daddy sprach gerne über seine Kindheit, als sei es erst gestern gewesen, dass er über Zäune geklettert und mit seinen Kumpels zu den Flüssen am Rand der Insel ausgebüxt war. Aber Mas Geschichten wurden sorgsam gehütet.
Der Rauchgeruch, drückend und dumpf, trieb durch die Wohnung. Er verschluckte das Licht, den kräftigen Duft nach Sesamöl, der meistens blieb, wenn Ma Chinesisch gekocht hatte, oder den leicht säuerlichen Geruch nach würzigen malaiischen Gerichten. Ich zog meine Zimmertür zu, aber den Rauchgeruch konnte ich nicht aussperren. Ich hörte, wie zweimal an der Tür geklingelt wurde, und sah den Schatten von Mas Füßen an der Tür vorüberhuschen. Unsere Wohnung würde jetzt eng werden. Nani-ji mit ihrer krächzigen Stimme und ihren nach Mottenkugeln riechenden Kleidern und ihrem ewigen Gemecker über alles und jeden würde zu viel Platz einnehmen. Gleich würde ich Nani-ji gegenübertreten müssen, und ich flehte Gott an, diesen Moment so lange wie möglich hinauszuschieben. Es war das erste echte Gebet, das ich jemals gesprochen hatte.