Die Rechtslage:
Legalisierung, Tolerierung
und »das elfte Gebot«
Eine große Zahl von Cannabiskonsumenten vermag kaum zu verstehen, dass sie durch den Umgang mit Haschisch und Marihuana mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Zum einen liegt das an einer schlichten Informationslücke, zum anderen daran, dass sie keinerlei Unrechtsbewusstsein empfinden. Letzteres hat wiederum zwei Gründe: Zum Ersten sehen sie Cannabis kaum als Droge an, zum Zweiten fällt es nicht nur jungen Menschen schwer, ein Unrechtsbewusstsein für vergleichsweise harmlose Angelegenheiten zu entwickeln, wenn sie nahezu tagtäglich miterleben, wie in den höheren Etagen von Politik und Wirtschaft geschoben und »gedealt« wird und wie weit der Einfluss des »organisierten Verbrechens« reicht.
Zusätzlich sind »recht haben« und »recht bekommen« in unserer Gesellschaft zwei paar Schuhe. In jedem Fall muss die gültige Rechtslage im Zusammenhang mit Cannabis von vielen jungen Menschen erst einmal gegen erhebliche innere Widerstände akzeptiert werden.
Mit Strafe bewehrt sind nach dem Betäubungsmittelrecht der private Anbau von Drogenhanf, der Besitz von Cannabis, der Erwerb, die Abgabe und der Handel sowie die Ein- und Ausfuhr von Cannabisprodukten. Erhält die Polizei einen Hinweis auf Vorgänge rund um den Anbau, den Handel und den Konsum von Cannabis, muss sie von Rechts wegen ermitteln und ihre gewonnenen Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Seit dem sogenannten »Cannabisbeschluss« des Bundesverfassungsgerichts von 1994 ist es jedoch gängige Rechtspraxis, dass die Staatsanwaltschaften bei der Sicherstellung von »geringen Mengen« Cannabis, die ausschließlich zum persönlichen Eigenverbrauch eines Konsumenten bestimmt sind, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Strafverfolgung absehen sollen. Voraussetzung ist allerdings, dass keine weiteren Personen gefährdet werden.
Trotz der Tolerierung von »geringen Mengen« gilt: Wer sich mit Haschisch oder Marihuana erwischen lässt, wird in jedem Falle aktenkundig. Die Polizei nimmt seine persönlichen Daten auf und muss ein Ermittlungsverfahren einleiten. Erst die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren bei geringen Mengen zum Eigenverbrauch wegen Geringfügigkeit ein. Nicht eingestellt wird das Verfahren allerdings, wenn von einer Fremdgefährdung Minderjähriger ausgegangen wird oder wenn im bekifften Zustand Auto gefahren wird. Eine Fremdgefährdung wird regelmäßig dann angenommen, wenn beispielsweise in Schulen oder bei Klassenfahrten, in Einrichtungen der Jugendarbeit sowie auf Kinderspielplätzen Cannabis konsumiert wird. Diese Klausel wird von jugendlichen Cannabiskonsumenten nur allzu leichtfertig übersehen. Im Übrigen gilt die Kleinmengenregelung nur für den Gelegenheitskonsum. Würde jemand wiederholt mit geringen Mengen Haschisch oder Marihuana auffällig werden, müsste er als Gewohnheitskiffer mit einem Strafverfahren rechnen. Der Handel mit Cannabis steht in jedem Fall unter Strafe. Für das Dealen gilt die Kleinstmengenregelung grundsätzlich nicht.
Kompetente Cannabisgebraucher suchen sich vor jedweder Strafverfolgung dadurch zu schützen, dass sie sorgfältig »das elfte Gebot« beachten, welches da lautet: »Du sollst dich nicht erwischen lassen.« Grundsätzlich liegt es in der Eigenverantwortung eines jeden Haschisch- und Marihuanakonsumenten, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, nicht aktenkundig zu werden. Das ist niemals von Vorteil. Zum völlig unerwarteten Nachteil kann es gereichen, sobald Cannabiskonsumenten ihren Führerschein beantragen. In allen Fällen von Umgang mit Cannabis, in denen es nicht zur Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit kommt, geht das Delikt seinen rechtlichen Gang. Wer als Cannabiskonsument in heikle Situationen gerät, sollte ohne gründliche Rechtskenntnisse keine Angaben zur Sache machen, sondern den Rat eines fachkompetenten Rechtsbeistandes in Anspruch nehmen. Im Übrigen gilt für einen eventuellen Kontakt mit der Polizei, dass Polizisten keine »Unmenschen« sind. Sie tun ihre Arbeit, mit der sie beauftragt sind. Im alltäglichen Umgang mit gemäßigten Cannabiskonsumenten würden sich viele von ihnen gern überflüssige Arbeit ersparen. Leichter fällt ihnen das, wenn sie sich nicht herausgefordert fühlen. Mit beidseitig besonnenem Verhalten lässt sich infolgedessen bei tolerierbaren Cannabis(tat)beständen viel unnötiger Ärger ersparen.
Der Spagat zwischen Illegalität und Tolerierung im Zusammenhang mit Cannabisangelegenheiten wird uns aller Voraussicht nach noch auf unabsehbare Zeit beschäftigen. Derzeit ist nirgends eine politische Mehrheit in Sicht, die an der in Deutschland geltenden Rechtslage etwas Grundsätzliches ändern würde. Mit der generellen Legalisierung oder Freigabe von Cannabis ist nicht zu rechnen.