Cannabis
im Straßenverkehr
Cannabis hat im Straßenverkehr nichts zu suchen, ebenso wenig wie Alkohol oder jedwede andere die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigende Substanz.
Ich widme mich hier nicht der Auflistung möglicher Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbestände beim Lenken eines Fahrzeugs unter Cannabiseinfluss und deren Ahndung, denn die entsprechenden Paragrafen können sich schnell ändern. Wichtiger sind mir die offenen und versteckten Fallstricke, die Cannabiskonsumenten zu beachten haben, sofern sie ihren Führerschein erwerben oder ihn behalten wollen.
Wer bereits als Minderjähriger das »elfte Gebot« nicht zu beachten wusste und als Cannabiskonsument aktenkundig wurde, kann bei der Beantragung seines Führerscheins sein blaues Wunder erleben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er von seiner zuständigen Fahrerlaubnisbehörde Post bekommt, welche ihm den Erwerb des begehrten Dokuments erheblich erschwert.
Wer als Cannabisgebraucher bereits im Besitz des Führerscheins ist, sollte es als sein ureigenes Interesse beachten, jedweder Verkehrskontrolle tunlichst aus dem Weg zu gehen. Um bei Kontrollen mehr Beweissicherheit zu gewinnen, wurden in den letzten Jahren technische Verfahren zur Anwendungsreife entwickelt, die leicht anwendbar sind und ohne größere körperliche Eingriffe wie Blutproben den Nachweis illegaler Drogen ermöglichen. Urin-, Schweiß-, Speichel- und Wischtests sind mittlerweile absolut praxistauglich. Wird einem Autofahrer akuter Cannabiskonsum nachgewiesen, handelt er sich in jedem Fall eine Menge vermeidbaren Ärger und erhebliche Kosten ein. Ist der Führerschein erst mal weg, ist es für einen Cannabiskonsumenten ein heikles und kostspieliges Unterfangen, ihn wieder zu erlangen.
Regelmäßiger Cannabisgebrauch hat ein neues, merkwürdiges Phänomen hervorgebracht. Kiffende junge Männer an der Schwelle zur Volljährigkeit haben es häufig gar nicht eilig, ihren Führerschein zu erwerben; ganz im Gegensatz zu ihren nicht kiffenden gleichaltrigen Geschlechtsgenossen, denen es mit der Lizenz zum Autofahren gar nicht rasch genug gehen kann. Mütter und Väter stehen fassungslos vor solchen Söhnen, die täglich neue Begründungen vorbringen, weshalb sie ihre Anmeldung für den Führerschein auf die lange Bank schieben. Die Verbindung zu einem Cannabisgebrauch ihres Sohnes stellen die Eltern nicht zwangsläufig her, und so würden sie ihn bisweilen am liebsten zum Führerschein zwingen. Neben der berechtigten Befürchtung, dass sie kein Drogenscreening überstehen würden, lassen sich die jungen Männer auch von ihren Zweifeln an der eigenen Konzentrations-, Merk- und Lernfähigkeit zurückschrecken. Die Vorstellung der in der Fahrschule sowie in der Führerscheinprüfung zu bewältigenden Theorie wird zur unüberwindbaren Hürde. Ist der Besitz des Führerscheins irgendwann Voraussetzung für eine berufliche Ausbildungsstelle, wird lieber gleich die ganze Lehre geschmissen als die Herausforderung angenommen. So zieht ein Schritt den nächsten nach sich und eine soziale Abwärtsspirale setzt sich in Gang.
Im Alltag besteht durchaus Anlass zur Sorge, wenn es um Kiffen und Autofahren geht. Bei Kontrollen werden zunehmend mehr Autofahrer aus dem Verkehr gezogen, die unter Drogeneinfluss am Lenkrad sitzen. Kontrollen bringen jedoch nur die Spitze des Eisbergs ans Licht. Die zusätzliche Dunkelziffer ist enorm. Einschlägig berüchtigte Strecken könnte man als Autofahrer zu bestimmten Zeiten an bestimmten Wochentagen glatt meiden, so viele Bekiffte sind da unterwegs. Insbesondere die 18- bis 25-jährigen männlichen Autofahrer erweisen sich überdurchschnittlich häufig als »BtM-isierte« Fahrzeuglenker. Ebenso charakteristisch wie bedenklich ist bei vielen von ihnen die niedrige Hemmschwelle, bekifft oder anderweitig zugedröhnt Auto zu fahren. Ein Unrechtsbewusstsein dafür lassen Drogenfahrer in aller Regel vermissen. Botschaften und Appelle zur Verantwortungsübernahme kommen bei ihnen nur begrenzt an, weshalb das Risikoträchtigste bei bekifften Autofahrern die absolute Bagatellisierung ihres Verhaltens ist. Sie geht mit Formen von Größenwahn sowie der totalen Ignoranz jeglicher Risikopotenziale und Konsequenzen einher. Dass es sich in den meisten entdeckten Fällen nicht um zufällige Drogenfahrten handelt, sondern um wissentliches und willentliches Tun, beweisen eindrücklich die »Räuber-und-Gendarm-Spiele«, mit welchen Drogensünder ihr Treiben gern zu vertuschen suchen. Hierzu gebräuchliche Utensilien im Fahrzeug bringen die Polizei natürlich erst recht auf die Spur von Drogenfahrern. Verantwortungsbewusste, kompetente Cannabiskonsumenten wissen um ihr Risiko und fahren unter akuter oder abklingender Rauschwirkung generell kein Auto.
Wenig berechtigten Anlass, sich zu beklagen, hatte ein 20-jähriger junger Mann, der seinen Führerschein anlässlich einer Verkehrskontrolle abgeben musste. In seinem Blut fanden sich neben 1,3 Promille Alkohol deutliche Spuren von Cannabis und Amphetaminen, welche auf unmittelbar vorausgegangenen Konsum der Substanzen schließen ließen. Sein Gang zur Drogenberatung war einzig von der Absicht getragen, herauszufinden, wie er am einfachsten die angeordnete medizinisch-psychologische Untersuchung bestehen und am schnellsten seinen Führerschein zurückbekommen könnte. In seinem Umgang mit Suchtstoffen sah er nicht das geringste Problem. Ungeschickt erklärte er obendrein: »Kiffen und Speed lasse ich mir nicht nehmen. Um keinen Preis würde ich jemals damit aufhören. Dann fahre ich lieber bis an mein Lebensende kein Auto mehr, wenn die meinen Führerschein behalten.« Dem jungen Mann vermochte niemand verantwortungsvoll eine positive Prognose zu bescheinigen. Er stellte nachdrücklich unter Beweis, dass er weder mit der legalen Droge »Alkohol« noch mit den illegalen Stoffen »Cannabis« und »Speed« so umzugehen in der Lage ist, dass er Autofahren und Drogengebrauch zuverlässig trennen könnte. Er verfügte dazu weder über die innere Einsichtsfähigkeit als Zeichen angemessener psychischer Reife noch über die Kompetenz des mit Bedacht konsumierenden Drogengebrauchers.
In jedem Fall werden spätestens mit 18 Jahren und dem Erwerb des Führerscheins die Karten beim Konsum von Cannabis völlig neu gemischt. Wer seinen Führerschein liebt, muss Sorge tragen, ihn nicht zu verlieren. Unter Umständen erfordert dies auch »taktisches Geschick«. In Familien stellt sich zwangsläufig die Frage, wie es die Eltern damit halten, dem Sohn oder der Tochter den Zündschlüssel zum Familienauto auszuhändigen. Wenn Eltern wissen, dass ihr Sohn kifft, werden sie sich womöglich in dieser Frage anders entscheiden, als wenn sie darauf vertrauen können, dass Kiffen für ihn kein Thema ist. Am schwersten wiegt jedoch, dass jeder Cannabiskonsument im eigenen fürsorglichen Interesse vermeiden sollte, im bekifften Zustand Auto zu fahren, da er nie auszuschließen vermag, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Dabei ist es völlig unerheblich, ob er oder ein zweiter Verkehrsteilnehmer den Unfall verschuldet. Trägt er gar die Schuld und verletzt sich selbst, mitfahrende Freunde oder Dritte schwer oder sogar tödlich, wird er für sein flüchtiges Vergnügen zum einen straf- wie zivilrechtlich, zum anderen seelisch und finanziell teuer bezahlen müssen. Unter Umständen wird er für den Rest seines Lebens nicht mehr froh. Da rettet ihn dann auch kein bekifftes »Weglachen« mehr.