Nyx

»Das Orakel arbeitet an der Uni?«, fragte Nyx.

»Am Institut für Klassische Philologie«, antwortete Birdie. »Ich schätze, das fand er witzig. Er heißt übrigens Ingleby.«

»Ihr kennt euch schon?«

»Nicht persönlich. Nan hat ihn ein paarmal getroffen, als sie jünger waren. Fand, dass er ein arroganter Esel ist. Ihre Worte.«

»Vielversprechend.«

Zusammen mit den üblichen Menschenmassen gingen Nyx und Birdie den Strand hinunter, jene einstige Prachtstraße, die quer durch die City of London führte. Früher war the Strand ein beliebter Bauplatz für die Stadtpaläste von Bischöfen und Adligen. Später übernahmen Verlage und Buchläden das Areal, und heutzutage befand sich hier der Campus des King’s College. Schön repräsentativ, direkt oberhalb des Themseufers.

Nyx fühlte sich hin und her gerissen. Einerseits musste sie wissen, ob Birdie recht hatte und tatsächlich ein Chaosträger aktiviert worden war. Andererseits hatte sie das Gefühl, sie würde die Finger in Richtung einer offenen Flamme ausstrecken. Oder mit verbundenen Augen auf einen Abgrund zugehen. Ja, das traf es besser.

Der Asphalt unter ihren Füßen war nass von einem Regenschauer, aber die Luft roch trotzdem nach Gulliwasser und Abgasen. Während Birdie sie die Straße entlanglotste, nestelte Nyx an dem Gummiband herum, das sie an ihrem Handgelenk trug. Es half, dass Birdie die ganze Situation so unaufgeregt

»Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Orakeln und Seherinnen?«, fragte sie, hauptsächlich um ihre Gedankenkreise zu durchbrechen.

»Veranlagung und Praxis«, erklärte Birdie. »So, wie ich das einschätze, kommen sowohl Orakel als auch Seherinnen mit einem extra Sinn auf die Welt. Aber unsere Wahrnehmung funktioniert anders. Seherinnen lesen Omen und Zeichen. Wir enträtseln quasi die Spuren oder Schwingungen, die die Urkräfte in unsere Welt aussenden. Orakel blicken hinter die irdische Sphäre. Sie haben eine direkte Verbindung zu den Urkräften. Behaupten sie zumindest.«

»Und die unterschiedlichen Praktiken?«, fragte Nyx.

Birdie zuckte mit den Schultern. »Nan und ich haben uns auf Aeromantie spezialisiert. Wir lesen Wetterphänomene, Vogelflüge und so weiter. Orakel versetzen sich in Trance, um ihr Bewusstsein zu erweitern.«

»Ich verstehe es immer noch nicht so ganz«, gestand Nyx. »Heißt das, du kannst die Zukunft vorhersagen?«

Birdie lachte. »Nicht wirklich. Ich lese Muster, Tendenzen, Anomalien. Wenn es gut läuft, bekomme ich ein Gespür dafür, welche Ereignisse eintreffen könnten. Und mit Mustern meine ich vages Zeug, wie Lerchen, die in einem Haus nisten. So ein Omen kündigt an, dass jemand in diesen vier Wänden sterben wird, aber es verrät nicht, wer. Oder nimm die Spatzen im Park. Bestimmte Rhythmen in ihrem Flug sagen mir, dass in ihrer Nähe eine Seele unter besonderen Umständen aus einem Körper gewichen ist. Und dann gibt es noch eine Reihe an obskuren Wolken- und Wetterformationen, die mir sagen: Hey, die Energieflüsse, die unsere Realität aufrechterhalten, spielen verrückt. Könnte sein, dass wir kurz vor einer Chaosflut stehen? Eventuell.« Birdie seufzte. »Aber ich könnte dir nicht sagen:

»Klingt sehr new-agey«, sagte Nyx.

Birdie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Eher old-agey, wenn man’s genau nimmt.«

Nyx schmunzelte. Mit Birdie zu reden, fiel ihr leicht. Vermutlich weil sie in ihrer Gegenwart nicht verbergen musste, was sie war. Birdie hatte scheinbar kein Problem mit Nachtboten. Sie machte kein Gewese um Nyx’ Geheimidentität und fragte nicht einmal, welche Talente sie besaß. In der Hinsicht ähnelte sie James’ Ex. Sami war kein Seher oder etwas in der Art, aber er hatte die Existenz von Nachtboten und allem, was dazugehörte, ziemlich gelassen hingenommen. Für ihn schienen James’ und Nyx’ Talente nur ein Merkmal von vielen zu sein, wie die Form ihrer Hände, James’ Salzkaramellsucht oder Nyx’ Angewohnheit, in jedem Raum die Fenster zu öffnen, egal, welches Wetter draußen herrschte.

Nyx hatte sich in seiner Nähe immer wohl gefühlt, aber seit James mit ihm Schluss gemacht hatte, trafen sie sich kaum noch. Sie chatteten ab und zu, und Nyx versuchte, nicht enttäuscht zu sein, wenn Sami Nachrichten von James bekam und sie nicht.

»Wir sind da«, verkündete Birdie.

Nyx sah hoch und fand sich einem scheußlichen Beton- und Glasbau aus den Sechzigern gegenüber. Ein rotes Schild wies den Klotz als ein Gebäude des King’s College aus.

»Muss ich auf irgendetwas achten, wenn wir das Orakel treffen?«, fragte Nyx, während sie auf den Eingang zugingen.

»Vermutlich musst du die Ohren ab und zu auf Durchzug stellen«, schlug Birdie vor. »Falls das mit dem Esel zutrifft.«

»Na dann«, murmelte Birdie. »Hoffen wir auf ein paar Antworten.«

Sie klopfte, und ein kleiner, weißer Mann mit hoher Stirn und einer Brille mit runden Gläsern öffnete die Tür. Mit einem Lächeln schüttelte er Birdies Hand.

»Sie sind Bridget, nehme ich an?«, fragte er. »Die Ähnlichkeit mit Ihrer Großmutter ist frappierend.«

»Hallo, Professor Ingleby«, sagte Birdie. »Danke, dass Sie sich mit uns treffen.«

»Aber natürlich«, antwortete er und wandte sich an Nyx. »Und Sie sind die angekündigte Begleitung? Ihr Name ist Nyx?«

Nyx nickte. Als sie Inglebys dargebotene Hand ergriff, hob der Professor beide Brauen. »Ah, verstehe! Ein passender Name für ein Mädchen mit Nachthimmelaugen.« Sein Lächeln verrutschte keinen Millimeter, aber Nyx hatte den Eindruck, als würde ein neugieriges Leuchten in seine Augen treten. Sie hatte keine Ahnung, was sein Kommentar sollte. Soweit sie wusste, waren ihre Augen ganz normal.

»Passiert nicht alle Tage, dass ich eine Nachtbotin bei mir willkommen heißen darf. Hereinspaziert, hereinspaziert.« Ingleby machte ihnen Platz, und Nyx folgte Birdie ins Innere des Büros. Sofort schlug ihr ein süßlich-staubiger Geruch entgegen, als hätte der Professor irgendwo eine alte Schale Potpourri herumstehen. Die Wände des ohnehin engen Raums waren zugestellt mit Bücherregalen. Es gab einen Schreibtisch, auf dessen Kante die Gipsbüste einer Frau stand. An der einzigen freien Wand hingen vergilbte Fotos eines antiken Tempels. Vermutlich Delphi, dachte Nyx. Wenn Professor Ingleby tatsächlich einen Sinn für Humor hatte.

Professor Ingleby schloss die Bürotür und wies auf eine Sitzecke neben dem Fenster.

»Bitte nehmen Sie Platz, meine Damen. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Tee? Kaffee?«

Nyx und Birdie verneinten höflich und setzten sich. Ingleby belegte den letzten freien Stuhl. Er sah Birdie an und schüttelte den Kopf.

»Sie sind Ihrer Großmutter wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte er. »So traurig, dass sie von uns gehen musste. Mein Beileid.«

Überrascht warf Nyx Birdie einen Blick zu. Sie hatte nicht erwähnt, dass ihre Großmutter gestorben war.

»Danke«, erwiderte Birdie, ohne eine Miene zu verziehen.

Ingleby faltete die Arme auf dem Tisch. »Da Sie hier sind, gehe ich davon aus, dass Sie in ihre Fußstapfen treten wollen?«

»Ich glaube, dass kann niemand«, antwortete Birdie. »Aber Nan hat mich ausgebildet.«

Ingleby nickte. »Weise Voraussicht. Ich gebe zu, ich war nicht immer einer Meinung mit Ihrer Großmutter. Sie hat sehr alte Traditionen bewahrt, das rechne ich ihr hoch an. Aber ihre Herangehensweise an Bedrohungen durch die Urkraft des Chaos erschien mir, hm, wie soll ich es ausdrücken? Mehr intuitiv als fundiert. Aber es ist nie verkehrt, Wissen auszutauschen. Und gerade jetzt können wir jede noch so kleine Information gut gebrauchen.« Als weder Nyx noch Birdie reagierten, hob

Birdie sackte in ihren Stuhl zurück. »Dann stimmt es. In London wurde ein Chaosträger aktiviert?«

»Ich fürchte ja«, antwortete Ingleby. »Ich habe sogar den Verdacht, dass das keine neuere Entwicklung ist. Vor einigen Jahren habe ich in einer Vision bereits einen Hinweis auf einen erwachenden Chaosträger erspäht. Aber es war nur ein flüchtiger Eindruck, der in keiner anderen Vision wiederkehrte. Ich nahm an, es handelte sich um einen falschen Alarm oder eine Fehlinterpretation meinerseits.«

Nyx hatte das Gefühl, als hätten sich ihre Eingeweide in Wasser verwandelt. Sie musste bleich geworden sein oder das Gesicht verzogen haben, denn Birdie lehnte sich besorgt zu ihr. »Alles okay?«

Auch Ingleby musterte sie, doch aus seinem Blick sprach erneut die blanke Neugier. »Wissen Sie etwas darüber, meine Liebe?«

Nyx’ Nackenhaare sträubten sich bei der Anrede, doch, ja, sie ahnte, was Ingleby in seiner Vision wahrgenommen hatte. »Ihre Vision«, sagte sie. »Wie viele Jahre liegt sie zurück?«

»Oh.« Ingleby überlegte. »Neun oder zehn, denke ich.«

Nyx presste die Lippen aufeinander.

Ingleby beugte sich vor. »Ist ihnen der Chaosträger damals begegnet?«, fragte er. »Könnten sie ihn wiedererkennen?«

Nyx schloss die Augen, dann sagte sie mit so fester Stimme wie möglich: »Ich kannte jemanden, der ein Chaosträger hätte werden können. Aber er ist gestorben.«

In der darauffolgenden Stille starrte Nyx auf den Tisch. Blickkontakt würde sie jetzt nicht ertragen.

»Hm«, machte Professor Ingleby schließlich. »Ja, ich fürchte, das ist nicht ungewöhnlich. Chaosträger haben die Tendenz, schnell von der Bildfläche zu verschwinden. Manche

Nyx spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog. Wut kochte in ihr hoch, denn Inglebys pragmatischer Tonfall erinnerte sie viel zu sehr an Diane.

Sie hob den Kopf. »Das ist nicht immer so«, widersprach sie. »Es gibt genug Leute, die Jagd auf potenzielle Chaosträger machen.«

Die Jagd auf Nachtboten machten, ergänzte sie stumm. Denn warum warten, bis einer von ihnen sich in einen Träger verwandelte? Viel einfacher war es doch, sie auszulöschen, lange bevor sie den Zerfall der Welt einläuten konnten. Nyx ballte ihre Fäuste.

»Auch das«, bestätigte Ingleby. »Gewaltvolle Eingriffe sind immer bedauerlich. Und so, wie ich das schon erfahren habe, wird dabei oft unnötig brutal und, hm, primitiv vorgegangen. Ich schätze, diejenigen, die ein wenig reflektierter agieren, sehen einen klinischen Eingriff vor der Katastrophe als das kleinere Übel.«

»Es ist egal, wie es passiert«, sagte Birdie. »Wir reden immer noch von Mord.«

Ingleby gab ein trauriges Schnalzen von sich. »Das stimmt wohl«, räumte er ein. »Humaner wäre es wohl, zuerst den internen Chaosfluss des Trägers sicher auszuleiten oder zu versiegeln. Aber denken Sie daran: Nicht jeder Chaosträger hat das Privileg, jemanden wie Sie an seiner Seite zu haben. Und wie ich schon sagte, sind die Methoden Ihrer Großmutter nicht immer erfolgreich. Leider.«

Nyx hatte das Gefühl, die anderen müssten ihren Unterkiefer knacken hören, so sehr knirschte sie mit den Zähnen. Solche Monologe hatte sie schon zu oft gehört. Rationale Argumente, die erklärten, warum es leider notwendig war, Träger zu töten.

Dies Opfer bringt zur Rettung aller Geschöpfe.

Der Haken war: Es stimmte. Den Träger umzubringen war die sicherste Methode, um den Ausbruch des Chaos zu unterbinden. Das änderte jedoch nichts daran, dass Nyx die Galle hochkam, wenn jemand wie Ingleby in aller Gelassenheit über die Auslöschung von Chaosträgern schwadronierte. Von Nachtboten wie ihr und ihren Brüdern.

Birdie schien sich auch zusammenreißen zu müssen, denn als sie sprach, klang ihre Stimme deutlich kälter als vorhin. »Nan hat nie erwähnt, dass es vor Jahren einen Chaosträger gab.«

»Vielleicht hat sie es nicht bemerkt«, mutmaßte Ingleby. »Oder vielleicht wollte sie nicht, dass Sie sich Sorgen machen.«

Birdie zuckte zusammen, aber Ingleby konzentrierte sich wieder auf Nyx. »Der Chaosträger, von dem Sie sprachen, wie ist er gestorben?«

Als Nyx nicht antwortete, neigte Ingleby den Kopf. »Ich kann Ihnen Ihre Zurückhaltung nicht verübeln. Nachtboten haben es schwer. Gerade jetzt, wo der Orden des Tages mobilmacht.«

»Was?«, fragte Nyx erschrocken. »Wovon reden Sie?«

Ingleby zuckte mit den Schultern. »Das Erwachen des Trägers wird dem Orden nicht entgangen sein. Und wie wir eben festgestellt haben, gibt es Gruppierungen, die darauf hinarbeiten, Träger frühzeitig unschädlich zu machen. Der Orden des Ersten Tages gehört zweifellos in diese Kategorie.« Seine Miene wurde ernst. »Ich habe gehört, dass ein paar Nachtboten aus London verschwunden sind. Ist Ihnen das auch zu Ohren gekommen?«

»Nein«, antwortete sie. »Ich habe keinen Kontakt zu anderen Nachtboten.« Das war eine glatte Lüge, aber fürs Erste hatte sie mehr als genug preisgegeben.

»Nicht überraschend«, sagte Ingleby. »Nachtboten sind nicht gerade das, was man als Gesellschaftswesen bezeichnet, nicht wahr?«

Birdie rümpfte die Nase. »Menschen aufgrund eines Identitätsmerkmals über einen Kamm zu scheren ist nicht gerade fortschrittlich, Professor.«

»Ah, ja, sehr richtig«, sagte Ingleby und lächelte. »Ich fürchte, ich gehöre zu einer etwas altmodischeren Generation, verzeihen Sie den Fauxpas. Wie kann ich Ihnen helfen? Ich nehme an, Sie sind auf mehr aus als meine Bestätigung, dass ein Träger erwacht ist?«

Birdie zögerte sichtlich, ihre Absichten offenzulegen. Wegen Ingleby? Oder wegen Nyx?

»Ich kann draußen warten«, bot Nyx an, obwohl ihr der Vorschlag widerstrebte.

Das schien Birdie aus ihrer Unentschlossenheit zu rütteln. »Nein, ist schon okay«, sagte sie und wandte sich an Ingleby. »Können Sie mir helfen, den neuen Chaosträger zu finden?«

»Dachte ich es mir«, sagte Ingleby. »Sie wollen das Versprechen Ihrer Urahninnen einlösen.«

»Was?«, fragte Nyx.

»Oh, davon wissen Sie nichts?« Ingleby machte eine ausladende Handbewegung in Birdies Richtung. »Unsere junge Bridget hier entspringt einer langen Ahnenreihe von Frauen, die bis in die Zeit der Matriarchate zurückgeht. Ihre Vorgängerinnen waren Priesterinnen, die die Aufgabe hatten, die Spuren und Bewegungen der Urkräfte in den Naturphänomenen

»Die Pforte«, wiederholte Nyx. »Den Chaosträger?«

Ingleby grinste. »Präzise.«

Nyx schaute ungläubig zu Birdie, doch die verzog keine Miene.

Ingleby faltete die Hände auf dem Tisch. »Junge Dame, Sie wurden in eine schicksalsschwere Blutlinie hineingeboren. Als jemand, der schon lange mit dem Bluterbe antiker Mythen lebt, lassen Sie mich Ihnen einen Rat geben: Manchmal ist es weiser, sich rauszuhalten. In unserem Zeitalter der Aufklärung gibt es keinen Platz für Orakel und Priesterinnen. Und die Zeit der Helden und Heldentaten ist definitiv vorüber. Oder glauben Sie wirklich, dass Sie den Träger alleine aufhalten können?«

Bluterbe von antiken Mythen, dachte Nyx. Wofür hielt sich dieser Typ?

»Dazu wurde ich ausgebildet«, sagte Birdie knapp. »Können Sie mir helfen, den Träger zu finden, oder nicht?«

Auf diese Antwort war Nyx auch gespannt. Gleichzeitig fragte sie sich, was Birdie tun wollte, falls sie den Träger fand. Wie genau hatten die Priesterinnen von damals die »Pforte« geschlossen?

Ingleby seufzte. »Ich kann es versuchen. Meine letzte Weissagung liegt eine Weile zurück.« Wieder trat dieses übereifrige Funkeln in seine Augen. »Wie gut, dass wir eine Nocturnalis bei uns haben. Mit Ihnen, meine Liebe, wird es mir sehr viel leichter fallen, auf die Nachrichten der Nacht zuzugreifen.«

Seine Begeisterung bescherte Nyx ein mehr als nur unangenehmes Gefühl.

»Nein.«

Er stand auf und wuselte hinüber zu seinem Schreibtisch. »Kein Problem. Ich kann Sie anleiten, bei mir sind Sie in sicheren Händen.«

Nyx sah zu Birdie, die ihren Blick mit einem Stirnrunzeln erwiderte. »Wofür brauchen Sie mich?«, fragte Nyx Ingleby.

Der zog eine Schublade auf und kramte darin herum. »Nachtboten haben eine geistige Verbindung zur Wahren Nacht und ein Mindestmaß an Chaossediment im Blut. Beste Voraussetzungen für das Einleiten einer Vision. Zusammen werden wir unsere starre Sicht überwinden und unseren Geist für eine andere Form des Sehens öffnen. Aha!« Er zog ein Bündel aus getrockneten Kräutern aus der Schublade und blies den Staub von den Blättern.

Beunruhigt nagte Nyx an der Innenseite ihrer Unterlippe. Sie traute Ingleby nicht, aber mit einem hatte er recht: Sie brauchten Informationen. Sie konnte nicht einfach abwarten, während die Chaosflut Welle um Welle ausschickte. Nyx verabscheute zwar die Methoden, die andere anwandten, um Chaosträger zu stoppen, doch letztlich war sie auch davon überzeugt, dass diese Welt es wert war, gerettet zu werden.

Birdie lehnte sich über den Tisch und streckte den Arm aus, bis ihre Fingerspitzen Nyx’ Ärmel berührten. »Dafür habe ich dich nicht mitgenommen.«

Nyx zog ihren Arm außer Reichweite. »Ist schon okay«, sagte sie und drehte sich zu Ingleby. »Was soll ich tun?«